Protocol of the Session on May 15, 2014

Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren Mitglieder des Hohen Hauses und Gäste! Ich darf alle Anwesenden herzlich willkommen heißen und eröffne hiermit die 66. Sitzung des Landtags von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest und darf mit einer freudigen Information in den ersten Tag der Beratungen starten. Eine unserer Kolleginnen wird es heute genießen können, ihren besonderen Tag in unserem Kreise zu begehen, denn Frau Kollegin Dagmar Zoschke hat heute Geburtstag. Dazu gratulieren wir ihr ganz herzlich und wünschen alles Gute. Viel Glück, Freude und Gottes Segen!

(Beifall im ganzen Hause)

Es liegen mir Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung vor. Mit Schreiben vom 7. Mai 2014 bat die Landesregierung, für die 33. Sitzungsperiode folgende Mitglieder zu entschuldigen: Herrn Ministerpräsidenten Dr. Haseloff für Freitag ab 13 Uhr wegen einer Ansprache beim Festakt zur Eröffnung der neuen Meisterhäuser in Dessau unter Beteiligung des Herrn Bundespräsidenten Gauck in Dessau-Roßlau. Herr Minister Bischoff entschuldigt sich an beiden Sitzungstagen ganztägig wegen der Teilnahme an der 10. Verbraucherschutzministerkonferenz in Rostock-Warnemünde und Herr Minister Dorgerloh entschuldigt sich für Freitag ab 13.15 Uhr wegen des Festakts zur Eröffnung der Meisterhäuser in Dessau-Roßlau im Beisein des Bundespräsidenten. Außerdem ist Herr Minister Bullerjahn krankheitsbedingt für beide Sitzungstage entschuldigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir nunmehr zur Tagesordnung der 33. Sitzungsperiode des Landtags von Sachsen-Anhalt. Sie liegt Ihnen vor. Die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben fristgemäß jeweils ein Thema zur Aktuellen Debatte eingereicht. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE liegt in der Drs. 6/3074 und der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in der Drs. 6/3081 vor. Beide wurden unter Punkt 24 auf die Tagesordnung genommen. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die Beratung morgen, am Freitag an erster Stelle erfolgen.

Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben sich darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 23 - Zukunft der Hochschulmedizin in Sachsen-Anhalt sichern - in Drs. 6/3067 in der Reihenfolge der Beratung neu zu platzieren, und zwar soll er ohne Einbringung und Debatte unmittelbar nach den Aktuellen Debatten eingeführt und auch gleich zur Abstimmung gestellt werden. Die Parlamentari

schen Geschäftsführer haben sich des Weiteren darauf verständigt, dass die Fraktionen ihre Positionen zu dem Antrag in die Aktuelle Debatte einbringen. - Ich sehe bei allen Einverständnis. Dann können wir dies so tun.

Ich frage: Gibt es zur Tagesordnung noch weitere Anmerkungen oder Änderungswünsche? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir mit der Tagesordnung so wie eben besprochen verfahren.

Zum zeitlichen Ablauf der 33. Sitzungsperiode noch den Hinweis: Am heutigen Abend findet eine parlamentarische Begegnung mit der Landesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt e. V. statt. Dazu sind alle herzlich eingeladen. - Die morgige 67. Sitzung des Landestages beginnt vereinbarungsgemäß um 9 Uhr.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Beratung

Regionale Entwicklung stärken

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/3065

Für die Einbringer erteile ich Herrn Abgeordneten Stadelmann das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Wir beginnen die heutige Sitzung mit einem etwas spröden Thema. Das ist eine Frage der Haushaltstechnik und der Zusammenhänge mit der EU-Förderperiode. Nichtsdestotrotz ist es, glaube ich, ein wichtiger Antrag. Wir haben ja auch noch zwei andere Anträge auf der Tagesordnung, die sich mit regionaler Entwicklung beschäftigen, und zwar betreffend die Weiterentwicklung der Gemeinschaftsaufgabe regionale Wirtschaftsförderung und zum Thema „interkommunale Zusammenarbeit stärken“. Ich glaube, dass es kurz vor der Kommunalwahl gut ist, ein Zeichen zu setzen, dass sich der Landtag für die Entwicklung im Land und für die Regionen verantwortlich zeigt.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Mi- nister Herrn Webel)

Meine Damen und Herren! Im Koalitionsvertrag, den die CDU und die SPD in Sachsen-Anhalt gemeinsam vereinbart haben, steht - ich zitiere -:

„Die Entwicklung des ländlichen Raumes bietet erhebliche Potenziale. Ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg liegt dabei in der Integration der verschiedenen Politikfelder. Das Instrument des Regionalbudgets aus der Wirtschaftsförderung soll zur Forcierung der eigenständigen Regionalentwicklung genutzt werden.“

Inzwischen wissen wir durch viele Gespräche, vor allem mit dem Ministerium der Finanzen, dass die Frage der Definition und des Begriffs „Regionalbudget“ wahrscheinlich an dieser Stelle haushaltstechnisch und auch was die Förderung durch die EU betrifft, nicht ganz richtig ist. Deswegen haben wir das in unserem Antrag als „Regionalisierung“ bezeichnet. Nichtsdestotrotz ist das für uns die Umsetzung dieses Auftrages aus dem Koalitionsvertrag. Ich werde es trotzdem weiterhin „Regionalbudget“ nennen, damit ich nicht immer diese lange Begrifflichkeit nutzen muss.

Ich möchte zunächst einmal feststellen, dass aus unserer Sicht das Regionalbudget auf mehreren Säulen ruht, die jedoch bisher nicht alle untersetzt worden sind. Die erste Säule sind die Arbeitsgemeinschaften für den ländlichen Raum, die wir ins Leben gerufen haben und die Mittel aus dem ELER bereitstellen. So wie die Planung bisher ist, sind es mehr als 61 Millionen € für die Dorfentwicklung, den Fremdenverkehr und die Sportstätten.

Wir sehen jedoch noch eine weitere Säule, die entwickelt werden muss. Deswegen sage ich an dieser Stelle auch: Dieser Antrag ist nicht ein ELER- oder MLU- oder Leader-Antrag. Es geht vielmehr um die regionale Entwicklung insgesamt.

Wir können uns vorstellen, dass man zum Beispiel die regionalen Arbeitskreise, die zur Bearbeitung des regionalen Übergangsmanagements durch das Sozialministerium entwickelt worden sind, weiterentwickelt. Das Sozialministerium hat immerhin 130 Millionen € für Vorhaben in der neuen Förderperiode in Aussicht gestellt, die in den Regionen eingesetzt werden können. Man könnte es aber auch so machen, dass man die Begleitausschüsse für die Strukturfonds weiterentwickelt und mit anderen, neuen Kompetenzen ausstattet.

Da es sich bei dem sogenannten Regionalbudget um einen fondsübergreifenden Ansatz handelt, ist bisher noch nicht ganz klar, welche anderen Ressorts sich daran beteiligen könnten. Ich denke, es gibt Ressorts, die in diesem Bereich Vorreiter sind, etwa das Ressort von Thomas Webel bei der Regionalisierung der kommunalen Straßenbaumittel. Auch das Sozialministerium, muss man sagen, hat sich bisher dazu bekannt, sich daran zu beteiligen.

Ich könnte mir aber schon vorstellen, dass auch noch andere Häuser aufgerufen sind, sich intensiver einzubringen. Ich denke zum Beispiel an das Kultusministerium. Wir halten es nicht für zielführend, neue Strukturen aufzubauen, was die Schulsozialarbeit betrifft oder die Schulabbrecherfragen. Aber auch das Wirtschaftsministerium könnte das Ganze mit Fachkräfteprogrammen verzahnen. Denn ich glaube, dass vor Ort bei den Landkreisen, den Industrie- und Handelskammern sowie den Berufsschulen die richtigen Adressaten zu finden sind.

Bezüglich der AGLR ist die Mitwirkung der Kommunen noch nicht ganz klar. Der Vorschlag wäre, dass die oben genannten Mittel aus dem ELER in einer Prioritätenliste erfasst werden und die Landkreis und das ALLF diese gemeinsam abarbeiten.

Da bereits jeweils zwei Kreistagsmitglieder in die AGLR entsendet werden, sind die Kommunen darin bereits vertreten. Um eine Einbindung der Städte und Gemeinden sicherzustellen, könnten die kommunalen Spitzenverbände einen oder zwei Vertreter aus der Region benennen, die der AGLR angehören. Bezüglich der praktischen Organisation könnte man sich durchaus das Modell aus der Altmark mit unserem Regionalverein vorstellen. Die Bewilligung der Mittel für die AGLR und der Leader-Mittel erfolgt durch die Ämter für Landwirtschaft, Forsten und Flurneuordnung. Diese tragen die Verantwortung für die EU-konforme Umsetzung.

Das bedeutet, dass die AGLR auf der Basis der RELE ihren spezifischen Bewertungsrahmen erarbeitet. Auf dieser Basis bewerten die Mitglieder auf einem entsprechenden Bewertungsbogen die von den ALLF vorgelegten kommunalen Projekte. Die Bewertungsergebnisse führen zu einer für die Bewilligungsbehörde verbindlichen Prioritätenliste für die Förderung.

Für das Regionalbudget ist ein Schlüssel für die Mittelverteilung zu finden. Allein der Schlüssel nach Einwohnern erscheint an dieser Stelle nicht zielführend. Außerdem sollten Jahresscheiben entwickelt werden, die so darzustellen sind, dass für die Regionen eine gewisse Planungssicherheit entsteht.

Außerdem ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch die Abgrenzung zwischen dem ländlichen Raum und den Städten zu klären; denn wir wollen auch die kreisfreien Städte, die Oberzentren, in die regionale Entwicklung einbeziehen. Das heißt, wir müssen uns Gedanken darüber machen - ich weiß, dass die Landesregierung diesbezüglich schon auf dem Weg ist -, die bisherige Abgrenzung zwischen ländlichem Raum und Städten, Stichwort Dorfentwicklung, Städtebauförderung, in der neuen Förderperiode an die Strukturen im Land anzupassen. Ich erinnere daran, dass wir eine Gemeindegebietsreform hatten. Es ist für viele Menschen vor Ort nicht einsichtig, dass ein kleines Dorf plötzlich nicht mehr ländlicher Raum ist bzw. ein Stadtteil nicht mehr in die Förderung einbezogen werden kann.

Da die regionalen Arbeitskreise jetzt auch Mittel aus dem ESF und Leader-Mittel nutzen sollen - dafür bin ich dem Ministerium für Arbeit und Soziales dankbar; es hat sich dazu bekannt, 5 % der Mittel aus dem ESF sozusagen für die LeaderMethode bereitzustellen -, müssen wir auch eine Abgrenzung und ein Mitspracherecht der AGLR bei der Verteilung der Leader-Mittel organisieren.

Wir könnten uns vorstellen, dass die kommunalen Spitzenverbände stärker in die ganze Leaderproblematik eingebunden werden und dass sich die AGLR mit den Leader-Arbeitsgemeinschaften enger abstimmen, um sozusagen die regionale Entwicklung gemeinsam in eine Richtung zu führen, um Doppelstrukturen und eine Doppelförderung möglichst zu vermeiden.

Die Einbindung aller betroffenen Ressorts ist insbesondere deshalb notwendig, damit die als Exante-Voraussetzung für die neue Förderperiode geforderten sogenannten ISEKS und IGEKS, also integrierte städtische Entwicklungskonzepte und integrierte gemeindliche Entwicklungskonzepte, für die Region abgestimmt sind und der Mitteleinsatz optimiert wird.

Die RELE, die sogenannte Richtlinie für die Entwicklung des ländlichen Raums, müsste so gefasst sein, dass sie den AGLR bei der Gestaltung eines eigenen Bewertungs- und Prioritätenrahmens

möglichst viel Spielraum lässt. Darüber hinaus sollte der EPLR auch bei allen Fördertatbeständen, die über die AGLR entschieden werden, explizit die Beteiligung ausweisen, also nicht nur bei der Dorferneuerung, sondern auch beim Wegebau und bei touristischen Schwerpunkten.

Ich möchte abschließend noch aus einem Gespräch berichten, das wir schon Mitte des letzten Jahres mit der EU-Kommission, und zwar mit Herrn Unterwurzacher, der dem einen oder anderen sicherlich bekannt ist, geführt haben. Dieser empfiehlt uns insbesondere das Konzept der integrierten territorialen Investitionen - ITI - für die Förderperiode 2014 bis 2020 als neues Werkzeug der Integration, welches zur Umsetzung territorialer Strategien vor Ort eingesetzt werden soll.

Bei dieser Methode werden die Finanzmittel aus mehreren Prioritätenachsen eines oder mehrerer operationeller Programme zu multidimensionalen und bereichsübergreifenden Interventionen gebündelt. Dazu soll es eine Kombination von EFRE und ESF geben, da durch den integrierten Ansatz immaterielle Institutionen in Bildung und Forschung in Sachsen-Anhalt insbesondere mit Investitionen in der physischen Infrastruktur gekoppelt werden sollen. Eine Förderung von Straßen ist nicht mehr geplant, aber eine Förderung der nachhaltigen Stadtentwicklung steht dabei im Fokus.

Leader bzw. eine von den Gemeinden ausgehende lokale Entwicklung, die CLLD, wie es neuerdings heißt, kann ein wichtiger Baustein für die Umsetzung von ITI sein, aber ELER ist eben nicht alles.

Der Unterschied ist, dass Leader einen Bottom-upAnsatz fährt, aber ITI auch top-down erfolgen kann. Deutschland zeigt sich aber dem ITI gegenüber nach seinen Aussagen noch sehr zurückhaltend, im Gegensatz zu finanziell schwächeren Mitgliedsstaaten.

Grundsätzlich sei EFRE auch für Leader geeignet. Derzeit herrscht auf Bundesebene jedoch noch keine völlige Klarheit, da die Partnerschaftsvereinbarung mit der EU bis letztes Jahr im Juli vorliegen musste. Ich glaube, das ist inzwischen erledigt.

Meine Damen und Herren! So viel zur Einbringung unseres Antrages. Ich hoffe, da dies ein Thema ist, das das ganze Land betrifft, auf breite Zustimmung aller Fraktionen und freue mich auf die Debatte. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Kollege Stadelmann. - Für die Landesregierung spricht nun der Minister für Umwelt und Landwirtschaft Herr Dr. Aeikens.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns anschauen, wie sich die Regionen unseres Landes in den letzten 25 Jahren entwickelt haben, was es für Fortschritte gab, dann darf man trotz der nach wie vor großen Herausforderungen sagen: Wir haben in Sachsen-Anhalt gemeinsam etwas geschaffen, auf das wir stolz sein können

(Zustimmung bei der CDU)

Wir haben leistungsfähige Strukturen, auch auf der kommunalen Ebene; wirtschaftlich hat SachsenAnhalt aufgeholt. Die Arbeitslosigkeit sinkt kontinuierlich und unsere Städte und Dörfer sind schöner geworden.

(Herr Kurze, CDU: Das stimmt!)

Das ist wesentlich das Ergebnis einer aktiven Mitwirkung der regionalen und kommunalen Ebene. Vor Ort wissen die Menschen am besten, was sie brauchen.

Im Bereich der ländlichen Entwicklung hat diese Zusammenarbeit Tradition. So waren zum Beispiel bei der Dorferneuerung und Dorfentwicklung die betroffenen Orte mit ihren Bürgerinnen und Bürgern, mit ihren Unternehmen in Arbeitsgemeinschaften, so genannten Dorferneuerungskreisen, organisiert. Engagierte Akteure haben mitgestaltet und mitentschieden und so wichtige Impulse für die Entwicklung ihrer Orte und ihrer Heimat gegeben.

Seit 1991 sind dabei unter aktiver Einbeziehung der lokalen Ebene über 80 000 kommunale und private Vorhaben mit mehr als 1 Milliarde € Fördermittel unterstützt worden. Das führte zu einem Investitionsvolumen von mehr als 2,5 Milliarden €. Das nützte ganz wesentlich der ortsansässigen Wirtschaft und dadurch sehen die Menschen, dass es in ihrer Heimat aufwärts geht.

Besonders wichtig ist, dass man in den Gemeinden die Bürger mitnimmt, ihnen eigene Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume gewährt. Zusammenarbeit mit der Bevölkerung wurde nicht nur im Bereich der Dorferneuerung erfolgreich praktiziert, auch die Leader-Bewegung ist in SachsenAnhalt eine Erfolgsgeschichte. Gerade hier wurden Bürger motiviert, die Zukunft ihrer Heimat mitzugestalten.

Wo stehen wir nun in der eigenständigen Regionalentwicklung in Sachsen-Anhalt und wie wollen wir auf diesem Wege weitergehen?