..............................................................................................................1573, 1591, 1597 Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:...................................................................................... 1605 Abg. Dr. Gölter, CDU:........................................................................................................................ 1584 Abg. Dr. Schiffmann, SPD:................................................................................................................. 1589 Abg. Dr. Schmitz, FDP:................................................................................. 1594, 1598, 1601, 1606, 1610 Abg. Dr. Weiland, CDU:............................................................................................................1603, 1607 Abg. Dröscher, SPD:.................................................................................................................1609, 1610 Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:......................................................................... 1582 Abg. Frau Morsblech, FDP:................................................................................................................ 1581 Abg. Frau Pepper, SPD:............................................................................................................1572, 1586 Abg. Frau Raab, SPD:....................................................................................................................... 1604 Abg. Frau Schleicher-Rothmund, SPD:............................................................................................... 1599 Abg. Frau Thelen, CDU:..................................................................................................................... 1600 Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:..............................................................1586, 1596, 1600 Abg. Keller, CDU:.............................................................................................................................. 1580 Abg. Kuhn, FDP:................................................................................................................................ 1575 Abg. Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:............................................................................................. 1610 Abg. Mertes, SPD:............................................................................................................................. 1579 Abg. Rüddel, CDU:..........................................................................................................1603, 1609, 1611 Abg. Weiner, CDU:............................................................................................................................ 1602 Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:................................................................................... 1576 Beck, Ministerpräsident:..................................................................................................................... 1576 Frau Ahnen, Ministerin für Bildung, Frauen und Jugend:...................................................................... 1583 Frau Dreyer, Ministerin für Arbeit, Soziales und Gesundheit:................................................................ 1608 Mertin, Minister der Justiz:................................................................................................................. 1598 Präsident Grimm:............................................1572, 1573, 1574, 1575, 1576, 1579, 1580, 1581, 1582, 1583 1584, 1586, 1589 Schumacher, Ständiger Vertreter des Chefs der Staatskanzlei............................................................. 1606 Vizepräsident Dr. Schmidt:..............................1591, 1594, 1596, 1597, 1598, 1599, 1600, 1601, 1602, 1603 1604, 1605, 1606, 1607, 1608, 1609, 1610, 1611
Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 24. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz.
Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich Heike Raab und Matthias Lammert, der auch die Rednerliste führt.
Entschuldigt sind für heute die Abgeordneten ErnstGünter Brinkmann, Peter Anheuser, Christine Schneider und Elke Kiltz sowie Staatsminister Gernot Mittler, Staatsminister Professor Dr. Jürgen Zöllner und Staatssekretär Klaus Rüter, der heute nur kurz anwesend sein kann.
Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Gestatten Sie mir einige Hinweise. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat zu Punkt 4 der Tagesordnung einen neuen Antrag – Drucksache 14/1077 – eingebracht, der den Antrag – Drucksache 14/667 – ersetzt. Ferner liegen zu diesem Thema Anträge der Fraktionen der SPD und FDP sowie der CDU vor. Sind Sie damit einverstanden – ich gehe jedenfalls davon aus –, dass die Anträge zu diesem Thema gemeinsam behandelt werden?
Zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, Landesgesetz zu dem Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung des Landesrundfunkgesetzes sowie Landesgesetz zu dem Staatsvertrag zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und dem Land Nordrhein-Westfalen über die Zugehörigkeit der Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüferinnen und Buchprüfer des Landes Rheinland-Pfalz zum Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer und der vereidigten Buchprüfer im Lande Nordrhein-Westfalen, ist anzumerken, dass die Beschlussempfehlungen – Drucksachen 14/1078/1079 – erst am Dienstag verteilt werden konnten. Die Frist zwischen der jeweiligen Verteilung der Beschlussempfehlungen und der zweiten Beratung der Gesetzentwürfe ist mit der Feststellung der Tagesordnung zu verkürzen. Dies gilt ebenso für die Vorlagen zu Punkt 8,...tes Landesgesetz zur Änderung des Sparkassengesetzes.
Zu Punkt 19 der Tagesordnung, Einwilligung des Landtags zur Kreditfinanzierung des Landesanteils an den Investitionen des Wirtschaftsplans 2002 des Klinikums der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gemäß § 9 Abs. 1 Satz 7 des Universitätsklinikumsgesetzes, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Antrag des Klinikums an den Haushalts- und Finanzausschuss überwiesen werden und dort vor Beginn der morgigen Plenarsitzung um 9:00 Uhr beraten werden soll.
Gibt es Hinweise, Nachfragen oder Änderungswünsche zur Tagesordnung? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich die Tagesordnung so fest.
AKTUELLE STUNDE „Die Gewalttat von Erfurt – Konsequenzen für Politik und Gesellschaft“ auf Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und FDP – Drucksache 14/1080 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren. Eine Zeit lang werden diese Bilder in unseren Köpfen abrufbar sein. Ein Gymnasium in einer normalen deutschen Stadt – Menschen erschossen von einem ehemaligen Schüler – Verzweiflung, Trauer, Nichtverstehen. Schüler und Schülerinnen trauern gemeinsam mit ihren Lehrern, den Eltern und den Angehörigen. Eine Stadt trauert, und Deutschland ist fassungslos.
Aber bevor diese Opfer zu Grabe getragen wurden, wurden die Stimmen derjenigen laut, die in unserer Mediengesellschaft die ersten mit schnellen Rezepten gegen eine Gewalt, die eine neue Hürde in Deutschland übersprungen hat, sein wollten.
Wer noch vor kurzem ein liberaleres Waffengesetz gefordert hat, verlangte plötzlich nach schärferen Kontrollen. Wer vor kurzem noch unter Berufung auf die PISAStudie Leistungssteigerungen an Schulen eingefordert hat, verlangte plötzlich nach mehr individueller Betreuung usw.
Stopp! Meine Damen und Herren, so geht es nicht. Aktionismus gehört an eine andere Stelle und nicht zu einer Tragödie, wie sie in Erfurt zustande gekommen ist.
Meine Damen und Herren, es wird eine neue Wertediskussion gefordert. Heißt dies denn im Umkehrschluss, dass es bisher keine Wertediskussionen in unserer Gesellschaft gab, oder bedeutet dies, dass diejenigen, die an den Wertediskussionen teilgenommen haben,
Ich finde, unsere Werte basieren auf einem soliden Fundament, das wir allerdings analog der Veränderung unserer Gesellschaft weiterentwickeln sollten.
Notwendig dagegen erscheint mir ein Glaubwürdigkeitsszenario. Junge Menschen, die immer wieder signalisiert bekommen, dass sie unsere Zukunft sind, müssen dies in entscheidenden Situationen in ihrem Leben auch erfahren können.
Kann es richtig sein, dass Schüler, die kurz vor dem Abitur die Schule verlassen müssen, keinerlei Schulabschluss in ihrer Tasche haben, also ohne schulische und
berufliche Perspektiven nach einer langen Schulzeit merken, dass sie ein Nichts sind und in ein Nichts fallen? Dies ist in Rheinland-Pfalz nicht so geregelt.
Betrachtet man aber in Ruhe den gesellschaftlichen Rahmen, so stösst man auf eine Vielzahl gesetzlicher Normen, die diese jungen Menschen schützen und schützen könnten, wenn sie in der Absolutheit umgesetzt würden. Ich nenne das Grundgesetz, das Strafgesetzbuch, das Jugenschutzrecht und die Landesrundfunkgesetze, die eine Ächtung der Gewalt zum Inhalt haben.
Meine Damen und Herren, die Lebensbereiche verändern sich, die Welt ist nicht mehr so, wie sie vielleicht vor zehn Jahren gewesen ist. Berufsperspektiven und Lebensläufe ändern sich, und der technische Wandel bedarf einer sehr subtilen kulturellen und sozialen Begleitung.
Die Geschwindigkeit macht nicht vor den Menschen halt. Sie reagieren darauf sehr unterschiedlich, zum Teil mit Unsicherheit und mit diffusen Ängsten. Aber wer nimmt insbesondere die jungen Menschen mit auf diesen Weg in die Zukunft? Wir haben Menschen, die dies tun, und sie sind ausgewiesene Fachleute: nämlich die Eltern und die Pädagogen.
Es gibt auch politische Wege, die diese Rahmenbedingungen unterstützen. Für die Rheinland-Pfälzer erwähne ich die Weiterentwicklung der Betreuungsangebote im Kindergartenbereich, die Einführung der Ganztagsschule und die vielen Maßnahmen der Gewaltprävention an unseren Schulen. Letzteres beinhaltet zum Beispiel die Einsetzung von Schülerinnen und Schüler als Streitschlichter. Hierbei handelt es sich um sehr wichtige Projekte, weil junge Menschen selbst Verantwortung übernehmen.
Haben etwa die Medien versagt? Ich denke, nein. Die Medien haben die Tragödie kommentiert und begleitet. Sie haben ihren Berichtsauftrag erfüllt und die Sensationsgier nicht befriedigt. Deshalb, und weil ich viele Akteure in diesem Feld kenne, glaube ich übrigens auch an die Kraft der runden Tische und die neuen Formen der Selbstkontrolle.
Diese brauchen allerdings wieder einen verlässlichen Rahmen und kurzfristige schmerzhafte Sanktionsmöglichkeiten für diejenigen, die sich nicht an den Rahmen halten, meine Damen und Herren.
So begrüße ich ausdrücklich die Verschärfung und Vereinheitlichung des Jugendschutzes in den Medien, ers tmals für alle Medien. Dieser Gesetzentwurf wird voraussichtlich bereits im Sommer in das Gesetzgebungsverfahren kommen.
Wer immer nur von Hilflosigkeit gegenüber den neuen Medien redet, über die Unkontrollierbarkeit des Internets, der glaubt nicht mehr an seine eigene Gestaltungsmöglichkeit. Ich würde es sehr viel spannender finden, wenn wir den Generationskonflikt in der Nutzung von alten und neuen Medien lösen und die Sprachlosigkeit der Generationen durchbrechen würden, indem wir kontroverse Dialoge über die Zukunft des Netzes zulassen und eine neue Streitkultur erlernen würden – und dies miteinander.
Diese Initiativen, die ich kurz anreißen konnte, werden Gewalt niemals verhindern können, aber die Gewalt in ihre Schranken weisen und ächten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in den letzten zwei Wochen viele Menschen getroffen, denen es ähnlich gegangen ist wie mir, die angesichts dieses geradezu unvorstellbaren Ereignisses wirkliche Probleme hatten, ihre eigenen Gefühle zu beschreiben.
Es herrschte natürlich ein Gefühl des Entsetzens, des blanken Entsetzens, der Fassungslosigkeit. Aber darüber hinaus – das habe ich auch bei mir selbst beobachtet – herrschte das Gefühl eines wirklichen, tiefen Erschreckens. An dieses Erschrecken knüpfte sich die Frage an: Wie war das möglich? Wie konnte das geschehen?
Meine Damen und Herren, man kann das Thema nicht diskutieren, ohne eine notwendige Vorbemerkung zu machen. Man muss darauf hinweisen, dass dieses Blutbad von Erfurt wirklich ein singuläres Ereignis war. Ich sage das nicht, um von der Erforschung der Gründe und Ursachen abzulenken, ganz im Gegenteil.
Ich sage das nur deshalb, weil ich glaube, dass jeder zu kurz springt, der meint, dieses Ereignis würde sozusagen ein grelles Schlaglicht auf den Lebensalltag in unseren Schulen werfen. Das tut es nicht. Dieses Ereignis ist nicht beispielhaft. Für das, was sich an unseren Schulen, sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern abspielt, ist – Frau Kollegin Pepper hat dies zu Recht gesagt – kein Thema für die üblichen Verallgemeinerungen.
Es gibt auch keine Garantie dafür, durch noch so viele klug bedachte Maßnahmen ein solches Ereignis für ewig und alle Zeit auszuschließen. Es ist schon gar nicht geeignet für die beliebten Schnellschüsse.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den beliebten Schnellschüssen zähle ich sehr vieles, was an Äußerungen in den Tagen
danach gefallen ist. Zum Thema „Schulgesetz“ kann ich sagen: Der Junge ist nicht von der Schule verwiesen worden. Im Gegenteil, nach allem, was wir bisher wissen, ist er mit einer ganz besonderen Fürsorge und mit einem erheblichen Aufwand zu einer anderen Schule gebracht worden, damit er dort ohne Zeitverlust sein Abitur machen konnte. Es eignet sich weder für Schnellschüsse in Sachen Waffenrecht noch für Schnellschüsse mit Äußerungen über die angeblich steigende Gewalt im Fernsehen.
Die Erfurter Schule ist eine der besten, nicht nur in Thüringen; sie ist eine der besten Schulen, die wir in Deutschland haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach dem, was wir inzwischen über das Verhalten der Lehrerinnen und Lehrer erfahren konnten, bin ich fast geneigt zu sagen, das ist eine Art Vorzeigeschule.
Wir dürfen in dieser Debatte also nicht zu kurz springen. Aber gleichwohl muss dieses schreckliche Blutbad Anlass zum Nachdenken sein.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich will dies in zwei knappen Bemerkungen zusammenfassen, und dies kann nicht mehr sein als sozusagen ein Hinweis auf persönliche Gedanken und Überlegungen, die jeder in diesem Zusammenhang anstellt, und auch eine Art Bilanz der Eindrücke, die in den letzten 14 Tagen auf uns alle eingeströmt sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die erste Bemerkung, die ich machen möchte, stammt gar nicht von mir, sondern ist eine Bemerkung, die uns die Jugendsoziologie schon seit langer Zeit nahebringt, von der ich aber glaube, dass sie deswegen von einer besonderen Wichtigkeit ist, weil sie eine grundlegende Veränderung in der Situation junger Menschen heute auf der einen Seite und vor noch gar nicht allzu langer Zeit auf der anderen Seite offenlegt. Ich spreche von der Tatsache, dass heute alle jungen Menschen die Erfahrung machen, dass einerseits die Möglichkeiten der eigenen Lebensgestaltung immer größer werden, schier unbegrenzt zugenommen haben, aber andererseits die Berechenbarkeit der eigenen Lebensplanung immer mehr sinkt.
Das ist eine Ambivalenz, von der ich in der Tat meine, dass sie die Lebenserfahrung und das Alltagsgefühl junger Menschen heute zutiefst prägt; einerseits dieser Reichtum an Chancen und Möglichkeiten und andererseits die nahezu unbegrenzte Unkalkulierbarkeit und Unberechenbarkeit dessen, was das eigene Leben schon in naher Zukunft bringt, spätestens dann, wenn die schulische Ausbildung zu Ende geht.