Meine Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 44. Sitzung des Landtags von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode. Ich begrüße Sie alle recht herzlich.
Ich habe zum Anfang gleich eine sehr angenehme Aufgabe. Die Abgeordnete Frau Silke Schindler hat heute Geburtstag. Im Namen des Hohen Hauses beglückwünsche ich Sie dazu und wünsche Ihnen alles Gute.
Wir setzen die 23. Sitzungsperiode fort. Ich erinnere daran, dass Herr Minister Dorgerloh auch heute für den ganzen Tag entschuldigt ist. Wir steigen, wie angekündigt und wie im Zeitplan ausgewiesen, mit dem Tagesordnungspunkt 10 in die Sitzung ein.
Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Sachsen-Anhalt und zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Therapieunterbringungsgesetzes in Sachsen-Anhalt
Die erste Beratung fand in der 36. Sitzung des Landtages am 13. Dezember 2012 statt. Berichterstatter des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung ist der Abgeordnete Herr Wunschinski. Bitte, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Präsidentin sagte es: Der Gesetzentwurf der Landesregierung wurde in der 36. Sitzung des Landtags am 13. Dezember 2012 in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung zur federführenden Beratung und in die Ausschüs
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 die Vorschriften des Strafgesetzbuches über die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Den Gesetzgebern in Bund und Land hat das Bundesverfassungsgericht aufgegeben, ein freiheitsorientiertes und therapiegerechtes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln.
Der vorliegende Gesetzentwurf über den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Sachsen-Anhalt und zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Therapieunterbringungsgesetzes in Sachsen-Anhalt bildet die rechtliche Grundlage für die Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung in SachsenAnhalt.
Ziel ist es, einen bestmöglichen Schutz der Allgemeinheit vor rückfallgefährdeten Sexual- und Gewaltstraftätern zu erreichen. Die Reduzierung der Gefährlichkeit soll durch konsequente Therapie- und Resozialisierungsmaßnahmen erreicht werden.
Die erste Behandlung des Gesetzentwurfs im Ausschuss fand am 25. Januar 2013 statt. Der Ausschuss führte eine Anhörung durch, zu der mehrere krimologische Forschungsinstitute, Vertreter mehrerer Universitäten und Gerichte, Rechtsanwälte, Psychotherapeuten, Anstaltsleiter und Gewerkschaftsvertreter anwesend waren.
Die darauf folgende Beratung zu dem Gesetzentwurf fand in der 23. Sitzung des Rechtsausschusses am 8. März 2013 statt. Dazu lag ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vor. Eine Synopse des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes zum Gesetzentwurf konnte bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig gestellt werden.
Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Absicht, fraktionsübergreifend in vielen Punkten abgestimmte Änderungen an dem Gesetzentwurf vornehmen zu wollen, regte die CDU-Fraktion an, den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung den mitberatenden Ausschüssen zuzuleiten und die Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE dem GBD zur Bewertung vorzulegen. Dieser Verfahrensweise schloss sich der Ausschuss an. Er empfahl den mitberatenden Ausschüssen mit 11 : 0 : 1 Stimmen die Annahme des Gesetzentwurfs in unveränderter Fassung.
Die Synopse des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes zu dem Gesetzentwurf mit einem Umfang von 153 Seiten sowie ein Anschreiben mit ergänzenden Erläuterungen erhielt der Ausschuss am 26. März 2013.
Die mitberatenden Ausschüsse für Arbeit und Soziales sowie für Finanzen tagten am 13. März bzw. am 3. April 2013. Beide Ausschüsse schlossen sich mehrheitlich der vorläufigen Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung an.
Die abschließende Beratung des Gesetzentwurfs fand in der Sitzung am 5. April 2013 statt. Dazu lag ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD vor. Dieser Änderungsantrag, der 67 Seiten umfasste, wurde farblich untersetzt, um eine vereinfachte Lesbarkeit zu ermöglichen. Der Änderungsantrag enthielt Bestandteile aus dem Gesetzentwurf der Landesregierung, aus der Synopse des Gesetzgebungs- und Beratungsdienst sowie inhaltliche Änderungsvorschläge der Fraktionen der CDU und der SPD.
Während der ausführlichen Gesetzesberatung wurde deutlich, dass mehrere Änderungsvorschläge der Fraktion DIE LINKE von den Koalitionsfraktionen übernommen worden waren. Die Fraktion DIE LINKE zog diese Änderungsanträge daraufhin zurück. Die verbleibenden Änderungsvorschläge der Fraktion DIE LINKE fanden keine Mehrheit im Ausschuss.
Im Ergebnis der Beratung empfahl der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung unter Mitwirkung der Ausschüsse für Arbeit und Soziales und für Finanzen mit 8 : 0 : 5 Stimmen, den Gesetzentwurf in der Ihnen vorliegenden Fassung anzunehmen.
Für den Ausschuss bitte ich das Hohe Haus, sich dieser Beschlussempfehlung anzuschließen. - Danke schön.
Danke sehr, Herr Abgeordneter Wunschinski, für die Berichterstattung. - Für die Landesregierung spricht Ministerin Frau Professor Dr. Kolb.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich bin heute ausgesprochen froh. Wir setzen mit der heutigen Diskussion einen Schlusspunkt nach einer umfangreichen, nach einer sehr schwierigen Diskussion zum Thema Sicherungsverwahrung.
Das ist ja ein Thema, das nicht nur auf der Landesebene behandelt werden musste, sondern bei dem wir sowohl rechtstheoretische Fragen als auch ganz praktische Fragen zu einem Gesamtkonzept zusammenbinden mussten, und das in relativ kurz bemessener Zeit.
Dafür, dass uns das gelungen ist, dass wir tatsächlich feststellen können, wir haben bis zum 1. Juni 2013 die entsprechenden rechtlichen Grundlagen und wir haben auch die notwendigen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Sicherungsverwahrten in Sachsen-Anhalt nach den strengen Vorgaben des EGMR und des Bundesverfassungsgerichtes in Zukunft untergebracht werden können, möchte ich mich bei allen Beteiligten, insbesondere bei den Abgeordneten dieses Hohen Hauses, ganz herzlich bedanken.
Es war eine sehr konstruktive Diskussion. Wir haben um einzelne Regelungen im wahrsten Sinne des Wortes gerungen. Ich glaube, dass das ein Ergebnis ist, das sich sehen lassen kann. Wir haben damit für unser Land tatsächlich ein gutes Gesetz für die Zukunft des Vollzugs der Sicherungsverwahrung.
Ich glaube, dass uns das gelungen ist, liegt daran, dass wir uns alle darüber einig waren, dass wir die Dinge so regeln müssen, dass es eben nicht zu der Konsequenz kommt, dass wegen der Nichtumsetzung der verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben eine Entlassung von Sicherungsverwahrten droht.
Wir haben im Ergebnis alle Regelungen auf den Prüfstand gestellt. Das fing an bei der Diskussion auf der Bundesebene im Hinblick auf die materiellrechtlichen Regelungen. Des Weiteren haben wir im Ergebnis ein völlig neues, ein auf Freiheit und Therapie ausgerichtetes Gesamtkonzept entwickelt.
Meine Damen und Herren, Sie haben das dann auch bei den einzelnen Diskussionen miterlebt: Es war nicht immer leicht, eine Balance zwischen den Sicherheitsinteressen insbesondere der Bürgerinnen und Bürger auf der einen Seite und den Freiheitsrechten, die auf der anderen Seite den Sicherungsverwahrten zustehen, zu schaffen.
Wie so oft liegt der Teufel dann im Detail. Einzelfragen sind nach wie vor umstritten. Ich gestehe: Sicherlich werden wir im Hinblick auf die konkreten Regelungen dann praktisch feststellen, was funktioniert, vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch Dinge für die Zukunft noch mal auf den Prüfstand stellen müssen. Aber da befinden wir uns in guter Gesellschaft, weil es diesbezüglich allen anderen Ländern genauso geht.
Im Ergebnis dieser Beratungen liegt Ihnen heute ein Gesetzentwurf zur Beschlussfassung vor, der aus meiner Sicht gelungen ist. Aus meiner Sicht ist die Feststellung am wichtigsten, dass wir mit diesem Gesetz eine rechtssichere Grundlage für den Vollzug der Sicherungsverwahrung in SachsenAnhalt haben.
Lassen Sie mich abschließend auf drei Punkte eingehen, die wir besonders heftig diskutiert haben, wo es für unterschiedliche Meinungen jeweils
auch gute Argumente gab und wo es eben darum ging, diese ausgewogene Balance zu finden und diese neuen Regelungen eben auch in das Gesamtsystem einzubinden.
Der erste Punkt ist die Frage der Größe der Unterkunftsbereiche. Hierzu hatten wir eine konkrete Vorgabe vonseiten des Oberlandesgerichtes, das von 20 m² plus Küche und Nasszelle ausgeht. Wir haben jetzt in das Gesetz hineingeschrieben: mindestens 15 m² zum Wohnen und Schlafen einschließlich der eigenen Nasszelle.
Das bedeutet nicht, dass wir die Regelungen des OLG nicht umsetzen. Im Gegenteil: Wir haben beim Umbau der Sicherungsverwahrung in der JVA in Burg ganz praktisch die Vorgaben des OLG im Verhältnis 1 : 1 umgesetzt. Aber wir müssen eben auch schauen, wie die Raumgrößen in anderen staatlichen Einrichtungen sind, im Bereich des Maßregelvollzuges, in Altenpflegeeinrichtungen, in Krankenhäusern etc. Deshalb haben wir uns entschlossen, hier keine Standards zu setzen, die uns möglicherweise für andere Bereiche dann Probleme bereiten.
Ein zweiter Punkt ist die Frage der Gleichstellung von Rechtsanwälten und Notaren mit Verteidigern, was die Möglichkeiten des Besuches, also des Kontaktes von Sicherungsverwahrten betrifft.
Hierzu sah der Regierungsentwurf ursprünglich Überwachungsprivilegien entsprechend den Regelungen im Strafvollzugsgesetz des Bundes nur für Verteidiger vor. Wir haben hierbei eine Gleichstellung vorgenommen, sodass alle Rechtsanwälte und Notare die Möglichkeit haben, die Insassen in der Sicherungsverwahrung zu besuchen und ihnen bei den einen oder anderen Dingen zu helfen, ohne dass sie als Strafverteidiger hierfür ausdrücklich ein Mandat haben müssen.
Der dritte Punkt, der auch viele hier in diesem Hohen Haus bewegt hat, war die Frage der Internetnutzung. Wir haben ja die Aufgabe, die Sicherungsverwahrung so zu gestalten, dass innerhalb der Anstalt ein möglichst freies Leben möglich ist, ein Leben, das auch auf die Freiheit vorbereitet. Die Nutzung der neuen Medien gehört dazu. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes sehen vor, dass wir Einschränkungen gut begründen müssen, dass das eben nur auf der Grundlage ganz besonderer Bedingungen möglich ist.
Auf der anderen Seite wissen wir natürlich auch, dass gerade das Internet, die damit verbundenen Kontaktmöglichkeiten in die Außenwelt anfällig sind für Missbrauch. Ich möchte mir nicht vorstellen, was passiert, wenn einer der Sicherungsverwahrten über das Internet versucht, neue Straftaten zu begehen.
vollzugsgesetzes hierzu eine gute Regelung geschaffen. Wir schließen die Nutzung des Internets nicht per se aus. Wir wollen aber Möglichkeiten schaffen, die es uns ermöglichen nachzuvollziehen, auf welchen Internetseiten gesurft wird und welche Kontakte es gibt, um zu verhindern, dass in der Sicherungsverwahrung neuerliche Straftaten verübt werden.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben ein gutes rechtliches Fundament für die Umsetzung der Sicherungsverwahrung gelegt. Die Voraussetzungen, die das Gesetz vorschreibt, haben wir in Burg praktisch schon geschaffen. Wir haben umgebaut. Unser privater Partner, PJB, hat zusätzliches Personal, Therapeuten und Sozialarbeiter, eingestellt. Das Team ist bereits seit dem 1. Februar aktiv, um das Behandlungskonzept für die Sicherungsverwahrung zu entwickeln.