Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 96. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode. Ich begrüße Sie ganz herzlich dazu.
Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest und darf auf ein freudiges Ereignis hinweisen. Wir haben ein Geburtstagskind unter uns: Herr Uwe Loos hat heute Geburtstag. Das Hohe Haus und auch ich gratulieren Ihnen ganz herzlich. Bleiben Sie gesund und frohgemut.
Wir setzen nunmehr die 46. Sitzungsperiode fort. Wir beginnen die heutige Beratung mit dem Tagesordnungspunkt 29 - Aktuelle Debatte. Danach folgt der Tagesordnungspunkt 17. Sie haben sicherlich die überarbeitete, sprich gestraffte, Tagesordnung für heute in der Hand.
Ich darf daran erinnern, dass sich für heute Herr Ministerpräsident Dr. Haseloff bis 13.30 Uhr und Herr Staatsminister Robra ganztägig entschuldigt haben.
Die Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Es wurde folgende Reihenfolge vereinbart: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, DIE LINKE und CDU.
Zunächst hat die Antragstellerin, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort. Bitte schön, Herr Striegel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung und insbesondere Minister Bullerjahn zeigen in diesen Tagen eindrucksvoll, wie sich mit wenig Aufwand und einer überschaubaren Summe Geld ein maximaler Schaden an der Demokratie und am Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Politik und Medien herstellen lässt.
terinnen und Minister beim privaten Radiosender SAW in Auftrag gegeben haben und deren Programm die Landesregierung im Gegenzug mehr oder weniger klar mitbestimmen konnte. Bei allen vier Sendungen war für die Hörerinnen und Hörer nicht erkennbar, dass hier kein echtes Redaktionsprodukt, sondern eine mehr oder weniger stark gesteuerte Dauerwerbesendung zu hören war.
Hört man sich durch die vier Ausgaben von „SAW Spezial“, so zeigen sich durchaus relevante Themen. Da wird über berufliche Weiterbildung, die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder den Opferschutz gesprochen, auch das Investitionsprogramm Stark III ist ein Thema, eingeleitet und diskutiert von Ministerinnen und Ministern selbst, die sich gefreut haben dürften, einmal mehr als 30 Sekunden zu politischen Problemlagen Stellung nehmen zu dürfen. - So weit, so verständlich.
Obskur und kritikwürdig wird das Ganze dann, wenn sich herausstellt, dass nicht nur die Themensetzung - der Sender spricht hier nebulös vom Einfluss des - Zitat - „Ideengebers“ -, sondern beispielsweise auch Gesprächspartner in der Sendung zur Bedingung gemacht werden, und dass damit Einfluss auf redaktionelles Geschehen genommen wird - als Gegenleistung für ein Sponsoring aus Steuergeldern und ohne dass der werbende Charakter der Sendung für Dritte nachvollziehbar gemacht wurde. Kritikerinnen und Kritiker kamen schon gar nicht zu Wort. Austausch von Argumenten? - Fehlanzeige. Das monierte beispielsweise das Aktionsbündnis „Grundschulen vor Ort“ im Fall der Werbesendung von Minister Bullerjahn zum Investitionsprogramm Stark III.
Meine Damen und Herren Ministerinnen und Minister! Die Landesregierung soll Öffentlichkeitsarbeit betreiben können. Als Bürger möchte ich diese Werbe- und Informationstätigkeit aber erkennen können. Weil dies im Fall der SAW-Spezial-Sendungen nicht möglich war, wird sich die Medienanstalt mit den Fällen zu befassen haben. Ich hoffe, dass diese die Affäre medienseitig aufklärt und sanktioniert, auf dass zukünftig das Anzeigengeschäft und die Erstellung redaktioneller Inhalte nicht nur bei Radio SAW wieder strikt getrennt werden.
Für den politischen Raum steht die Landesregierung gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit in der Pflicht zur Aufklärung. Meine Fraktion hat aus diesem Grunde einen Selbstbefassungsantrag für den Finanzausschuss eingereicht, um für Transparenz zu sorgen.
Ginge es nun ausschließlich um die vier inkriminierten Sendungen, könnten wir es hierbei bewenden lassen. Tatsächlich sind diese Sendungen nur ein sichtbarer Ausdruck eines eigentümlichen Geflechts gegenseitiger Abhängigkeiten, an denen insbesondere Finanzminister Jens Bullerjahn schon
länger gestrickt hat. Über vier Personen mit zum Teil hoch flexiblen Rollen wird dabei zu sprechen sein.
Starten wir beim Minister selbst. Er ließ im Jahr 2011 seinen Landtagswahlkampf von einer Agentur ausrichten, bei deren Inhaberin es sich um eine ehemalige Redakteurin von Radio SAW handelte, die ihre eigene Rolle beim Sender mit den Worten umschrieb, sie sei dort „vom ersten Ton an“ dabei gewesen.
Es waren geschäftsmäßig, also als Agenturinhaberin und Geschäftsführerin, jedenfalls gute Zeiten für sie; denn etwa zur gleichen Zeit moderierte sie auch eine Werbereihe für den Paritätischen Wohlfahrtsverband. Für ein Salär von 68 000 € hievte sie die für die Hörerinnen und Hörer wieder nicht erkennbare Sendereihe in das Programm von Radio SAW. Der Titel „Diagnose behindert“ gelangte ins Programm und sie gewann mit dem Auftragswerk den Mitteldeutschen Radiopreis, eine Auszeichnung, die sie möglicherweise in den kommenden Wochen abgeben muss, weil sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zustande kam.
Im Juli 2012, also nur ein gutes Jahr nach der Landtagswahl, kam der nächste Rollenwechsel für Frau Sieb. Da wird sie urplötzlich Geschäftsführerin der Lotto-Toto-GmbH. Eingefädelt hatte den Deal Bullerjahns damaliger Staatssekretär und Aufsichtsratschef der Lotto-Toto-GmbH, der Sozialdemokrat Heiko Geue. Geschah dies als Dank für gute Wahlkampfarbeit und Unterstützung seines Chefs Finanzminister Bullerjahn? - An kaufmännischer Erfahrung mangelte es dem Radio-PRTalent Sieb jedenfalls,
weshalb - so hört man aus der Ministerialverwaltung - auch ein zweiter Geschäftsführer, Klaus Scharrenberg, eingesetzt wurde, der für das operative Geschäft tätig wurde.
Dass wenig später auch eine SAW-Kollegin und Komoderatorin vom Radio in den Glücksspielbereich wechselte, ist sicherlich purer Zufall. Die betreffende Mitarbeiterin arbeitete seit dem Jahr 2013 als Pressesprecherin der Lotto-Toto-GmbH, nachdem sie zuvor 19 Jahre lang bei Radio SAW tätig war.
Es fehlt eigentlich nur noch einer im Bunde, um das SAW-Team rund um den Finanzminister und das sachsen-anhaltische Glücksspielwesen zu komplettieren: Auch sein eigener Pressesprecher entstammt dem Sender und hatte dort bis zum Jahr 2011 insbesondere als Redakteur für Landespolitik gearbeitet, bevor er ohne große Abklingzeit einen Rollenwechsel vollzog.
Die Verflechtungen zwischen Radio SAW und Finanzminister Jens Bullerjahn sind mithin strukturell. Dass Geld für Radiosendungen fließt, ist nicht
Zufall, sondern Programm. Das macht die Affäre zu einem echten Problem. Es geht nicht mehr nur um die fehlende Deklaration von Werbung. Es geht nicht mehr nur um fragwürdige Geschäftsmodelle. In Rede steht stattdessen ein Minister, der offenbar zu lange an der Macht ist und bei dem die Grenzen zwischen Politik und Journalismus in ungesunder Weise verschwimmen.
Die SAW-Affäre ist eine direkte Folge einer solchen Personalpolitik. Dass Ihr Sprecher, Herr Minister Bullerjahn, als ehemaliger und langjähriger Angestellter des Senders bei vom Steuerzahler bezahlten und nicht deklarierten Werbesendungen kein Problem zu erkennen vermag und diese Vorgehensweise für - Zitat - „legitim“ hält, erstaunt nicht mehr. Es zeigt nur, wie sehr die Verletzung von journalistischen Standards und von Transparenzverpflichtungen unter Minister Bullerjahn bereits als Normalität empfunden wird.
Als GRÜNE werden wir die Aufklärung der Affäre mit den dafür notwendigen parlamentarischen Mitteln vorantreiben. Wir erwarten Antworten auf die Frage, ob für noch mehr Sendungen auch auf anderen Kanälen oder durch weitere Ressorts Gelder geflossen sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von dieser Landesregierung nichts Gutes mehr.
Das wird bei Gesprächen, zum Beispiel wenn Besuchergruppen hier im Hause sind, immer wieder deutlich. Diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen hinterlassen einen katastrophalen Eindruck, wenn man einmal die Affären der letzten Jahre zusammennimmt. Angefangen beim CDUFördermittelskandal in Dessau über die IBG-Affäre und einen schusseligen Landtagspräsidenten bis hin zur SAW-Affäre,
immer wird von Schwarz-Rot das Bild von Politik und von Politikern beschädigt. Affären und Filz sind Gift für die politische Kultur im Land.
(Frau Grimm-Benne, SPD: War das jetzt ein bezahlter Wahlspot, oder wie? - Herr Scheu- rell, CDU: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!)
Herr Striegel, meines Wissens ist es so, dass außer Ihrem Kollegen Herbst in eigener Sache Sie bisher nicht so viel mit der Landesmedienanstalt zu tun hatten. Deswegen meine Frage: Haben Sie Zweifel daran, dass das Thema dort, wo es eigentlich hingehört, angemessen behandelt und beurteilt wird?
Daran, Herr Kollege, habe ich keinen Zweifel. Ich gehe davon aus, dass die Medienanstalt ihren Job tut. Ich gehe aber auch davon aus, dass es hier in das Parlament gehört, wenn ein Minister, wenn eine Landesregierung für die Darstellung ihrer Politik im Radio oder in anderen Medien bezahlt und das nicht als Werbung erkennbar ist.
Wir dürfen ganz herzlich Damen und Herren der Stiftung Bildung und Handwerk in Magdeburg auf der Tribüne begrüßen. Herzlich willkommen!
Für die Landesregierung hat jetzt Frau Ministerin Professor Dr. Kolb das Wort. Sie steht schon am Pult. Bitte eingreifen Sie es.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Striegel, wenn das Thema Ihrer Debatte wirklich der letzte Satz gewesen wäre, den Sie hier eben noch einmal betont haben, dann hätte ich das verstehen können. Stattdessen haben Sie hier Verschwörungstheorien entwickelt und von Filz gesprochen, ohne die dem zugrunde liegenden Sachverhalte intensiv recherchiert zu haben.
Ich werde mich deshalb hier auf das beschränken, was uns als Ministerinnen und Minister im Titel Ihrer Aktuellen Debatte vorgeworfen wird. Hat sich eine Ministerin/haben sich Minister persönliche Redezeit bei einem privaten Radiosender erkauft? - Wenn Sie mich fragen: nein.