Herbert Mertin

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Last Statements

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Bioethikkommission in ihrer Konstruktion, wie sie heute tagt, ist eine Erfindung aus der Alleinregierung der CDU. Genau in dieser Form ist sie von Ihnen konstruiert worden. So habe ich sie übernommen. In dieser Form arbeitet sie auch.
Herr Dr. Rosenbauer, Sie können sich in der politischen Auseinandersetzung gern mit mir politisch auseinander setzen. Aber wenn Sie den Wissenschaftlern und Mitarbeitern der Ministerien, die dort tätig sind, unterstellen, sie würden nur das machen, was ich wolle, dann werden Sie den Menschen, die dort ehrenamtlich viel Zeit investiert haben, nicht gerecht.
Genau das haben Sie unterstellt. Sie haben unterstellt, als ob ich vorgeben würde, was dort herauszukommen habe.
Wenn Sie einmal bei den Sitzungen anwesend gewesen wären, wüssten Sie, dass dies keinesfalls so ist. Deswegen verwahre ich mich im Interesse derjenigen dagegen,
die dort ehrenamtlich mitarbeiten, dass Sie diese Behauptung so aufstellen.
Die Bioethik-Komission des Landes hat sich in ihrer letzten Arbeitsperiode mit den Problemen befasst, die im Zusammenhang mit der Reproduktionsmedizin entstehen können. Wir haben in Deutschland über 1 Million Paare, die ungewollt kinderlos bleiben. Daraus ergibt sich, dass die Reproduktionsmedizin für diese Menschen von besonderer Bedeutung ist; denn wir waren uns in der Kommission alle einig, dass dies eine Krankheit ist, die durchaus behandelt werden soll.
Wir haben uns mit der Frage befasst, ob die Behandlung, die derzeit in Deutschland im Rahmen der gesetzlichen Regelungsbedingungen möglich ist, optimal ist, oder ob es Verbesserungen gibt, die vielleicht möglich sind.
Wenn Sie sehen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingen in Deutschland dazu führen, dass der Arzt, der eine künstliche Befruchtung außerhalb des Mutterleibs durchführt, gezwungen ist, bis zu drei Embryonen zurückzuimplantieren – mehr darf er außerhalb des Mutterleibes nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen auch nicht erzeugen –, so sagen alle medizinischen Sachverständigen, die wir in diesem Zusammenhang gehört haben, dass dies mit besonderen Risiken für die Mutter verbunden ist, da dies zu Mehrlingsschwangerschaften führen kann und zum Schutz der Kinder und zum Schutz der Mutter unter Umständen während der Schwangerschaft ein Embryo abgetötet werden kann und muss. Dies ist ein Problem, vor dem Sie sich nicht wegducken können. Dies teilen einem die Mediziner mit. Sie teilen einem dabei auch mit, wie furchtbar schwierig es ist, diese Entscheidung sowohl für die Eltern, als auch für die Mediziner zu treffen. Diese ungewollten Mehrlingsschwangerschaften, die eigentlich nur durch das Gesetz herbeigeführt werden, ließen sich vermeiden, wenn wir Regelungen wie im benachbarten Ausland hätten,
wo unter den außerhalb des Mutterleibes erzeugten Embryonen unter morphologischen Gesichtspunkten eines ausgesucht werden kann, das zurückimplantiert wird. Wenn Sie unter morphologischen Gesichtspunkten auswählen – dies habe ich in diesem Zusammenhang auch gelernt –, erlaubt dies keinerlei Rückschluss darauf, was für ein Kind sich entwickeln wird, ob Junge oder Mädchen, ob groß oder stark, ob intelligent, behindert oder nicht behindert. Es erlaubt lediglich eine Aussage darüber, ob eine höhere Wahrscheinlichkeit der Einnistung und damit auch der Schwangerschaft eintritt. Nur dies hatten wir in diesem Zusammenhang gefordert.
Streng davon zu unterscheiden ist die Frage, ob man nicht auch die PID in Ausnahmefällen zulässt, in denen bei den Eltern bereits bestimmte genetische Risiken vorhanden sind. Es geht dabei um Fälle, wo das Paar bereits zwei Kinder hat, bei denen sich das genetische Risiko verwirklicht hat und die dies bei einer dritten
Schwangerschaft vermeiden wollen. Dies können sie in Deutschland natürlich nach der Rechtslage in der Weise tun, dass sie es zur Schwangerschaft kommen lassen und danach, wenn der Embryo im Mutterleib ist, sämtliche Möglichkeiten unseres Abtreibungsrechts ausnutzen. Sie haben nämlich unterstellt, ich wolle dem Embryo weniger Schutz zukommen lassen als anderem Leben. Mit Verlaub, Herr Dr. Rosenbauer, – – –
Herr Dr. Rosenbauer, nach derzeitiger Rechtslage sind die Embryonen bei uns besser geschützt als der Embryo im Mutterleib. So ist die Rechtslage derzeit.
Herr Dr. Rosenbauer, das können Sie den Paaren nicht erklären. Sie können insbesondere der Frau nicht erklären, weshalb sie eine Schwangerschaft auf Probe eingehen soll, um dann während der Schwangerschaft sämtliche Untersuchungen durchführen zu können und im Anschluss daran nicht mehr.
Herr Dr. Rosenbauer, das ist etwas, worüber man in dieser Gesellschaft durchaus diskutieren kann. Darüber wird auch diskutiert. Es wird im Übrigen auch in Ihrer Partei darüber diskutiert. Ich zitiere Herrn Bundespräsidenten Roman Herzog, der ausgeführt hat: „Was ich nicht mitmachen kann, ist die totale Absolutstellung des ungeborenen Lebens in einer Gesellschaft, die beim fertigen Leben, und zwar aus einsichtigen Gründen, durchaus zu unterscheiden weiß.“
Herr Dr. Rosenbauer, ich möchte nur erreichen, dass wir über diese Fragen fachlich diskutieren, und dies auch nach dem Wahlkampf und darüber hinaus. Der Kommission ist es einzig und allein darauf angekommen, den kinderlosen Paaren zu helfen, den Ärzten in dieser schwierigen Lage zu helfen und insbesondere den Frauen die Belastungen zu ersparen, die unsere heutige Rechtslage ihnen zumutet. Ich meine, dies ist ein Ansatz, der durchaus in dieser Gesellschaft in aller Ruhe diskutiert werden kann.
Sie haben gefragt, welche Haltung die Landesregierung eingenommen hat. Frau Kollegin Thomas, die Landesregierung – das hat Frau Kollegin Schleicher-Rothmund richtig wiedergegeben – hat mit Respekt zur Kenntnis genommen und ist der Auffassung, dass über diese Dinge eine Debatte stattzufinden hat, in unserer Gesellschaft über diese Dinge gesprochen werden muss und sich unsere Gesellschaft auch daranmachen muss, Lösungen zu finden.
Sie haben mir unterstellt, ich würde das nur machen, damit die Forschung überzählige Embryonen bekommt,
und haben dabei so getan, als ob es diese überzähligen Embryonen nicht gäbe. Selbstverständlich gibt es sie auch bei der derzeitigen Rechtslage. Das wissen Sie doch. Deswegen kann sich die Gesellschaft um das Problem, wie sie mit überzähligen Embryonen umgeht, nicht herumdrücken, unabhängig davon, ob wir die Rechtslage ändern oder nicht. Es gibt auch heute überzählige Embryonen, und Sie müssen entscheiden, was mit ihnen geschieht, wenn endgültig feststeht, dass sie nicht mehr implantiert werden können.
Ich meine, dann ist die Frage der Adoption durchaus eine Frage, über die diskutiert werden kann und die nicht einfach ausgeblendet werden kann. Ich verwahre mich jedenfalls dagegen, wenn der Eindruck erweckt wird, als habe die Bioethik-Kommission diese Beschlüsse nur deshalb gefasst, damit ich überzählige Embryonen für die Forschung bekommen kann. So habe ich Sie verstanden, aber in dieser Form hat die BioethikKommission dies nicht verstehen wollen.
Es ging und geht auch immer noch einzig und allein darum, den Frauen eine vernünftige Reproduktionsmedizin zur Verfügung zu stellen und den Tourismus in benachbarte Länder zu vermeiden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bevor ich die gestellten Fragen beantworte, darf ich Folgendes vorausschicken. Mit der Resolution 1390 aus dem Jahr 2002 hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Grundlage geschaffen, die Wirtschaftsbeziehungen
einzelner Personen und Organisation zu unterbrechen, die nach den Erkenntnissen der Vereinten Nationen Terrornetzwerke unterstützen. Hiermit sollen die wirtschaftlichen Ressourcen von Terrornetzwerken ausgetrocknet werden.
Die Europäische Union hat diese Resolution durch die Verordnung Nummer 881 aus dem Jahr 2002 des Rates vom 27. Mai 2002 umgesetzt. Danach sind Vermögenswerte aller Art eingefroren, die Personen, Organisationen oder Gruppen gehören oder von ihnen verwahrt werden, die vom Sanktionsausschuss des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen benannt und in einem inzwischen mehrfach fortgeschriebenen Anhang zur Verordnung aufgeführt werden. Geschäfte mit diesen Personen, Gruppen und Organisationen dürfen nicht erfolgen. Zum Zeitpunkt des Eintritts der Geltung der Verordnung begonnene Geschäfte durften nicht fortgeführt werden. Natürliche und juristische Personen sind verpflichtet, der Kommission Erkenntnisse über eingefrorene Vermögenswerte zu melden. Vorsätzliche Verstöße gegen diese Regelungen sind gemäß § 34 Abs. 4 des Außenwirtschaftsgesetzes mit Freiheitsstrafen nicht unter zwei Jahren, fahrlässige Verstöße mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafen belegt.
Dies vorausgeschickt beantworte ich die Fragen wie folgt:
Zu Frage 1: Eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Veröffentlichung auf der Liste besteht für die Betroffenen nur in sehr eingeschränkter Form. Bei der Frage nach den Rechtschutzmöglichkeiten für die Betroffenen ist zu berücksichtigen, dass die Verordnung der EG die Basis der Listenpraxis in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist, aber nicht am nationalen Verfassungsrecht zu messen ist. Es gilt der Grundsatz des Vorrangs des Europarechts auch gegenüber nationalem Verfassungsrecht. Dieser wird auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geteilt.
Gleichwohl stellt sich die Frage, ob die grundsätzlichen Schranken der Integrationsermächtigung gewahrt sind. Sie liegen darin, dass das Grundgefüge der geltenden Verfassung, zu dem auch die Rechtsprinzipien des Grundrechtsteils gehören, nicht aufgegeben werden darf. Dies sieht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allerdings durch die Grundrechtskontrollkompetenz des Europäischen Gerichtshofs als gewahrt an. Ob dies auch mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gilt, welcher nur eine eingeschränkte Kontrollkompetenz in diesen Fällen in Anspruch nimmt, ist auf der Basis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zuverlässig zu beantworten.
Im Übrigen sind bei der Beurteilung der Rechtsschutzmöglichkeiten prinzipiell zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden. Zum einen kann ein in der Liste Angeführter geltend machen, er sei zu Unrecht in die Liste aufgenommen worden, weil er nicht die materiellen Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste erfülle. Weil in diesem Fall die Rechtmäßigkeit eines europäischen Rechtsakts angegriffen wird, können darüber nur die europäischen Gerichte entscheiden, sei es unmittelbar auf Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 Abs. 4 des EG
Vertrags oder mittelbar auf Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts nach Artikel 234 des EGVertrags. Dieser Rechtsschutz führt allerdings nur zu einer äußerst begrenzten inhaltlichen Kontrolle. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erfolgt eine nur sehr eingeschränkte Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verordnung, da diese eine Resolution der Vereinten Nationen umsetze. Insbesondere könne der Europäische Gerichtshof nicht mittelbar die Vereinbarkeit der fraglichen Resolution des Sicherheitsrats mit den durch die Gemeinschaftsrechtsordnung geschützten Grundrechten prüfen. Vielmehr unterlägen die fraglichen Resolutionen des Sicherheitsrats grundsätzlich nicht der Kontrolle durch das Gericht, und es sei auch nicht berechtigt, ihre Rechtmäßigkeit im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht infrage zu stellen.
Der Betroffene ist in diesen Fällen auf ein Tätigwerden der Bundesregierung in seinem Sinn gemäß den Leitlinien des Sanktionsausschusses des Sicherheitsrats angewiesen. Möglicherweise kann er ein solches Tätigwerden auch gerichtlich erzwingen, wenn es ohne sachliche Gründe verweigert wird. Verfassungspolitisch ist diese Rechtsschutzsituation im Sinn unseres Rechtsstaatsverständnisses kaum als befriedigend anzusehen. Sollte es nicht möglich sein, auf internationaler Ebene gerichtlichen Schutz zu installieren, ist der Zustand wohl nur hinnehmbar, wenn die Bundesregierung zum Schutz der Grundrechte die eingeräumten Möglichkeiten intensiv ausübt.
Zum Zweiten stellt sich die Rechtsschutzfrage für Fälle, in denen im Vollzug der EG-Verordnung Personen betroffen sind, die mit den in der Verordnung genannten Personen nicht identisch sind, zum Beispiel aufgrund einer Personenverwechslung, einer Namensgleichheit oder unpräziser Angaben. Die Rechtsschutzsituation dürfte sich in diesen Fällen etwas günstiger darstellen, da nicht die Geltung des EU-Rechts als solches infrage gestellt wird, sondern lediglich die richtige Anwendung im konkreten Fall. Der durch Maßnahmen im Vollzug der Verordnung Belastete kann auf dem jeweils einschlägigen nationalen Rechtsweg auf eine Korrektur der Maßnahme hinwirken.
Zu Frage 2: Die Effektivität der von der Europäischen Union angeordneten Maßnahmen kann bisher nicht abschließend beantwortet werden. Die Verfolgung von Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz ist auf der Ebene der Polizei maßgeblich den Polizeibehörden des Bundes übertragen. Dort eventuell vorliegende Erkenntnisse sind mir nicht bekannt.
Generell lässt sich jedoch sagen, dass die Handhabbarkeit der europäischen Vorschriften und damit deren Effektivität insbesondere in strafrechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufwerfen dürfte. Die im Anhang zu der Verordnung aufgeführten Personen und Organisationen sind teils nur unzureichend bezeichnet, sodass ihre Identifizierung anhand dieser Angaben schwierig, wenn nicht sogar unmöglich ist. Teils handelt es sich bei den angegebenen Bezeichnungen auch um recht gebräuchliche Namen. In diesen Fällen kommt dann eine Vielzahl von Betroffenen als von der Liste Betroffene in Betracht.
In den Fällen, in denen detaillierte Identifikationsmerkmale fehlen, besteht die Gefahr, dass die in der Anlage gemeinte Person nicht so genau identifizierbar ist, dass eine Zuordnung zu einem Geschäftspartner des jeweiligen Unternehmens erfolgen könnte.
Beides macht es den Verantwortlichen von Unternehmen, die Adressat der Verordnung sind, naturgemäß schwer, sich rechtskonform zu verhalten.
Dies hat Folgen für die strafrechtliche Verfolgung von Verstößen gegen diese Verordnung. So wird es jedenfalls in den Fällen unzureichender Bezeichnung der terrorverdächtigen Personen oder Organisationen den Ermittlungsbehörden schwer fallen, den zur Verurteilung ausreichenden Nachweis zu führen, dass ein Geschäftsvorgang tatsächlich eine Terrorunterstützung verdächtiger Personen betrifft.
Selbst wenn dies gelingt, kommt eine Verurteilung weiter nur in Betracht, wenn das in Rede stehende Handeln den Verantwortlichen des betroffenen Unternehmens vorwerfbar war. Vorwerfbar ist jedoch nur ein Fehlverhalten, das im Widerspruch zu klaren rechtlichen Anordnungen steht. Je unklarer die rechtliche Anordnung ist, desto weniger wird ein Verstoß dagegen strafrechtlich verfolgbar sein. Anders gesagt: In den Fällen, in denen schon staatliche Stellen kaum in der Lage sind, eine terrorverdächtige Person oder Organisation ausreichend zu identifizieren, kann dies vom Bürger oder Unternehmen noch weniger erwartet werden. Auch wenn die Strafverfolgung entscheidend von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt, zeigen diese Erwägungen, dass die getroffenen Maßnahmen, zumindest was ihre Strafbewehrung anbetrifft, mit Skepsis zu betrachten sind.
Zu Frage 3: Nach den mir vorliegenden Erkenntnissen sind in Rheinland-Pfalz bisher noch keine Ermittlungsverfahren anhängig, die einen Verstoß gegen die genannten EU-Vorschriften zum Gegenstand hätten.
So weit die Antwort der Landesregierung.
Mir ist der Fall, den Sie schildern, nicht bekannt. Insofern kann ich dazu keine Stellungnahme abgeben. Mir ist
auch nicht bekannt, dass so etwas bisher in RheinlandPfalz geschehen ist.
Das kann ich Ihnen erst nach sorgfältiger Prüfung mitteilen. Das reiche ich gern nach. Grundsätzlich bezieht sich aber die Vorschrift, die die EU und die UN in die Welt gesetzt haben, nur auf wirtschaftliches Handeln. Allerdings kann sie sehr weit reichende Folgen haben. Das kann zum Beispiel dazu führen, dass sie in ein Handelsregister nicht eingetragen werden, sie in ein Grundbuch nicht eingetragen werden, sie gegebenenfalls eine Kreditkarte nicht bekommen und vieles mehr. Es ist also nicht nur die rein wirtschaftliche Tätigkeit davon erfasst. Die Folgen für den einzelnen Betroffenen können sehr weit gehen. Ob sie allerdings so weit gehen können, wie Sie das mit diesem Fall andeuten, kann ich nicht sagen. Dafür müsste ich mich mit dem Fall beschäftigen. Deshalb kann ich Ihnen diese Frage sozusagen aus der Lamäng nicht beantworten.
Ich kann Ihnen nicht sagen, wer wann zu welcher Gelegenheit dies getan haben soll. Aus Rheinland-Pfalz ist mir ein solcher Fall nicht bekannt. Deshalb war ich damit nicht befasst.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich für die Landesregierung ausdrücklich die aus dem Parlament kommende Initiative zur Verlängerung dieser Frist begrüßen. Sie ermöglicht es – darauf hat Herr Präsident Grimm schon hingewiesen –, an der in unserem Land aus guten Gründen geltenden Tradition festzuhalten, wenn möglich am 18. Mai die Legislaturperiode zu beginnen. Allerdings wird unsere Landesverfassung auch nach dieser Änderung dies nicht in jedem Fall gewährleisten, weil unsere Landesverfassung zum Beispiel den Fall der Selbstauflösung vorsieht. In einem solchen Fall kommen wir unter Umständen aus dem Rhythmus heraus. Aber auch in diesem Fall könnte die neu gesetzte Frist helfen, durch eine geschickte Gestaltung von Wahlterminen wieder näher an den Termin 18. Mai zu rücken. Auch insoweit wäre dann eine Hilfe gegeben.
Ich betone, dass die Landesregierung diesen Termin selbstverständlich nach Sondierungen des Herrn Ministerpräsidenten auch mit den im Landtag vertretenen Parteien festgesetzt hat. Insoweit wurden alle Gesichtspunkte berücksichtigt und Einvernehmen erzielt.
Es erscheint mir wichtig, einen Punkt aus verfassungsrechtlicher Sicht zu erwähnen, weil unter Umständen problematisiert werden könnte, dass ein Parlament in einer laufenden Legislaturperiode gegebenenfalls seine eigene Amtszeit um 30 Tage verlängern könnte. Im vorliegenden Fall scheint mir das aber nach näherer Prüfung nicht stichhaltig zu sein.
Die bisher geltende Regelung hätte bei einer anderen Gestaltung des Wahltermins dazu führen können, dass die Legislaturperiode dieses Parlaments bis in den Juni hinein hätte gelten können. Wenn sie bis in den Juni hinein durch eine andere Festlegung des Wahltermins hinein hätte ausgedehnt werden können, scheint es möglich zu sein, durch die jetzt beschlossene Verlängerung einen Beginn der Legislaturperiode am 18. Mai zu erreichen, sodass man nicht von einer echten, sondern von einer unechten Verlängerung sprechen muss. Insofern besteht aus meiner Sicht kein verfassungsrechtliches Problem. Es bleibt daher bei meinen einführenden Bemerkungen, dass die Landesregierung diese Änderung begrüßt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Auch wenn verschiedene Tathandlungen, die wir unter dem Begriff „Stalking“ heute verstehen, nach dem geltenden Strafrecht bereits strafbar sind, sind wir uns einig, dass es sinnvoll ist, in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig zu werden. Das zeigt die heutige Debatte. Es gibt unterschiedliche Auffassungen, auf welche Art und Weise dies zu geschehen hat.
Es gibt einen Gesetzentwurf, der im Bundesrat keine Mehrheit gefunden hat, den die Landesregierung so nicht unterstützt. Dieser dürfte im Bundestag keine Mehrheit finden und hat es auch bisher nicht gefunden. Dieses hat zwei Gründe. Der hessische Gesetzentwurf zählt nicht nur einzelne Tathandlungen auf, sondern verwendet auch eine Generalklausel. Das ist unter verfassungsrechtlichen Gründen äußerst problematisch, weil nach dem Bestimmtheitsgrundsatz unserer Verfassung jemand sich nur dann strafbar macht, wenn im Gesetz klar vorher geregelt worden ist, welche Tathandlung dazu führt, dass man sich strafbar macht. Wenn Sie Generalklauseln verwenden, wird gerade diese Tathandlung nicht umschrieben, sodass sie im Vorhinein nicht wissen, welches Verhalten letztlich zur Strafbarkeit führt. Deshalb ist an dieser Stelle der Gesetzentwurf verfassungsrechtlich äußert problematisch und kann deshalb von uns nicht unterstützt werden.
Die Deeskalationshaft, die dort vorgeschlagen wird, begegnet ebenfalls erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil diese nur im Rahmen einer Untersuchungshaft vollzogen werden könnte und damit die strengen Voraussetzungen des Bundesverfassungsgerichts an die Ermöglichung einer Untersuchungshaft erfüllt sein müssen. Das heißt, die Tathandlung muss im Vorhinein generell abstrakt so erheblich in die Rechtsordnung eingreifen, dass die Untersuchungshaft als solche zulässig wäre. Das kann man bei dem Phänomen „Stalking“ so nicht feststellen. Deshalb ist dieser Gesetzentwurf aus unserer Sicht nicht unterstützenswert.
Deutlich anders verfährt in diesem Fall der Gesetzentwurf der Bundesregierung. Er verzichtet auf diese Generalklausel. Er hat auch nicht die Deeskalationshaft mit aufgenommen, sodass insoweit die erheblichen verfassungsrechtlichen Risiken des anderen Gesetzentwurfs vermieden werden und deshalb die Landesregierung bereit ist, dies im Bundesrat zu unterstützen.
Frau Kohnle-Gros, auch wenn Sie eben darstellten, dass der Gesetzentwurf im Bundestag von Ihrer Fraktion unterstützt worden ist, kann ich sagen, im Bundesrat haben Ihre Kollegen es nicht getan, sodass eine Gesetzgebung nicht zu Ende geführt werden konnte. Er ist aus verfassungsrechtlichen Gründen aus meiner Sicht aber deutlich vorzuziehen.
Er kann aber natürlich nicht alle Tathandlungen erfassen, die man unter Stalking versteht, weil er sich nur darauf beschränkt, die vier gängigen Stalkinghandlungen in auslegungsfähiger und auslegungswürdiger Weise zu umschreiben. Frau Kollegin Grützmacher, insoweit würden wir gern unsere Initiative an dieser Stelle vorantreiben wollen, um dem Opfer zu ermöglichen, die Tathandlungen, die der Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht unter Strafe stellen konnte, weil es gesetzestechnisch nicht machbar ist, über ein zivilrechtliches Verfahren eine genaue Beschreibung der Tathandlung durch den Richter zu erreichen und einen Verstoß dagegen strafbar zu machen. Es versteht sich insoweit als Ergänzung zu dem, was die Bundesregierung vorgeschlagen hat. Natürlich sehe ich auch die Schwierigkeit des Opfers, gegebenenfalls die notwendigen Beweismittel im Zivilrechtsstreit zu erbringen. Hier müsste man darüber nachdenken, ob nicht über Beweiserleichterungen, Beweislastumkehr und ähnliche Rechtsinstitute, die wir kennen, dem Opfer in dieser Art des Verfahrens geholfen werden kann.
Ich meine, wenn beide Initiativen, die der Bundesregierung und die der Landesregierung Rheinland-Pfalz, kombiniert würden, würde insgesamt eine ausgewogene verfassungsfeste Regelung dieses Komplexes erzielt werden, und den Opfern könnte auf diese Art und Weise am besten gedient werden. Ich denke, wir werden im Ausschuss gebührend Zeit haben, über diese Frage zu beraten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Nach dem erfolgreichen Abschluss des „Pilotprojekts Elektronischer Rechtsverkehr“ bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im Jahr 2004 wurde der elektronische Rechtsverkehr im Lauf der ersten Monate dieses Jahres bei allen Verwaltungsgerichten des Landes eingeführt.
Mit dem Start beim Verwaltungsgericht Neustadt vor zwei Tagen ist die elektronische Kommunikation somit in der gesamten Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes möglich.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Mündliche Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: Die Vorteile des elektronischen Rechtsverkehrs liegen darin, dass Anwälte, sonstige Bevollmächtigte sowie Behörden, aber auch Bürgerinnen und Bürger rechtswirksam per E-Mail bei Gericht Klage erheben, Anträge stellen, Schriftsätze einreichen und vom Gericht übermittelte elektronische Dokumente empfangen können.
Die Kommunikation per E-Mail wurde in enger Abstimmung mit Vertretern der Rechtsanwaltschaft gewählt, weil sie bereits heute weit verbreitet ist und dem Anwender eine sehr einfache Handhabung bietet. Ein wesentlicher Mehrwert im Vergleich zum bisherigen Verfahren wird den Anwälten, Behörden und Unternehmen dadurch geboten, dass sie über das Internet Einsicht in die elektronische Gerichtsakte nehmen können.
Alle Informationen über den Verfahrensstand können den Verfahrensbeteiligten via Internet zugänglich gemacht werden. Es muss daher nicht mehr schriftlich oder telefonisch bei der Serviceeinheit des Gerichts nachgefragt werden, ob in einem Verfahren beispielsweise bereits ein Verhandlungstermin bestimmt oder ein Sachverständiger beauftragt wurde. Vielmehr können diese Informationen unabhängig von den Geschäftszeiten des Gerichts und damit rund um die Uhr einfach über das Internet abgefragt werden.
Im Interesse der Gerichte wird neben der elektronischen Kommunikation aber auch das Ziel verfolgt, Möglichkeiten einer weiteren Optimierung der gerichtlichen Verfahrensabläufe bei Nutzung elektronischer Medien aufzuzeigen. Dabei sollen parallel zur Papierakte auch erste Erfahrungen mit der elektronischen Speicherung und Verarbeitung von elektronisch erstellten und eingegangenen Dokumenten gesammelt werden.
Großer Wert wurde bei der Konzeption des elektronischen Rechtsverkehrs darauf gelegt, dass auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gerichte eine größtmögliche Nutzung erlangen können. Sie werden bei der Bearbeitung der elektronischen Post weitgehend durch ein automatisiertes System unterstützt. Für die Beschäftigten verringern sich dadurch viele verwaltungstechnische und zeitaufwändige Routinearbeiten. Zudem werden sie in allen Verfahrensschritten durch eine elektronische Akte unterstützt. Diese ermöglicht ihnen den
jederzeitigen Zugriff auf die zum Verfahren gehörenden Dokumente.
Alles in allem sprechen wir aufgrund des erfolgreichen Verlaufs in der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht mehr nur von einem Pilotprojekt.
Zu Frage 2: Die durchgehende so genannte medienbruchfreie elektronische Kommunikation innerhalb eines Instanzenzugs wurde außer in Rheinland-Pfalz bisher in keinem anderen Bundesland umgesetzt. Nach unserer Kenntnis werden lediglich bei einzelnen ausgewählten Gerichten anderer Länder bzw. des Bundes Pilotprojekte zum elektronischen Rechtsverkehr durchgeführt, wobei die Fallzahlen eher gering sind.
Dass der elektronische Rechtsverkehr in RheinlandPfalz schon eine gewisse Akzeptanz erreicht hat, dürfte maßgeblich an den von mir eingangs beschriebenen Serviceleistungen für die Anwälte und andere Verfahrensbeteiligte liegen. So führen derzeit in der Verwaltungsgerichtsbarkeit sechs Anwälte sowie etwa 20 Behörden ca. 110 Verfahren in elektronischer Form und nutzen dabei die Möglichkeiten der elektronischen Akteneinsicht. Über 35 Anwender machen zudem von der Möglichkeit der elektronischen Verfahrensstandsabfrage Gebrauch.
Auch wenn diese Zahlen auf den ersten Blick derzeit gering erscheinen, so sind sie doch im bundesweiten Vergleich sowie mit Blick auf die Potenziale für eine Weiterentwicklung in Rheinland-Pfalz positiv zu bewerten.
Zum einen hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits angekündigt, die an den Verwaltungsgerichten des Landes geführten Verfahren in elektronischer Form betreiben zu wollen. Allein hierdurch wird die Anzahl der elektronisch geführten Verfahren erheblich ansteigen.
Einen weiteren Schub zugunsten des elektronischen Rechtsverkehrs erwarten wir durch die Teilnahme der Kommunen an der zu Beginn dieses Jahres gestarteten Signaturinitiative Rheinland-Pfalz, mit der die Anwendung der qualifizierten elektronischen Signatur gefördert wird.
Im Übrigen planen wir die Ausweitung des elektronischen Rechtsverkehrs in Rheinland-Pfalz auf andere Gerichtsbarkeiten.
In der Sozialgerichtsbarkeit soll die elektronische Kommunikation als Nächstes eingeführt werden. Vorgesehener Starttermin bei dem Landessozialgericht RheinlandPfalz ist der 1. Oktober 2005. Auch dies ist bundesweit einmalig.
Zu Frage 3: Zur Absicherung der Datenübermittlung zu externen Verfahrensbeteiligten sind die Bediensteten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit jeweils mit einem Signaturzertifikat, einer Chipkarte und einem Lesegerät am Arbeitsplatz ausgestattet. Durch die qualifizierte Signatur der elektronischen Dokumente wird deren Echtheit und Unverfälschtheit bei der Übermittlung sichergestellt.
Eine Verschlüsselung der ausgehenden E-Mail, die bildlich gesprochen der Transportumschlag ist, sowie die Entschlüsselung der eingehenden E-Mail erfolgen automatisiert durch einen zentralen Netzverbindungsrechner.
Bei Datenübermittlungen innerhalb des Landesnetzes, zum Beispiel zwischen einzelnen Verwaltungsgerichten, findet über die oben beschriebenen Sicherheitsmaßnahmen hinaus eine Verschlüsselung der Kommunikation auf der Leitungsebene des rlp-Netzes statt.
Dass Dritte nicht unbefugt im Rahmen des automatisierten gerichtlichen Abrufsystems von einem Akteninhalt Kenntnis erlangen können, wird durch verfahrensrechtliche und technische Maßnahmen sichergestellt. Mit anderen Worten: Der elektronische Rechtsverkehr ist nach Einschätzung unserer Fachleute genauso sicher, wenn nicht sogar sicherer als die herkömmlichen Kommunikationsmittel Brief und Telefax.
So weit die Beantwortung der Anfrage.
Hierfür kommen zurzeit nur die Fachgerichtsbarkeiten infrage, weil wir derzeit bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit bundesweit keine Software haben, die eingesetzt werden könnte, um so etwas durchzuführen. Wir arbeiten in einem Verbund zusammen mit Bayern und der Firma Siemens an der Entwicklung einer solchen Software. Wann sie eingesetzt werden kann, kann noch nicht gesagt werden. Deshalb kommen derzeit nur Fachgerichtsbarkeiten infrage.
Ob damit Kostenvorteile oder Kostensteigerungen verbunden sind, ist schwer zu beurteilen. Ich denke nicht, dass es zu Kostensteigerungen führen wird. Auf jeden Fall ist der Service für die Beteiligten erheblich besser. Sie können als Anwalt rund um die Uhr ohne einen Richter oder Mitarbeiter der Geschäftsstelle erreichen zu müssen, den Verfahrensstand abfragen.
Das ist zum Beispiel ein Problem, das Sie dann haben. Natürlich lässt sich dann der Zugang der gerichtlichen Mitteilung bei Ihnen als Rechtsanwalt genauer nachvollziehen. Gewisse Vorteile der Praxis, die es bisher gab, gibt es dann natürlich nicht mehr.
Es ist uns seitens der Anwaltschaft nicht mitgeteilt worden, ob sie Kostenvorteile in dieser Form erwartet. Die Anwälte sind jedenfalls insoweit von einem Vorteil überzeugt, als dass sie zum Beispiel kurz vor Ablauf einer Frist immer noch eine Klage elektronisch einreichen können und ihnen automatisiert der Eingang dieser Klage bestätigt wird. Damit kann eine gewisse Unsicherheit, ob das Rechtsmittel noch rechtzeitig eingelegt worden ist, unmittelbar und sofort beseitigt werden. Das ist einer der Vorteile, die die Anwälte darin sehen. Dass dies mit erheblichen Kostenvorteilen für sie verbunden wäre, ist im Rahmen dieser Gespräche in dieser Form nicht thematisiert worden.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die schreckliche Tat, die Gegenstand dieses Untersuchungsausschusses gewesen ist, hat jeden – Sie alle und auch mich – betroffen gemacht. Sie gebietet und gebot zunächst eine strafrechtliche Aufarbeitung, die zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossen worden ist. Es ist eine sehr schlimme, tragische und sinnlose Tat gewesen, die den Angehörigen, Freunden und Kollegen sehr viel Leid gebracht hat.
Aber neben dieser gebotenen strafrechtlichen Aufarbeitung war es selbstverständlich auch unsere Pflicht zu untersuchen, ob in dem einen oder anderen Fall möglicherweise Verbesserungen in der Konzeption und in der Durchführung möglich sind. Frau Kollegin Dreyer hat insoweit ausgeführt, dass sie eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, die auch zu entsprechenden Ergebnissen gekommen ist. Wir haben beide für die Landesregierung erklärt, dass wir bei Fortsetzung dieses Projektes sowohl
die Erkenntnisse der Arbeitsgruppe als auch die Erkenntnisse des Untersuchungsausschusses mitberücksichtigen wollen.
Ausgangspunkt ist zunächst einmal die bestehende Verpflichtung, einen gesetzlichen Auftrag durchzuführen. Der Bundesgesetzgeber gibt vor, dass ein Richter unter bestimmten Voraussetzungen, wenn er zum Ergebnis kommt, dass die Untersuchungshaft angeordnet werden kann, verpflichtet ist zu sagen, dass eine Untersuchungshaft nicht stattfindet, sondern statt dessen die Einweisung in eine Einrichtung der Jugendhilfe als Ersatz für die Untersuchungshaft zu erfolgen hat, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind, die zum Beispiel in der Persönlichkeit des Jugendlichen liegen. Daraus ergeben sich natürlich Spannungsbögen, die miteinander in Einklang zu bringen sind.
Wir haben zunächst auf der einen Seite die Haftgründe, die der Gesetzgeber vorgibt. Das ist Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder Wiederholungsgefahr. Auf der anderen Seite weist der Bundesgesetzgeber ausdrücklich darauf hin, dass die Vermeidung der Untersuchungshaft gerade nicht mit der pädagogischen Betreuung in Einrichtungen der Justiz, also in Justizvollzugsanstalten, durchgeführt werden soll, sondern dass dies in Einrichtungen der Jugendhilfe zu geschehen hat. Dies führt dazu, dass mit den entsprechenden Trägern Verhandlungen geführt werden müssen und im Rahmen dieser Verhandlungen versucht werden muss – auch im Wege des Eingehens von Kompromissen –, das bestehende Spannungsfeld zwischen pädagogischen Erfordernissen einerseits und den sich aus den Haftgründen selbst ergebenden Erfordernissen andererseits zu lösen.
Herr Kollege Marz, wenn Sie ein offenes Konzept befürworten, wie Sie es getan haben, gehen Sie das Risiko ein, dass ein Täter, bei dem Wiederholungsgefahr bejaht worden ist, tatsächlich eine Tat wiederholt. Die Voraussetzungen, um bei Jugendlichen Untersuchungshaft anzuordnen, sind sehr hoch. Es liegt schon eine beträchtliche kriminelle Energie vor, sonst wäre es dem Richter gar nicht möglich, in solchen Fällen Untersuchungshaft anzuordnen.
Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht der Justiz natürlich geboten, eine Entweichungssicherheit zu gewährleisten, da ansonsten der sehr gern erhobene platte Vorwurf wieder erhoben wird: Sie werden gefangen, und die Justiz lässt sie wieder laufen. Dies ist insbesondere auch bei Wiederholungs- oder Fluchtgefahr durchaus eine Möglichkeit.
Hier ist versucht worden, ausgehend von dem Beispiel Stutensee, zu einer Konzeption zu kommen, die, wie sich jetzt auch durch die Ergebnisse Ihres Ausschusses, aber auch der Arbeitsgruppe, die eingesetzt worden ist, gezeigt hat, verbessert werden kann. Wir wollen dies natürlich tun.
Einen Zeitdruck, wie es im Rahmen des Untersuchungsausschusses immer wieder betont wurde, hat es nicht gegeben. Es ist viele Jahre darüber gestritten, aber auch daran gearbeitet worden. Auf ein, zwei, drei oder vier Monate wäre es angesichts dieser Zeitabläufe gar nicht angekommen.
Das Problem des Gitters und des Sicherheitsglases konnte der Sicherheitsfachmann des Justizministeriums ohne Hinzuziehung von Lüftungsfachleuten durchaus so erklären, Herr Kollege Marz, weil wir natürlich ähnliche Probleme auch im Strafvollzug haben. Es hat in anderen Bundesländern einmal den Versuch gegeben, eine Justizvollzugsanstalt ohne Gitter zu machen, insbesondere für Jugendliche. Diese ist später nachgerüstet worden, weil es Lüftungs-, aber auch andere sicherheitserhebliche Probleme damit gegeben hat. Insofern war es nicht nur notwendig, sondern es war durchaus in seiner Kompetenz liegend sagen zu können, dass Gitter gegenüber dem Sicherheitsglas vorzugswürdig sind.
Herr Kollege Baldauf hatte Ausführungen zu dem Brief gemacht, auch Sie Herr Kollege Marz und die anderen, die dazu sprachen. Herr Kollege Baldauf hatte erwähnt, ich hätte im Ausschuss gesagt, heute würde man diesen Brief wahrscheinlich so nicht mehr schreiben. Zu dieser Aussage stehe ich, Herr Kollege Baldauf. Selbstverständlich würden meine Mitarbeiter vor dem Hintergrund des Geschehens und in dem Zusammenhang, in den dieser Brief gestellt worden ist, diesen Brief wahrscheinlich so nicht mehr formulieren, sondern viel stärker zum Ausdruck bringen, dass es nicht um ein Eingreifen im Einzelfall ging, sondern lediglich darum, darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen eines Haftgrundes sozusagen auch die Grundlage für das Projekt als solches bereits ist.
Es ist auch nicht das einzige Mal, dass das Heim eine Ablehnung vorgenommen hat. Es war Konzeptbestandteil, dass das Heim die Möglichkeit hat, jederzeit zu sagen, sie nehmen jemanden nicht. Sie hatten auch vorher zwei Jugendliche abgelehnt. Das hat die Justiz ohne Probleme akzeptiert.
Hier war die Besonderheit gegeben, dass man die Ablehnung darauf stützte, dass gerade der Haftgrund genannt wurde. Der Haftgrund sollte der Grund für die Ablehnung sein. Das war aus Sicht des Justizministeriums nicht wegen dieses Einzelfalls, sondern wegen der Gesamtkonzeption insoweit klarzustellen.
Wenn ich dann ausgeführt habe, dass man den Brief heute wahrscheinlich anders formulieren würde, dann ergibt sich das aus dem, was ich gesagt habe.
Frau Kollegin Dreyer hat ausgeführt, dass wir derzeit Gespräche mit Stutensee führen. Stutensee hat in Aussicht gestellt, dem Land Rheinland-Pfalz auf Dauer drei Plätze zur Verfügung stellen zu können. Das ist weniger als das, was wir vorgehabt haben, gibt uns aber derzeit die Möglichkeit, zumindest kurzfristig diese drei Plätze sicherzustellen. Wir werden in den Gesprächen mit Stutensee selbstverständlich die Aspekte, die auch Thema dieses Ausschusses waren, aber auch die Ergebnisse der Arbeitsgruppe einbringen und darüber verhandeln und hoffen, in den nächsten Wochen zu einer entsprechenden Vereinbarung mit Stutensee kommen zu können. Auf diese Art und Weise wollen wir sicherstellen, dass ein Richter auch tatsächlich die Möglichkeit hat, die Einweisung in eine solche Jugendhilfeeinrichtung vornehmen zu können, um nicht vor das Problem gestellt zu werden, Haftgründe bejahen zu müssen, einen jugendlichen Täter aber nicht in eine
solche Einrichtung einweisen zu können, um dann von der gesetzlich gegebenen Folge Gebrauch machen zu müssen, diesen Täter einfach laufen zu lassen.
In diesem Sinn wollen wir versuchen, in den nächsten Wochen das Projekt mithilfe von Stutensee insoweit wieder aufzunehmen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:
Zu Frage 1: Die Zahl der von den Staatsanwaltschaften des Landes neu eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Straftaten ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Im Jahr 2004 wurden insgesamt 814 Verfahren eingeleitet, 113 Verfahren bzw. etwa 16 % mehr als im Jahr 2003.
Diese Zahlen ergeben sich aus einer seit dem Jahr 1992 in den einzelnen Bundesländern jeweils von den Staatsanwaltschaften nach Vorgaben des Bundesministeriums der Justiz durchgeführten einheitlichen Erhebung über rechtsextremistische und fremdenfeindliche Straftaten.
In dieser Statistik wird jedoch nicht nach einzelnen Delikten, sondern nach Deliktsgruppen unterschieden, zu denen Folgendes gesagt werden kann:
Der Anstieg im vergangenen Jahr betrifft schwerpunktmäßig die so genannten Propagandadelikte des rechten Spektrums sowie Verfahren wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung bzw. der Gewaltdarstellung. Sie machen zusammen 686 der insgesamt genannten 814 Verfahren aus und stellen damit im Jahr 2004 den Großteil, nämlich etwa 84 % aller Ermittlungsverfahren dar.
Gegenüber 2003 ist diese Zahl um fast 21 % angestiegen. Unter den so genannten Propagandadelikten versteht man das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Allein wegen dieser Taten wurden im Jahr 2004 527 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Hinzu kommen 159 Verfahren wegen Volksverhetzung oder Gewaltdarstellung, sodass sich die genannte Gesamtzahl von 686 ergibt.
Die Anzahl der Ermittlungsverfahren wegen anderer Deliktsgruppen ist dagegen im Vergleich zu den Vorjahren weitgehend gleich geblieben. 2004 ist in einem Fall wegen Landfriedensbruch, in 18 Fällen wegen Körperverletzungsdelikten, in zwei Fällen wegen antisemitischer Bestrebungen und in 107 Fällen wegen sonstiger Delikte ermittelt worden. Eine nähere Aufschlüsselung der genannten „sonstigen Delikte“ sieht die bundeseinheitliche Erhebung nicht vor.
Angestiegen ist im vergangenen Jahr dagegen auch die Anzahl der Ermittlungsverfahren wegen Straftaten gegen ausländische Mitbürger. 2004 hat es sich bei 34 der genannten 814 neuen Ermittlungsverfahren, also bei etwa 4,2 %, um ausländerfeindliche Straftaten gehandelt. 2003 waren es lediglich 14 Verfahren gewesen.
Zu Frage 2: Unter den insgesamt 739 Beschuldigten, die 2004 in der genannten Statistik erfasst wurden, waren 203 Jugendliche, also etwa 27,5 %, und 236 Heranwachsende, also etwa 32 % aller Beschuldigten. Zum Vergleich: Von den 565 Beschuldigten des Jahres 2003
waren 178 Jugendliche und 118 Heranwachsende gewesen.
Zu Frage 3: Die Zahlen belegen, dass Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit keinesfalls verharmlost oder bagatellisiert werden dürfen. Die Landesregierung hat aufkommende rechtsextremistische Aktivitäten daher von Anfang an sehr ernst genommen. Das Justizministerium hat bereits im Jahr 1991 die Staatsanwaltschaften angewiesen, Gewalttaten gegen Ausländer mit rechtsextremistischem Hintergrund beschleunigt zu bearbeiten und dem Ministerium zu berichten. Dadurch ist in diesen Fällen eine fachaufsichtliche Begleitung der Verfahren durch die Generalstaatsanwaltschaft und das Ministerium der Justiz gewährleistet.
Seit Jahren ist die entschiedene Bekämpfung des Rechtsextremismus auch im Übrigen eine Schwerpunktaufgabe der Landesregierung. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus nimmt bei Justiz, Polizei und Verfassungsschutz nach wie vor einen hohen Stellenwert ein. In diesem Zusammenhang befasst sich eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des Verfassungsschutzes mit der Entwicklung neuer Initiativen und der Koordinierung laufender Maßnahmen der einzelnen Ministerien.
Diese Arbeitsgruppe hat zuletzt am 15. Februar 2005 dem Ministerrat einen Sachstandsbericht zur Koordinierung der Zusammenarbeit gegen Rechtsextremismus für das Jahr 2004 vorgelegt. Der Ministerrat hat daraufhin die Ressorts gebeten, die entwickelten Maßnahmen jeweils in ihrem Zuständigkeitsbereich im Jahr 2005 weiter fortzuführen.
Das gilt insbesondere für das Aussteigerprogramm „(R)AUSwege aus dem Extremismus“. Das Programm – erweitert durch die seit 2003 bestehende „Elterninitiative gegen Rechts“ – gehört vier Jahre nach dem Start bundesweit zu den am häufigsten in Anspruch genommenen staatlichen Hilfsangeboten. Mit bislang fast 7.500 Anrufen präsentiert sich die Hotline nach wie vor als eines der am stärksten frequentierten Hilfsangebote unter den Aussteigerprogrammen des Bundes und der Länder.
Im Rahmen der Arbeit von „(R)AUSwege aus dem Extremismus“ und der „Elterninitiative gegen Rechts“ ergaben sich bisher über 100 Fälle, die in Form der Einzelfallarbeit unterstützt wurden.
Aus dem umfangreichen Gesamtkonzept der Maßnahmen, die im Jahr 2005 fortgeführt werden, sind weiterhaft beispielhaft die Maßnahmen der Arbeitsmarkt- und der Berufsausbildungspolitik zu nennen, zum Beispiel der Kampagne „Jugend in Arbeit“. Der Abbau der Arbeitslosigkeit führt insbesondere bei Jugendlichen auch zur Eindämmung rechtsradikaler und fremdenfeindlicher Stimmungslagen.
Über den Besuch von Skinheadkonzerten knüpfen insbesondere Jugendliche häufig die ersten Kontakte zur rechten Szene. Ziel der Sicherheitsbehörden ist es deshalb, diese Konzerte möglichst zu verhindern und damit einer Verfestigung der rechten Szene entgegenzuwirken.
Aufklärungsarbeit ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Eindämmung rechtsextremistischer Bestrebungen. Die Druckschrift „Recht gegen Extremisten“ des Justizministeriums oder das Heft „Vorurteile“ der Ausländerbeauftragten zeigen, dass sich die Ressorts im Präventionsbereich stark engagieren. Unter dem Motto „Gemeinsam stark gegen Rechtsextremismus“ plant der Verfassungsschutz darüber hinaus, die gleichnamige Veranstaltungsreihe des Vorjahres, die am 30. April 2004 im Landtag eröffnet wurde, an größeren Schulzentren fortzuführen.
Die Landeszentrale für politische Bildung organisiert regelmäßig Veranstaltungen, um den demokratiefeindlichen Strömungen der Rechten entgegenzutreten. Sie beteiligt sich an dem 2004 vom Ministerium des Innern und für Sport in Kooperation mit dem Deutschen Fußballbund, weiteren rheinland-pfälzischen Sportträgern und dem Landespräventionsrat gegründeten Straßenfußballprojekt „balance 2006 – Integration und Toleranz für eine friedliche Fußballweltmeisterschaft 2006“. Mit diesem Projekt sollen insbesondere Kinder und Jugendliche aus Randgruppen angesprochen werden, um so letztlich auch rechtsextremistischen Einflussnahmen entgegenzuwirken.
So weit meine Antwort auf die Mündliche Anfrage.
Die Bekämpfung der Internetkriminalität in diesem Bereich gestaltet sich deshalb als besonders schwierig, weil sie sehr häufig sozusagen aus dem Ausland über uns hereinbricht und die Unterstützung bedauerlicherweise im Ausland nicht unseren Anforderungen genügt, weil zum Beispiel die Vereinigten Staaten von Amerika auf dem Standpunkt stehen, dass entsprechende Äußerungen, die bei uns Propagandadelikte wären, dort von der Meinungsfreiheit gedeckt wären und deshalb eine internationale Zusammenarbeit insoweit nur sehr unzureichend möglich ist.
Auch die Bemühungen der Bundesregierung, jetzt auf europäischer Ebene zum Beispiel zu erreichen, dass das Verwenden eines Hakenkreuzes strafbar ist, sind gescheitert, weil eine entsprechende Einigung nicht erzielt werden konnte, sodass es insbesondere in diesem Bereich nur sehr unzureichend möglich ist, mit unseren Mitteln vorzugehen, weil wir hier auf die Zusammenarbeit mit dem Ausland angewiesen sind und diese leider scheitert.
Darauf ist allerdings hinzuweisen, weil insbesondere, wenn bei uns rechtsnationale Kräfte öffentlich auftreten, genau aus diesen Ländern manchmal Vorwürfe kommen, wir würden nicht genügend dagegen tun. Dem steht auf der anderen Seite entgegenzuhalten, dass, wenn wir auf entsprechende Unterstützung von dort angewiesen sind, diese nicht erfolgt.
Frau Kollegin Reich, sie liegen uns leider derzeit noch nicht vor, weil in den anderen Bundesländern die Auswertung noch nicht erfolgt ist. Wir können sie gern nachreichen, aber zum jetzigen Zeitpunkt liegen sie uns nicht vor.
Das Anwachsen, das wir derzeit festgestellt haben, bewegt sich innerhalb der Spannbreiten, die wir aus den letzten Jahren gewöhnt sind. Wir hatten schon einmal ein Jahr mit deutlich höheren Ermittlungszahlen. Es macht nur deutlich – das kann man daraus ableiten –, dass man nicht nachlassen darf, diese Szene zu beobachten und mit unseren vorhanden Mitteln hier vorzugehen. Aber man kann daraus nicht irgendeine Besonderheit ableiten, dass jetzt ein besonderes Zusammengehen und Ähnliches damit verbunden wäre. Es hält sich in den Spannbreiten und macht nur deutlich, dass weiterhin sorgfältig beobachtet werden muss.
Es gibt regionale Unterschiede, die ich Ihnen allerdings jetzt aus dem Kopf nicht mitteilen kann, wobei diese nicht jedes Jahr die gleichen Schwerpunkte haben, sondern es gibt manchmal in dem einem Jahr einen Schwerpunkt der Anzeigen und der Ermittlungstätigkeit in einem bestimmten Bereich des Landes und im nächsten Jahr woanders, was zum Beispiel daran liegen kann, dass vielleicht verstärkt in einer bestimmten Region einmal Propagandamittel verteilt worden sind, was zu entsprechenden Anzeigen führt. Ich kann Ihnen gern die Aufschlüsselung nachreichen, aber man kann nicht sagen, dass es jetzt signifikante Veränderungen gäbe, die über die Erkenntnisse hinaus gingen, die wir bisher in den Jahren hatten. Die Schwerpunkte verlagern sich einmal nach da und einmal nach dort. Das kann aber manchmal auch zufällig sein, wenn zum Beispiel Ermittlungsverfahren aus einem anderen Bundesland in eine bestimmte Staatsanwaltschaft kommen, weil dort Erkenntnisse vorhanden waren, die zu dieser Staatsanwaltschaft führen. Man kann also insoweit keinen Schwerpunkt in der Weise feststellen.
Ich habe jetzt keine statistische Aufschlüsselung über diesen Sachverhalt. Soweit mir das von der staatsanwaltschaftlichen Praxis mitgeteilt wird, sind insbesondere die Ermittlungsverfahren, die Propagandadelikte zum Hintergrund haben, in der Regel auf entsprechende Anzeigen aus der Bevölkerung zurückzuführen, die entsprechende Tätigkeiten beobachtet haben und entsprechende Dinge in irgendeiner Weise zur Kenntnis erlangt haben und diese Dinge dann den Behörden
mitteilen, sodass es hier insbesondere auf die Aufmerksamkeit der Bevölkerung zurückzuführen ist, dass solche Verfahren eingeleitet werden.
Diese Arbeit muss, wie sie seit Jahren auch erledigt wird, von dem vorhandenen Personal erledigt werden. Wenn sich besondere Schwerpunkte ergeben, müssen natürlich entsprechende Personalmaßnahmen durchgeführt werden, aber über das hinaus sind keine besonderen Maßnahmen geplant. Aber es ist natürlich im Hinblick auf andere Schwerpunkte, die festgestellt werden, immer so vorgegangen worden.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Für die Landesregierung ist es eine wichtige Aufgabe im Bereich der Inneren Sicherheit, den Rechtsextremismus zu beobachten und ihn dort, wo es möglich ist, mit den rechtsstaatlich gebotenen Mitteln zu bekämpfen. Sie sieht dies als eine Daueraufgabe an, und sie tut dies seit vielen Jahren mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln wie Verfassungsschutz, Polizei und auch Justiz.
Herr Kollege Baldauf, wenn Sie heute in der Debatte um das Thema „Rechtsextremismus“ unterstellen, die Landesregierung lasse dabei andere rechtsextremistische Aktivitäten aus dem Blickfeld geraten, so muss ich das vehement zurückweisen. Das haben Sie in der Art und Weise, wie Sie es vorgetragen haben, unterstellt. Ich kann Sie nur auf die Berichte des Verfassungsschutzes, die Ihnen zugehen, hinweisen. Diesen Berichten können Sie sehr deutlich entnehmen, dass sich die staatlichen Organe in Rheinland-Pfalz selbstverständlich auch mit den anderen extremistischen Aktivitäten befassen, seien sie religiös motiviert oder von einer anderen politischen Strömung herrührend. Insoweit sind wir in dieser Hinsicht auf keinem Auge blind, sondern achten sehr darauf, dass wir eine Demokratie bleiben, die wehrhaft ist und sich insgesamt gegen extremistische Tendenzen, insbesondere eben auch gegen rechtsextremistische Tendenzen, wendet.
Ich habe vorhin bei der Beantwortung der Mündlichen Anfrage deutlich gemacht, dass sehr zu begrüßen ist, dass ein Großteil dieser Anzeigen aufgrund von Anzeigen unserer Bevölkerung zustande kommt. Dies ist auch von anderen Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause festgestellt worden. Dies zeigt und macht deutlich, dass unsere Bevölkerung ebenfalls sensibilisiert ist und mithilft, diese Tendenzen zu bekämpfen.
Frau Kollegin Grützmacher, selbstverständlich ist es wichtig, dass wir gemeinsam mit Gegendemonstrationen deutlich machen, dass wir auch die Straße nicht diesen
Extremisten überlassen wollen. Aber mir ist auch wichtig, dabei darauf hinzuweisen, dass diese Demonstrationen so ablaufen müssen, wie dies in unserem Rechtsstaat erforderlich ist.
Ich bedauere es außerordentlich, dass ein kleiner Kreis von Gegendemonstranten sich manchmal so verhält, dass es geradezu Wasser auf die Mühlen der anderen ist.
Auch das muss angesprochen und bekämpft werden. Auch das ist nicht in Ordnung.
Aber insgesamt finde ich es richtig und erforderlich, dass alle demokratischen Parteien zusammenstehen und diese extremistischen Tendenzen gemeinsam bekämpfen. Das können aber nicht nur die politischen Parteien allein tun, sondern dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die schon im Elternhaus beginnt, in der Schule fortgesetzt wird und auch am Arbeitsplatz entsprechend beachtet werden muss. Sie muss im Grunde genommen Tag für Tag von jedem vorgelebt werden. Deshalb ist es nicht allein damit getan, dies auf den Staat allein zu reduzieren.
Herr Kollege Baldauf, Sie haben mich in diesem Zusammenhang auf die Internetkriminalität angesprochen. Ich weise noch einmal darauf hin, dass wir selbstverständlich bereit sind, auch diese Form der Kriminalität zu bekämpfen. Dies ist aber nur in internationaler Zusammenarbeit möglich. Das ist leider etwas, was trotz vielfältiger Bemühungen nicht hinzubekommen ist. Wenn Sie die Medien verfolgt haben, ist es beispielsweise Frau Zypries als Vertreterin der Bundesregierung nicht gelungen, die anderen EU-Staaten davon zu überzeugen, bestimmte Tathandlungen, die bei uns unter Strafe gestellt sind, EU-weit entsprechend zu kriminalisieren und damit auch eine entsprechende Verfolgung zu ermöglichen. Das ist eine Schwierigkeit, die in diesem Zusammenhang festzustellen ist und deswegen immer wieder die internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung dieser Erscheinungsform des Extremismus einzufordern ist. Es reicht nicht aus, vom Ausland aus mit dem Finger auf uns zu zeigen, wenn wieder einmal etwas passiert ist, aber, wenn es um das Bekämpfen geht, wieder abzutauchen.
Darauf habe ich hingewiesen, und selbstverständlich werde ich mich auch in Zukunft in Gesprächen darum bemühen, so etwas zustande zu bekommen. Aber dies ist zunächst einmal auch Aufgabe der internationalen Gremien, die zu entsprechenden Beschlüssen kommen müssen. Dazu gehört nicht nur die Europäische Union, sondern dazu gehören auch die Vereinigten Staaten, in denen sehr viel entsprechend eingestellt wird. Herr Kollege Baldauf, das kann nun einmal die Landesregierung nicht allein lösen. Insofern werden wir uns zukünftig selbstverständlich weiter bemühen, zu entsprechenden
Vereinbarungen zu kommen. Aber mehr ist im Moment zu diesem Sachverhalt nicht feststellbar. Solange die Vereinigten Staaten uns auf entsprechende Ersuchen mitteilen, das sei dort durch die Verfassung und die Meinungsfreiheit gedeckt, sind die rechtsstaatlichen Mittel der Strafverfolgungsbehörden in Rheinland-Pfalz erschöpft. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen und können den Behörden nicht den Vorwurf machen, sie gingen nicht in ausreichendem Maß dagegen vor. Wir werden immer alle rechtsstaatlich möglichen Mittel einsetzen, um diese Extremismusformen zu bekämpfen.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es dürfte unstreitig sein, dass die Analyse von gentechnischem Material oder von gentechnischen Spuren ein wichtiges Mittel zur Aufklärung von Straftaten ist. Deswegen ist es grundsätzlich sinnvoll, die Möglichkeiten des technischen Fortschritts auch insoweit zu nutzen. Auch das dürfte unstrittig sein.
Aus diesem Grund haben auch die rheinland-pfälzischen Strafverfolgungsbehörden, nachdem die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen worden waren, in einer großen Kraftanstrengung über 50.000 Verfahren, die bereits rechtskräftig abgeschlossen waren, dahin gehend überprüft, ob nicht entsprechend den neuen gesetzlichen Voraussetzungen im Nachhinein zur Abgabe einer Speichel- oder entsprechenden Probe gentechnischen Materials aufgefordert werden kann, um eine Speicherung zu ermöglichen.
Nachdem dies durchgeführt worden ist, sind etwa 13.000 entsprechende Datensätze aus Rheinland-Pfalz eingesetzt worden. In der gleichen Zeit, wo dies bei vollem laufendem Betrieb mit einer großen Kraftanstrengung von der Staatsanwaltschaft, den Gerichten und allen Beteiligten gemacht worden ist, wofür ich an dieser Stelle ausdrücklich Lob und Anerkennung aussprechen will – das ist eine großartige Leistung –,
ist in laufenden Ermittlungsverfahren in etwa 30.000 Fällen weiter überprüft worden, ob entsprechende Voraussetzungen für die Feststellung des DNA-Codes möglich sind und eine Speicherung infrage kommt.
Aufgrund dieser Tätigkeit sind etwa 20.000 Datensätze aus Rheinland-Pfalz in die entsprechenden Dateien aufgenommen worden.
Ich meine, das macht deutlich, dass die rheinlandpfälzischen Strafverfolgungsbehörden sehr wohl davon Gebrauch machen und sehr wohl bereit sind, diese technischen Möglichkeiten auszuschöpfen.
Frau Kollegin Kohnle-Gros, ich komme noch auf die Ausführungen des Kollegen Hörter. Aber lassen Sie mich doch erst einmal darlegen, was Fakt ist; denn Sie und Ihre Partei tun immer gern so, als ob wir in Rheinland-Pfalz technische Möglichkeiten, die es gibt, überhaupt nicht anwenden würden. Diesen Eindruck versuchen Sie doch immer zu erwecken.
Frau Kollegin Kohnle-Gros, des Weiteren muss ich darauf hinweisen, dass es bei heutiger Rechtslage in jedem Strafverfahren möglich ist, eine am Tatort vorgefundene Spur mit der Spur eines Beschuldigten zu überprüfen.
Eine ganz andere Frage ist, ob sie das Ergebnis, das dort festgestellt worden ist, auch später abspeichern dürfen. Frau Kollegin oder Herr Kollege Hörter, hier macht es durchaus Sinn, sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage auseinander zu setzen.
Das gehört nämlich zu einer seriösen Auseinandersetzung mit dieser Frage.
Bei diesen von mir erwähnten über 50.000 Fällen, die in Rheinland-Pfalz im Nachhinein überprüft worden sind, ist eine Reihe von Fällen selbstverständlich vor Gericht gelandet, einige auch beim Bundesverfassungsgericht, nicht nur aus Rheinland-Pfalz, sondern auch aus anderen Bundesländern.
Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die Entnahme einer solchen Probe und die Speicherung des Ergebnisses einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Das ist auch unstreitig.
Des Weiteren hat das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang festgestellt, dass es durchaus zulässig ist, so etwas für die Zukunft zu speichern, hat darauf abgestellt, was gesetzlich geregelt ist, und gesagt, bei schweren Straftaten ist dies möglich. Herr Kollege Baldauf, Sie nicken so kräftig. Hoffentlich nicken Sie auch, wenn ich gleich weiter ausführe. Es hat zusätzlich gesagt, dass das Gericht, das dies feststellt,
sich nicht bloß darauf beschränken darf festzustellen, dass die Katalogtat gegeben ist, sondern in jedem Einzelfall auch prüfen muss, ob das Ergebnis des Strafverfahrens so gewichtig ist, dass, obwohl die Katalogtat gegeben ist, eine Speicherung trotzdem nicht möglich ist, zum Beispiel wenn eine sehr milde Strafe erfolgt ist, zu Bewährung ausgesetzt und sogar der Rest noch erlassen worden ist. Das heißt, eine generelle schematische Prüfung verbietet sich.
Daraus müssen sie zumindest das Problem ableiten, dass es nicht einfach so sein kann, dass sie dies jetzt bei jeder leichten Straftat einsetzen und speichern können, weil das Bundesverfassungsgericht schon sagt, es ist eine Einzelfallprüfung selbst bei schweren Straftaten erforderlich, sodass es so simpel und einfach, wie es dargestellt worden ist, nicht gehen wird.
Dewegen bedarf es, wenn man darüber diskutiert, einer sehr sorgfältigen Prüfung dessen, auch was das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang gesagt hat.
Natürlich diskutieren wir im Rahmen unserer Justizministerkonferenz über mögliche Verbesserungen.
Herr Kollege Hörter, ich darf darauf hinweisen, die Justizministerkonferenz ist nicht der Gesetzgeber. Wenn wir einen Beschluss fassen, haben wir damit das Gesetz noch nicht geändert. Wir haben einen Beschluss nur dahin gehend gefasst, dass wir uns mit der Sache befassen werden. Eine Arbeitsgruppe ist eingesetzt worden. Die untersucht das deshalb. Wir machen das seriös. Wir bellen nicht einfach bloß mit, wenn der Beckstein in Bayern bellt. Ich bin dafür, den Verstand einzuschalten und erst dann zu bellen, wenn ich nachgedacht habe und nicht, wenn der Beckstein in Bayern bellt.
Selbstverständlich werden wir diese Untersuchungen sehr sorgfältig durchführen. Natürlich ist es denkbar, unter Umständen nach sorgfältiger Überprüfung zu dem Ergebnis zu kommen, auch in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, bei eventuell leichteren Taten, wenn es ein nachgewiesener Serientäter ist, macht es vielleicht auch Sinn. Das kann das Ergebnis sein. Aber das muss man sorgfältig prüfen und nicht im Hauruck-Verfahren machen.
Herr Kollege Hörter, wenn Sie den Eindruck erweckt haben, nur in Rheinland-Pfalz sei es so, dass es mit dem Richtervorbehalt so gehandhabt würde, ist dies nicht zutreffend.
Es ist die Ausnahme, dass es nicht so gemacht wird.
Die so genannte bayerische Lösung, die Freiwilligkeitslösung, ist nicht die Regel. Deswegen haben die Justizminister sehr wohl den Beschluss fassen können, dass sie es sorgfältig prüfen.
Bei uns gehen Staatsanwaltschaft und Gericht davon aus, dass das Gesetz so, wie es formuliert ist, den Richtervorbehalt vorschreibt. Wenn das Gesetz – so verstanden – es so vorschreibt, dann können sie nicht einfach als Justizminister anordnen, dass das aufgehoben wird. Das ist Sache des Gesetzgebers. Darüber nachzudenken, ist sehr wohl Sache des Gesetzgebers und auch der Justizminister. Dieser „Nachdenkensarbeit“ wollen wir uns auch gar nicht entziehen. Aber das muss dann erst einmal durchgeführt werden.
Sie können nicht einfach so das Gesetz abschaffen.
Wenn Sie den Eindruck erwecken wollen, es gehe bloß darum, das festzustellen, was der Gesetzgeber ermögliche, mehr wolle man gar nicht tun, dann bin ich sehr damit einverstanden. So sollte es immer sein, wenn es rechtsstaatlich ist. Wie war es aber in den vergangenen Jahren bis zu einer vor kurzem erfolgten Gesetzesänderung, die ich mit initiiert und betrieben habe? Da es angeblich technisch gar nicht anders möglich sei, wurde bei Proben bis vor einigen Jahren immer das Geschlecht mitbestimmt, obwohl das Gesetz das überhaupt nicht zugelassen hat. Sie werden unter Umständen in Zunft damit leben müssen, dass es dann heißt: Wir haben ein neues technisches Verfahren. Das und anderes haben wir jetzt auch festgestellt.
Wohlgemerkt: Ich bin überhaupt nicht dagegen, dass das Geschlecht mitbestimmt wird. Deswegen habe ich mich dafür eingesetzt, dass es gesetzlich abgesichert wird, damit die Praxis eine gesetzliche Absicherung erhält. So muss man es machen, mich aber nicht auffordern, ich solle mich einfach über die Gesetze hinwegsetzen und die Staatsanwaltschaft anweisen, sich gegebenenfalls über die Gesetze hinwegzusetzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir bei solchen Entscheidungen zum genauen Nachdenken auffordern, dann tut das niemand, weil wir einen Verbrecher schützen wollen, sondern weil wir jeden Bürger dieses Landes davor schützen wollen, gegebenenfalls in eine Situation zu kommen, in der er sich der staatlichen Allmacht relativ hilflos gegenüber sieht. Das immer mit zu berücksichtigen, gebietet ein Rechtsstaat; denn ein Rechtsstaat muss bei dem, was er anordnet und tut, immer bedenken, dass derjenige, der für ihn handelt, eventuell über das Ziel hinausschießt oder auch irren kann und dies für die Betroffenen unermessliche Folgen haben kann. Dies immer zu berücksichtigen, ist Sache eines Rechtsstaats. Das tun Sie nicht, wenn Sie einfach dem Beckstein nachbellen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Finanzminister hat bei der Einbringung des Haushalts schon auf die schwierigen Rahmenbedingungen hingewiesen. Ich bin ihm und auch den die Koalition tragenden Fraktionen dankbar, dass sie mit dem vorliegenden Haushalt der Justiz auch in Zukunft die Aufgabenerfüllung ermöglichen und diese auch sicherstellen.
Ich bedanke mich ausdrücklich allerdings auch bei allen Fraktionen für die in der Regel doch sachliche und konstruktive Zusammenarbeit im Rechtsausschuss und auch in der Strafvollzugskommission.
Es ist dort sehr wohltuend, wie man die Dinge durchaus sachlich und ganz anders als heute vom Herrn Kollegen Baldauf dargestellt erörtern kann.
Dass die Justiz in Rheinland-Pfalz so hervorragend funktioniert, hat nicht zuletzt mit dem Engagement der Richterinnen und Richter, der Rechtspfleger, der Staatsanwälte, der Mitarbeiter der Geschäftsstellen und der Mitarbeiter im Strafvollzug zu tun.
Ich finde, dass diese Mitarbeiter, die mit so großem Engagement ihre Arbeit tun, es eigentlich nicht verdient haben, im Vorfeld einer so genannten großen Justizreform dann in der Arbeit, die sie leisten, in der Öffentlichkeit so dargestellt zu werden, wie dies der Fall gewesen ist. Ich verstehe es, dass man durchaus für eine solche Reform werben will. Wenn man aber in dem Zusammenhang von verfetteter Justiz spricht und damit eine gewisse Unbeweglichkeit meint, so meine ich, muss dem heute auch deutlich widersprochen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Zusammenhang mit der so genannten großen Justizreform, die eine so genannte funktionale Zweigliedrigkeit darstellen soll, wurde häufig dargelegt, dass unser Justizwesen insbesondere an den vielen Rechtsmittelmöglichkeiten leidet. Dann wird ein singulärer Fall wie Kaplan hochgezogen. Ich gebe zu, es hat mich auch emotional berührt, wie das abgelaufen ist, wahrscheinlich jeden von uns.
Ich bin auch froh, dass Herr Kaplan ausgewiesen worden ist. Wenn man so etwas beschließt, muss man sich schon die Zahlen im Einzelnen anschauen.
Frau Kohnle-Gros, ich glaube, Sie haben schon darauf hingewiesen. Nur etwa 10 % der Verfahren gehen in die Berufung, nur etwa 1 % in die Revision. Es kann doch kein Mensch von einem übergeordneten Rechtsstaat sprechen. Ich finde, wir würden Herrn Kaplan im Nachhinein noch einen Gefallen tun, wenn wir ihm unsere Rechtsmittelmöglichkeiten hinterherwerfen. Das sollten wir nicht tun. Das sollten wir sorgfältig überlegen.
Herr Kollege Baldauf, Sie haben einiges angesprochen. Ich habe im Ausschuss bereits ausführlich dargelegt, was geplant ist. Frau Kollegin Reich hat darauf hingewiesen. Herr Kollege Dröscher hat für den Strafvollzug darauf hingewiesen. Ich möchte die verbleibende Zeit dazu nutzen, auf einige Ihrer Anmerkungen einzugehen.
Sie haben mir vorgeworfen, dass ich nach dem Motto verfahren würde, „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Herr Baldauf, es gibt Sprüche, die könnten Sie auch beherzigen.
Das ist doch wahr, Herr Kollege Baldauf. Was Sie von sich gegeben haben, ist bereits mehrfach in den Ausschüssen dargestellt worden.
Sie werfen mir vor, ich würde mich mit bundespolitischen Dingen befassen.
Ich frage Sie, wieso werfen Sie mir in der gleichen Rede später vor, ich würde mich zu wenig darum kümmern. Das passt irgendwie nicht zusammen.
Herr Kollege Baldauf, natürlich muss ich mich um bundespolitische Justizthemen kümmern. Hauptsächlich beeinflusst Bundesrecht die Kosten. Das haben wir im eigenen Land gar nicht in der Hand. Wir müssen uns deshalb intensiv um bundesrechtliche Vorgaben kümmern.
Es ist lächerlich, mir vorzuwerfen, ich würde mich im Betreuungsrecht nicht darum kümmern. Ich habe Sie noch auf keiner Veranstaltung gesehen, wo ich die Prügel dafür bezogen habe, dass ich mich auf Bundesebe
ne bemühe, die Kosten in diesem Bereich zu begrenzen. Da waren Sie wie üblich, wenn es Prügel fürs Sparen gibt, abgetaucht. Es ist keiner dagewesen, Herr Kollege Baldauf.
Ich habe nichts gehört, dass Sie sich zu diesen Dingen besonders hervorgetan hätten.
Wenn Sie immer wieder behaupten, ein Amtsrichter in Zivilsachen würde bis zu 700 Fälle bearbeiten, dann ist das sicher in Einzelfällen so. Der Durchschnitt liegt deutlich darunter. Der Durchschnitt liegt bei etwa 649. Herr Kollege Baldauf, es wird nicht besser, wenn Sie es ständig wiederholen. Das nutzt niemandem. Ich zeige Ihnen gern die Vergleichszahlen aus anderen Bundesländern. Da steht die Justiz in Rheinland-Pfalz eigentlich hervorragend da.
Sie hatten die Fußballweltmeisterschaft angesprochen und gerügt, dass im Justizhaushalt hierfür keine Vorsorge getroffen wird. Natürlich muss der Innenminister in anderer Weise Vorsorge treffen. Er muss diese Fußballspiele präventiv begleiten. Er muss durch entsprechenden Personaleinsatz sicherstellen, dass es nach Möglichkeit zu keinen Straftaten kommt. Wir haben versucht, im Vorfeld herauszufinden, in welchem Umfang vielleicht Mehrbelastungen auf uns zukommen könnten, indem wir uns Erfahrungen aus Länderspielen und Ähnlichem angeschaut haben. Es lässt sich nicht signifikant beziffern. Sollte es zu Problemen kommen, die einen vermehrten Personaleinsatz erforderlich machen, werden wir selbstverständlich unmittelbar reagieren. Es ist eine ganz andere Situation, als der Innenminister sie an der Stelle darstellen und bewältigen muss. Die Justiz muss nur eingreifen, wenn es in erheblichem Umfang zu Straftaten kommt. Ich hoffe, dass der präventive Einsatz der Polizei dies verhindert, sodass nicht von großen Belastungen der Justiz gesprochen werden kann. Ich baue auf die Polizei in Rheinland-Pfalz.
Sie hatten die Bearbeitungszeit bei der Sozialgerichtsbarkeit angesprochen. Herr Kollege Baldauf, das ist überall im Bund so. Es ist auch in Rheinland-Pfalz so. Das liegt an den Besonderheiten der sozialgerichtlichen Verfahren. Dort gibt es anders als in anderen Gerichtsbarkeiten die Möglichkeit, immer wieder neue Tatsachen vorzutragen. Man kann zum Beispiel immer wieder geltend machen, dass sich der Gesundheitszustand verschlechtert. Das Gericht hat keine Möglichkeit, dies abzuschneiden, sondern muss gegebenenfalls – – –
Nein, es hat keine Möglichkeit. Wenn der Kläger es durchsetzen will, kann er es durchsetzen, Herr Kollege Baldauf.
Es müssen gegebenenfalls neue Gutachten eingeholt werden. Die Verfahrensdauer bei den Sozialgerichtsbar
keiten liegt insbesondere darin begründet, dass in der Regel ärztliche Gutachten einzuholen sind. Das wissen Sie. Das hat die Justiz überhaupt nicht in der Hand.
Sie hatten gefragt, ob wir für die Verlagerung der Verwaltungsgerichtsbarkeit bezüglich der Fälle um Hartz IV, die in die Sozialgerichtsbarkeit kommen, Maßnahmen getroffen haben. Herr Kollege Baldauf, das hatte ich im Ausschuss bereits dargelegt. Ein Richter ist zum Landessozialgericht, vier Richter sind zu den Sozialgerichten gekommen. Das ist exakt die Zahl, die uns von den Verwaltungsgerichten als erforderlich und bisher dort tätig mitgeteilt wurde. Ich gehe davon aus, dass ausreichend Vorsorge getroffen wurde.
Frau Kollegin Grützmacher, Sie hatten die konsensuale Streitbeilegung angesprochen. Selbstverständlich bemühen wir uns, alle Möglichkeiten zu unterstützen, die dazu führen, dass sich Menschen gütlich einigen, wenn sie Streit haben. Das zieht die beste und befriedigendste Wirkung nach sich. Das ist bedauerlicherweise nicht immer möglich. An der Stelle erlaube ich mir den Hinweis, dass einige Versuche nicht so erfolgreich abgelaufen sind. Das gilt zum Beispiel beim 15 a EG ZPO, der leider nicht die Wirkungen gebracht hat, die man sich davon erhofft hatte. Jedenfalls ergibt sich dies aus den Untersuchungen in den drei Bundesländern, die solche Evaluationen durchgeführt haben. Insofern lohnt es sich, darüber nachzudenken, ob es Sinn macht, so etwas bei uns einzuführen oder ob vorher nicht Verbesserungen angestrebt werden sollten.
In Ihrem Antrag haben Sie beim Bereich Strafvollzug eine Verbesserung gefordert. Das, was Sie darlegen, gibt es in großen Teilen bei uns schon. Wir nutzen selbstverständlich Behandlungsmöglichkeiten außerhalb und innerhalb der Anstalt. Es kommt auf den Einzelfall an, was und wie etwas durchgeführt werden kann. Selbstverständlich wird bei der Entlassung auf das zurückgegriffen, was außerhalb der Anstalt zur Verfügung steht. Selbstverständlich versuchen wir bei Entlassungen die Gefangenen entsprechend zu betreuen. Dies gibt es. Dies wird auch im Rahmen der Bewährungshilfe versucht. Ich unterstütze Ihre Zielrichtung im Antrag. Es ist viel Wünschenswertes drin. Bedauerlicherweise ist das derzeit finanziell nicht machbar. Deshalb kann ich in der Sache nicht mehr unternehmen, als derzeit möglich ist. Die finanziellen Mittel stehen nicht zur Verfügung. Wir versuchen weiterhin, private Initiativen in diesem Bereich zu fördern.
Wir erkennen dies an. Es gibt Vernetzungen vor Ort. Es ist nicht so, dass dieses Gebiet brachläge. Es ist leider derzeit nicht möglich, auf diesem Gebiet zusätzliche finanzielle Anstrengungen zu unternehmen. Das gibt leider die finanzielle Lage des Landes nicht her.
Insgesamt meine ich, ist der eingebrachte Haushalt durchaus in der Lage, der Justiz bei der Aufgabenerfüllung in den nächsten zwei Jahren mit den erforderlichen Mitteln die nötige Hilfe zur Verfügung zu stellen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich beantworte die Mündliche Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: In den Fachdienststellen des Landeskriminalamts und der Polizeipräsidien war zur Verfolgung von Straftaten der Organisierten Kriminalität die folgende Anzahl von Kriminalbeamten im genannten Zeitraum eingesetzt: 1999 72,5, 2000 71,5, 2001 74,5, 2002 71,5 und 2003 67,5.
Neben den originär für die Bearbeitung von OKErmittlungskomplexen eingesetzten Beamtinnen und Beamten waren weitere Organisationseinheiten, wie die Sachgebiete „Verdeckte Maßnahmen“ und „Finanzermittlungen“ der Polizeipräsidien und des Landeskrim inalamts, das Mobile Einsatzkommando, das Spezialeinsatzkommando und die K 16 der Polizeipräsidien (Fahn- dung/Observation), in die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität eingebunden.
Bei den Staatsanwaltschaften des Landes war in dieser Zeit die folgende Anzahl von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten mit der Ermittlung in Verfahren der Or
ganisierten Kriminalität befasst: 1999 21, 2000 21, 2001 21, 2002 22 und 2003 22.
Nicht in allen Tatkomplexen steht die Anzahl oder die Identität der Tatverdächtigen nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen bereits abschließend fest, sodass keine abschließenden Zahlen angegeben werden können.
Die Anzahl der einzelnen Taten und ihre Zuordnung zu den Tatverdächtigen wird statistisch nicht erfasst und lässt sich auch den Berichten nicht vollständig und umfassend entnehmen. Insbesondere muss man davon ausgehen, dass Täter aus Randbereichen, die keine besondere Rolle gespielt haben, in den Berichten nicht mitgeteilt werden. Diese besonders statistisch zu erfassen, würde erheblichen Verwaltungsaufwand verursachen, weshalb dies nicht mitgeteilt werden kann.
Zu Frage 3: In den OK-Komplexen sind für 2002 fünf Anklagen und für das Jahr 2003 drei Anklagen erhoben worden. Die Anklagen richteten sich dabei teilweise gegen einzelne Angeschuldigte und teilweise gegen mehrere Angeschuldigte. So waren zum Beispiel im so genannten „Hell’s-Angels-Verfahren“ der Staatsanwaltschaft Mainz elf Personen angeklagt. Die Anzahl der insgesamt angeklagten Personen ist statistisch nicht erfasst.
Im Jahr 2002 – das kann den Berichten entnommen werden – wurden 17 Personen und im Jahr 2003 sieben Personen verurteilt.