Protocol of the Session on July 2, 2015

Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 93. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode und begrüße alle Anwesenden herzlich.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Uns hat gestern die traurige Nachricht erreicht, dass am 28. Juni 2015 unser ehemalige Kollege, das ehemalige Mitglied des Landtages Herr HansMichael Maertens im Alter von 76 Jahren verstorben ist. Herr Maertens war Mitglied des Landtages der vierten Wahlperiode und gehörte der Fraktion der CDU an. Zuvor war er viele Jahre lang Stadtrat in der Stadt Thale und von 1994 bis 2001 Bürgermeister. Danach brachte er seine kommunalen Erfahrungen in die Landtagsarbeit mit ein. Während seiner Mitgliedschaft im Landtag arbeitete er im Finanzausschuss mit und war dessen stellvertretender Vorsitzender. Außerdem war er Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses.

Ich darf Sie bitten, sich im Gedenken an den Verstorbenen zu einer Schweigeminute von den Plätzen zu erheben.

(Alle Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen)

Ich danke Ihnen.

Ich erinnere daran, dass sich für heute Minister Herr Bullerjahn ab 12 Uhr und Ministerin Frau Professor Dr. Kolb ganztägig entschuldigt haben.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Beratung

Steuerliche Absetzbarkeit der Handwerkerrechnungen beibehalten

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/4200

Für die Einbringer hat der Abgeordnete Herr Thomas das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Handwerk hat goldenen Boden. Selbstverständlich muss dieser Satz zu Beginn fallen, zu diesem Thema, das wir heute besprechen wollen. Dieser Satz dürfte wohl einer der bekanntesten Sätze sein, wenn es darum geht, die Leistungen der vielen Handwerksunternehmen in unserem Land hinreichend zu würdigen.

Für manche mag dieser Satz abgedroschen klingen, aber er charakterisiert das Wesen des Hand

werks, seine Bedeutung und Stellung in unserer Gesellschaft nach wie vor treffend. Wenn wir in Anbetracht der heißen Tage daran denken, dass in einem Auto die Klimaanlage oder in einem Haus die Lüftung ausfällt, dann ist es ein gutes Gefühl zu wissen, dass es Handwerker und Handwerksbetriebe gibt, die uns auch an solchen Tagen zur Seite stehen und für die gewünschte Kühlung und Linderung sorgen.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Meine Damen und Herren! Die Koalitionsfraktionen haben dem Landtag heute einen Antrag vorgelegt, der sich mit dem Erhalt der steuerlichen Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen befasst. Zunächst möchte ich jedoch die Gelegenheit nutzen, um einige Worte zum Handwerk selbst zu verlieren.

Wenn wir in Sachsen-Anhalt über das Handwerk reden, dann reden wir über gut 30 000 Handwerksbetriebe, die hierzulande 140 000 Menschen beschäftigen. Wir reden über ein Handwerk, das seit 1991 mehr als 100 000 Lehrlinge ausgebildet, geprüft und erfolgreich in das Berufsleben entsandt hat. Das Handwerk ist ein guter Steuerzahler und in vielen Regionen als Sponsor und Träger gesellschaftlicher Aktivitäten fest verankert.

Im Handwerk selbst sind es vor allem die organisierten Unternehmen, die sich in Innung, Kreishandwerkerschaft, Verband und Kammer für ihre Berufskollegen, den Nachwuchs und das gesamte Handwerk engagieren. In Prüfungen, Ausschüssen oder anderen ehrenamtlichen Funktionen erbringen sie jährlich einige zehntausend Stunden an zumeist unentgeltlicher Arbeitsleistung für das Gemeinwohl. Dafür möchte ich ihnen von dieser Stelle aus meinen herzlichen Dank aussprechen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir haben in unseren Reihen den Handwerkspräsidenten. Ich sehe, Herr Keindorf ist unter uns. Ich glaube, dieser Dank wird gut bei den Handwerksbetrieben ankommen.

Ich möchte an dieser Stelle auch die Arbeit der Kammern positiv erwähnen, die Großartiges im Hinblick auf die Qualifizierung, die Meisterausbildung, die Fortbildung oder die duale Berufsausbildung leisten. Wir werden zu einem späteren Zeitpunkt über einen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN reden, die diese gut Arbeit in Zweifel ziehen, indem sie wieder einmal die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft fordern. Ich darf Ihnen schon heute verraten, Herr Kollege Meister, dass wir diesem Antrag wahrscheinlich nicht zustimmen werden. Aber darüber reden wir später.

Wir wissen im Gegensatz zu Ihnen genau, welche Arbeit die Kammern leisten und mit welchem Anspruch sie dies tun. Angesichts der Herausforderungen, die das Handwerk in den nächsten Jahren

zu bestehen hat - ich erwähne beispielhaft den demografischen Wandel, die Fachkräftesituation, die Unternehmensnachfolge, neue Standards und Berufsfelder oder auch die Qualifizierung -, wäre es töricht, dies dem Zufall zu überlassen.

Meine Damen und Herren! Das deutsche Handwerkermodell ist deswegen weltweit geachtet und erfolgreich, weil es qualifiziert organisiert wird. Der Meister und die duale Berufsausbildung sind, wenn Sie so wollen, zwei Topprodukte, die ohne das koordinierte Wirken der Kammern nicht möglich wären. Dabei rede ich bewusst nicht über Geld; denn ein Handwerksunternehmen ohne qualifizierten Nachwuchs ist in einer immer stärker technisierten Welt zum Scheitern verurteilt.

(Zustimmung von Herrn Keindorf, CDU)

Ich sprach von den Herausforderungen, die unser Handwerk in den kommenden Jahren zu bewältigen hat. Damit komme ich zur eigentlichen Intention unseres Antrags, dem Erhalt der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Handwerkerrechnungen.

Ja, momentan läuft es positiv im Handwerk. Wenn ich mir die Konjunkturumfrage der Handwerkskammer Halle anschaue, dann stelle ich fest, dass die Stimmung und die Auftragslage gut sind. Die Auslastung der Unternehmen liegt bei 79 %. Das, meine Damen und Herren, kann sich aber schnell ändern. Als die steuerliche Abzugsfähigkeit im Jahr 2006 eingeführt wurde - das war übrigens noch vor der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise -, durchschritt das deutsche Handwerk gerade eine wirtschaftlich angespannte Zeit. Diese steuerliche Regelung sollte für eine Belebung der Auftragslage sorgen.

Seitdem können die Arbeitskosten für fast alle Renovierungsarbeiten an Haus und Hof von Privatkunden von der Steuer abgesetzt werden. Ich möchte uns noch einmal ins Gedächtnis rufen, dass pro Haushalt bis zu 1 200 € im Jahr von der Steuerschuld abgezogen werden können. Absetzbar - ich erwähnte es bereits - sind nur die Arbeitskosten, nicht das Material. Und die Rechnung darf nicht bar bezahlt werden. 20 % der Arbeitskosten bis zu einem Höchstwert von 6 000 € können Privatkunden jährlich für Renovierungs- und Sanierungsarbeiten innerhalb der eigenen vier Wände geltend machen. Für Handwerkerleistungen, die keine Renovierungsarbeiten sind, aber im Haushalt erbracht werden, etwa die Reinigung der Wohnung oder das Putzen der Fenster, kann man zusätzlich den Steuerbonus für haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Dieser beträgt noch einmal 1 200 € im Jahr.

Diese Regelung, meine Damen und Herren, hat sich bewährt. Wir können heute feststellen, dass vor allem kleine Unternehmen und Handwerksbetriebe sowie die Bürger von dieser Regelung profitieren.

Einige von Ihnen werden sicherlich darüber verwundert sein, dass die Koalitionsfraktionen heute einen solchen Antrag stellen. Richtig ist, dass dieser Antrag die Fiskalpolitik der Bundesregierung berührt. Das ist weniger ein Landesthema. Wir sind auch dankbar dafür, dass sich sowohl der Bundesfinanzminister als auch der Bundeswirtschaftsminister als auch die Kanzlerin positiv zum Fortbestand der steuerlichen Regelung geäußert haben.

Dennoch ist nach unserer Auffassung nicht alles in Butter. In den zurückliegenden Monaten geriet und gerät diese Regelung immer wieder in den Fokus bundesdeutscher Finanzpolitiker. Das Geld ist überall knapp, und wenn es ginge, würde mancher die steuerliche Förderung für das Handwerk und die Bürger in Höhe von 1,5 Milliarden € einsparen. Genau das wollen wir nicht zulassen. Wir bitten die Landesregierung, auch in Zukunft auf der Bundesebene für den Erhalt dieser Regelung zu kämpfen.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Die CDU steht weder für indirekte noch für direkte Steuererhöhungen. Ein Infragestellen der steuerlichen Absetzbarkeit liefe auf eine Steuererhöhung hinaus. Der jetzige Freibetrag ist für die Konjunktur, für die Bürger und das Handwerk sinnvoll.

Dass die Sorge um eine erneute Diskussion nicht aus der Luft gegriffen ist, beweist die Diskussion, die Ende des letzten Jahres geführt worden ist. Der eine oder andere wird sich noch daran erinnern, dass seinerzeit über den nationalen Aktionsplan Klimaschutz diskutiert wurde. Dieser enthält zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes eine steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung.

Mittel in Höhe von 1 Milliarde € sollten dafür ab 2015 in einem Zeitraum von fünf Jahren jährlich zur Verfügung gestellt werden. Angesichts der schwarzen Null im Bundeshaushalt sollten diese Mittel an anderer Stelle eingespart werden, in diesem Fall durch die Streichung der steuerlichen Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen. Klimaschutz kontra Steuererleichterungen - das, meine Damen und Herren, ist mit der Union genauso wenig zu machen wie Klimaschutz gegen Arbeitsplätze.

(Zustimmung bei der CDU)

Inzwischen gibt es sogar ein Gutachten, das von Mitnahmeeffekten spricht, das die konjunkturelle Wirkung infrage stellt und einen der Kerngedanken dieser Regelung, die Bekämpfung der Schwarzarbeit, als untauglich ansieht. Damit ziehen die Gegner dieser Regelung weiter durch die Lande. Wir haben die ernste Befürchtung, dass in Zeiten konjunktureller Abkühlung und sinkender Steuereinnahmen die Diskussion erneut aufflammt.

Meine Damen und Herren! Wer mit Unternehmen und Kammern spricht, der wird schnell feststellen, dass sich für das Handwerk ein völlig anderes Bild ergibt als oft behauptet. Insbesondere die handwerklichen Dienstleistungen profitieren von der Regelung, da viele Leistungen eben nur zusätzlich in Auftrag gegeben werden, weil man sie steuerlich geltend machen kann. Die Schwarzarbeit sinkt seit Jahren. Betrug deren Gesamtvolumen - hierbei greife ich auf Zahlen von Statista zurück - im Jahr 2006 noch geschätzte 346 Milliarden €, so ging dieses Volumen inzwischen auf - das ist noch immer zu hoch, aber immerhin - 342 Milliarden € zurück. Sie können davon ausgehen, dass auch die steuerliche Begünstigung von Handwerkerrechnungen daran ihren Anteil hat.

Mein kurzes Fazit zum Schluss: Ein klares Ja zum Erhalt der steuerlichen Regelung für Bürger und Handwerk auch in Zukunft. Die Regelung ist in schwierigen Zeiten nicht zur Disposition zu stellen, da sie für das Handwerk als Konjunkturprogramm und zur Bekämpfung der Schwarzarbeit wirkt. Keine Steuererhöhungen für die Bürger! Meine Bitte an die Landesregierung ist, keine Tendenzen zu unterstützen, die künftig ein Infragestellen der Regelung fordern.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und freue mich über Ihre Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Thomas. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Bullerjahn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier wurde gerade ein klares Bekenntnis gefordert. Worum geht es? - Die Diskussion um die Handwerkerleistungen und deren steuerliche Begleitung ist seit 2006 in vielfältiger Weise immer wieder geführt worden. Der Bundesrechnungshof hat seit 2011 ihre Abschaffung gefordert. Er wird dabei in seiner Argumentation durch ein von der Bundesregierung beauftragtes wissenschaftliches Gutachten unterstützt, das im Jahr 2013 der Steuerbegünstigung im Hinblick auf das Ziel ihrer Einführung, die Schwarzarbeit im Bereich der Handwerkerleistungen zu bekämpfen, eine allenfalls geringfügige Wirkung bescheinigt, die darüber hinaus nur durch Mitnahmeeffekte erreicht wird.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der Finanzhof hingegen hat in den zurückliegenden Jahren mehrfach bei den Streitigkeiten zum Anwendungsbereich der Förderung zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden und so zu einer Ausweitung des Förderumfangs beigetragen. Außer

dem gibt es noch die Kreise, die die Steuerbegünstigung gern zur Gegenfinanzierung anderer Fördermaßnahmen heranziehen würden, sei es im Rahmen eines Gesetzes zur weiteren Vereinfachung des Steuerrechts oder, wie zuletzt im Jahr 2014, bei den Gesprächen zur steuerlichen Förderung von Effizienzmaßnahmen im Gebäudesektor. Das macht, glaube ich, den Kreis derer aus, die sich bei diesem Thema dafür bzw. dagegen aussprechen.

Trotz der wiederholt vorgetragenen Kritik an der Steuerbegünstigung oder dem Versuch, dieses Fördervolumen für andere Dinge zu nutzen, hat es noch keine gesetzgeberische Initiative gegeben, die auf eine vollständige Abschaffung dieser Steuerbegünstigung gezielt hätte. Ich denke, das zeigt auch das, was jetzt erwartet wird: dass bisher maßgebliche Mehrheiten oder Stellen oder auch Politikerinnen und Politiker das nicht wollten.

Nun habe ich jedoch ein Problem, weil ich jetzt kein Glaubensbekenntnis für Dinge abgeben kann, die noch niemand fordert. Ich gebe einmal ein politisches Signal, und das als ein Finanzminister, dem in der Regel unterstellt wird, im Kreise der Finanzministerinnen und Finanzminister genau das Gegenteil zu tun. So verstehe ich den Antrag der beiden Regierungsfraktionen. Man kann sagen, dass die Runde, die ich seit fast zehn Jahren begleite, bisher zu diesem Thema stand und auch in den nächsten zehn Jahren, wie ich glaube, dazu stehen wird.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir sind schon manchmal gehalten gewesen - damals ging es zum Beispiel um das Thema Steuervereinfachung -, die Mehrwertsteuersätze anzupassen. Es gab einmal einen Vorstoß, der aber bereits auf der Ministerpräsidentenkonferenz wieder eingesammelt worden ist. Insofern haben wir als Finanzministerinnen und Finanzminister gesagt: Ja, über Steuerstrukturen muss man immer sprechen; aber dieser politische Ansatz wird bestimmt nicht der sein, über den wir das Ganze machen werden.