Thomas Oppermann

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Last Statements

Nein, ich rede auch noch einmal im September.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion spricht sich mit den Anträgen, die wir
eingebracht haben, dafür aus, die Steuerbefreiung für Sonntagsarbeit, für Nachtarbeit, für Feiertagsarbeit ebenso beizubehalten wie die Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene, die Mitbestimmung auf Unternehmensebene und den Kündigungsschutz. Für uns sind das selbstverständliche Bestandteile einer sozialen Marktwirtschaft.
Die Beschlüsse, die die CDU in den zurückliegenden Monaten gefasst hat - in den zurückliegenden Wochen fasste sie ja keine mehr -, deuten darauf hin, dass sie diese Bestandteile einer sozialen Marktwirtschaft entkernen will, dass sie eine reine Marktwirtschaft will, dass sie sich von der sozialen Marktwirtschaft verabschieden will. Diesen Weg darf dieser Landtag nicht mitgehen, meine Damen und Herren.
Viele Fragen bleiben natürlich noch offen, z. B.: Was macht die Union in der Rentenpolitik? Die CSU hat sich festgelegt: Die Rentenbeiträge sollen nicht über 20 % steigen. Herr Rürup hat jetzt vorgerechnet, dass das dazu führen würde, dass die Renten im Verlaufe der nächsten zehn Jahre vermutlich um 8 bis 12 % gekürzt werden müssen. Das wäre die Konsequenz dessen, was Sie vorgeben. Es sei denn, Sie erhöhen massiv die Rentenzuschüsse im Bundeshaushalt.
In der CDU/CSU ist völlig offen, was mit der Mehrwertsteuer passiert. Die einen wollen die Mehrwertsteuer erhöhen, die anderen wollen das nicht ausschließen, andere wollen das kategorisch ausschließen. Die einen wollen die Mehrwertsteuer, um Haushaltslöcher zu stopfen
- ich komme gleich dazu -, die anderen wollen die Mehrwertsteuer für dies oder jenes einsetzen.
Völlig offen ist, wie es mit der gesetzlichen Krankenversicherung weitergeht und wie die völlig verkorkste Kopfpauschale
in der gesetzlichen Krankenversicherung umgesetzt werden soll.
Das alles haben Sie noch nicht entschieden. Darüber reden Sie nicht oder nur ungern. Aber zwei Dinge haben Sie nach dem 22. Mai blitzschnell entschieden, das dauerte nur Stunden, das dauerte nur wenige Tage: Erstens hat Frau Merkel angekündigt, den Spitzensteuersatz von 42 % abzusenken. Ich darf daran erinnern: Als Helmut Kohl abgewählt wurde, betrug der Spitzensteuersatz in Deutschland realsozialistische 55 %. Jetzt sind es 42 %. Wir finden, das ist ein fairer Spitzensteuersatz. Wir finden auch, er könnte auch gezahlt werden.
Aber Sie wollen den Spitzensteuersatz jetzt noch einmal absenken, und zwar auf 39 %. Das ist die Ankündigung von Frau Merkel. Fast im gleichen Atemzug sagten Stoiber, Kauder und wie sie alle heißen, dass die Steuerbefreiung für Krankenschwestern, für Schichtarbeiter, für Leute, die sonn- und feiertags, die nachts arbeiten müssen, abgeschafft werden soll.
Die beiden Dinge hängen natürlich miteinander zusammen, meine Damen und Herren. Sie wollen den Kleinverdienern das Geld wegnehmen, um Steuergeschenke für Reiche zu finanzieren.
Die Krankenschwestern sollen für den Chefarzt bluten. Das ist Ihre Politik.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU und der FDP Wenn Sie das jetzt alles rechtfertigen sollen, wer- den Sie sagen: Das sind ja fast 2 Milliarden Euro Subventionen, die bei der Steuerbefreiung zur Disposition stehen, und Sie wollen diese Subventi- onen im Sinne eines widerspruchsfreien und schlanken Steuerrechts abbauen. Aber, meine Damen und Herren von der Union, Sie wollen doch gar keine Subventionen abbauen. Sie haben jahrelang die Streichung der Eigenheimzu- lage blockiert, die die SPD und die Grünen für die Bildung einsetzen wollen. (Zuruf von der FDP: So ein Quatsch! Unsinn!)
Sie haben gestern Abend in diesem Haus - das ist noch nicht einmal 24 Stunden her - einen Beschluss gefasst, mit dem sogar neue Subventionen eingeführt werden sollen: Subventionen für das Handwerk, kreditfinanzierte Subventionen, mit denen Sie die Wirtschaft ankurbeln wollen. Das ist doch die Wahrheit! Deshalb hat das alles nichts mit Subventionsabbau zu tun. Sie wollen eine Umverteilung von unten nach oben. Das ist das Ziel Ihrer Politik.
Wen trifft der CDU-Plan? - Busfahrer, Heimerzieher, Briefsortierer, Zeitungsdrucker, Mitarbeiter
- nun hören Sie doch einmal zu, hören Sie sich doch wenigstens einmal an, wer die Betroffenen dieser Politik sein werden! -, Krankenpfleger, Krankenschwestern, alle Arbeitnehmer, die in voll kontinuierlichen Betrieben arbeiten, also Schichtarbeiter. In der Regel sind es Arbeitnehmer mit kleinen und mittleren Einkommen.
Eine Krankenschwester, die 30 Jahre alt und ledig ist, verliert mit der Abschaffung der Steuerbefreiung 60 Euro oder 4 % ihres Einkommens.
- Auspeitschen ist vielleicht noch schlimmer als die Abschaffung der Steuerbefreiung. Aber reden Sie nicht permanent dazwischen! Lassen Sie sich von Ihrem Landtagspräsidenten behandeln!
Aber, meine Damen und Herren, Sie wollen ja nicht nur an das Geld der kleinen Leute, Sie wollen ihnen auch noch die Möglichkeit nehmen, sich dagegen zur Wehr zu setzen.
Herr Stoiber hat großzügigerweise erklärt, dass die Steuerbefreiung nicht von heute auf morgen gestrichen, sondern sukzessive abgeschmolzen werden soll. In dem Maße sollen dann die Tarifparteien dafür sorgen, dass auf dem Gehaltszettel das wieder auftaucht, was der Staat jetzt zusätzlich an Steuern kassiert. Vor diesem Hintergrund ist es doch aber blanker Zynismus, dass diese Parteien
gleichzeitig die Gewerkschaften schwächen und die Rechte der Arbeitnehmervertretung beschränken wollen. Wie sollen die eigentlich noch zu solchen Zielen kommen, wenn Sie sich mit Ihrer Politik durchsetzen?
Sie wollen betriebliche Bündnisse. Sie wollen die Gewerkschaften schwächen und den Flächentarif aushöhlen, indem Sie die Gewerkschaften auf der Ebene der betrieblichen Interessenvertretung ausschalten.
Das ist die Abkehr von der sozialen Marktwirtschaft. Das ist die Abkehr von einem System, in dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf gleicher Augenhöhe miteinander verhandeln und zu vernünftigen Ergebnissen kommen.
Wenn Sie meinen, dass die Gewerkschaften diejenigen sind, die die Probleme in diesem Lande verursacht haben, dann liegen Sie falsch. Schauen Sie einfach mal, was in letzter Zeit für Tarifabschlüsse gemacht worden sind. Der Tarifabschluss bei Volkswagen hat sogar den Beifall des Ministerpräsidenten gefunden. Schauen Sie sich den Tarifabschluss in der Chemieindustrie an. Dort sind die Gewinne ordentlich gestiegen. Deshalb gab es eine Lohnerhöhung von 3,7 %. Das war korrekt, das hat niemand kritisiert. In der Bauindustrie, in der es immense Probleme gibt, gab es einen Reallohnabbau um 1 % und eine Steigerung der wöchentlichen Arbeitszeit von 39 auf 40 Stunden.
Das alles wird in dem jetzigen System unter verantwortungsvoller Nutzung der Tarifautonomie und der Koalitionsfreiheit gemacht. Sie wollen an die Koalitionsfreiheit. Sie wollen an den Kündigungsschutz. Sie wollen die Autonomie der Gewerkschaften unterminieren. Damit wollen Sie eine Abkehr von der sozialen Marktwirtschaft.
Wir wollen das Gegenteil. Wir wollen, dass es auch in Zukunft ein solidarisches System in der Krankenversicherung gibt. Wir wollen, dass die soziale Marktwirtschaft auch weiterhin mit Leben erfüllt wird. Wir glauben, dass mit diesem System die Probleme in Deutschland besser zu lösen sind als mit dem Konfrontationskurs, den Sie, meine Damen und Herren, einschlagen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert: Nach zweieinhalb Jahren entdecken die Regierungsfraktionen im Niedersächsischen Landtag ihr Herz für den Mittelstand.
Es wäre besser gewesen, wenn Sie Ihren Verstand aktiviert hätten.
Ich will exemplarisch für den ganzen Antrag nur Ihre Forderungen unter Nr. 1 und Nr. 8 kommentieren.
Sie wollen die Wirtschaft mit Ihrer Forderung ankurbeln, dass in Privathaushalten alle Handwerkerrechnungen von den Auftraggebern von der Steuer abgesetzt werden können. Als Sie diesen Antrag
eingebracht haben, hatten Sie nicht ausgerechnet, in welcher Höhe Steuerausfälle damit verbunden sind: Niedersachsen hat nach Angaben des Finanzministers im Haushalt 2005 eine Deckungslücke von 1,2 Milliarden Euro.
- Das haben Sie doch gesagt. Das müssen Sie jetzt noch darstellen.
Sie haben doch große Mühe, einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen, nicht nur dieses Jahr, sondern auch nächstes und übernächstes Jahr. In einer solchen Situation ist es schon eine abenteuerliche Politik, neue Subventionen zu erfinden.
Wenn man diese Handwerkerrechnungen nur bis zu der Grenze von 6 000 Euro absetzen könnte - Sie haben in Ihrem Antrag ja nicht einmal eine Obergrenze gesetzt -, ergäben sich daraus Steuerausfälle in Höhe von mindestens 300 Millionen Euro.
Aber das ist Ihnen ja vielleicht egal, weil Ihr Haushalt auch anderweitig nicht verfassungsgemäß gestaltet werden kann.
Frau Körtner, die Frage ist: Was ist das eigentlich für ein ordnungspolitischer Höhenflug? - Sie verbinden das noch mit einer Kritik an Rot-Grün, dass kreditfinanzierte Steuersubventionen die deutsche Wirtschaft ankurbeln sollen. Ich kann nur sagen: Gott schütze den Mittelstand vor solchen Mehrheiten!
Das ist hanebüchen. Ich bin absolut sicher, dass Sie das nicht mit Walter Hirche abgestimmt haben. Das haben einige Handwerksmeister von Ihnen wahrscheinlich abends zu später Stunde bei der Tagung des Fahrlehrerverbandes aufgeschrieben,
und McAllister hat das dann irgendwie unterschrieben, ohne es vorher gelesen zu haben. Dass Sie das gelesen haben; glaube ich allerdings schon;
denn damit bedienen Sie Ihre Klientel, und dabei ist Ihnen jeder Verstoß gegen Ordnungspolitik recht, Herr Rösler. Da bin ich mir absolut sicher.
Übrigens habe ich Herrn Hermann gefragt, ob er bei einer Fortbildungstagung bei Professor Bofinger gewesen ist. Nicht einmal der DGB fordert in diesem Umfang kreditfinanzierte Steuersubventionen zur Ankurbelung der Wirtschaft. Das ist für mich im Grunde genommen ein völlig neuer Vorschlag in der politischen Landschaft. Ich bin sehr gespannt, wie der Wirtschaftsminister das gleich kommentieren wird und wie das in die Systematik der Aufbruchstimmung in Niedersachsen passen soll.
Nun zum letzten Punkt. Da schreiben Sie Folgendes. Sie wollen von Ihrer Landesregierung, die übrigens schon zweieinhalb Jahre regiert - das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen -, die Suche nach neuen Wegen, mit der Kreditwirtschaft und der NBank gemeinsam interessante Kreditkontingente zu entwickeln, um aktiv zur Wirtschaftsförderung beizutragen. Nach zweieinhalb Jahren entdecken Sie, dass es sinnvoll wäre, aktiv zur Wirtschaftsförderung beizutragen!
Da kann man nur fragen: Was haben Sie eigentlich bisher gemacht? Das ist doch im Grunde genommen ein Misstrauensvotum gegenüber dem eigenen Minister. Haben Sie sich das vorher mal überlegt, Herr Dinkla, als Sie das aufgeschrieben haben? Sie sagen doch indirekt, der hat bei dem Thema zweieinhalb Jahre nichts gemacht.
Weiter heißt es, insbesondere Kleinstkredite für Neugründungen sollten gefördert werden. Im CDUWahlprogramm steht
- ja, natürlich, ich habe es hier sogar liegen, ich habe einen schriftlichen Auszug davon -,dass alle Kleinförderprogramme abgeschafft werden sollen, weil die Verwaltungskosten höher sind als das, was die Betroffenen überhaupt erhalten.
Jetzt kommt die Renaissance der Mikrodarlehen. Die wollen Sie jetzt wieder auf den Weg bringen. Ich kann Ihnen nur sagen: Tun Sie endlich etwas im Bereich der Wirtschaftsförderung. Sorgen Sie dafür, dass mehr Beteiligungskapital für mittelständische Unternehmen zur Verfügung gestellt wird.
Die Eigenkapitalquote ist zu dünn. Da gibt es ein riesiges Loch bei der NBank und bei der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Niedersachsen. Legen Sie endlich ein solches Beteiligungskapitalprogramm auf! Das ist relativ günstig zu finanzieren. Das wird Ihnen von den Unternehmen aus den Händen gerissen.
Wenn Sie schon etwas für den Mittelstand tun wollen, dann muss ich Sie daran erinnern, dass Sie mit 7,3 % nicht nur die niedrigste Investitionsquote in der Geschichte des Landes Niedersachsen, sondern auch die niedrigste Investitionsquote von allen 16 Bundesländern in Deutschland haben und dass Sie damit den Mittelstand viel härter treffen als mit all den Dingen, die Sie an Rot-Grün kritisieren.
Über einen Punkt sollten Sie wirklich noch einmal nachdenken, der hier total fehlt. Der Mittelstand würde sich sehr dafür interessieren. Public Private Partnership sollten Sie endlich einmal mit konkreten Projekten mit Leben füllen, und zwar umfassend.
- Ja, wo denn? Damit haben wir kein Problem. Wir haben nur ein Problem damit, dass Sie Gefängnisse privat betreiben wollen. Wenn Sie Investoren finden, die das bauen, ist das völlig in Ordnung. Was Sie da bisher auf die Beine gestellt haben, sind Peanuts; und das reicht für den Mittelstand nicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme der Kritik meines Kollegen Hagenah an dem Antrag uneingeschränkt zu. Aber ich sehe in dem Antrag auch einen erfreulichen Aspekt.
Nach zwei Jahren und drei Monaten CDU/FDPRegierung ist das ein Bekenntnis zur Notwendigkeit von Wirtschaftpolitik, die es bisher nicht gegeben hat.
Sie stellen hier Forderungen, die ein Sammelsurium von undurchdachten oder schon erledigten Punkten sind. Ich möchte im Einzelnen darauf eingehen.
Erstens: verbesserte steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen. Herr Hagenah hat bereits darauf hingewiesen: Das ist die Einführung einer Subvention. Ordnungspolitisch sind Sie ja immer gegen Subventionen, theoretisch für den Abbau von Subventionen, aber in der Praxis hapert es.
- Das wollen wir erst einmal abwarten. - Sie wollen eine neue Subvention einführen. Sie wollen die Wirtschaft mit einer neuen Subvention ankurbeln. Das steht in Ihrem Antrag. Ich finde unseriös, dass Sie Ihren Finanzminister nicht einmal danach gefragt haben, in welcher Höhe Steuerausfälle damit verbunden sind, wenn sämtliche Rechnungen über Arbeiten von Handwerkern auf Privatgrundstücken steuerlich absetzbar gemacht werden. - Kein Wort!
Ich bestreite gar nicht, dass sich viele aufgrund der wirklich verbreiteten Neigung der Deutschen, Steuern zu sparen, zu einem Handwerkerauftrag entschließen würden, wenn das alles steuerlich absetzbar wäre. Aber Sie sind ja nicht einmal in der Lage zu sagen, in welcher Höhe es dann zu Steuerausfällen kommen würde. Dass Sie dann einen Subventionsdschungel einrichten, geben Sie ja selbst zu. In der Begründung heißt es:
Man nimmt erst einmal die Eigenheimförderung mit und anschließend kommt die Absetzbarkeit aller Handwerkerrechnungen - man hat durchgängig einen steuersubventionierten Wirtschaftsbereich. Darüber muss man auch ordnungspolitisch diskutieren. Herr Hirche, ich bin daran interessiert, zu erfahren, wie Sie das einschätzen. Ich bestreite nicht, dass man ein Strohfeuer erzeugen kann.
Vielleicht ist ein Strohfeuer im Augenblick mehr als gar nichts. Vielleicht muss man - befristet - darüber diskutieren. Aber so unseriös, wie Sie das machen, kann man das nicht tun.
Zweitens: Sicherung der Unternehmensnachfolge bei der Erbschaftsteuer. Das ist im Jobgipfel entschieden worden. Wir stehen zu dieser Regelung,
dass mittelständische Unternehmen von der Erbschaftsteuer befreit werden, wenn die Fortsetzung des Unternehmens gesichert ist. Jedes Jahr 10 % weniger im Laufe von zehn Jahren - das ist eine intelligente steuerpolitische Maßnahme.
Die wird übrigens auch nicht dadurch entwertet, dass die Idee von der CSU gekommen ist. Das ist einfach eine gute Idee, und die wird umgesetzt.
- Nach der siegreichen Wahl in Nordrhein-Westfalen wird sie ganz sicher im Bundestag beraten.
Drittens. Sie wollen geringfügige Wirtschaftsgüter absetzen. Aber Sie sagen nicht, was geringfügiges Wirtschaftsgut ist. Nach geltendem Recht liegt die Grenze bei 410 Euro. Wie weit soll das gehen? Keine Aussage und keine Konkretisierung von Ihnen.
- „800“ steht hier aber nicht drin. - Dann wäre es angesichts der katastrophalen Finanzlage dieses Landes seriös, zu fragen, ob damit Steuerausfälle verbunden sind. Dann sollten Sie seriöserweise auch gleich sagen, wie Sie diese Steuerausfälle im nächsten Haushalt kompensieren wollen. Das gehört zu einem Antrag dazu.
Viertens: Stärkung der Gläubigerrechte. Ihnen ist wohl entgangen, dass der Bundestag schon im Jahre 2000 ein Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen verabschiedet hat. Somit kommt ein
Schuldner nach Ablauf von 30 Tagen automatisch - ohne Mahnung - in Verzug. Dieses Gesetz hat auch die Verzugszinsen zum Teil drastisch erhöht. Die Gläubigerrechte sind gestärkt worden. Jetzt geht es darum, die Zahlungsmoral zu stärken, insbesondere natürlich auch die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand. Wir hören immer wieder Beschwerden aus dem Bereich der Landesregierung. Wir sammeln das gerade und werden Ihnen diese Beschwerden demnächst im Einzelnen präsentieren.
Fünftens: die Berufsgenossenschaften. Wir sind in der Tat der Meinung, dass die Dualität im Arbeitsschutz, Berufsgenossenschaften und Gewerbeaufsichtsämter, nicht mehr zeitgemäß ist.
Da müssen wir etwas machen; es muss auch mehr Wettbewerb herrschen. Wir brauchen nicht diese Doppelstrukturen. Allerdings sind wir gegen die Senkung des Insolvenzgeldes, weil das in erster Linie die Opfer der Insolvenz zu tragen hätten. Aber da sind wir im Prinzip diskussionsbereit.
Sechstens: die Erleichterung von Unternehmensgründungen. Warum haben Sie das eigentlich in zwei Jahre und drei Monaten noch nicht in Angriff genommen? - Das alles soll jetzt viel schneller gehen. Hatten Sie denn zwei Jahre Zeit, um darüber hinwegzusehen? - Das ist eine Forderung, die sich an den Eigenbereich der Landesregierung richtet. Dann entrümpeln Sie doch mal die Vorschriften, damit Unternehmen schneller gegründet werden können!
Sie müssen einen Entschließungsantrag machen, damit Herr Hirche aufgefordert wird, das zu tun?
Siebentens: die Suche nach neuen Wegen. Hört, hört! Die suchen
gemeinsam mit der Kreditwirtschaft und der NBank nach neuen Wegen, interessante Kreditkontingente zu entwickeln, um aktiv zur Wirtschaftsförde
rung beizutragen. Wir als Regierungsfraktion hätten uns nicht getraut, so etwas in den Landtag einzubringen.
Ich will Ihnen noch etwas aus Ihrer Begründung vorlesen, Herr Hermann:
„Eine konsequente Evaluierung des Angebotsspektrums ist die Basis für die mögliche Einführung neuer Instrumente wie z. B. stiller Beteiligungen.“
Wer hat denn so etwas geschrieben? - Das hat doch kein Handwerksmeister geschrieben! Es ist doch Unsinn, was da steht. Natürlich haben wir in Deutschland zu wenig Eigenkapital. Wir alle wissen auch, warum. Wir haben Jahrzehnte lang FDP-Wirtschaftsminister im Bund gehabt, die dazu beigetragen haben.
Unser Steuersystem hat über Jahrzehnte hinweg die Kreditfinanzierung durch Banken besser gestellt hat als die Pflege des Eigenkapitals. Das ist der Grund dafür, dass die Unternehmen in Deutschland ein so geringes Eigenkapital haben. Aber das kann ja verbessert werden. Warum nehmen Sie sich zwei Jahre und drei Monate Zeit, Herr Hirche, um über die NBank oder über die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft, die MBG, zusätzliches Beteiligungskapital aufzulegen? Dann schaffen Sie doch Beteiligungsmöglichkeiten! Machen Sie doch etwas! Warum warten Sie? Sie können doch handeln. Sie brauchen doch keinen Antrag in einem derartig verquasten Deutsch in den Landtag einzubringen, den niemand versteht. Also stellen Sie mehr Eigenkapital über die Banken zur Verfügung; dann können Sie das Problem lösen.
Ich möchte auf einen Punkt zurückkommen. Wenn Sie wirklich der Meinung sind, dass insbesondere das Handwerk unter der derzeitigen Situation leidet, dann muss ich Ihnen zustimmen. Aber wissen Sie, worunter das Handwerk und viele mittelständische Unternehmen am meisten leiden?
Die leiden am meisten darunter, dass das Land Niedersachsen, das sich zum Vorreiter der Interessenvertretung des Mittelstandes selbst erklärt, die niedrigste Investitionsquote aller Bundesländer aufweist.
- Das hat doch mit den Hinterlassenschaften nichts zu tun, Frau Kollegin. Sie können die Investitionsquote sofort steigern, indem Sie die Konsumausgaben senken. So einfach ist das. Sie sind nicht nur der Investitionszwerg, Herr Minister Hirche, unter den 16 Wirtschaftsministern, sondern Sie haben auch gleichzeitig die höchsten Konsumtionsausgaben. Das vernichtet Arbeitsplätze. Sie haben z. B. im Straßenbau den Ansatz von 73 Millionen Euro binnen zwei Jahren auf 32 Millionen Euro abgesenkt. Es sind Dutzende von kleinen Tiefbauunternehmen, die das, was Sie da gemacht haben, mit der Insolvenz bezahlen mussten.
Die Mittel für den Landesstraßenbau so drastisch abzusenken, hätte sich nicht einmal eine grüne Alleinregierung getraut. Wenn Sie immer wieder erzählen, die Bundesregierung ist für die Probleme verantwortlich, aber Sie sind die großen Meister, dann gebe ich Ihnen einen Rat, Herr Hermann: Fassen Sie sich einmal an die eigene Nase!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hirche, natürlich ist es richtig, dass die Rahmenbedingungen in Berlin gesetzt werden. Die Investitionsquote des niedersächsischen Landeshaushaltes wird aber in Hannover gemacht.
Nein, im Augenblick nicht. - Deshalb können Sie so viel argumentieren, wie Sie wollen: Sie sind und bleiben der Investitionszwerg unter den 16 Landeswirtschaftsministern in Deutschland.
Damit sind Sie auch kein Vorbild für die freie Wirtschaft. Die Politiker fordern die Unternehmen auf, mehr zu investieren. Wie soll denn aber ein Unternehmen solch eine Aufforderung von Ihnen ernst nehmen, wenn Sie die niedrigste Investitionsquote unter allen Bundesländern haben? Und nicht nur das, Herr Hirche. Sie haben auch die niedrigste Investitionsquote in der Geschichte des Landes. Nehmen Sie einmal eine Vorbildfunktion ein! Wie hoch eine Investitionsquote ist, hat nichts mit dem Schuldenstand zu tun. Das hat allein damit zu tun, welche Prioritäten ich setze, wie viel von dem Geld im Haushalt, das ich nicht für Zinsen ausgebe, ich für den Konsum bereitstelle, wie viel ich für For
schung und Entwicklung bereitstelle und wie viel ich für Investitionen bereitstelle.
Ich stelle fest: Sie zeigen, dass Ihnen Investitionen nicht wichtig sind. Damit sind Sie kein Vorbild für die Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte über die Behandlung des wichtigsten Investitionsprojektes im Lande Niedersachsen, nämlich des JadeWeserPorts, hat eines gezeigt: Die Landesregierung hat stillschweigend einen Kurswechsel vorgenommen.
Sie hat sich von der großen Lösung verabschiedet; sie verfolgt eine kleine Lösung. Dass Sie, Herr Biestmann, als Abgeordneter aus Wilhelmshaven
das auch noch mittragen, halte ich für unglaublich.
Aber zunächst zum Ausgangspunkt, meine Damen und Herren.
Die maritime Verbundwirtschaft ist einer der Wirtschaftszweige, in denen Niedersachsen nicht nur besonders stark ist, sondern die auch ein überproportionales Wachstumspotenzial haben. Allein die Containerverklappung soll in den nächsten 15 Jahren um 6 % pro Jahr wachsen. Dieses Wachstum können wir für Niedersachsen aber nur dann abschöpfen, wenn wir in Wilhelmshaven das Projekt JadeWeserPort so gestalten, wie es ursprünglich vorgesehen war. Was Sie im Augenblick mit der kleinen Lösung vorhaben, ist die Erschließung des Terminals und die Erschließung des Hafengrodens mit 170 ha. Dann wollen Sie Schluss machen. Mit dieser kleinen Lösung brechen Sie die umfassende Wertschöpfungskette der maritimen Verbundwirtschaft vorzeitig ab.
In der Machbarkeitsstudie des NIW, in der ja mehrere Gutachten zu diesem Thema verarbeitet wurden, war ein Arbeitsplatzpotenzial von 5 000 Arbeitsplätzen vorgesehen. Auf den Hafen allein, auf den Umschlag der Container, entfallen lediglich 1 000 bis 1 100 Arbeitsplätze. Das Hauptpotenzial ist in der Erschließung des Hafenvorlandes zu
finden. Wenn diese nicht zeitgerecht betrieben wird, Herr Biester - Entschuldigung, dass ich Sie vorhin falsch angesprochen habe -, dann werden andere, aber nicht mehr wir, diese Arbeitsplätze an ihren Standorten realisieren.
In Wilhelmshaven ist in einem Grundsatzvertrag und in einem Kooperationsvertrag vereinbart worden, dass die Grundstücke in einer Vermarktungsund Immobiliengesellschaft gemeinsam vermarktet und erschlossen werden. Ich möchte zitieren, was Dr. Erdmann bei den Langeooger Gesprächen auf ein Zitat im Magazin Gegenwind geantwortet hat:
„Zuerst werden die allein Niedersachsen gehörenden Flächen, besonders die 170 ha Hafengroden, bis auf den letzten Quadratmeter vermarktet, bevor Flächen der Städte und Gemeinden vermarktet werden dürfen. Und diese Vermarktung wird vom Land Niedersachsen selbst, ohne die Städte und Gemeinden, gemacht. Da redet uns niemand rein.“
Das sagte der in der Stabsstelle für den JadeWeserPort zuständige Mitarbeiter des Ministers. Das ist nicht der Geist der Kooperation. Das ist nicht der Geist des Vertrages, den Sie mit der Stadt Wilhelmshaven abgeschlossen haben.
Diese Grundstücke sollen gemeinsam vermarktet werden. Aber wenn Sie nicht beizeiten damit beginnen, werden Sie es nicht schaffen. Diese Grundstücke müssen national und international vermarktet werden. Der Hafen wird in 2009 fertig sein. Dann müssen Sie im Prinzip schon die ersten Grundstücke, auch im Hafenvorland, beim Voslapper und Rüstersieler Groden, in die Vermarktung gebracht haben.
Ja, bitte schön!
Das muss aber doch nicht heißen, dass sie falsch zitiert. Das kann durchaus korrekt zitiert sein. Wir werden ja gleich hören, was Herr Hirche zu diesem Thema sagt.
Wir hatten ursprünglich vorgesehen - übrigens mit der Stadt Wilhelmshaven und den benachbarten Landkreisen -, die Flächen gemeinsam zu vermarkten. Jetzt wollen Sie es offenkundig alleine und auf einem engeren Areal machen, als es ursprünglich vorgesehen war. Sie wollen allem Anschein nach nicht die ganze maritime Verbundwirtschaft in das Konzept hineinholen. Arbeitsplätze entstehen dort, wo die Verpackungsindustrie, die ganze Logistik und die Ausrüster angesiedelt werden. Dazu brauchen Sie diese Flächen. Aber das machen Sie im Augenblick nicht. Davon haben Sie sich verabschiedet.
Herr Wirtschaftsminister, wir haben Ihnen mit dem JadeWeserPort einen Ball auf den Elfmeterpunkt gelegt. Sie müssen ihn eigentlich nur noch reinhauen. Aber im Augenblick zögern Sie. Wir haben es schon geahnt: Wir müssen Sie jetzt auch noch von hinten anschieben, weil Sie für den Anlauf nicht mehr genug Kraft haben.
Herr Hirche, ich sage Ihnen: Verderben Sie nicht die gute Aufbruchstimmung in Wilhelmshaven! Stellen Sie sich hinter das Konzept, und kehren Sie zu der großen Lösung zurück!
Herr Minister, ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass Sie selbst die Debatte durch die Äußerung des Ministeriums ausgelöst haben, dass der Voslapper Groden, dass das Hafenvorland erst ab dem Jahr 2020 erschlossen und vermarktet werden soll. Das ist die Absage an eine große Lösung. Wenn Sie sich bereit finden könnten, hier zu erklären, dass mit der Vermarktung dieser Grundstücke auf dem Hafenvorland - die Bauleitplanung der Stadt Wilhelmshaven wird ja nach Abschluss des Flächennutzungsplanverfahrens demnächst beginnen - nicht erst im Jahr 2020, sondern so früh wie möglich begonnen werden soll, dann wären wir wieder auf einer Konsensschiene. Wir werden Sie in diesem Jahr noch an zwei Dingen messen, nämlich erstens daran, dass die Grundstücksvermarktungs- und Immobilienmanagementgesellschaft gegründet wird - die Stadt Wilhelmshaven hat entsprechende Beschlüsse gefasst, und das Land muss das jetzt auch tun; dann kann es losgehen -, und zweitens daran, dass die 152 Millionen Euro, die in der Mittelfristi
gen Planung für 2006 für den JadeWeserPort vorgesehen sind, ohne Abstriche auch im Haushaltsplanentwurf für 2006 erscheinen.
Herr Möllring, Sie haben eben das Grundgesetz zitiert.
Daraufhin kam der Zuruf, der Text sei bekannt. Darauf haben Sie gesagt: Warum fragen Sie mich dann überhaupt, wenn Ihnen alles bekannt ist? Sie wissen genau, dass sich die Frage, die hier im
Parlament gestellt worden ist, auf gänzlich andere Gegenstände bezieht und viel umfassender ist.
Daraufhin habe ich Ihnen gesagt: Nicht so schnodderig, Herr Minister! Dann haben Sie gesagt - -
- Ja, ja.
Dann haben Sie der ehemaligen Justizministerin vorgehalten, Sie würden das Grundgesetz zitieren, und dann - -
Herr Minister Möllring, ist Ihnen bewusst, dass Sie sich als Minister dem Parlament gegenüber völlig unangemessen verhalten?
Herr Minister, es gibt in den Landesministerien ja eine Reihe von Abteilungsleitern, die nicht verbeamtet sind. Meine Frage: Warum haben Sie Herrn Heyne, der mit 56 Jahren erstmals in den Landesbeamtendienst kommt, nicht als Angestellten außertariflich nach BAT analog B 6 eingestellt, so wie jeder andere, der aus der freien Wirtschaft gekommen wäre, eingestellt worden wäre?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hermann und auch Herr Hoppenbrock, ich war eigentlich davon ausgegangen, dass Sie die Aktuelle Stunde auch beantragt haben, um einmal etwas über das hervorragend funktionierende Mauterfassungssystem in Deutschland zu sagen. Aber diese Größe haben Sie offensichtlich nicht.
Sie haben monatelang jede Gelegenheit genutzt, um bei der Einführung einer anspruchsvollen Technologie jede Panne aufzuspießen.
Jetzt haben wir in Deutschland das technisch perfekteste und anspruchsvollste System zur Erfassung von gebührenpflichtigen Mautstrecken - eine Technologie, die exportierbar ist und die Arbeitsplätze in Deutschland sichert -,
aber das ist Ihnen noch nicht einmal einen kleinen Satz wert. Das erstaunt mich schon.
Ich bin gespannt, was Minister Hirche dazu sagt. Schließlich hat er als Schirmherr der TelematikInitivative Niedersachsen gestern Abend in Berlin doch ganz feine Worte für die Technologie der Telematik gefunden und für das, was wir in Niedersachsen daraus noch an Arbeitsplätzen schöpfen können. Bisher hat er jedenfalls wenig dazu gesagt.
Herr Eppers wollte auf dem Höhepunkt der Schwierigkeiten zurück zur Vignette, Herr Dinkla wollte das Infrarotsystem einführen, und auch Herr Hirche hat nicht an die Technik geglaubt.
Meine Damen und Herren, der Technologieminister hat hier im Landtag ausgeführt:
„Man hat sich für dieses komplizierte System ausgesprochen und den beteiligten Unternehmen möglicherweise
viel zu kurze Fristen zugemutet. Man hat gesagt, wir bekommen in der gleichen Zeit ein System, das wir dann europaweit vertreiben können. Meine Damen und Herren, das war ein Trugschluss.“
Herr Hirche, das war kein Trugschluss, sondern wir haben jetzt eine hervorragende Technologie. Diese Technologie wird exportiert, und sie wird nicht nur in Europa, sondern vermutlich weltweit Erfolg haben.
Die Konsequenzen, die sich daraus in Form des Mautausweichverkehrs ergeben, sehen wir. Wir hoffen allerdings, Herr Verkehrsminister, dass Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben. Natürlich kann die Mautpflicht nur auf solche Bundesstraßen erweitert werden, auf denen jetzt zusätzlicher Verkehr stattfindet. Der Vorher-Nachher-Vergleich setzt aber voraus, dass Sie genügend Zählstellen installiert haben. Wir sind gespannt, ob das geschehen ist.
Es war ja absehbar, dass es Mautvermeidungsverkehr geben würde. Wir wollen jetzt natürlich präzise Messungen von Ihnen. Dort, wo zusätzlicher Verkehr entsteht - aber auch nur dort; denn wir wollen natürlich nicht den normalen Binnenverkehr und übrigens auch nicht den PKW-Verkehr mit Maut belasten -, muss die Mautpflicht ebenfalls eingeführt werden. Ich bin sicher, dass das schon im nächsten Jahr möglich sein wird.
Das Mauterfassungssystem ist noch nicht voll ausgefahren. Bisher ist nur die Basisstufe angeschoben worden. Es gibt wunderbare technische Möglichkeiten. So können wir bei der Mautbelastung beispielsweise auch zwischen verkehrsschwachen und verkehrsstarken Zeiten unterscheiden.
All das wird möglich sein und dazu beitragen, den Verkehr in Deutschland besser zu lenken und diese Technik noch weiter zu verfeinern, um sie exportieren und überall in der Welt einsetzen zu können. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr McAllister, ich finde, im Vergleich zu den Äußerungen des neu gewählten CDU-Generalsekretärs Kauder zum Antidiskriminierungsgesetz haben Sie eine vergleichsweise sachliche Rede gehalten. Gleichwohl ist das, was Herr Kauder gesagt hat, für Sie trotzdem ein Problem, denn dieser Mann ist der neue CDU-Generalsekretär, und er hat gesagt: Früher sei es auf die richtige Rasse angekommen. Später in der DDR sei die richtige Klasse propagiert worden. Dann sei es um die richtige Hautfarbe gegangen. Jetzt erleben wir: Es muss einer die korrekte politische Einstellung haben.
Meine Damen und Herren, wer die Rassendiskriminierung der Nazis auf eine Stufe mit dem Bemühen um politische Korrektheit im demokratischen Deutschland stellt, der hat jegliche Trittsicherheit verloren, wenn es darum geht, zwischen Gut und Böse sowie zwischen Richtig und Falsch zu unterscheiden.
Das ist eine so krasse politische Fehleinschätzung, dass ich dazu von Ihnen, Herr McAllister - Sie sind doch mutig und lassen nichts unkorrigiert im Raume stehen -, noch eine Äußerung erwarte. Ich glaube nämlich nicht, dass Sie die Auffassung von Herrn Kauder teilen. Aber sie steht hier im Raum, und Sie haben sich davon bisher noch nicht distanziert.
Wenn Sie jetzt mir vorwerfen wollen, dass ich politische Korrektheit durchsetzen will: Die Probleme, die dann kommen, weil die Junge Union in Mecklenburg-Vorpommern den Herrn aus Hessen einlädt
- Hohmann heißt er; ich hatte den Namen schon vergessen; aber die Junge Union hat ihn wieder auf die Tagesordnung gesetzt -, haben Sie selbst. Die müssen Sie auch selbst lösen.
Nun zum Antidiskriminierungsgesetz. Es wird befürchtet, dass den Arbeitgebern vorgeschrieben wird, wen sie einzustellen haben. Das war ja die Sorge von Herrn Rösler. Herr Rösler, Sie haben gesagt, dass insbesondere wegen der Beweislastumkehr große Bürokratie gefürchtet werden muss. Ich möchte Ihnen dazu etwas aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch vorlesen, und zwar aus dem § 611 a. Darin ist vorgeschrieben, dass Arbeitgeber jegliche Geschlechterdiskriminierung bei Einstellungen, Beförderungen oder Kündigungen zu unterlassen haben. Weiter heißt es:
„Wenn im Streitfall der Arbeitnehmer Tatsachen glaubhaft macht, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass nicht auf das Geschlecht bezo
gene, sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen...“.
Wissen Sie, wer das Gesetz gemacht hat? - Das wurde unter der Regierungsverantwortung von CDU und FDP verabschiedet, als in den 80er-Jahren eine der frühen Antidiskriminierungsrichtlinien in der EU umgesetzt wurde. Stehen Sie denn zu Ihren eigenen politischen Handlungen? - Das ist der Grundgedanke des Antidiskriminierungsgesetzes.
Er wird allerdings - ich gebe Ihnen Recht - weiter ausgeführt. Diese Vorschrift hat nicht verhindert - das ist das Argument, das die Wirksamkeit des Antidiskriminierungsgesetzes relativiert -, dass in Deutschland Frauen für gleichwertige Arbeit im Durchschnitt 30 % weniger Entgelt bekommen als Männer, meine Damen und Herren. Das ist doch eine gigantische gesellschaftliche Diskriminierung. Sie wollen doch eine familienfreundliche Politik. Dazu gehört, dass Frauen für gleiche Arbeit gleiches Geld bekommen, oder nicht?
Herr McAllister, ich teile Ihre Einschätzung, dass Toleranz nicht allein durch Gesetze erreicht werden kann. Aber sagen Sie doch einmal: Was machen Sie mit Ihrer Politik eigentlich dafür, dass wir ein tolerantes weltoffenes Niedersachsen haben? Glauben Sie etwa, dass die Demontage der Stellen der Frauenbeauftragten die Diskriminierung von Frauen reduziert? Glauben Sie etwa, dass die Streichung des Blindengeldes die Diskriminierung von Blinden verhindert?
Wenn Sie wollen, meine Damen und Herren, dass eine Kultur der Toleranz und Antidiskriminierung wie in angelsächsischen Ländern oder wie auch in nordeuropäischen Ländern in Niedersachsen Einzug hält, dann müssen Sie eine entsprechende Politik betreiben. Was die Bundesregierung und die Bundestagsmehrheit angeht, so plädiere ich dafür, dass wir nicht nur bei der Kritik am Antidiskriminierungsgesetz, sondern auch beim Gesetz selbst die Kirche im Dorf lassen. Wir sind für ein
schlankes Gesetz. Wir sind für ein Gesetz, das als Ultima Ratio auch den Betroffenen, den Diskriminierten, Rechte an die Hand gibt, damit es Fernwirkung erzielt, so wie in § 611 a BGB, dessen Verabschiedung FDP und CDU veranlasst haben.
Auf der Basis muss das gemacht werden. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Wirtschaftsminister Hirche im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr seine Strategie und den Einzelplan 08 erläuterte, da nannte er vier Leuchtturmprojekte. Wenn ich mich richtig erinnere, waren das das Innovationszentrum Niedersachsen, die NBank in Hannover, Braunschweig und Oldenburg, der JadeWeserPort in Wilhelmshaven und der Forschungsflughafen in Braunschweig. Diese vier Leuchttürme, meine Damen und Herren, sind sehr unterschiedlich. Aber sie haben eines gemein: Sie stammen alle vier aus der SPD-Regierungszeit.
Insofern, Herr Hirche: Wenn das Ihre Leuchttürme sind, dann können Sie dort höchstens die Rolle des Leuchtturmwärters spielen. Wenn Sie sich als Architekt ausgeben, schmücken Sie sich mit fremden Federn. Das, finde ich, sollte man auch immer deutlich machen.
Ich will einmal schauen, wo dieser Haushalt Herrn Hirches eigene Handschrift trägt. Zunächst ein Blick auf die Investitionen. Arbeitsplätze entstehen durch Investitionen und Innovationen. Ohne Investitionen sind Wachstum und Beschäftigung nicht möglich.
Wenn Sie die Investitionsquote des Haushalts anschauen, meine Damen und Herren, dann stellen Sie fest: Seit es das Land Niedersachsen gibt, seit 1947, hat kein Wirtschaftsminister einem Etat mit einer so niedrigen Investitionsquote seine Zustimmung gegeben.
Sie kürzen beim Hochschulbau, beim Wirtschaftsförderfonds, beim Hafenbau, beim Landesstraßenbau; beim Landesstraßenbau mit 15 Millionen Euro eine Summe, welche die Grünen sich nicht einmal zu beantragen getraut hätten. Sie kürzen aber auch gleich noch die Ingenieurleistungen, sodass keine neuen Straßen geplant werden können, womit Sie gleich eine Rechtfertigung dafür haben, den niedrigen Ansatz für 2006 weiterzuschreiben. Und - das ist schon erwähnt worden - Sie kürzen bei der Städtebauförderung eine Summe, die den kleinen und mittleren Unternehmen des Bau- und Baunebengewerbes insgesamt einen dreistelligen Millionenbetrag an Aufträgen vorenthält.
Meine Damen und Herren, mit 7,2 % haben Sie nicht nur die niedrigste Investitionsquote in der Geschichte des Landes Niedersachsen, Herr Hirche. Wenn man sich einmal die anderen Bundesländer anschaut, dann haben Sie auch die niedrigste Investitionsquote von allen 16 Bundesländern. Nordrhein-Westfalen, das von Ihnen immer politisch verdächtigt wird, hat eine Investitionsquote von 10,6 %. Bayern hat eine von 12,9 %. Selbst das arme Schleswig-Holstein hat eine von 9,3 %. Die neuen Bundesländer haben durch die Bank zweistellige Investitionsquoten.
Herr Hirche, Sie sind doch ein alter Hase. Keiner ihrer 15 Kollegen der Wirtschaftsministerkonferenz war schon, wie Sie, 1986 im Amt. Wir fühlen Sie sich als alter Hase, wenn die 16 Minister ihre Investitionen auf den Tisch legen und Sie zugeben müssen, dass Sie der Investitionszwerg Deutschlands sind?
Herr Kollege Hagenah hat eben das Wort „Scheinriese“ in den Mund genommen. In der Tat, der Scheinriese wird immer kleiner, je näher man kommt. Und das ist bei Ihnen bei der Investitionsquote so.
Wie wollen Sie von der Wirtschaft glaubhaft mehr Investitionsbereitschaft einfordern, wenn Sie selber die Investitionen in Niedersachsen auf ein Rekordminimum schrumpfen lassen? - Das ist ein völlig verfehlter Ansatz.
Was passiert in der Innovations- und Wachstumspolitik des Landes? - Hier gibt es ein doppeltes Vakuum. Erstens haben Sie keine Strategie gegen die ungleichzeitige und unregelmäßige Entwicklung des Landes Niedersachsen. Sie haben keine Strategie, wie die Verarmung und Verödung gan
zer Landstriche in Ost- und Südostniedersachsen abgewendet werden kann.
In früheren Zeiten gab es darauf Antworten. CDUund SPD-Regierungen haben z. B. mit dem Emslandprogramm ein gezieltes Programm gegen die Verarmung einer Region aufgelegt. Hier entwickelt sich Niedersachsen auseinander. Die Lebensverhältnisse entwickeln sich gegensätzlich, und Sie unternehmen praktisch nichts dagegen.
Sie haben auch keine industriepolitische Strategie. Sie haben kein Konzept, wie die beiden Schwachpunkte, die der Niedersachsen-Monitor aufgezeigt hat, nämlich der Mangel an unternehmensnahen Dienstleistungen und das Fehlen ausreichender Direktinvestitionen, also Investitionen ausländischer Firmen, behoben werden können. Beide Defizite können Sie nur überwinden, wenn Sie auf Spitzentechnologie setzen.
Bei der Maut haben Sie immer kräftig polemisiert, als das nicht geklappt hat.
Ihr Kollege Dinkla hat sogar, als das Chaos auf dem Höhepunkt war, die Einführung der Infrarottechnik vorgeschlagen. Die Infrarottechnik, Herr Dinkla, mag gut genug sein, um Ihren verspannten Rücken zu bestrahlen.
Aber das ist keine Technologie, mit der Sie heute weltweit im Exportgeschäft erfolgreich tätig sein können.
Auch da waren Sie opportunistisch ohne Ende. Wenn das mit dem Mautsystem jetzt funktioniert, dann werden Sie ganz neidvoll gucken. Wir wollen mal sehen, wie es läuft.
Sie haben von uns ein engmaschiges Netzwerk bei der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft übernommen. Wir haben Kompetenzzentren geschaffen. Wir haben Institute für Innovationstransfer geschaffen. Sie, Herr Hirche, pflegen dieses Netzwerk nicht genug. Sie machen Spitzentechnologie nicht zu Ihrem persönlichen Thema.
Auf Bundesebene gibt es die Partner für Innovation. Wissenschaft, Wirtschaft und Politik arbeiten zusammen, um Deutschland in dieser Frage vo
ranzubringen. Dieses Projekt läuft an Niedersachsen vorbei.
Gerade ein Land wie Niedersachsen - Sie haben das hier oft genug gehört -, das finanziell vergleichsweise arm ist, muss, wenn es Anschluss an die reicheren Regionen in Süddeutschland und in anderen Teilen Europas gewinnen will, seine knappen Mittel konzentriert für Wissenschaft und Forschung, für Technologie und Entwicklung einsetzen. Genau das machen Sie aber nicht. Ihr Haushalt und auch der gesamte Haushalt lässt diesen Schwerpunkt überhaupt nicht erkennen. Sie kürzen z. B. bei der IPA, die den Auftrag hat, neue Unternehmen in Niedersachsen anzusiedeln. Sie haben aber auch kein Konzept für die Bestandspflege erfolgreicher niedersächsischer Unternehmen.
Ich will das noch einmal am Beispiel Volkswagen erläutern. Als Sie in den Aufsichtsrat dieses Global Players gekommen sind, haben Sie bestimmt gedacht, jetzt seien Sie selbst ein Global Player. Als Erstes haben Sie den Deal mit Abu Dhabi ausgeplaudert. Sie haben zwar nicht den Namen genannt, aber als Sie von einem Großinvestor bei Volkswagen sprachen, wussten die Eingeweihten Bescheid. Das war zu dem Zeitpunkt noch nicht öffentlich. Sie haben ein Zeitungsinterview gegeben. Kein anderes Aufsichtsratsmitglied in deutschen Automobilunternehmen würde die solche Dinge ausplaudern.
Aber Sie haben aus dem Fehler noch nicht einmal gelernt. Sie haben weiter öffentlich Ratschläge zur Markenpolitik und zur Preispolitik gegeben. Wenn mir bei Volkswagen eines auffällt, meine Damen und Herren, dann ist es der schroffe Gegensatz zwischen diesem dilettantischen Auftreten und dem professionellen Verhalten der Arbeitnehmervertreter im Betriebsrat und im Aufsichtsrat.
Einen schweren Fehler haben Sie auch beim Thema Ausbildung gemacht. Herr Hirche, als Vizeministerpräsident und Wirtschaftsminister durften Sie nicht zulassen, dass zwei Wochen, nachdem Sie im Anschluss an den nationalen Pakt für mehr Ausbildungsplätze einen Landespakt mit der ausbildenden Wirtschaft verabredet hatten, das Kabinett eine Kürzung von 2,7 Millionen Euro beschließt. Davon war die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung betroffen, obwohl Leute wie Herr Hermann als betroffener Ausbildungsbetrieb heftig dagegen protestiert haben. Sie bzw. die CDU haben das zwar jetzt korrigiert, das stimmt. Aber Sie
haben drei Monate lang, während der gesamten Vermittlungs- und Nachvermittlungsphase, z. B. das Handwerk in dem Glauben gelassen, es müsse noch mehr Finanzmittel für die Ausbildung aufwenden. In dieser Phase, in der noch zusätzliche Ausbildungsplätze hätten generiert werden können, haben Sie dem Handwerk praktisch vors Schienbein getreten, meine Damen und Herren. Das war eine meisterhafte Psychologie. Wenn Sie mal aus der Politik aussteigen, sollten Sie Motivationstrainer werden.
Im Übrigen, Herr Hirche, behandeln Sie, auch wenn Sie Handwerksmeister in der Fraktion haben, das Handwerk schlecht.
Sie tun so, als ob das ohnehin Ihre angestammten Fußtruppen sind. Wenn Sie mit denen reden, dann werden Sie hören, dass Sie da zu arrogant sind.
Zum Schluss noch einmal zum Thema Bürokratieabbau. Herr Hoppenbrock, Sie sagen, wir haben kein Geld, also bauen wir die Bürokratie ab, denn das kostet ja kein Geld. Allerdings haben Sie erst einmal ein Referat für Bürokratieabbau mit einem Referatsleiter eingerichtet. Damit fangen Sie ja schon einmal an, Kosten entstehen zu lassen. Gleich heißt es dazu sicherlich wieder, diese Leute waren sowieso da. Auf dieses Argument bin ich schon sehr gespannt.
Aber was ist Ihnen bisher gelungen? - Sie haben in den Ministerialblättern alte Vorschriften und Erlasse aufgestöbert,
die man heute schon gar nicht mehr kennt und die auch gar nicht mehr angewendet werden. Die heben Sie dann auf, und dann addieren Sie die Zahl der aufgehobenen Vorschriften und bezeichnen das als großen Bürokratieabbau. Das Einzige, was Ihnen dabei bisher wirklich gelungen ist, der einzige messbare Erfolg ist, dass Sie Sitzgelegenheiten in Stehcafés erlaubt haben. Von dieser Erlaubnis wird jetzt auch massenhaft Gebrauch gemacht. Das ist ein großer Wachstumsimpuls für unsere Wirtschaft.
Herr Hirche, das ist zu dünn. Große Ankündigungen, kleine Taten. Der Rekordtiefstand bei den Investitionen, das Fehlen eines industriepolitischen Konzeptes und die Vernachlässigung der Spitzentechnologie in Niedersachsen lassen befürchten, dass es in der Wirtschaft in Niedersachsen im nächsten Jahr mit diesem Haushalt und diesem Minister leider nicht vorangehen wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selten ist ein Minister so gefeiert worden wie Herr Hirche.
Ich würde vorschlagen, wir verschieben das Feiern bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die A 22 fertig gestellt ist. Die Arbeit muss nämlich erst noch gemacht werden. Für Vorschusslob gibt es überhaupt keinen Grund.
Herr Hirche, wir haben von Ihnen eben mit Interesse gehört, dass Sie jetzt doch wieder auf das Mautsystem setzen. Sie haben gesagt, es gebe Besprechungen mit der Bundesregierung dahin gehend, das Projekt mit Mauteinnahmen zu finanzieren. Es gibt Kollegen von Ihnen, die vor wenigen Monaten noch das Infrarotsystem für leis
tungsfähiger als das System, das jetzt installiert wird und das Anfang des Jahres starten soll, hielten. Das steht natürlich im Widerspruch zu dem, was Sie vor einigen Wochen öffentlich gesagt haben, nämlich dass diese Straße für den Fall, dass wir keine Bundesfinanzierung erreichen können, notfalls auch - mindestens teilweise - privat finanziert werden soll und dass Sie deshalb eine Bundesratsinitiative auf den Weg bringen wollen, die das ermöglicht. Jetzt frage ich Sie: Wo ist diese Bundesratsinitiative, die Sie angekündigt haben? Ist es Ihnen ernst damit, oder war das nur Ankündigungspolitik?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Luftfahrtwirtschaft ist ein wichtiger Zukunftszweig der niedersächsischen Wirtschaft. Sie ist auch ein wichtiger Jobmotor. Insgesamt 50 000 Arbeitsplätze - direkt und indirekt - sind der Luftfahrtwirtschaft zuzuordnen.
Sie alle kennen die Erfolgsgeschichte von Airbus. An den Standorten in Nordenham, Stade und Varel haben allein 6 000 Arbeitnehmer sichere Arbeitsplätze. Airbus hat in diesem Jahr erstmals dem Konkurrenten Boeing die Position als Nummer eins weggenommen, hat mehr Aufträge, mehr Bestellungen in den Auftragsbüchern als Boeing. Das war in der Geschichte dieser beiden Luftfahrtunternehmen vorher noch nie der Fall.
Wir haben den bundesweit, ja europaweit einmaligen Forschungsflughafen in Braunschweig. Dort sind in Unternehmen, Forschungs- und Hochschuleinrichtungen 1 600 Menschen beschäftigt. Wir haben den internationalen Flughafen in HannoverLangenhagen. Wenn man da die direkten Arbeitsplätze am Flughafen und die vom Flughafen abhängigen zusammenzählt, kommt man auf nicht weniger als 5 000 Jobs. - Aber wir haben mit der TUI auch einen führenden Touristikanbieter, den man der Branche durchaus zurechnen muss.
Dies alles sind Dinge, die mit der Infrastruktur der Luftverkehrswirtschaft zu tun haben. Wir haben in vielen Gesprächen im Lande allerdings festgestellt, dass die verschiedenen Flughäfen, auf denen sich dieser Wirtschaftszweig im Wesentlichen abspielt, wenig miteinander kooperieren. Wir haben festgestellt, dass z. B. der Flughafen Münster/Osnabrück eine echte Jobmaschine ist. Er liegt natürlich außerordentlich günstig, hat eine hervorragende Anbindung an die Autobahn. Er ist ein Impulsgeber für die ganze Region.
Aber wir sehen auch einen anderen Trend in Deutschland, nämlich dass überall mit öffentlichen Subventionen Provinzflughäfen entstehen, oft hervorgegangen aus aufgegebenen Militärstandorten, mit denen die Hoffnung verbunden wird, dass sich dort Billigflieger ansiedeln. Während es früher üblich war, dass der Staat die Airlines, die Luftfahrtgesellschaften subventioniert, fließen die Subventionen heute nicht mehr in die Unternehmen, sondern in die Infrastruktur. Ein Beispiel dafür ist Kassel-Calden. Dort, in Nordhessen, wird dieser neue gefährliche Trend realisiert. Das Land Hessen wendet Millionenbeträge auf, um den Flughafen auszubauen. Das geht übrigens zulasten Niedersachsens, weil die Einflugschneise so gewählt worden ist, dass sie in Niedersachsen liegt, während die Einwohner von Kassel und Umgebung weitgehend vom Fluglärm verschont bleiben. Ziel ist es, Frachtflugverkehr und Billigflieger anzulocken.
Meine Damen und Herren, dieser gefährliche Trend darf sich nicht fortsetzen. Ich habe dazu eine Äußerung im Magazin Focus gefunden. Die Experten sagen, dass das Netzwerk von Flughäfen in Deutschland eng genug ist und wir keine neuen Einrichtungen brauchen. Der Chef von Air Berlin, Joachim Hunold, wird wie folgt zitiert: Wir brauchen keine Nonsens-Airports wie Hof-Plauen oder Kassel-Calden. Solche neuen Flughäfen seien überflüssig, weil dort keine Luftfahrtgesellschaft landen wolle. Sollte doch ein Billigflieger angelockt werden können, würde das dazu führen, dass die Passagiere von benachbarten Flughäfen abgezogen werden. Der Staat würde auf den teuren Investitionen in die Infrastruktur sitzen bleiben. - Also, meine Damen und Herren, einen solchen Investitionsund Subventionswettlauf darf es nicht geben.
Damit das für Niedersachsen klar geregelt ist und damit die Wachstumsperspektiven für Niedersachsen abgesichert werden, muss nach unserer Meinung ein Luftfahrtkonzept für das Land erstellt werden. Das ist Aufgabe der Landesregierung.
Wir haben inzwischen festgestellt, dass der in unserem Antrag noch aufgeführte Flughafen in Lemwerder, auf dem ASL die Wartung von Flugzeugen abgewickelt hat, nicht mehr besteht. Die Genehmigung ist zurückgegeben, und dieser Prozess ist irreversibel. Das Ganze ist sehr bedauerlich, weil es sehr viel Geld kostet, einen solchen Flughafen zu schaffen. Nun ist er unwiederbringlich verloren. Insoweit ist unser Antrag leider zu spät gekommen. Es hat offenbar Bemühungen gegeben, diesen Flughafen zu erhalten, aber diese Bemühungen waren nicht von Erfolg gekrönt.
Neben der notwendigen Kritik an Kassel-Calden und dem Versuch, in Gesprächen mit dem Land Hessen den Ausbau dieses Flughafens zu verhindern, geht es jetzt darum, eine gute und sinnvolle Kooperation zwischen dem Flughafen HannoverLangenhagen und dem Forschungsflughafen in Braunschweig zu erreichen. Braunschweig muss als Forschungsflughafen intakt sein und die nötigen Voraussetzungen aufweisen. Für die Forderung nach einer Verlängerung der Startbahn gibt es gute Gründe. Schließlich muss der Airbus in Braunschweig starten und landen können. Um die Nachtflugbedingungen zu testen, Messungen durchzuführen und die technische Sicherheit zu erproben, ist es sinnvoll, die notwendigen Messinstrumente von Anfang an an dem Flugzeug anzubringen, an dem sie nachher auch installiert werden. Der Test an den kleinen Forschungsflugzeu
gen, die derzeit in Braunschweig eingesetzt werden, reicht nicht aus.
Wir treten dafür ein, dass das begonnene Planfeststellungsverfahren vom Land Niedersachsen mit den nötigen finanziellen Mitteln unterstützt wird, um es zum Erfolg zu führen. Die Startbahn muss verlängert und die dort befindliche Straße muss verlegt werden.
Meine Damen und Herren, wir wollen in Braunschweig einen Forschungsflughafen, aber wir wollen keinen Konkurrenzflughafen zu HannoverLangenhagen.
Der Flughafen Hannover-Langenhagen wurde im Zuge der EXPO ausgebaut. Im EXPO-Jahr gab es dort deutlich mehr als 500 000 Passagiere. Nach der EXPO brachen die Passagierzahlen allerdings ein.
- Ja, 5 Millionen.
- Ich werde das gleich noch einmal überprüfen. Jedenfalls nähern sich die Passagierzahlen in diesem Jahr wieder denen, die im EXPO-Jahr erreicht worden sind.
Aber dennoch hat der Flughafen HannoverLangenhagen Überkapazitäten. Wir müssen also schauen, dass die verschiedenen Aktivitäten in der Luftfahrtwirtschaft so aufeinander abgestimmt werden, dass Hannover-Langenhagen seine führende Rolle behält und die dortigen Kapazitäten auch genutzt werden.
- Das geht auch, ohne dafür die Eigenheimzulage einzusetzen, Herr Kollege. Die Mittel hat der Wirtschaftsminister in seinem Programm - das wird er
Ihnen gleich erklären -, und sie lassen sich auch aktivieren.
Wir brauchen im Augenblick keinen Ausbau von Hannover-Langenhagen, wir brauchen Aktivitäten gegen den Ausbau von Kassel-Calden, und wir brauchen die Startbahnverlängerung für den Forschungsflughafen Braunschweig. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Hirche, was Sie vorgetragen haben, war mir zu träumerisch.
Sie wiegen sich in großer Sicherheit und glauben, es laufe alles von selbst. Sie sagen: Wir brauchen kein Landeskonzept, wir haben den Masterplan auf Bundes- und Europaebene. Nun muss ich Ihnen entgegen halten: Es gibt natürlich sehr große Interessengegensätze innerhalb Deutschlands: Wir müssen die niedersächsischen Interessen einbringen. Frankfurt hat natürlich das Interesse, dass möglichst viele Passagiere von Hannover nach Frankfurt fahren und möglichst viele der langen Flüge aus Frankfurt starten.
Der Flughafen Hannover-Langenhagen hat eine Strategie gefunden und Osteuropa für sich er
schlossen. Sehr viele Hauptstädte in Osteuropa werden von Hannover aus angeflogen. Unser Ziel muss aber sein, auch die Überseeverbindungen in Langenhagen zu halten, sodass man von Hannover aus direkt nach Asien und nach Nord- und Südamerika fliegen kann. Der Masterplan ist sehr stark auf Frankfurt ausgerichtet. Wenn Sie meinen, der Masterplan reiche aus und ein niedersächsisches Konzept sei nicht erforderlich, dann verpassen Sie damit Chancen.
Das Interesse der Lufthansa besteht darin, in Hannover nur so viel wie nötig zu machen. Die Lufthansa will, dass möglichst alle Passagiere nach Frankfurt kommen und die meisten Langstreckenflüge, die gute Erlöse bringen, aus Frankfurt oder auch aus München starten.
- Weil ich sehen wollte, welche Strategie Herr Hirche hier vorträgt. Offenkundig hat er keine.