Dennis Lander

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Last Statements

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Gesetz regelt ganz verschiedene Punkte. Ich denke, manches davon ist hier im Hause wirklich unstrittig. Das ist etwa zum Beispiel die flexible Größe der Gemeinderäte oder die Weiterbeschäftigung von hauptamtlichen kommunalen Wahlbeamtinnen und Wahlbeamten bei einer Zusammenlegung von Kommunen oder eben auch die Übernahme von Betreuungskosten bei Ratssitzungen. Wenn es nur das wäre, würden wir heute hier auch zustimmen.
Aber es gibt leider auch andere Punkte, die wir sehr kritisch sehen, beispielsweise die sogenannte Lex Lorig. Dabei soll ein Rathauschef, der das Vertrauen entweder der Bevölkerung oder des Gemeinderates verspielt hat, selbst beantragen können, in den Ruhestand versetzt zu werden - und das natürlich ohne dabei die Pensionsansprüche zu verlieren. Das Ziel dabei ist natürlich ganz klar: Man möchte verhindern, dass Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber sich an ihr Amt klammern, wenn sie eigentlich zurücktreten müssten, aus Angst, sie könnten ihre Pensionsansprüche verlieren. Angesichts der aktuell grassierenden Politikverdrossenheit, denken wir, ist das der falsche Weg, deshalb werden wir uns zumindest in dieser Frage enthalten.
Dem Änderungsantrag können wir leider ebenfalls nicht zustimmen, denn dort wird ja weiterhin am Auswertungsverfahren nach D´Hondt festgehalten. D´Hondt ist ein Zählverfahren, das vor allem die großen Parteien bevorzugt. Die Folge ist natürlich, dass die kleinen Parteien, und das können wir in den Ge
meinderäten beobachten, nicht so in den Ausschüssen vertreten sind, wie das eigentlich sein sollte. Stattdessen fordern wir eine Verteilung der Sitze nach Schepers, weil damit der Wählerwille unserer Meinung nach viel genauer abgebildet wird.
Schepers hat ja auch in Deutschland Tradition, immerhin werden nach diesem Verfahren schon seit 40 Jahren die Ausschusssitze im Bundestag verteilt, außerdem wird es angewandt bei der allgemeinen Wahl zum Bundestag, bei der Wahl zum Europaparlament, bei der Bürgerschaftswahl in Bremen und den Landtagswahlen in NRW, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz. Aber das Saarland weigert sich zurzeit noch, von D`Hondt abzurücken. Wir finden, das muss sich dringend ändern, deshalb können wir hier heute auch nicht zustimmen. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden heute einen Vorschlag machen, wie man wirklich viel Steuergeld einsparen kann. Die Situation ist, dass das Saarland momentan hoch verschuldet ist. Die Corona-Krise belastet den Haushalt weiter. Deshalb schlagen wir heute vor, dass man bei der Überwachung kürzen muss und dass der Verfassungsschutz aufzulösen ist.
Mit unseren Vorschlägen kann man über 1,5 Millionen Euro einsparen. Es ist sogar noch genug Geld da, um zwei zusätzliche Stellen im Unabhängigen Datenschutzzentrum einzurichten.
Nehmen wir als Beispiel nur einmal die Videoüberwachung. Eine Studie aus London aus dem Jahre 2012 zeigt, dass die Verbrechensrate kaum sinkt,
obwohl London die Stadt mit den allermeisten Überwachungskameras ist. Vor allen Dingen bringt es im Bereich der Gewaltverbrechen nichts. Außerdem beobachten wir den sogenannten Verdrängungseffekt. Von den Stadtteilen, in denen man die Kameras aufhängt, zieht die Kriminalität in andere Stadtteile. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, klingt alles sehr nach Scheinsicherheit. Warum verpulvern wir immer mehr Geld bei immer weniger Effekt? - Dazu muss man wissen, dass der Innenminister vier Jahre gebraucht hat, um diese Kameras überhaupt erst einmal aufzuhängen. Da kann ich schon verstehen, wenn der Innenminister letztlich etwas an den Kameras klammert.
Angeblich wurden mit diesen Kameras bislang 100 Straftat geahndet. Dafür muss man aber auch die Relationen kennen. Wie viele Straftaten sind wirklich nur durch diese Kameras aufgefallen und wie viele wären nicht sowieso aufgefallen? Dazu ist es immer hilfreich zu sehen, wie diese Maßnahme begründet wurde. Sie wurde begründet mit Terror, Gewalt und Mord. Soweit wir wissen, wurde bisher an der Johanniskirche noch kein Topterrorist geschnappt, lediglich ein paar Haschkonsumentinnen und Haschkonsumenten, ein paar Taschendiebe und ein paar Maskenverweigerer hat man bisher stellen können. Deshalb steht für DIE LINKE fest: Die Kameras verfehlen ihr Ziel und deswegen müssen sie wieder abgehängt werden.
In diesem Haushalt soll mehr Geld für mehr Überwachung von Internet und Telefon ausgegeben werden. Man muss die Frage stellen: Noch mehr Geld in dieser Situation, wo wir doch wissen, dass beispielsweise durch die Funkzellenabfrage die Handydaten jeder Saarländerin und jedes Saarländers 25 Mal pro Jahr erfasst werden? Das hat im Jahr 2020 18 Millionen Datensätze ausgemacht, in gerade einmal neun Monaten. Wir finden, das ist viel zu viel. Das ist auch mehr als in Berlin gemacht wird. Und wofür? - Um Mord und Terror zu bekämpfen? - Nein, wir haben festgestellt, dass diese Maßnahme hauptsächlich eingesetzt wird, um Einbruchsdelikte aufzuklären. Wie eine Anfrage an das Innenministerium gezeigt hat, liefert das meist überhaupt keine neuen Ermittlungsansätze. Deshalb, muss ich schon sagen, ist es gut, dass das Innenministerium noch in diesem Jahr auch über die Funkzellenabfrage berichten wird, damit diese inflationäre Überwachungsmaßnahme besser kontrolliert werden kann.
Ich habe es eben schon angesprochen, dass wir beim Verfassungsschutz massiv sparen wollen. Unserer Meinung nach ist diese Behörde wirklich eine Katastrophe. Sie hat uns nichts gebracht, etwa damals bei dem Anschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in Saarlouis, bei dem Samuel Yeboah ermordet wur
de, sie hat uns nichts gebracht beim Anschlag auf die Wehrmachtsausstellung und sie hat uns auch nichts gebracht beim Anschlag auf das PDS-Büro. Auch werden moderne Phänomene wie die QAnonBewegung anscheinend nicht richtig verstanden. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt, warum dieser Behörde die Daseinsberechtigung fehlt. Man muss fragen, was die Behörde bisher erkannt hat, was man nicht schon sowieso aus der Zeitung hätte erfahren können. Mir fällt dazu leider nichts ein. Mir fällt aber etwas ganz anderes ein: Der Verfassungsschutz war die letzten Monate damit beschäftigt gewesen, das Parlament zu blockieren, zum Beispiel in der Aufklärung um den Mord an Samuel Yeboah. Vielleicht liegt es einfach daran, dass die Behörde zu sehr damit beschäftigt ist, mit Autos zu handeln. Wir wissen es ehrlich gesagt nicht, aber ich muss schon sagen, das ist alles recht absurd.
Ich möchte an Folgendes erinnern: Bereits im Jahr 2009 hat der Landesrechnungshof gesagt, dass es Gefälligkeiten und Verstöße gegen die Haushaltsordnung gibt. Trotzdem herrscht bei den Geheimhaushalten immer noch keine Transparenz. Auch bleibt der Titel „Zwecke des Verfassungsschutzes“ weiterhin undurchsichtig. Es reicht eben nicht aus, dass einmal im Jahr der Präsident des Landesrechnungshofes diesen Haushalt prüft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier ist parlamentarische Kontrolle notwendig. Insgesamt brauchen wir eine Behörde, die offen und transparent, wissenschaftlich, neutral, unabhängig und ohne V-Leute in irgendwelchen NPD-Vorständen arbeitet. Sie muss im Bereich Rassismus, Diskriminierung und Gewaltbereitschaft aufklären. Nach den Skandalen rund um die Verfassungsschutzämter ist das für DIE LINKE die logische Konsequenz. Deshalb werden wir uns heute beim Änderungsantrag enthalten. Wir sind zwar für den Aufwuchs bei den Polizeibeschäftigten, wir können jedoch die Mittel für den Verfassungsschutz nicht mittragen.
Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen. Es geht um den Einsatz von Taser-Waffen. Dies wird schon sehr lange von Amnesty International kritisiert. Die Taser können schwere Verletzungen auslösen, sie können sogar zum Tod führen und sind besonders gefährlich für Menschen mit Vorerkrankungen oder für Menschen, die unter Drogeneinfluss stehen, also einem Bereich, wo die Polizei eine originäre Zuständigkeit hat.
Deshalb muss man den Einsatz zumindest diskutieren. Die Niederlande sind schon bereits viel weiter als wir. Dort kam 2018 eine Studie heraus, die besagt, dass der Taser meistens dann eingesetzt wird, wenn eine Schusswaffe überhaupt nicht erlaubt gewesen wäre. 80 Prozent der Einsätze finden gegen Unbewaffnete statt. Es gibt, auch das muss man erwähnen, eine Neigung zur Folter, indem Mehrfach
aktivierungen durchgeführt werden oder indem Menschen in Handschellen getasert werden. Deshalb sagen wir, dass der Einsatz von Taserwaffen im Saarland unterbleiben muss. Zusammenfassend können wir sagen, dass der Entwurf in eine falsche Richtung geht. Gesellschaftlich wäre etwas ganz anderes notwendig. Deswegen lehnen wir den gesamten Haushalt heute ab. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen heute als Letztes über den Haushalt der Justiz sprechen. Ich kann vorab schon sagen, es hat sich hier wirklich einiges getan! Es wurde endlich eine Trendwende eingeleitet und DIE LINKE wird Sie bei dieser Trendwende auf jeden Fall unterstützen.
Natürlich löst das nicht alle Probleme, aber wir setzen hier auf jeden Fall für die Zukunft an. Über die Hälfe der Mittel wird hier für Personalausgaben aufgewendet. Das freut uns natürlich ganz besonders. Wenn man sich das im Einzelnen anschaut, dann sieht man, wir haben insgesamt ein Budget von 459 Millionen Euro, und davon sind 300 Millionen nur fürs Personal gedacht.
Das ist nötig, denn wir haben auch zugegebenerweise einige Löcher zu stopfen. Zur Wahrheit gehört in dem Fall auch zu sagen, dass diese Löcher, die da mit der Zeit entstanden sind, eine Folge der Sparpolitik waren. Vor allem wurde in den vergangenen Jahren bei den Richtern und Staatsanwälten gekürzt. Deshalb ist das Nachpersonalisieren gerade bei diesen beiden Gruppen besonders notwendig und wir müssen uns da auch in den kommenden Jahren den weiteren Bedarf anschauen.
Eine repräsentative Umfrage von 2019 kam zu dem Ergebnis, dass das Ansehen der Justiz innerhalb der Bevölkerung immer weiter am Schwinden ist. Während 41 Prozent sehr großes bis großes Vertrauen in die Justiz haben, sagen 45 Prozent, dass sie sehr geringes oder geringes Vertrauen haben. Ich denke, wir sind uns alle hier einig, dass es so nicht weitergehen kann.
Spätestens 2019 war dann auch klar gewesen, dass der saarländische Weg grandios gescheitert ist. Die Landesregierung ist mit ihren Einsparungen gescheitert. Wir müssen uns die Frage stellen, was in diesem Jahr eigentlich passiert ist. Am 30. Oktober 2019 fanden sich 400 Beschäftigte aus dem Justizbereich vor dem Landtag zusammen. Anwesend waren Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer, Servicekräfte, Justizwachmeisterinnen und Justizwachmeister und andere Beschäftigte. Es gab selten im Justizbereich ein so deutliches Warnsignal, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das wir jetzt diesen Pfad beschreiten, ist erst der Anfang. Seit immerhin 2010 gibt es schon die Schuldenbremse. Seitdem gibt es enorm hohe Arbeitsbelastung und Arbeitsverdichtung. Dementsprechend hoch ist auch der Krankheitsstand. Es gibt eine niedrige Eingangsbesoldung und deshalb solidarisiert sich DIE LINKE mit allen Beschäftigten, die jetzt „Stopp!“ rufen.
Die Botschaft der Landesregierung ist in dem Fall angekommen. Aber wir dürfen nicht vergessen, der Personalabbau und auch das Spardiktat im Justizbereich waren wirklich massiv. In diesem Jahr brauchen die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger unsere Hilfe. Laut PEBB§Y fehlen hier 20 bis 45 Stellen. Hier muss also dringend nachpersonalisiert werden, denn bei den Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern kristallisieren sich auch Folgeprobleme heraus. Nicht alle Älteren bleiben bis zum Erreichen der Altersgrenze und viele Jüngere wandern ab.
Dementsprechend müssen wir hier auch mehr für die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger tun, dadurch beeinflussen wir auch immerhin die Einnahmesituation des Saarlandes, denn durch das Fehlen brechen dem Saarland jährlich Millionen weg. Es hat auch Folgen für beispielsweise den Wirtschaftsstandort. Investoren beklagen schon lange, dass man lange auf Handelsregister- oder Grundbuchanfragen warten muss.
Zum Schluss möchte ich noch auf die Notwendigkeit hinweisen, dass wir auch Stellenhebungen durchführen müssen, besonders beklagen das in diesem Jahr die Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer, aber auch die Justizgewerkschaft, dass hier eben ein enormer Beförderungsstau vorliegt. Ich weiß, trotz der großen Kehrtwende können Sie natürlich nicht an alles denken, deshalb haben Sie ja unseren Änderungsantrag, und ich bitte um Zustimmung! - Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Rede möchte ich in Erinnerung rufen, weshalb wir heute über die Kontaktnachverfolgung sprechen müssen: Wir müssen darüber sprechen, weil das saarländische Verfassungsgericht ein Urteil gefällt hat, wonach auch in der Corona-Krise die Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Die Regierung kann solche Maßnahmen eben nicht über Verordnungen regeln. Deshalb ist es gut, dass wir dafür hier und heute die gesetzliche Grundlage schaffen.
Das heißt nun aber leider keineswegs, dass alles in dieser Debatte prima gelaufen wäre. Das Grundrecht, um das es hier geht, ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. In der Landesverfassung steht dazu: „Jeder hat Anspruch auf Schutz seiner personenbezogenen Daten.“ Der Eingriff in dieses Recht im Zuge der Kontaktnachverfolgung ist ja immens: Die Menschen müssen nicht nur ihre Kontaktdaten angeben, sondern müssen auch preisgeben, wann sie beispielsweise mit jemandem einen trinken waren oder ob sie bei einer Versammlung waren. Angesichts dessen hat im August der saarländische Verfassungsgerichtshof gesagt: „Damit ist die Pflicht zur Gewährleistung einer Kontaktnachverfolgung durchaus geeignet, Bürgerinnen und Bürger von der Ausübung grundrechtlicher Freiheiten ent
scheidend abzuhalten und Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile zu erstellen.“
Nun muss man sagen, dass der Gesetzentwurf zumindest einige der großen Kritikpunkte beseitigt. Auch wir erkennen natürlich die Notwendigkeit dieses Gesetzentwurfs und haben deshalb auch im Ausschuss mitgestimmt. Nun gibt es ja einen Disput mit dem Innenminister, der meint, dass man die Listen bei schweren Verbrechen auch der Polizei zur Verfügung stellen muss. Dazu meint Professor Clemens Arzt, den wir auch in der Anhörung gehört haben; ich zitiere: Das vom Verfassungsgerichtshof klar herausgearbeitete Argument einer möglicherweise abschreckenden und einschüchternden Wirkung solcher Listen bei der Grundrechtsinanspruchnahme kann zu falschen Angaben führen. Nicht zuletzt, wenn nicht absehbar ist, welche weiteren staatlichen Einrichtungen oder Behörden hierauf zugreifen dürfen.
Man mag ja nun trotzdem zu dem Schluss gelangen, dass es dem Innenminister hier tatsächlich um die Aufklärung schwerer Straftaten geht. Um welche schweren Verbrechen handelt es sich denn, die uns in diesem Kontext ereilt haben? In einem Fall ging es um einen Handtaschendiebstahl, in einem anderen um eine Sachbeschädigung mit Fahrerflucht. Herr Innenminister, wenn das Ihr Verständnis von „besonders schweren Straftaten“ ist, haben Sie entweder in Jura nicht richtig aufgepasst oder aber insoweit die Öffentlichkeit getäuscht und damit auch das Vertrauen der Bevölkerung missbraucht.
Die Zahlen geben mir an dieser Stelle ja auch recht. Im Gesundheitsausschuss monierte der Staatssekretär, die nachlassende Bereitschaft der Bevölkerung, wahrheitsgemäße Angaben zu machen, sei gegeben. Die Antwort der Koalition darauf lautet, dass man in diesem Fall die Bürgerinnen und Bürger, die diese falschen Angaben machen, eben bestrafen muss. Das ist leider genau Ihre Art, Politik zu machen! So kann das aber nicht funktionieren, denn zur Bewältigung dieser Pandemie brauchen wir die Solidarität der Bevölkerung, und das schließt falsche Versprechungen und leere Drohungen aus.
Um insoweit Klarheit zu schaffen, schlug Herr Professor Clemens Arzt folgende Ergänzung vor: Eine Übermittlung, Verwendung oder Beschlagnahmung dieser Daten nach anderen Rechtsvorschriften ist unzulässig. - Auch vonseiten des Innenministeriums könnte man Klarheit schaffen, indem man sich ein Vorbild am Amtskollegen und Parteifreund von Herrn Bouillon, ein Vorbild an Minister Peter Strobel aus Baden-Württemberg, nimmt. Denn dieser garantiert, dass die erhobenen Daten ‑ ‑
Verzeihung, das war der falsche Strobel; ich meine den Innenminister Strobl aus Baden-Württemberg. Dieser garantiert, dass die erhobenen Daten nicht zur Strafverfolgung genutzt werden. Die gleiche Aufforderung gilt in diesem Fall aber auch für den Justizminister Peter Strobel aus dem Saarland, der eine Weisungsbefugnis gegenüber der Staatsanwaltschaft hat. Schließlich geht es hierbei ja nicht um irgendwelche Mafiapaten oder Terror- oder Mörderbanden, sondern um einen Handtaschendiebstahl und um eine Sachbeschädigung mit Fahrerflucht. Das so zu behandeln, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist wirklich absurd. Im Gesetzentwurf steht, ebenso in der Rechtsverordnung, dass die Verwendung der erhobenen Daten zu keinem anderen Zweck erfolgen darf als zur Aushändigung auf Anforderung an die Gesundheitsämter.
Es ist auch gut, dass jetzt, unter Berücksichtigung der Änderungsanträge, die Daten nur noch 14 Tage gespeichert werden dürfen. Letztlich dauert ja auch die Quarantäne nur 14 Tage, und hier geht es immerhin um das Grundrecht auf Schutz der persönlichen Daten.
Zu einem anderen Punkt muss ich allerdings sagen, dass man nicht verstanden hat, was der Verfassungsgerichtshof wollte: Die Landesregierung soll weiterhin ermächtigt werden, am Parlament vorbei durch Rechtsverordnung die Kontaktnachverfolgung hinsichtlich weiterer Einschränkungen in Anlagen und Betrieben anzuordnen. Wie das zusammenpassen soll, das kann mir niemand erklären. Denn im Urteil heißt es ganz klar, dass das Parlament verantwortlich ist, da die öffentliche Debatte notwendig ist und die Menschen draußen nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden dürfen. Nun aber spielt das Parlament den Ball wieder zurück an die Regierung, damit auch künftig die Regierung per Rechtsverordnung ändern und erweitern kann. Das allerdings kritisieren nicht nur wir, das kritisiert auch Monika Grethel, das kritisiert Professor Gröpl, das kritisiert Professor Arzt.
Es ist auch bedauerlich, dass man in der Anhörung nicht auf die Empfehlungen bezüglich des Prostitutionsgewerbes eingegangen ist. Monika Grethel erklärte Ihren Ansatz für - ich zitiere - inkonsistent und verfassungswidrig, weil ungeeignet und unverhältnismäßig. Sie weist auch darauf hin, dass die Kontaktnachverfolgung von der Kooperationsbereitschaft der Infizierten abhänge. Es ist aber doch sehr fraglich, ob ein Freier dem Gesundheitsamt offenbaren wird, dass er sexuelle Dienstleistungen in Anspruch genommen hat. In diesem Fall hilft dann auch die Kontaktdokumentation leider nichts. Aldona stellt dazu klar: Freier, die ihre Daten nicht preisgeben wollen, werden Alternativen zu den Prostitutionsstätten finden - im Versteckten, ohne Kontaktnachverfolgung und ohne Schutzmaßnahmen für die Prostituierten. Aldona geht davon aus, dass so die
Ausbreitung eines schwer zu überblickenden Parallelmilieus begünstigt wird. Das aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann nicht unser Ziel sein.
Ich fasse zusammen: Es ist ein Fortschritt, dass wir heute die Kontaktnachverfolgung in einen gesetzlichen Rahmen einordnen. Darüber haben wir heute offen, transparent und streitbar diskutiert. Es bleibt allerdings, dass nicht nur wir, sondern auch die Expertinnen und Experten weiterhin einige Punkte zu kritisieren haben. Deshalb werden wir uns heute in der Abstimmung enthalten. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie wissen, lehnt ein breites Bündnis in unserer Gesellschaft dieses Gesetz ab. Wie Sie wissen, äußerte die große Mehrheit der Fachleute in der Anhörung Kritik und verfassungsrechtliche Bedenken. Wie Sie wissen, ist dieses Gesetz praktisch die Umkehr von dem, was die EU-Vorgabe in Sachen Datenschutz umsetzen wollte. Am Donnerstag sagte selbst der Kollege Schäfer im Innenausschuss, dass dieses Gesetz mit heißer Nadel gestrickt sei. Da muss ich schon sagen, wenn Sie hier im grundrechtssensiblen Bereich operieren, sollten Sie zumindest Ihre Instrumente sowie die Anatomie kennen, denn alles andere ist eine Zumutung für die Bevölkerung.
Das Gesetz schneidet massiv in die Freiheitsrechte der Bevölkerung ein. Es schneidet durch den Einsatz von Bodycams in Wohnungen und den Einsatz von elektronischen Fußfesseln ein. Es schneidet durch noch mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum, durch die Ausweitung der Telefonüberwachung, durch die Erlaubnis, Messengerdienste mit Staatstrojanern überwachen zu dürfen, und durch die Einführung des Kontaktverbotes ein. Das Ganze passiert nicht mehr bloß, wenn eine konkrete Gefahr vorliegt, sondern wenn der Verdacht besteht, dass jemand irgendetwas tun könnte, ohne dass hierbei konkrete Beweise oder Belege für eine Straftat vorliegen müssen. Bevor Sie zustimmen, bitte ich Sie, genau das zu bedenken. An dieser Stelle möchte ich Kira Braun, die Landesvorsitzende der Jusos, zitieren: „Sowohl die Einsetzung des Durchsetzungsgewahrsams als auch den Einsatz von Bodycams in Wohnungen lehnen wir strikt ab. Die Freiheitsstrafe ist für den Staat eine der schärfsten Eingriffsmöglichkeiten in die Rechte der Bürger überhaupt. Es fehlt bei einer Haft aus präventiven Gründen gerade der für die Rechtfertigung der Freiheitsentziehung beim Strafvollzug erforderliche Schuldvorwurf.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt mussten Sie am Ende ein ganz klein wenig nachbessern. Damit wollten Sie die rechtlichen Bedenken der Gutachterinnen und Gutachter zum Einsatz der Bodycams in Wohnungen aufgreifen. Allerdings ist damit jetzt auch klar, dass Sie Ihr ursprüngliches Ziel, das Sie vor Augen hatten, nicht erreicht haben. Sie haben, wie ich finde, einen gesichtswahrenden Kompromiss für beide Seiten entworfen, denn ausgerechnet in den Fällen, die vollmundig als Begründung für die Neuregelung aufgeführt wurden, dürfen Sie die Bodycams nicht mehr einsetzen. Da muss man schon sagen, Herr Innenminister, an dem Punkt sind Sie wirklich krachend gescheitert, denn im Februar erklärte Ihre Ministervertretung, Minister Strobel, dass der Schutz der Einsatz- und Rettungskräfte eine Herzensangelegenheit für die Landesregierung sei. Besonders in Fällen häuslicher Gewalt prüft man, einen besseren Schutz für die Polizeibeamtinnen und -beamten durchzusetzen. Inzwischen hat sich bestätigt, dass die Landesregierung das sehr schlecht geprüft hat und dass die Mehrheit der Gutachterinnen und Gutachter zu einem ganz anderen Ergebnis kommt. Deshalb mussten Sie an dieser Stelle nachbessern, sodass die Bodycams in Wohnungen nur bei einer dringenden Gefahr für Leib und Leben zulässig sind. Eine dringende Gefahr für Leib und Leben und eben nicht die einfachen Fälle häuslicher Gewalt, sondern erst dann, wenn im Prinzip schon die Axt ausgepackt wurde oder sich Terroristen in einer Wohnung verschanzt haben. Das ist schon etwas ganz anderes als das, was ursprünglich gewollt war - glücklicherweise, denn damit dürfte diese Maßnahme in der Praxis eigentlich raus sein.
Liebe SPD, ich muss darauf hinweisen, dass ihr an der Stelle wieder eingeknickt seid. Mitte August sagte Petra Berg zum Gutachten von Professor Schäfer - und ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -: „Damit ist für uns der Einsatz von Bodycams in Wohnungen vorerst vom Tisch, bis höchstrichterliche Klarheit geschaffen ist.“ - Ich muss sagen, zumindest uns ist bisher keine höchstrichterliche Überprüfung bekannt. Also ist die SPD wieder als Löwe gesprungen und als Bettvorleger gelandet - und das bei einem so zentralen Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir müssen allerdings ausdrücklich begrüßen und unterstützen, dass nach massiver Kritik die Journalistinnen und Journalisten von verdeckten Überwachungsmaßnahmen ausgenommen sind und keine Abstufung, wie ursprünglich geplant, in der Gruppe der Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger vorgenommen wird. Hier hat die kritische Öffentlichkeit tatsächlich gewirkt. Das Gleiche gilt natürlich auch für die ungeheuerlichen Pläne des Innenministeriums, das Unabhängige Datenschutzzentrum in seiner Unabhängigkeit beschränken zu wollen. Das alles wurde jetzt vom Tisch genommen. Das ist natürlich zu begrüßen.
Man muss aber auch sagen, dass man an ganz anderen Punkten, beispielsweise in Ihren Änderungsanträgen sieht, worum es der CDU und SPD in Wirklichkeit geht. So soll die Polizei selbst entscheiden können, ob eine Gefahr für Land oder Bund vorliegt, sodass betroffene Personen nicht benachrichtigt werden müssen, wenn ihre Daten beispielsweise an den Verfassungsschutz, den MAD oder BND übermittelt werden. Na, wie das wohl ausgehen wird? Wie oft dann wohl die Sicherheit in unserem Land bedroht sein wird und wie oft die entsprechenden Bürgerinnen und Bürger wohl nicht informiert werden müssen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Marie Bröckling von netzpolitik.org hat es, wie ich finde, in der Anhörung auf den Punkt gebracht. Sie sagte: Es gibt keine gesetzgeberische Verpflichtung, das rechtlich gerade noch Zulässige umzusetzen. - Auch wenn sie für meinen Geschmack eine etwas optimistische Meinung zu der Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes hat, hat sie im Kern doch recht. Es gibt keine Verpflichtung und deshalb werden wir dieses Gesetz auch ablehnen. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mache es kurz bei diesem Punkt: Es ist zwar nicht von der Hand zu weisen, dass bei uns im Justizbereich eine enorme Arbeitsbelastung herrscht, aber da bringt dieser Antrag der AfD hier heute nichts. Zum einen werden keine konkreten Vorschläge gemacht und es wird auch nicht quantifiziert, wie viele Stellen man letztendlich schaffen will, und zum anderen beginnen wir ja gerade mit unseren Haushaltsdebatten, da kann man dann konkrete Änderungen einbringen.
Wir wissen schon jetzt, dass die Landesregierung neue Stellen schaffen möchte. Es wird sich zeigen, wie viele das sind und ob das ausreichend ist für den Justizbereich. Aber da muss man erst einmal abwarten und deshalb ist der Antrag der AfD zum jetzigen Zeitpunkt einfach unbrauchbar. Ich muss Ihnen auch ganz ehrlich sagen, wenn das das Niveau andeuten sollte, das in der Haushaltsdebatte vorgelegt wird, dann kommen wir gar nicht drum herum, zu wiederholen, dass Sie hier aktive Arbeitsverweigerung betreiben. Deswegen lehnen wir Ihren Antrag auch ab! - Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir eine kleine Vorbemerkung: Ich muss schon sagen, ich bin etwas überrascht, heute hier erst als Zweiter sprechen zu dürfen, dies nicht einfach, weil der geschätzte Kollege Oberhausen vor mir gesprochen hat, sondern weil ich stellvertretender Ausschussvorsitzender bin und dieses Vorgehen anscheinend auch nicht mit den anderen Fraktionen abgesprochen war. Das ist ein Alleingang der CDU, und ich finde, dieser Alleingang ist nicht hinnehmbar. Deswegen werden wir das jedenfalls auch noch einmal im Erweiterten Präsidium ansprechen.
„Wo Freiheit, Menschenrechte und Pluralismus sind, da ist Europa.“ - Das ist ein Zitat von Richard von Weizsäcker, dem ehemaligen Bundespräsidenten. Heute muss man leider sagen, dass das ein frommer Wunsch war. Auf Lesbos, in Moria, brennen gerade unsere europäischen Werte. Nicht nur deshalb müssen wir dieses Lager schnellstmöglich räumen. Es ist aber ja nicht nur Moria!
Die EU exportiert weiterhin Waffen an Kriegsparteien wie Saudi-Arabien, das im Jemen aktiv ist, oder auch an andere Diktatoren. Die EU zwingt afrikanischen Ländern sogenannte Freihandelsabkommen auf, bei denen es eigentlich um nichts anderes geht, als die lokale Wirtschaft niederzukonkurrieren durch unsere subventionierten Produkte. Leider schafft es die EU auch nicht, eine gemeinsame Flüchtlingspolitik auf den Weg zu bringen, eine gemeinsame Sozialpolitik auf den Weg zu bringen oder dem Parlament endlich das lang ersehnte Initiativrecht zu geben.
Leider handelt die EU mit Diktatoren, liefert Waffen in Kriegsgebiete und setzt dem Markt keine Grenzen. Aber auch in unserer Region mussten wir erkennen, wie fragil das Haus Europa ist und wie schnell die Sonntagsreden betreffend das Zusammenwachsen Europas vergessen waren. Wegen Co
rona wurden innerhalb kürzester Zeit die Grenzen wieder hochgezogen, obwohl dieses Virus natürlich an den Grenzen überhaupt nicht haltmacht. Nichtsdestotrotz haben Bund und Länder die Grenzen dichtgemacht, und das auch noch ohne Absprache mit unseren europäischen Partnerinnen und Partnern. Ganz ehrlich: Es ist doch wohl ein Armutszeugnis, dass es niemand von der Regierung für nötig hielt, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen und unsere Freundinnen und Freunde auf der anderen Seite der Grenze anzurufen! Und das ist dieselbe Regierung, die sich mit der sogenannten Frankreich-Strategie schmückt.
Ich denke, trotz alledem teilen wir dieselben Ziele, zumindest was diesen Antrag betrifft: erstens die Stärkung unserer Großregion, zweitens das Ziel, die Zusammenarbeit hier vor Ort, lokal, auszubauen. Und ja, es wird höchste Zeit dafür. Es gab in Europa schon länger keine größeren Fortschritte mehr. Künftig müssen wir jedenfalls solche Grenzschließungen verhindern. Wir müssen gemeinsam mit unseren Freundinnen und Freunden aus Lothringen und aus Luxemburg gegen dieses Virus kämpfen, nicht gegeneinander aus Angst vor dem Virus.
Seien wir einmal ganz ehrlich: Im April und im Mai dieses Jahres hätten wir eigentlich auch mehr COVID-19-Patientinnen und -Patienten aus Frankreich hier im Saarland aufnehmen können, die Kapazitäten dafür waren vorhanden. Dies Gesundheitspolitik muss besser abgestimmt werden. Und ja, wir brauchen, wie im Antrag gefordert, interregionale Krisenstrategien. Wir brauchen rasch handlungsfähige Krisenstäbe der Großregion.
Auch ein interregionaler Forschungsfonds, wie er gefordert wird, ist sinnvoll, dazu muss man aber auch erwähnen, dass diesbezüglich das Saarland bislang auf der Bremse gestanden hat. Die Regierung ignoriert auch unsere Forderung, die Medizintechnik als Leitprojekt auszubauen. Ebenfalls vergessen wurde zwischenzeitlich, dass die SPD schon längst die Nano-Technologie im Saarland hatte voranbringen wollen. Man sieht aber ja, wenn man das einmal ehrlich betrachtet, auch an der aus dem Ruder gelaufenen Krankenhausplanung, dass auf Landesebene Krisenstrategien oftmals nicht so funktionieren, wie sie das eigentlich sollten.
Leider ist es ja auch so, dass von den Menschen, die auf der Straße gefragt werden, was denn der Interregionale Parlamentarierrat sei, die wenigsten diese Frage beantworten können. Und noch weniger Menschen wissen, was der IPR eigentlich macht. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich äußere das nicht als Kritik an die Adresse der Kolleginnen und Kollegen, die sich im Interregionalen Parlamentarierrat engagieren. Das ist vielmehr eine nüchterne Einschätzung. Ich glaube, wir brauchen mehr sichtbare
Zeichen für das Zusammenwachsen unserer Region; auch gemeinsame Parlamentssitzungen und konkrete Verbesserungen für die Menschen in der Region sind nötig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stimmen natürlich allen im Antrag genannten Forderungen zu. Aber wir müssen diese Forderungen auch bald mit Leben füllen. Mit dem Erheben von Forderungen allein ist es nicht getan - wir brauchen mehr Zusammenarbeit, mehr konkrete Fortschritte und mehr Europa. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag von CDU und SPD verfolgt auf jeden Fall ein richtiges Ziel, dass man nämlich das pauschale Blutspendeverbot für schwule und bisexuelle Männer endlich aufhebt. Dieses pauschale Verbot schützt niemanden, denn es geht tatsächlich um die Frage, ob Personen ungeschützten Geschlechtsverkehr mit vielen wechselnden Sexualpartnern haben oder nicht. Es geht eben nicht um die Frage, ob jemand schwul ist oder nicht. Heutzutage ist ja auch vieles anders als vor 30 Jahren. Inzwischen wirken Kombinationstherapien bei HIV-positiven Patienten so gut, dass man bereits nach einigen Wochen so gut wie keine Viruslast mehr im Blut nachweisen kann. Dies bedeutet, dass eine Übertragung unwahrscheinlich ist, selbst bei ungeschütztem Sex. Ein pauschales Blutspendeverbot für schwule und bisexuelle Männer war deshalb schon immer falsch. Besonders
heute erscheint es aus der Zeit gefallen. Deshalb stimmen wir diesem Antrag zu, den wir gut und richtig finden.
Sie werden es bereits geahnt haben, dass wir den Antrag trotzdem in Teilen scheinheilig finden. Ich will Ihnen auch erklären, warum. Erstens ist der Antrag schon längst überfällig. Wir hatten schon längst Zeit, das zu ändern, und zwar schon vor der Corona-Krise. Es hat aber zunächst eine Initiative der FDPBundestagsfraktion gebraucht, die schon im Mai an den Bundesgesundheitsminister geschrieben hat. Das haben Sie verschwiegen.
Damit kommen wir direkt zum zweiten Punkt, dass es nämlich insgesamt ein schon eher älterer Antrag ist. Vor genau viereinhalb Jahren haben alle Fraktionen in diesem Haus beschlossen, dass man einen ähnlichen Antrag voranbringen möchte. Damals wie heute finden wir, dass es ein sinnvoller Antrag ist. Aber was ist seitdem passiert? - Nichts. Auch das haben Sie verschwiegen.
Herr Kollege Jung, wir sind nicht in der Regierung, aber es ist immer noch dieselbe Regierung wie vorher. Am Kabinett hat sich kaum etwas geändert. Da hätte man auf jeden Fall die Initiative ergreifen können.
Der dritte Punkt war natürlich die Anhörung zu personenbezogenen Hinweisen bei der Polizei. Vor nicht allzu langer Zeit haben wir im Plenum darüber debattiert, dass die Polizei eine diskriminierende Praxis verfolgt, indem HIV-Positive in der Polizeidatenbank als solche gespeichert werden. Damals wurde von den Kollegen Scharf und Renner gefordert, dass man dazu eine Anhörung stattfinden lässt und aus dieser Anhörung die entsprechenden Konsequenzen zieht. Die Anhörung hat stattgefunden. Wie zu erwarten haben alle wissenschaftlichen Expertinnen und Experten deklariert, dass das Vorgehen kontraproduktiv und diskriminierend ist. Wir wissen alle, durch die neuen Behandlungsmethoden ist die Viruslast unter der Nachweisgrenze.
Weiter gedacht ist diese Praxis also auch für die Polizistinnen und Polizisten gefährlich, weil sie sich bei fehlendem Verweis in der Datenbank in einer völlig falschen Sicherheit wiegen. Zusammengefasst: Identifizierte Infizierte sind in der Regel nicht infektiös und ungefährlich, während nicht identifizierte Infizierte potenziell infektiös und gefährlich sind. - Damit führen wir genau diese diskriminierende Praxis ad absurdum. So stellte sich das Ganze auch in der Anhörung dar. Lediglich die Polizeilobby hat mit bereits
widerlegten Argumenten versucht, an genau dieser Praxis festzuhalten. Auch da muss man fragen: Was ist seither passiert? - Nichts. Auch das haben Sie verschwiegen. Es ist, wie eben schon gesagt, dieselbe Landesregierung, die sich alle paar Jahre hier für eine diskriminierungsfreie Blutspenderegelung einsetzt. Das, liebe Kolleginnen Kollegen, ist wirklich arm, und deshalb empfinden wir Ihren Antrag als in Teilen scheinheilig. Aber vielleicht passiert nach dem erneuten Antrag doch noch etwas. Sie wissen ja: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Antrag der AfD können wir heute eigentlich in wenigen Sätzen abhandeln. Im Antrag heißt es, solange Rechtsunsicherheit besteht, seien keine saarländischen Polizisten mehr für Einsätze in die Hauptstadt abzustellen. Dazu lässt sich eigentlich ganz einfach feststellen, es gibt gar keine Rechtsunsicherheit. Das Land Berlin haftet auch bei nachgewiesener Diskriminierung durch auswärtige Polizistinnen und Polizisten und nicht etwa das Entsendeland oder die einzelne Dienstkraft. So steht es im Gesetz. So hat es der Innensenator Geisel erklärt. Damit erledigt sich der Antrag der AfD eigentlich ganz schnell.
Das Berliner Gesetz spricht auch keineswegs einen Generalverdacht gegenüber Polizistinnen und Polizisten aus, wie die AfD das behauptet. Auch enthält das Gesetz keine Beweislastumkehr, wie das gerne
von der CDU behauptet wird. Natürlich ist es nicht ausreichend, wenn man einfach behauptet, man sei von irgendeinem Polizisten diskriminiert worden. Ein solches Gesetz hätte vor Gericht nämlich überhaupt keinen Bestand. Nein, die betroffenen Personen müssen vor Gericht Tatsachen glaubhaft machen, dass eine Diskriminierung wahrscheinlich ist.
Dann, nach richterlicher Prüfung - ich glaube, das ist entscheidend - und im Rahmen einer umfassenden Würdigung aller Umstände, muss das Vorliegen einer Diskriminierung wahrscheinlicher sein als das Nichtvorliegen einer Diskriminierung. Das ist eben kein Generalverdacht gegen Polizeikräfte. Ein solcher Generalverdacht wäre auch unsinnig.
Aber mindestens genauso unsinnig ist eine Generalunschuldsvermutung gegenüber der Polizei. Frei nach dem Motto: Bei uns gibt es keine schwarzen Schafe. - Damit hier kein Missverständnis aufkommt, möchte ich sagen, dass Gewalt gegenüber Polizistinnen und Polizisten übel ist. Dagegen müssen wir vorgehen. Mindestens genauso übel sind aber Gewalt und Fehlverhalten von Polizistinnen und Polizisten.
Man muss doch ganz klar sagen: Wir haben hier noch keine amerikanischen Verhältnisse. - Das liegt vor allen Dingen daran, dass wir in Deutschland eine gute Ausbildung bei der Polizei haben und der Versicherungsschutz für die einzelnen Beamtinnen und Beamten viel besser ist. Inzwischen kann aber niemand mehr abstreiten, dass es auch Rassismus bei unseren Sicherheitsbehörden gibt. Wir erinnern uns alle an den Mord an Oury Jalloh, der in Dessau in seiner Gefängniszelle verbrannte. Wir erinnern uns an die Ermittlungspannen beim NSU, Stichwort Döner-Morde oder SOKO Bosporus. Wir erinnern uns an die Mitglieder des Ku-Klux-Klans, die gleichzeitig die Vorgesetzten der ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter waren. Ganz aktuelle Fälle gibt es auch. Wir erinnern uns an die Vorgänge im KSK. Wir erinnern uns an die Gruppe Nordkreuz, die Todeslisten führt und Löschkalk und Leichensäcke bestellt hat, um einen Umsturz zu planen. Wir erinnern uns auch an die 38 Polizistinnen und Polizisten, die in Hessen aufgrund der NSU-2.0-Ermittlung vom Dienst suspendiert wurden. Ja, hier gibt es ein Problem!
Darüber hinaus hat die Ruhr-Uni Bochum in einer Studie herausgefunden, dass Polizeigewalt eben keine Ausnahme ist. 80 Prozent der Betroffenen bringen die Vorfälle nicht zur Anzeige. Das liegt daran, dass sie zu Recht vor den Konsequenzen Angst haben wie zum Beispiel vor einer Gegenanzeige. Ich sage ganz klar: Im Saarland fehlt eine unabhängige Beschwerdestelle. - Dahin können sich die Bürgerinnen und Bürger sowie Polizistinnen und Polizisten wenden, wenn es Beschwerden gegenüber der Polizei gibt. Es gibt im Saarland noch nicht mal eine anonymisierte Kennzeichnung von Einsatzkräften bei der Polizei. Anstatt an gesellschaftlichen Konzepten
mitzuarbeiten, verstecken sich die CDU-Innenminister lieber hinter einem Generalverdacht gegenüber der Polizei.
Jetzt hat der Innenminister Bouillon - Wo ist er? Mit dem Hemd wahrscheinlich auf dem Weg nach Hawaii - gesagt, dass es kein Fehlverhalten bei der Polizei gibt.
Gott sei Dank! Da können die migrantischen Communities aufatmen. Leider bleibt an dieser Stelle zu bezweifeln ‑ ‑
Leider bleibt an dieser Stelle zu bezweifeln, dass unser Minister überhaupt jemals Opfer einer ungerechtfertigten Polizeimaßnahme geworden ist - sei es durch sein Alter, seine Hautfarbe oder soziale Stellung. Jedoch ist noch erschütternder, dass Innenminister Bouillon versucht hat, die Black-LivesMatter-Demonstration, die friedlich verlaufen ist, zu verunglimpfen, indem er sie in einen Zusammenhang mit den Ausschreitungen einzelner Personen nach der Demonstration bringt. Währenddessen schweigt er unerträglich laut über den rassistischen Angriff in Burbach. Wo ist die volle Härte des Gesetzes an dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen?
Weiterhin ist in Deutschland „Racial Profiling“ verboten, jedoch kommt es immer wieder vor, immer noch und immer wieder. Im Herbst des letzten Jahres bestätigte genau das Thomas Müller, der 40 Jahre lang in Bremen Polizeibeamter gewesen ist: „Es gibt rassistische Kontrollen in Bremen. Racial Profiling ist eine sich selbst bestätigende Suchstrategie der Polizei. Wenn Sie eine Bevölkerungsgruppe mehr kontrollieren als eine andere, dann werden Sie auch häufiger fündig. Das macht Gruppen verdächtiger und führt eben auch zu mehr Kontrollen.“ Falls Sie jetzt sagen: „So etwas gibt es aber uns im Saarland nicht“, liegen Sie falsch. Wir erinnern uns alle an den Fall von Mohamed Maiga, dem Vorsitzenden des Kulturvereins Ramesch. Er wurde vor seiner Haustür aufgrund seiner Hautfarbe kontrolliert. Er musste bis zum Bundesverwaltungsgericht gehen, um auf diese Ungerechtigkeit hinzuweisen. Nun kann man in Berlin, wenn man aufgrund seiner Hautfarbe diskriminiert wird, dagegen vorgehen. Das ist auch gut so, denn gegen Diskriminierung vorgehen, ist keine Diskriminierung. Daran sollte sich auch das Saarland ein Beispiel nehmen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im vergangenen Jahr hat das Saarland rund 659.000 Euro als Staatsleistungen an die Kirchen gezahlt, seit 1957 sind es mehr als 30 Millionen Euro. Und wofür? Als Entschädigung für die enteigneten kirchlichen Güter, basierend auf einer Entscheidung aus dem Jahr 1803. Dabei ist auch interessant, dass bislang niemand sagen kann, wie der Wert dieser Güter damals einzuschätzen war und wie er heute einzuschätzen wäre. Auch kann niemand sagen, wie viel Geld genau bis heute geflossen ist. Für die Zeit vor 1957 kann die Landesregie
rung keine Angaben machen. Das alles ist schon ungewöhnlich, denn normalerweise, so dachte ich, orientieren sich Entschädigungen an der Höhe des entstandenen Schadens. Stattdessen zahlen aber die Länder Jahr für Jahr. Laizismus sieht nun wirklich anders aus.
Dabei ist es seit mehr als 100 Jahren sogar Verfassungsauftrag, diesen Zustand zu beenden. In Art. 138 der Weimarer Reichsverfassung steht: „Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst.“ Und gemäß Art. 140 Grundgesetz gilt dieser Passus auch heute noch. Der Bund hat aber eben bis heute noch keine Grundsätze dafür erlassen. Deshalb können die Länder auch gar keine entsprechende Ablöse vereinbaren.
Dabei wäre das doch eigentlich ganz einfach: Wir müssten den entstandenen Schaden ermitteln und die bislang erfolgte Staatsleistung. Dann könnte man sich doch grundsätzlich auf eine Ablöse verständigen, immerhin nach 200 Jahren, während der die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ohne feststehende Fakten oder absehbares Ende gezahlt haben.
Das liegt nun aber nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, etwa an der Sturheit der Kirchen, sondern an der Sturheit der Politik. Die Kirchen haben bereits Gesprächsbereitschaft signalisiert. Immer wieder bringt auch die LINKE-Fraktion im Deutschen Bundestag Anträge dazu ein, die aber stets abgelehnt werden. Ende Mai haben LINKE, GRÜNE und FDP einen gemeinsamen Antrag eingebracht, bei dem sich dann aber insbesondere die CDU/CSU quergestellt hat. Das ist natürlich schon bemerkenswert, sind das doch ausgerechnet die beiden Parteien, die absolut stur an der schwarzen Null festhalten. Ausgerechnet sie wollen auch weiterhin Millionen Euro, erbracht von unseren Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, als Staatsleistung zahlen. Damit erweisen sie dem deutschen Steuerzahler wirklich einen Bärendienst.
Es geht heute ausdrücklich nicht um die Kirchensteuer. Es geht auch nicht um die staatliche Förderung sozialer Einrichtungen der Kirche, die stellt hier wirklich niemand infrage. Es geht darum, dass nach 200 Jahren endlich ein Ende der Entschädigungszahlungen in Sicht kommen sollte. Und darum, dass nach 100 Jahren endlich unser Verfassungsauftrag erfüllt wird. Dafür müssen wir hier im Land die Voraussetzungen schaffen. Der beste Weg dahin bestünde eigentlich in der Einberufung einer Expertenkommission, an der Historikerinnen und Historiker, Juristinnen und Juristen, Kirchenvertreter sowie Mitglieder des Landtags beteiligt sind. Diese Kommission könnte den Wert der 1803 enteigneten Güter und den Wert der seitdem erfolgten Entschädigungszahlungen bestimmen. Das wäre ein echter Fortschritt.
Im Übrigen denke ich, dass ein Kreuz nichts im Plenarsaal zu suchen hat. Vor dem Gesetzgeber sind alle Menschen gleich. Diese Praxis ist diskriminierend für Atheisten und Andersgläubige. Bereits Anfang des Jahres habe ich den Präsidenten dazu angeschrieben, bisher habe ich leider noch keine Reaktion erhalten. Sollte das so bleiben, bleibt auch hier leider nur der Klageweg übrig. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen heute über das Unterbringungsgesetz reden, weil das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 die Regelungen aus Baden-Württemberg und
Bayern für teilweise verfassungswidrig erklärt hat. Das Unterbringungsgesetz regelt grob gesagt den Umgang mit Menschen in psychiatrischen Einrichtungen. Im Detail muss man sagen, dass auch eine kurzzeitige Fixierung einen enormen Eingriff in die Grundrechte einer Person darstellt.
Man könnte meinen, dass die Änderungen das entkräften würden, aber leider ist im Entwurf so keine Stärkung der Patientenrechte vorgesehen. Ganz im Gegenteil. Auch Prof. Dr. Riemenschneider vom Universitätsklinikum kritisiert den an mehreren Stellen auftretenden Tenor des Entwurfs, „demzufolge Menschen mit psychischen Erkrankungen mit psychisch kranken Straftätern und Kriminellen gleichgesetzt werden (…). Die Gruppe gefährde weder per se die Sicherheit der Bevölkerung noch dürfen psychiatrische Kliniken als Verwahranstalten verstanden werden.“ Prof. Dr. Riemenschneider vermisst Maßnahmen zur flächendeckenden Stärkung der psychiatrischen Versorgung.
Genau diesen falschen Tenor erkennt man beispielsweise an den Vorschriften zur Fesselung während Ausgängen bei Gefahr von Entweichung. Zu Recht weist Prof. Dr. Riemenschneider darauf hin, dass der Ausgang praktisch den Einstieg in die Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorbereiten soll. Wir müssen uns nichts vormachen, es werden natürlich keine Ausgänge genehmigt, wenn beispielsweise bei einer Person akute Fluchtgefahr bestehen würde.
Im vorliegenden Entwurf ist unserer Meinung nach völlig unklar, wer denn jetzt genau die Maßnahmen, zum Beispiel Fesselungen, anordnen oder umsetzen soll. Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie im Saarland fordert, dass Rettungsdienste oder Pflegepersonal keine Handschellen ansetzen dürften. Dieses sei eine hoheitliche Aufgabe und solle dementsprechend von der Vollzugspolizei durchgeführt werden. Dem stimmen wir natürlich zu. Von daher fordern wir die Streichung des entsprechenden Abschnitts.
Im vorliegenden Entwurf sollen Beschäftigte Patientinnen und Patienten festhalten oder zurückbringen, die sich ohne Erlaubnis oder Genehmigung außerhalb der Einrichtung befinden. Wir sprechen von Ärztinnen und Ärzten, von Pflegepersonal oder von technischem Personal, die mit Befugnissen ausgestattet werden, für die unserer Meinung nach die entsprechende Ausbildung fehlt. Das wird auch vom Uniklinikum kritisiert. Dazu meinte Prof. Dr. Riemenschneider, eine solche Regelung würde den allseits bekannten Personalmangel in den Einrichtungen durch die Abwesenheit des verfolgenden Personals verstärken.
Der Entwurf sieht auch vor, dass Patientinnen und Patienten mit Bild oder Videoaufnahmen überwacht werden können. Die Deutsche Gesellschaft für So
ziale Psychiatrie im Saarland weist darauf hin, dass eine „solche Maßnahme einen tiefen und oftmals entwürdigenden Eingriff in die Intimsphäre einer hilflosen Person bedeutet“ und „eine technische Überwachung einer sich in einer Krise befindlichen und hilflosen Person therapeutisch problematisch ist.“
Dem stimmen wir zu. Deshalb lehnen wir die entsprechende Passage ab. Stattdessen sollte man die Patientinnen und Patienten vom geschulten Pflegeoder Fachpersonal beobachten lassen. Das bedeutet im Umkehrschluss wieder, dass man Geld in die Hand nehmen muss, mehr Geld für Personal und weniger Geld für technische Spielereien oder technische Überwachung. Eine ständige Beobachtung bedeutet für die Betroffenen einen massiven Eingriff in ihre Freiheitsrechte. Deshalb sind wir der absolut festen Überzeugung, dass diese Maßnahme letztendlich nur von einer Richterin oder einem Richter angeordnet werden darf.
Erwähnenswert in unserem Abänderungsantrag ist im Übrigen, dass wir eine Forderung des Landespolizeipräsidiums aufgreifen. Auch das soll vorkommen. Das LPP sagt, dass nur ein Arzt die Polizei um Unterstützung zur Durchsetzung einer Maßnahme ersuchen kann, wenn dieser Arzt die entsprechende Maßnahme bei der betroffenen Patientin oder dem betroffenen Patienten angeordnet hat.
Schließlich wollen wir klarstellen, dass wir das deutlich anders sehen, was die Kollegin Heib eben angesprochen hat. Wenn Männer bei Fixierungsmaßnahmen fixiert werden sollen, soll das durch männliches Pflegepersonal durchgeführt werden, und bei Frauen soll es durch weibliches Personal durchgeführt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen einen Vorschlag aufgreifen, der hier schon angeklungen ist - und zwar die Besuchskommission. Das werden Sie in unserem Änderungsantrag nicht finden, aber ähnlich wie auch die CDU-Fraktion es angesprochen hat, werden wir diesen Punkt wieder auf die Tagesordnung bringen, weil wir ihn für außerordentlich wichtig erachten. Es geht im Prinzip darum, dass diese Besuchskommission die Einhaltung der Aufgabenerfüllung in psychiatrischen Einrichtungen kontrolliert. Deshalb müssen wir über diesen Punkt auf jeden Fall noch mal sprechen. Alles in allem bitte ich um Zustimmung für unseren Änderungsantrag. Ohne die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag können wir dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundeszentrale für politische Bildung erklärt genau zu diesem Thema, ich zitiere: Die 16 Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland sind alle gleichberechtigt. Trotzdem bezeichnen sich drei Länder als Freistaat: Bayern, Sachsen und Thüringen. Das heißt aber keineswegs, dass die Menschen dort freier sind als in den anderen Bundesländern. - Ich denke, damit ist eigentlich so gut wie alles gesagt.
Nein, im Freistaat sind die Menschen nicht freier, nein, im Freistaat gibt es nicht mehr Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit. Wer wirklich ein Bekenntnis für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Demokratie abgeben will, der muss deutlich mehr tun, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der muss konkret etwas verändern. Da gibt es ja verschiedene Möglichkeiten, was sich verändern lässt. Der könnte ja zum Beispiel die hohen Hürden für ein Volksbegehren senken. Der könnte, bevor er Privatisierun
gen durchführt, die Bevölkerung fragen. Der darf keine Parteibuchwirtschaft beim Landgericht oder bei der Medienaufsicht unterstützen. Aber der Freistaat Saarland ändert für die Menschen im Saarland nichts.
Den Menschen hier wäre mehr geholfen, wenn wir endlich gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen würden, wenn wir Brücken, Krankenhäuser und Schulen nicht verrotten lassen würden und wenn wir endlich etwas gegen die wachsende Armut und Ungleichheit in unserem Land tun würden.
Da die AfD ja anscheinend weder in Geschichte noch Latein wirklich fit ist, muss ich Ihnen sagen, Republik kommt vom lateinischen res publica, also die öffentliche Angelegenheit. Was hier stimmt: Das „Frei“ in Freistaat kommt natürlich von der freien Herrschaft aus der Monarchie. Aber wir haben im Saarland schon lange keine Monarchie mehr und deshalb lehnen wir diesen Antrag ab. - Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist erst die Erste Lesung dieses Gesetzes und die Expertenanhörung steht noch aus, deshalb will ich mich kurzfassen. Leider verbirgt sich hinter dem harmlos klingenden Namen „Neuregelungen der polizeilichen Datenverarbeitung im Saarland“ mehr als nur die Neuerungen der datenschutzrechtlichen Vorschriften. Vielmehr geht es darum, der Polizei mehr
Befugnisse in Bewachungs- und Zwangsmaßnahmen zu geben. Bisher galt dabei der Grundsatz, dass die Polizei eingreifen kann, sofern eine konkrete Gefahr vorliegt, also wenn eine Person sich so verhält, dass man davon ausgehen kann, dass sie gleich Gewalt ausüben wird. Jetzt ist bereits eine nicht konkret erfassbare Gefahr ausreichend.
DIE LINKE hält das für einen völlig falschen Ansatz. So sehen die geplanten Änderungen des § 12 Polizeigesetz oder die geplanten neuen § 31 und § 32 zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Polizei vor. Künftig soll es schon ausreichen und ich zitiere -, „dass bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat begehen wird oder das individuelle Verhalten dieser Personen die konkrete Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums eine Straftat begehen wird.“
Wer wird diese Wahrscheinlichkeit überprüfen? Und vor allen Dingen, wie wird er sie überprüfen? Was ist denn „eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise“? Warum stützt man sich hier nicht auf bereits vorhandene Rechtsbegriffe wie die konkrete Gefahr, die vorhanden und etabliert ist? - Je ungenauer ein Gesetz gefasst ist, umso größer ist die Rechtsunsicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, umso mehr ist unklar, wann das Handeln der Polizei auf Grundlage welcher Alternativen überhaupt zulässig ist und umso mehr Spielraum gibt man natürlich auch, diese Gesetze auszulegen. Dies ist umso bedenklicher im Hinblick auf das dem Rechtsstaatsprinzip folgende Bestimmtheitsgebot, also dass man Normen so klar für die Bürgerinnen und Bürger definieren muss, dass sie wissen, wie sie sich zu verhalten haben. Hier werden gravierende Maßnahmen durchgeführt wie Aufenthaltsverbote, Platzverweise und Überwachungsmaßnahmen, wenn es nur die Vermutung gibt, dass eine Person eventuell eines Tages etwas anstellen wird. Dabei verlagern wir die Deutungshoheit auf die subjektive Einschätzung der Einsatzkräfte vor Ort.
Eine solche Gesetzesverschärfung gibt es bereits in Nordrhein-Westfalen und auch in Niedersachsen. Maria Scharlau, Expertin für Polizei und Menschenrechte, von Amnesty International warnt, dass solche Polizeigesetze - ich zitiere - „quasi zur Wahrsagerei auf Seiten der Polizei ermutigen.“ - Es geht ja um eine Wahrscheinlichkeit in - wie Sie in Ihrem Gesetzesentwurf sagen - überschaubarer Zukunft. Was soll das denn heißen? Sind das Tage, sind das Wochen, sind das Monate, sind das Jahre? - Maria Scharlau meint dazu: „Das Problem ist, dass die va
gen Voraussetzungen für solche Annahmen wirklich mit allem und nichts gefüllt werden können. Und diese sehr vagen Anhaltspunkte können zu tiefgreifenden Maßnahmen führen. Wir haben die Sorge, dass die Teilnahme an einer Versammlung, die Mitgliedschaft in einem Verein oder die Meinungsäußerung im Netz schon ausreichen könnte - Verhalten, das unter besonderem menschenrechtlichen Schutz steht.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind sehr gespannt auf die Expertenanhörung im Ausschuss. Wir werden das ganze natürlich kritisch begleiten, aber dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf können wir natürlich so nicht zustimmen. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir sind uns alle einig darüber, dass wir die Menschen über etwaige Genussmittel aufklären müssen. Wir müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzen, selbstbestimmt entscheiden zu können, was sie konsumieren wollen und was sie nicht konsumieren wollen. Das gilt natürlich auch für Alkohol und Tabak, die hier wahrscheinlich bewusst nicht im Antrag erwähnt sind. Und es stimmt ja auch, dass Shishas und E-Zigaretten momentan im Trend sind, während der Konsum beispielsweise von tabakhaltigen Produkten wie et
wa Zigaretten zurückgeht, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Der Rückgang bei Zigaretten ist vor allen Dingen auf die gute Präventionsarbeit und die Aufklärungsarbeit zurückzuführen. Wahr ist aber auch, dass der Genuss von Shishas ebenso Teil unserer Kultur ist wie beispielsweise der Genuss von Alkohol. Auch heute gilt ja für das Betreten einer Shisha-Bar bereits eine Altersgrenze von 18 Jahren, aber beim Lesen des Antrags der AfD entsteht der falsche Eindruck, dass sich auch Jugendliche in solchen Shisha-Bars aufhalten könnten. Bereits heute gibt es ja öffentliche Debatten zu den Gefahren von Shishas und E-Zigaretten, ebenso wie entsprechende Aufklärungskampagnen. So widmet sich die Initiative „rauchfrei“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung immer wieder diesem Thema, ebenso wie diverse Medien, die darüber berichten und auch aufklären. Wir halten gesundheitliche Aufklärung in der Drogenpolitik für absolut unabdingbar.
Im Übrigen sind Wasserpfeifen in Europa ja schon viel länger bekannt, als der AfD-Antrag das hier vermuten lässt. Nachdem Napoleon von 1798 bis 1801 die Ägyptenexpedition durchgeführt hatte, gab es in Europa eine regelrechte Orienthysterie. Alles, was aus dem Orient kam, galt als schick und modern, so natürlich auch die Shishas. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Shishas immer mehr eine Alternative zum Zigarettenrauchen. Rund 100 Jahre bevor die Shisha nach Europa kam, kam ein ganz anderes Genussmittel aus dem Orient nach Europa, nämlich der Kaffee. Als die Türken 1683 die Belagerung von Wien abgebrochen hatten, ließen sie 500 Säcke Kaffee zurück. Das legte damals den Grundstein für die heute noch bekannte Wiener Kaffeehauskultur. Und vielleicht weiß der ein oder andere von Ihnen ja, dass anfangs auch dem Kaffee äußerstes Misstrauen entgegengebracht wurde. Da kann man eigentlich nur sagen, dass wir - alles in allem - zum jetzigen Zeitpunkt zumindest eine eigene Kampagne der Landesregierung für überflüssig halten. Deshalb lehnen wir den Antrag auch ab. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein wichtiges Anliegen, Kinder vor Gewalt zu schützen. Jedes Kind, das Opfer von sexueller Gewalt wurde, ist ein Opfer zu viel. Jeder Fall ist schockierend und erschütternd. Deshalb müssen wir alles in unserer Macht Stehende tun, um Kinder zu schützen. Ich glaube, so weit sind wir uns einig.
Aber es ist doch die Frage, ob es dabei sinnvoll ist, das Strafrecht zu verschärfen. Handelt es sich hierbei nicht einfach um blinden Aktionismus? Ich hoffe, dass der Antrag der Koalition nicht von den Verfehlungen und den Versäumnissen rund um den Missbrauchsskandal des Homburger Uniklinikums ablenken soll. Wenn nämlich ein Assistenzarzt aus sexueller Lust heraus und mit der Autorität eines Arztes Untersuchungen am Genital- und Analbereich von kleinen Kindern ohne medizinische Indikation vornimmt, dann ist das eindeutig übergriffiges Verhalten. Dann ist das auch Missbrauch.
Jahrelang wurde das vertuscht und verschwiegen. Heute wird das Ganze kleingeredet. Die zuständige Wissenschaftsministerin will von nichts gewusst haben. Der zuständige Aufsichtsratsvorsitzende des UKS will von nichts gewusst haben. Die Verantwortlichen der Uniklinik sollen niemanden informiert haben und das, obwohl das Krankenhausgesetz genau das vorschreibt. Dadurch sind weitere Ermittlungen unmöglich geworden.
Die politische Aufarbeitung ist bisher mangelhaft, muss man sagen. Jahrelang wurde offenbar weggeschaut. Man hat Hinweise und Warnungen nicht ernst genommen; hat Anordnungen getroffen, diese aber letztendlich nicht kontrolliert. Man hat auch die besten Zeugnisse ausgestellt für ein vielfach beobachtetes distanzloses Verhalten. Viele Saarländerinnen und Saarländer haben jetzt verständlicherweise den Eindruck, dass das Image des Uniklinikums hier wichtiger ist als der Schutz der Kinder. Ich halte das für einen unhaltbaren Zustand.
Als Folge dieses Untersuchungsausschusses ist ein unabhängiger Missbrauchsbeauftragter aus unserer Sicht absolut notwendig. Die Betonung liegt ganz klar auf dem Wort unabhängig. Ich glaube, das gebieten alleine schon die Fälle rund um das Uniklinikum, denn die Aufklärung wird wirklich schwierig sein mit braven Parteifreunden. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht erst anfangen mit den dürftigen Ergebnissen, aber auch Befugnissen des Sonderermittlers der Landesregierung.
Johannes-Wilhelm Rörig, der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, forderte einen unabhängigen Beauftragten auch für das Saarland, da die Fälle immer wieder zeigen, dass die Zusammenarbeit zwischen den Behörden einfach nicht funktioniert. Ich habe eben von der Ministerin erfahren, dass es Bewegung in der Umsetzung für einen Missbrauchsbeauftragten gibt. Das begrüßen wir natürlich ausdrücklich. Wir verfolgen das aufmerksam und hoffen auf eine möglichst zeitnahe Umsetzung.
Man muss aber auch sagen, dass wir für den Schutz von Kindern vor Gewalt und Übergriffen eindeutig mehr Personal bei Justiz und Polizei brauchen. Ja, man muss manchmal auch Geld in die Hand nehmen, alles andere sind Scheinlösungen. Härtere Strafen sind Aktionismus. Sie bringen wenig und helfen den Kindern so gut wie gar nicht; meistens im Gegenteil. Die Tagesschau berichtete am 05.12.2019, dass das Mindeststrafmaß von sechs Monaten bewusst so gewählt wurde und bei späteren Reformen beibehalten wurde. In dem Bericht hieß es: So bleibt es nämlich möglich, ein Strafver
fahren unter Auflagen einzustellen oder einen Täter im schriftlichen Strafbefehlsverfahren zu verurteilen. Beides erspart betroffenen Kindern, in einer mündlichen Verhandlung möglicherweise als Zeuge aussagen zu müssen.
Ich spreche für unsere Fraktion, wenn ich sage, dass auch wir Kinder nicht dazu zwingen wollen, vor Gericht aussagen zu müssen, um nicht das ganze Trauma noch einmal durchleben zu müssen. Im November erklärte der Sprecher der Bundesjustizministerin Christina Albrecht (SPD): „Wir halten den bisherigen Strafrahmen für angemessen und weisen außerdem darauf hin, dass dieser von den Gerichten bereits heute häufig nicht ausgeschöpft wird.“ Man muss es noch einmal sagen, in diesem Bereich ist die Personalisierung von Ermittlungsbehörden und Justiz einfach viel wichtiger als härtere Strafen!
Auch der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, bestätigt: „Um die schlimmen Verbrechen von Kinderschändern zu verhindern, brauchen wir aber vor allem mehr Personal bei der Polizei sowie eine bestmögliche technische Ausstattung von Polizei und Justiz.“ Ich meine, es ist ja nicht das erste Mal, dass die Saar-SPD gegen die Genossinnen und Genossen in Berlin stimmt. Aber man muss sagen, auch der Deutsche Richterbund sieht die härteren Strafen hier äußerst kritisch. Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, sagt, ich zitiere: Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern und das Verbreiten von Kinderpornografie lassen sich mit den aktuellen gesetzlichen Strafrahmen angemessen bestrafen. Sie ermöglichen es der Justiz, auf die große Bandbreite strafbarer Handlungsweisen je nach Schwere abgestuft zu reagieren. - Also, der bessere Schutz von Kindern, jederzeit. Dieser Antrag hilft da aber leider nicht viel und deshalb werden wir ihn ablehnen. - Vielen Dank!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht zuerst drei Anmerkungen zum Kollegen Zimmer. Ich glaube, Sie haben Ihren Antrag nicht gelesen. Es wird da gesagt, dass das Vergehen zu einem Verbrechen hochgestuft werden soll, also die Strafe von einem halben Jahr auf ein Jahr hochgesetzt werden soll.
Nein, der Kollege Zimmer meinte eben, es wird von einem halben Jahr auf zwei Jahre hochgestuft, aber das steht ja gar nicht in dem Antrag.
Zum Zweiten. Das Ministerium der Justiz hat die Aussage, welche ich Ihnen eben als Zitat vorgelesen habe, erst im Dezember von sich gegeben. Sie ist somit eigentlich topaktuell. Sie haben das ja so dargestellt, als ob es auf dem Zeitstrahl ewig weit zurückliegen würde.
Drittens. In meinen fünf Jahren, in denen ich in der Rechtsmedizin gearbeitet habe, habe ich einige Fälle von Missbrauch mitbekommen. Wissen Sie, die meisten Fälle von Missbrauch passieren im häuslichen Umfeld und nicht durch irgendeinen fremden Mann. Ich bin dankbar dafür, dass es beispielsweise Opferambulanzen gibt, weil nicht alle Opfer direkt bereit sind, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten.
Vielleicht noch etwas zur Kollegin Heib. Sie wollen doch nicht behaupten, dass die bisherige Gangart des Untersuchungsausschusses zufriedenstellend sein kann, weder für uns noch für die Opfer. Das muss man hier ganz klar feststellen.
Man muss eines ganz klar sagen. Bedenken Sie, wie weit wir bisher gekommen sind, wie lange es gedauert hat, bis die Akten da waren und was wir jetzt wieder für Zeugen haben. Wir wollten eigentlich die
Rechtsmedizinerin in der nächsten Sitzung hören, was jetzt auch wieder nicht geklappt hat.
Das muss man doch alles sagen. Das ist für die Angehörigen absolut nicht zufriedenstellend. Wir müssen das denen auch erklären. Ich denke, dass es so, wie es bisher gelaufen ist, nicht weitergehen kann und wir hier jetzt langsam daran arbeiten müssen, dass die Aufklärung auch endlich erfolgt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen heute über das Justizdatenschutzgesetz sprechen. Wir hatten im Ausschuss eine Anhörung. Nach der Anhörung wurde relativ schnell klar, dass der Gesetzentwurf eine Reihe von Mängeln enthält, die wir beheben müssen. Davon haben die Regierungsfraktionen in ihrem Abänderungsantrag nur wenig berücksichtigt, um genau zu sein, eigentlich so gut wie gar nichts.
Meiner Meinung nach ist es eine Unart, dass wir hier die umfangreichen Hinweise der Sachverständigen nicht aufgreifen. Wir hatten ja nicht irgendwen im Ausschuss. Wir hatten zwei Professoren aus Bremen und Saarbrücken da. Wir hatten die Vertreterinnen und Vertreter des Richterbundes sowie die Vertreterinnen und Vertreter des Datenschutzzentrums im Ausschuss. Ich denke, wir wären gut beraten, wenn wir auf die Sachverständigen mehr hören wür
den. In diesem Fall sieht es so aus, als wäre die Sachverständigenanhörung zu einer Show-Pflichtveranstaltung degradiert worden, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann und das darf nicht sein.
Wir haben, wie das eben schon angedeutet wurde, einiges in unsere Änderungsanträge mitaufgenommen. Ich möchte hier auf drei Punkte im Speziellen eingehen. Zum Ersten haben wir die Fixierung. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 2018 festgelegt, dass wir strengere Regeln bei Fixierungen brauchen. Fixierungen sind mit die schwersten Eingriffe in die persönlichen Freiheitsrechte der Menschen, denn auch eine kurzzeitige Fixierung bedeutet letztendlich einen Freiheitsentzug, der eines richterlichen Vorbehalts, sprich einer richterlichen Entscheidung bedarf.
Der Saarländische Richterbund legte ganz klar dar, dass die Vorschläge der Regierung in diesem Fall völlig unzureichend sind. Der Richterbund schlug deshalb einen völlig neuen Fixierungsparagrafen vor, den wir in unserem Antrag auch übernommen haben. Auch wir sind überzeugt, eine Fixierung macht eine ärztliche Überwachung unumgänglich. Nach einer Fixierung sollte, wie das beispielsweise in Baden-Württemberg geregelt ist - auch diese Regelung haben wir übernommen -, ein Arzt-PatientenGespräch stattfinden, in dem dann festgestellt wird, warum diese Maßnahme letztendlich ergriffen wurde und wie es zu dieser Ausnahmesituation kommen konnte.
Die Sachverständigen betonen, das ist noch am ehesten ein menschenwürdiger Strafvollzug, und dem schließen wir uns vollumfänglich an.
Das Zweite, was ich ansprechen möchte, sind unklare und schwammige Begriffe. Der komplette Gesetzentwurf wimmelt eigentlich nur so von unklaren und undefinierten Rechtsbegriffen. Damit lässt man natürlich einen großen Auslegungsspielraum für staatliche Datensammelei zum Nachteil der Betroffenen zu. Da ist dann zum Beispiel die Rede von der drohenden Gefahr statt der konkreten Gefahr.
Die konkrete Gefahr haben wir vorher regelmäßig in unseren Gesetzestexten gefunden. Sie regelt im Prinzip die Eingriffsschwelle, ab der eine Maßnahme, beispielsweise eine Überwachung, angeordnet wird. Die Maßnahme darf nur dann angewendet werden, wenn eine konkrete, beweisbare Gefahr vorliegt.
Jetzt haben wir in dem neuen Gesetzentwurf die drohende Gefahr drin, das heißt, die Eingriffsschwelle wurde sehr weit nach vorne verlagert, und das, obwohl die Gutachterinnen und Gutachter anmerken, dass diese Formulierung in diesem Zusammenhang eigentlich gar nicht notwendig gewesen wäre. Wir haben gesehen, dass dieser Rechtsbegriff bereits in anderen Polizeigesetzen in anderen Bundesländern verwendet wurde. Wir lehnen diesen Begriff ab und wir hoffen, dass bei der anstehenden Novellierung des Polizeidatenschutzgesetzes dieser Rechtsbegriff keinen Einzug findet.
Ein weiteres, besonders heikles Thema ist die Datenübermittlung an private Dritte. Auch hier haben wir einschränkend korrigiert. Es ist weiterhin den Experten übereinstimmend negativ aufgestoßen, was in § 6 des Gesetzes steht. Hier werden private Daten und besondere Kategorien personenbezogener Daten zu vollzuglichen Zwecken erhoben, wenn diese entweder erforderlich sind oder unbedingt erforderlich sind. Da muss man sich fragen: Was denn nun? Sicherlich bleibt genau diese Unterscheidung für die Anwenderinnen und Anwender später ein Rätsel. „Generalklausel“ schimpften die Sachverständigen. Auch hier haben wir in unserem Abänderungsantrag korrigierend eingegriffen.
Sie schreiben zum Beispiel auch, dass Daten erhoben werden dürfen zu anderen vollzuglichen Zwecken. Da haben selbst die Sachverständigen nicht mehr gewusst, was Sie damit meinen. Und mit diesem Terminus schaffen Sie ja auch eine Frontaleingriffshandlung in die Datenschutzrechte der Betroffenen. Und so könnten wir das Ganze fortsetzen.
Das Problem des Ganzen ist ja, dass die Praxisbedürfnisse insgesamt in den Vordergrund gerückt wurden, während der Grundrechteschutz in seiner Gesamtheit in den Hintergrund gerückt wurde. Das ist ein Fehlen von Verhältnismäßigkeit und dieses Fehlen, liebe Kolleginnen und Kollegen, lehnen wir ab!
Das Dritte, was wir in diesem Gesetzentwurf kritisiert haben, war der Begriff des Rassischen. Das wurde zweimal genannt, wir haben das korrigiert. Wir denken, dass der Begriff „rassisch“ nicht mehr in unsere Zeit passt. Im Prinzip gibt man rechten Gruppen einen gewissen Vorschub, indem man diese menschenverachtende Ideologie von menschlichen Rassen hier stützt und man sich dem letztendlich unterordnen muss. Das lehnen wir auch ab und im Zuge dessen lehnen wir auch den kompletten Gesetzentwurf ab. Es wurde eben schon gesagt, mit dem Abänderungsantrag sind wir einverstanden, aber in der
Gesamtheit lehnen wir ab und bitten um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. - Vielen Dank!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein wichtiger Schritt, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, denn Kinderrechte sind Menschenrechte. Noch im Juni beantragte die Linksfraktion im Bundestag einen entsprechenden Antrag. In der Debatte stand leider vor allen Dingen die Union auf der Bremse. Der CDU-Abgeordnete Thorsten Frei sagte - ich zitiere -: „Wir haben ein austariertes Verhältnis von Staat, Eltern und Kindern. Und dieses Verhältnis darf durch eine Änderung des Grundgesetzes nicht zugunsten des Staates und zu Lasten der Eltern verschoben werden.“
Ich halte das für Unsinn, liebe Kolleginnen und Kollegen, denn die Kinder sind ja nicht das Eigentum der Eltern.
Seit Anfang des Jahrtausends ist die gewaltfreie Erziehung im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben. Auch dagegen stimmte damals die Union. 19 Jahre später existieren zahlreiche Studien, die die positive Wirkung dieser Maßnahme oder dieser Norm belegen. Aber leider existieren nach wie vor auch Eltern, die der Meinung sind, dass ein kleiner Schlag oder ein Klaps noch niemandem geschadet hätte. Deshalb ist das Kämpfen um Kinderrechte, das Bohren dicker Bretter, langwierig und nicht immer einfach.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist deshalb höchste Zeit, dass Kinderrechte endlich ins Grundgesetz kommen. Aber das alleine ändert ja leider relativ wenig. Im Saarland sind seit 2007 Kinderrechte in der Landesverfassung verankert. Auch darauf weist ja der Antrag der Koalition zu Recht hin. Ist deshalb das Saarland im Schutz von Kindern vor Gewalt, Vernachlässigung und Ausbeutung besonders gut aufgestellt oder ist das Saarland zumindest im Ländervergleich mit Bundesländern, die das nicht in ihre Verfassung geschrieben haben, besser aufgestellt?
Die Antwort ist Nein. Das Saarland ist beispielsweise von Kinderarmut stärker betroffen als andere Bundesländer.
Jedes fünfte Kind im Saarland ist auf staatliche Hilfe angewiesen. Die Tendenz ist weiterhin steigend. Laut der wirtschaftsnahen Bertelsmann Stiftung ist mehr als jedes dritte Kind in Saarbrücken in einem Haushalt aufgewachsen, welcher auf Hartz IV angewiesen ist. Höhere Quoten erreichen leider nur Gel
senkirchen und Bremerhaven. Auch im Saarland, Kinderrechte in der Verfassung hin oder her, trifft jede dritte Sanktion Familien mit Kindern. Auch im Saarland werden bei Familien mit Kindern Strom, Wasser und Wärme gesperrt. Auch im Saarland sind Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern besonders hart von Armut betroffen. Die Armutsgefährdungsquote für alleinstehende Erwachsene mit einem oder mehreren Kindern liegt bei 38,8 Prozent.
Mehr als jede dritte Alleinerziehende ist arm oder von Armut bedroht. Eltern mit mehr als drei Kindern sind fast zu einem Drittel, mit 31,1 Prozent, von Armut bedroht. An Schulen wie der Kirchbergschule hier in Saarbrücken-Malstatt sind über 80 Prozent von dem Entgelt für die Schulbuchausleihe betroffen. An der Kirchbergschule ist Armut schon längst Normalität geworden. 80 Prozent! Ich möchte es wiederholen. Wenn wir jetzt bedenken, dass das reichste Prozent in Deutschland über mehr Vermögen als die 87 ärmeren Prozent besitzt, dann können wir doch nur zu dem Schluss kommen, dass wir hier dringendst etwas ändern müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Dass der Schutz vor Gewalt in der Landesverfassung steht, hat den Kindern rund um den Missbrauchsfall in Homburg leider recht wenig gebracht. Bis heute halten die Verantwortlichen des UKS Verschweigen und Vertuschen von Übergriffen nach wie vor anscheinend für den besten Opferschutz. Ich denke, hier hat das Saarland Nachholbedarf.
Wer sich für Kinderrechte stark macht, der darf aber auch die Beteiligung von Jugendlichen und Kindern nicht vergessen. Da muss man doch ganz ehrlich die Frage stellen, wo das Wahlrecht ab 16 bleibt.
Wir werden hier heute dem Antrag natürlich zustimmen, aber die LINKE wird weiterhin dafür eintreten, dass Kinder als eigenständige Persönlichkeiten anerkannt werden und dann auch die eigenständigen Rechte im Grundgesetz erhalten. Aber wir werden natürlich auch weiterhin dafür Druck machen, damit es nicht nur bei diesem Grundgesetzeintrag bleibt, sondern auch wirklich die Rechte von Kindern gestärkt werden. - In diesem Sinne herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD wärmt heute einen uralten Vorschlag auf. Schon vor 13 Jahren schlug der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammer das vor. Es wurde von der Jungen Union übernommen. Später mündete es in einen CDU-Parteitagsbeschluss.
Es geht darum, Deutsch als Landessprache in die Verfassung aufzunehmen. Dabei muss man sagen, dass es bei der CDU damals darum ging, das Ganze in das Grundgesetz aufzunehmen, also eine gesamtdeutsche Regelung. Der Vorschlag hier möchte, dass wir diese Regelung in die Landesverfassung aufnehmen. Das wirkt kleinteilig und nicht stimmig. Bevor die AfD anfangen möchte, die Verfassung zu ändern, sollten Sie vielleicht lieber Ihre eigenen Anträge noch einmal lesen, um beispielsweise den Antrag „Französischkurse für Abgeordnete“ neu zu formulieren und das am besten grammatikalisch korrekt.
Vor allem stellt sich die Frage, ob die deutsche Sprache denn bedroht ist, und wenn ja, von wem und in welcher Form. Ist es nicht ganz selbstverständlich, dass wir Deutsch im Büro, auf dem Schulhof, auf den Straßen oder in Bussen und Bahnen sprechen? Auch hier im Landtag braucht niemand eine Neuregelung der Verfassung. Wir tauschen uns auch so auf Deutsch aus. Deutsch ist Amtssprache im Bund, in allen Bundesländern und selbstverständlich Hauptsprache im öffentlichen Leben.
Der Autor Matthias Schumacher sagte vor acht Jahren zu dieser Debatte: „Sprache ist wie Wasser. Sie bahnt sich ihren Weg.“ Vor Jahren sagte David Hugendick in der ZEIT: „Unsere Sprache ist Jahrhunderte alt, aber behandelt wird sie wie ein Kleinkind. Pausenlos sorgt sich jemand um ihr Wohlergehen und will sie einsperren, auf dass sie nicht verkomme. Sonst kommen ihre selbsternannten Kindermädchen, und ihr Weh und Ach ist laut. Man wolle sie doch nur beschützen. Sie sei Kulturgut und auf das ist man stolz. Und wenn man in Deutschland auf etwas Wichtiges stolz ist und es bewahren will, kommt es ins Grundgesetz, damit sich keiner dran vergehe.“
Dann sollen die Lehrerinnen und Lehrer ihre Schüler in der Schule für Verfassungsbruch tadeln, weil sie ihre Deutsch-Hausaufgaben nicht erledigt haben? Oder wollen wir hier den saarfränkischen Dialekt verbieten, wo sich die AfD immer als die große Beschützerin aufspielt?
Ich darf an dieser Stelle noch einmal David Hugendick zitieren. „Sprache ist kein Gegenstand, kein absoluter Wert, wie die, die sonst im Grundgesetz stehen. Sie verändert sich allein dadurch, dass man sie benutzt.“ Auch wenn Sie das überraschen wird, die deutsche Sprache hat sich im Laufe der Zeit massiv verändert und vor allen Dingen durch Einflüsse aus anderen Kulturen und Sprachräumen und das ganz ohne Verfassungsrang. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag heute ab. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich dürfen Verkehrsdaten nur erhoben werden bei Verdacht auf schwere Straftaten oder von Straftaten, die auch im Einzelfall von erheblicher Bedeutung sind. Wir reden also über Taten wie etwa Mord, Totschlag, Menschenhandel, Kriegsverbrechen, Terrorismusfinanzierung oder schweren Bandendiebstahl. Eigentlich legt die Strafprozessordnung hohe Hürden fest. Die Erhebung von Daten muss in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen und das Erforschen des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes von Beschuldigten auf eine andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert sein. - So weit zur Theorie. Die Praxis sieht hier jedoch ganz anders aus. Zwischen September 2018 und Juni 2019, also in einem Gesamtzeitraum von etwa neun Monaten, gab es insgesamt 439 Funkzellenabfragen im Saarland.
Was heißt das genau? Statistisch gesehen wurden innerhalb dieser neun Monate die Telefondaten aller Saarländerinnen und Saarländer mehr als 18 Mal an die Polizei übermittelt, denn insgesamt wurden 18.781.886 Verkehrsdaten übermittelt. Bei jeder Funkzellenabfrage erhält die Polizei Auskunft über die Verbindungen aller Handys im bestimmten Bereich eines Funkmastes, also wer ruft wen wann an, wer bekommt von wem SMS geschickt oder wer nutzt mobiles Datennetz, die sogenannten Metadaten werden erhoben. In diesem Zeitraum von neun Monaten waren es mehr als 18 Millionen. Hochgerechnet auf ein Jahr sprechen wir von einem Datensatz von 25 Millionen. Das ist beispielsweise im Vergleich zu Berlin eine deutlich höhere Zahl an Funkzellenabfragen, die das Saarland vorgenommen hat. Zur Erinnerung: Berlin hat dreieinhalb Mal mehr Bewohnerinnen und Bewohner als das Saarland.
Nun gut, wenn durch diese Abfragen wenigstens Mord und Totschlag, Menschenhandel, Kriegsverbrechen, Terrorismusfinanzierung oder eben schwere Bandenkriminalität oder Bandendiebstahl verhindert worden wären, dann wäre es ja gut. Das Problem ist nur, das haben sie leider nicht. Sie haben auch kaum was zur Aufklärung dieser Fälle beigetragen. Laut der Polizei gibt es durch die Funkzellenabfrage in der überwiegenden Mehrheit dieser Fälle keine neuen Erkenntnisse. Deshalb hat das Berliner
Abgeordnetenhaus vor fünf Jahren eine entsprechende Transparenzregelung beschlossen. Dort wird jetzt jährlich dem Parlament von der Polizei über die Funkzellenabfrage im Land Berlin berichtet. Außerdem wurde inzwischen ein System eingerichtet, mit dem die Bürgerinnen und Bürger per SMS darüber informiert werden, wenn sie Teil einer Funkzellenabfrage wurden. Ich denke, was in Berlin geht, sollte auch im Saarland nicht unmöglich sein, deshalb sollten wir einen solchen Bericht an das Parlament auch im Saarland einführen.
Unser Antrag orientiert sich an dem, was auch in Berlin beschlossen wurde. Zur Erinnerung: Der Antrag kam ursprünglich von der Piratenpartei, wurde aber von CDU, SPD und GRÜNEN mitgetragen. Ich sage es gleich vorweg, die LINKE hat sich damals enthalten, das lag aber daran, dass wir im Allgemeinen die Funkzellenabfrage eher kritisch sehen. Unterm Strich und durch die Erfahrungen der vergangenen Jahre sehen wir ein, dass das eine gute Sache ist, wenn das Parlament regelmäßig über diese Maßnahme Bericht erstattet bekommt.
Jetzt weiß ich aus Erfahrung, dass es mit Ihnen sehr schwer ist, nutzlose Überwachungsmaßnahmen einzuschränken, auch wenn diese inflationär gebraucht werden ohne viel neue Erkenntnisse zur Abwehr und Bekämpfung schwerer Straftaten und echter Gefahr. Deshalb wollen wir heute über mehr Transparenz sprechen. Genauso, wie das in Berlin gemacht wird. Wir bitten die Regierungsfraktionen, sich heute nicht dem zu verweigern, was ihre Kolleginnen und Kollegen in Berlin umgesetzt haben. Wir dürfen hier die Freiheit nicht vermeintlicher Sicherheit opfern.
Gerade wer die Funkzellenabfrage für grundsätzlich richtig hält und die derzeitige Praxis nicht anzweifelt, kann eigentlich nicht wirklich etwas gegen mehr Transparenz haben. Nun hat sich vor dieser Plenarsitzung die Gewerkschaft der Polizei (GdP) dazu geäußert und uns vorgeworfen, die LINKE würde Misstrauen gegenüber der Polizei säen. Das möchte ich in aller Deutlichkeit zurückweisen und dafür auch drei Gründe nennen.
Erstens kritisieren wir die politischen Umstände und nicht die einzelnen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Ich denke, die GdP überschätzt deutlich die Rolle der Polizei, denn nicht die Polizei ist das Problem, sondern die politisch Verantwortlichen und deren Rahmenbedingungen. Zweitens, was machen wir denn, wenn irgendwann eine faschistische Partei wie die AfD in Regierungsverantwortung kommt? Bereitet es Ihnen denn kein Unbehagen, dass, wenn
es soweit kommen sollte, weiterhin inflationär eine Masse an Daten gesammelt wird? Dabei ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass so etwas passiert, immerhin gab es von der CDU Thüringen beispielsweise Signale an den Faschisten Höcke, dass man eine Regierungskoalition eingehen könnte oder zumindest über Koalitionsgespräche nachdenken sollte. Drittens, wir diskutieren hier bewusst nicht darüber, ob Funkzellenabfragen allgemein sinnvoll sind oder nicht, sondern wir wollen heute über Rechtsstaatlichkeit durch Transparenz diskutieren. Darüber hinaus muss ich feststellen, dass die Polizei meine Anfrage sehr gewissenhaft, ausführlich und korrekt beantwortet hat. Gerade deshalb muss hier eine Information in regelmäßigen Abständen an den Landtag erfolgen.
Wir hatten diese Anfrage gestellt, und als wir gefragt haben, ob nicht ein Automatismus für eine solche Anfrage eingesetzt werden könnte, verwies das Ministerium darauf, dass hierfür die Rechtsgrundlage fehlen würde. Ich bin mir sicher, wir können diese heute hier schaffen, denn wer kann etwas gegen mehr Transparenz haben? Ich bitte Sie um Zustimmung. - Herzlichen Dank.
Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte das eine oder andere klarstellen, zunächst einmal in Richtung der AfD. Es wurde richterlich festgestellt, dass man Höcke als Faschisten bezeichnen darf. Das habe ich getan. Daraus ergibt sich, dass die AfD zumindest in Teilen faschistisch ist. Nichts anderes habe ich hier gesagt.
Zur Kollegin Meyer. Sie haben Kant bemüht. Das möchte ich auch tun. Wir müssen aufpassen, dass wir hier nicht in eine selbst verschuldete Unmündigkeit rutschen, indem wir die Transparenz der inflationären Nutzung dieser Daten nicht vorziehen. Sie haben gesagt, ich fände diese Maßnahme im Einzelfall nutzlos. Das habe ich aber in diesem Umfang nicht gesagt. Wir haben hier lediglich die Transparenz angesprochen, die wir wollen. Ich habe es extra gesagt. Wir wollen die Maßnahme nicht abschaffen, sondern wollen nur Licht ins Dunkel bringen, wie oft diese Maßnahme im Jahr umgesetzt wird.
Hier werden viele Daten von Leuten erhoben, die gar nicht im Verdacht stehen. Das ist das Problematische daran. Man müsste in die DSGVO schauen, weil das Problem ist, dass keine Grundlage gegeben
ist, die Daten dieser Leute zu erheben. Das ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Wir könnten auch Sicherheit schaffen, indem wir jede Person rund um die Uhr überwachen. Aber ich glaube, das will hier niemand, weil es nicht mehr verhältnismäßig ist.
Sie nannten auch die Transparenzgeschichte als Unsinn. Ich möchte Sie daran erinnern, dass ihre Freunde in Berlin das umgesetzt und mitgetragen haben. Der Kollege Henkel steht nicht unbedingt im Verdacht, uns irgendwo nahezustehen, aber man muss sagen, die haben anscheinend in Sachen Transparenz und Sicherheit einfach ein bisschen mehr drauf.
Gestatten Sie mir noch einen letzten Kommentar zum Richtervorbehalt, der auch vom Kollegen Zimmer und von Ihnen, Frau Meyer, angesprochen wurde. Durch die schwarze Null ist unter Juristen ein Sprichwort im Umlauf, das sagt, ein Richter würde auch seine eigene Hausdurchsuchung unterschreiben. - Damit bedanke ich mich bei Ihnen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Untersuchungsausschuss hat gerade erst angefangen zu arbeiten. Wir haben bereits Beweisanträge beschlossen und Akten angefordert. Bevor wir jedoch weiter einsteigen können, müssen wir uns heute leider mit dem Namen des Ausschusses beschäftigen. Das ist, wie ich finde, ärgerlich.
Vergangene Woche erreichte mich ein Anruf der Kollegin Heib. Sie erzählte mir von einem Brief des Rechtsanwaltes Britz, der tendenziell als Saul Goodman aus dem Saarland bezeichnet werden kann. Es stand im Raum, dass hier ein mögliches Verfahren
wegen des Namens von der eigentlichen Thematik des Missbrauchs ablenken könnte. Deshalb war ich auch einverstanden, dass wir hier juristische Schritte sowie eine Umbenennung prüfen.
Als Landtag verantworten wir eine lückenlose Aufklärung und schützen die Schwachen, in dem Fall die Kinder. Da sollten wir nicht vor den Winkelzügen einer Betroffenen und ihrem gerissenen Anwalt kuschen. Denn die Bezeichnung des Untersuchungsausschusses ist, wie ich finde, keineswegs grob missverständlich und irreführend, wie der Anwalt es hier schildert. Es ist auch keineswegs so, dass nur durch den Namen unterstellt werden könnte, dass sich in der Klinik Missbrauchsfälle ereignet haben, ganz im Gegenteil. Es ist lange bekannt, dass der inzwischen verstorbene Assistenzarzt ohne medizinischen Grund den Genital- und Analbereich von Kindern untersucht hat.
Genau das fand Herr von Gontard, der bei uns im Untersuchungsausschuss einer der Betroffenen und ehemaliger Klinikchef ist, heraus. Er erklärte 2015 der Polizei nach stichprobenartiger Auswertung, dass in 95 Prozent der Fälle, die er untersucht hat, keine medizinische Indikation vorlag. Nicht ohne Grund zeigte das Universitätsklinikum diesen Assistenzarzt 2014 an. Die Anzeige erfolgte - ich zitiere wegen sexuellen Missbrauchs von jungen Patienten in der Zeit von 2010 bis 2014 und der Befürchtung, dass es wegen Pädophilie zu weiteren und sich steigernden Übergriffen auf Kinder kommen könnte.
Jetzt wollen die ehemalige Vorgesetzte dieses Assistenzarztes sowie deren Anwalt es so darstellen, als sei es eine Beleidigung, diesen Ausschuss „Missbrauch“ zu nennen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, finde ich unerträglich.
Was ist es denn anderes als Missbrauch, wenn ein Arzt seine Position nutzt, um bei schutzbedürftigen Kindern nicht notwendige Untersuchungen im Genital- und Analbereich durchzuführen? Was ist es denn anderes als Missbrauch, wenn auf einem Bild die Hand des Arztes an dem erigierten Penis eines achtjährigen Jungen zu sehen ist? Was ist es denn anderes als Missbrauch, wenn die Polizei im Haus des Assistenzarztes Tausende Fotos findet, die als Posing-Bilder und Kinderpornografie einzustufen sind, darunter auch Fotos seiner jungen Patienten?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir den Ausschuss umbenennen, lassen wir es zu, dass durch Herrn Britz eine Herausdrängung der Opfer aus dem Zentrum des Untersuchungsausschusses zumindest in Teilen stattfindet. Wir müssen vermeiden, dass
hier der Eindruck erweckt wird, dass wir in Teilen zurückrudern, als wären die Vorgänge an dem Universitätsklinikum nicht der Rede wert. Ich muss auch sagen, mit keinem Wort hat der Ausschuss bisher die Oberärztin persönlich als Täterin beschuldigt oder gar dargestellt. In den kommenden Monaten wird der Untersuchungsausschuss klären, wer wann was wusste. Der Untersuchungsausschuss wird auch klären, wer aus welchen Gründen wegsah und seiner Verantwortung letztendlich nicht gerecht wurde, unabhängig von dem Namen. Deshalb sollten wir uns nicht blenden lassen, denn die Opfer sind nicht die Betroffene und ihr Anwalt. Die Opfer sind die Kinder und deshalb lehnen wir heute die Umbenennung des Ausschusses ab.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über das Bestattungsgesetz, das sehr wichtig ist, weil wir definieren müssen, wie wir
mit unseren Verstorbenen umgehen. Der vorliegende Gesetzentwurf geht in einigen Punkten in die richtige Richtung. So begrüßen wir es zum Beispiel ausdrücklich, dass hier neue Regelungen angedacht sind, um die sogenannten Sternenkinder angemessen beerdigen zu können. Es ist auch gut und sinnvoll, dass die Bestattungsfristen neu angepasst werden. Allerdings gibt es auch Punkte, mit denen wir nicht ganz einverstanden sind oder die uns nicht weit genug gehen. Im Folgenden möchte ich darauf eingehen.
Das ist zum einen die Leichenschau. Im Auftrag des Sozialministeriums wurde an die Rechtsmedizin am Winterberg eine Studie vergeben, die die Todesbescheinigungen aus dem Jahre 2014 auswerten soll. An dieser Studie war ich damals auch direkt beteiligt. Sie offenbarte, dass bei jeder dritten Todesbescheinigung gänzlich oder weithin Unleserlichkeit herrscht. Nun will die Landesregierung hier gegensteuern, indem beispielsweise in § 16 Form und Inhalt der Todesbescheinigung definiert werden. Ich zitiere: Die Todesbescheinigung soll vollständig, korrekt, gut leserlich und unter Angabe ihrer/seiner Kontaktdaten zur Sicherstellung der Erreichbarkeit für Nachfragen der nachfolgenden Verwaltungsbehörden sein. - Nun lässt sich natürlich mit Ärzten lange und ausgiebig über die Deutungshoheit von „gut leserlich“ streiten. Man könnte aber dieses Problem einfach umschiffen, indem man die Digitalisierung auch im Sozialministerium ankommen lässt. Wir brauchen endlich die elektronische Todesbescheinigung mit direkter Übermittlung ans Gesundheitsamt.
Ein weiterer Punkt der Studie war, dass bei jeder fünften Todesbescheinigung sachlogische Fehler auftreten, also Fehler beispielsweise in der Kausalkette der Todesursache oder in der Herleitung der Todesart. Ich will Ihnen das mit einem fiktiven Beispiel veranschaulichen. Wenn in der Todesbescheinigung „Herzversagen“ steht, die Person aber ein Messer in der Brust hatte, dann kann es gut sein, dass diese Person herzkrank war, aber das Herzversagen war sicher nicht ursächlich für den Tod gewesen.
Jetzt bietet zumindest die Ärztekammer regelmäßig Fortbildung in Sachen Todesbescheinigung an - was wir natürlich auch begrüßen -, aber leider fehlt in dem Gesetzentwurf eine verpflichtende Teilnahme. Da wird lediglich von „sollen“ gesprochen. Die Ärztinnen und Ärzte sollen an diesen Fortbildungen teilnehmen. Ich will an der Stelle gar nicht verschweigen, dass uns dieses Spannungsfeld, in dem wir uns
bewegen, durchaus bewusst ist. Wenn man das Ganze bei einer freiwilligen Regelung belässt, läuft man natürlich Gefahr, dass die leichenschauenden Ärzte, die man bestellt, möglicherweise nicht an den Fortbildungen teilgenommen haben und deshalb ungeeignet sind. Sieht man jedoch eine verpflichtende Fortbildung vor, kann es passieren, dass die Ärzte, die man zu einer Leichenschau bestellen möchte, sagen, ich habe an der Fortbildung nicht teilgenommen und deshalb kann ich das nicht machen. Auf diese Weise würden letztendlich zu wenige Ärzte zur Verfügung stehen, die eine Leichenschau durchführen könnten.
Aber insgesamt ist es noch viel absurder. So kann zum Beispiel ein niedergelassener Gynäkologe dazu verpflichtet werden, eine Leichenschau durchzuführen. Er muss dann die Kausalkette herleiten und erkennen, ob da etwas Verdächtiges ist, obwohl er möglicherweise seit seinem Studium gar nicht mehr mit Rechtsmedizin oder Leichenschauen beschäftigt war. Es ist auch für Ärztinnen und Ärzte schwierig, die zum Beispiel einen Patienten und seine Angehörigen über einen längeren Zeitraum begleitet haben. Wenn es dann zum Todesfall kommt und der Arzt in dieses familiäre Umfeld geschickt wird, wenn er dann vor den Angehörigen in dieser hoch emotionalisierten Situation den Leichnam entkleiden und fachgerecht eine Leichenschau durchführen muss, ist das eine schwierige Aufgabe.
Deshalb brauchen wir auf lange Sicht ein System mobiler Leichenschau-Services, wo Amtsärzte sowie Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner diese Leichenschau durchführen. Nur so können wir die Qualität der Leichenschau wirklich garantieren.
Ich möchte aber noch zur wichtigsten Forderung kommen, die die Rechtsmedizin aus dieser Studie herausgearbeitet hat, nämlich die Einführung einer Obduktionspflicht. Die Studie hat massive Mängel bei der Herleitung der Todesart festgestellt. Bei der Todesart gibt es im Gegensatz zur Todesursache eigentlich nur drei Antwortmöglichkeiten: die natürliche Todesart, die nicht natürliche Todesart - bei äußeren Einflüssen, Verkehrsunfällen etc. - und die ungeklärte Todesart.
Die Studie hat gezeigt, dass in 10 Prozent aller Fälle die Todesart inkorrekt eingeordnet wurde. Das sind im Zweifel die Fälle, die einer Nachschau durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei bedürfen. Dabei war besonders markant, dass sich im Prinzip sechs Fallgruppen herausgebildet haben: 1. Säuglinge und Kinder unter sechzehn Jahren, 2. Tod bei vermutetem oder bekanntem Substanzgebrauch, also Medi
kamenten- oder Drogenmissbrauch, 3. Tod im öffentlichen Raum, 4. das Auffinden unbekannter Toter bei Wohnungsöffnung, 5. Tote mit fortgeschrittener Leichenveränderung, beispielsweise Verwesungserscheinungen, 6. Tod im amtlichen Gewahrsam.
Wenn man alle Fälle, die unter diese Kategorien fallen, zusammenzählen würde, würden wir hier im Saarland auf insgesamt 500 Fälle pro Jahr kommen. Nun war die Rechtsmedizin auch so nett und hat uns berechnet, was die 500 Fälle bei einer Obduktionspflicht an Mehrkosten für den saarländischen Haushalt bedeuten würde. Wir reden hier von Mehrkosten in Höhe von 300.000 Euro im Jahr, wenn man jeden dieser kritischen Fälle obduzieren würde. Ich denke, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese 300.000 Euro müssen es uns wert sein.