Protocol of the Session on October 29, 2004

(CDU) Vizepräsident Ulrich B i e l (SPD) Vizepräsidentin Ulrike K u h l o (FDP) Vizepräsidentin Silva S e e l e r (SPD) Vizepräsidentin Astrid V o c k e r t (CDU) Schriftführer Lothar K o c h (CDU) Schriftführerin Georgia L a n g h a n s (GRÜNE) Schriftführer Wolfgang O n t i j d (CDU) Schriftführerin Christina P h i l i p p s (CDU) Schriftführer Friedrich P ö r t n e r (CDU) Schriftführerin Isolde S a a l m a n n (SPD) Schriftführerin Bernadette S c h u s t e r - B a r k a u (SPD) Schriftführerin Brigitte S o m f l e t h (SPD) Schriftführerin Irmgard V o g e l s a n g (CDU)

Auf der Regierungsbank:

Ministerpräsident Christian W u l f f (CDU)

Minister für Inneres und Sport Uwe S c h ü n e m a n n (CDU) Staatssekretär Wolfgang M e y e r d i n g , Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport

Finanzminister Staatssekretär Dr. Lothar Hagebölling , Hartmut M ö l l r i n g (CDU) Niedersächsisches Finanzministerium

Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit Dr. Ursula von der L e y e n (CDU)

Staatssekretär Gerd H o o f e , Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit

Kultusminister Staatssekretär Hartmut S a a g e r , Bernd B u s e m a n n (CDU) Niedersächsisches Kultusministerium

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Staatssekretär Joachim W e r r e n , Walter H i r c h e (FDP) Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Hans-Heinrich E h l e n (CDU)

Staatssekretär Gert L i n d e m a n n Niedersächsisches Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Justizministerin Elisabeth H e i s t e r - N e u m a n n

Minister für Wissenschaft und Kultur Lutz S t r a t m a n n (CDU)

Umweltminister Staatssekretär Dr. Christian E b e r l , Hans-Heinrich S a n d e r (FDP) Niedersächsisches Umweltministerium

Beginn: 9.02 Uhr.

Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde.

(Unruhe)

- Ich bitte, die Unterhaltungen einzustellen. - Das ist Tagesordnungspunkt 32. Danach folgt die Fortsetzung von Punkt 2 - die Beratung der strittigen Eingaben. Anschließend erledigen wir die Tagesordnungspunkte in der vorgesehenen Reihenfolge der Tagesordnung. Die Beratung der Tagesordnungspunkte 39 und 42 entfällt, da die antragstellenden Fraktionen ihre Anträge auf Durchführung einer ersten Beratung im Plenum zurückgezogen haben. Die Beratungsgegenstände werden lediglich zum Zwecke der Ausschussüberweisung aufgerufen. Die heutige Sitzung wird somit etwa gegen 15 Uhr beendet sein.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst wird einmal mehr erinnert.

Es folgen nun geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Guten Morgen! Entschuldigt haben sich für den heutigen Tag von der Fraktion der CDU Frau Zachow sowie von der Fraktion der SPD Herr Gabriel ab 12 Uhr, Herr Wolfkühler und Frau Heiligenstadt.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 32: Mündliche Anfragen - Drs. 15/1380

Es ist jetzt 9.04 Uhr. Die erste Frage stellt der Kollege Thiele. Bitte sehr!

Frage 1: Leistungen des Landwirtschaftlichen Naturvereins im Rheiderland

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Guten Morgen! Ich möchte den heutigen Plenartag mit einer Frage zur Leistung des Landwirtschaftlichen Naturvereins im Rheiderland eröffnen.

Im Rheiderland im Landkreis Leer haben 34 Landwirte den Landwirtschaftlichen Naturverein „Rheiderländer Marsch“ gegründet, der sich besonders im Vogelschutz engagiert. Dieser Verein hat es sich zum Ziel gesetzt, zur Lösung des Nutzungskonfliktes zwischen Landwirtschaft und Naturschutz in der Ackermarsch durch eigene Konzepte beizutragen.

Die Landwirte übernehmen Schutzmaßnahmen aus Überzeugung in eigener Regie, ohne dass staatliche Stellen durch Auflagen oder Verordnungen entsprechende Vorschriften erlassen hätten. Sie haben beispielsweise Schutzgebiete auf ihren Ackerrandstreifen errichtet. Gemeinsam mit Ornithologen durchstreifen sie ihre Felder und deren Randstreifen, bestimmen die verschiedenen Vogelarten und nehmen Kartierungen vor. Wenn sie dabei auf Nistplätze treffen, werden Schutzmaßnahmen ergriffen und wird der Brutplatz großflächig eingezäunt. Auf diese Weise werden Störungen der Vögel verhindert, die durch Erntearbeiten oder natürliche Feinde wie den Fuchs entstehen können.

Durch das Engagement der Landwirte ist bereits die Ansiedlung seltener Vögel gelungen. Auch vom Aussterben bedrohte Arten wie Wiesenweihe, Rohrweihe und Kornweihe zählen hierzu. Sie wurden von eiweißhaltigen Zwischensaaten angelockt, sodass ihre Zuwanderung eine Folge der üblichen geordneten Landbewirtschaftung ist. Moderne Landwirtschaft und seltene Vogelarten schließen sich danach nicht gegenseitig aus. Auch hat sich das Verhältnis zwischen Landwirten und den Naturschutzverbänden im Rheiderland bereits deutlich verbessert. Beide Seiten wissen von ihrer gegenseitigen Abhängigkeit: Artenschutz ohne die Landwirtschaft wäre ziemlich schwierig, und eine Landwirtschaft, die den Artenschutz nicht ernst nimmt, verliert auf Dauer ihre gesellschaftliche Akzeptanz.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie beurteilt sie den Einsatz der Landwirte im Rheiderland für den Vogel- und Naturschutz?

2. Hat das Land Niedersachsen in der Vergangenheit bereits landwirtschaftliches Engagement unterstützt, um Vogelschutz auf Ackerflächen und Landwirtschaft in Einklang zu bringen?

3. Was unternimmt die Landesregierung, um das Engagement von Landwirten, Grundstückseigentümern und interessierten Bürgern im Naturschutz landesweit zu ermutigen?

Vielen Dank. - Ich vermute, dass der Herr Landwirtschaftsminister antworten wird.

(Ulf Thiele [CDU]: Das glaube ich nicht!)

Es antwortet der Herr Umweltminister. Auch das ist uns recht. Bitte sehr!

(Ulrich Biel [SPD]: Er hat sich gestern warmgelaufen! Der redet heute gleich weiter!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Naturschutz bedeutet in Niedersachsen vor allem Bewahrung der in Jahrhunderten gewachsenen Kulturlandschaft mit ihren landschaftstypischen und ihren wild lebenden Tier- und Pflanzenarten. Deshalb kann erfolgreicher Naturschutz nur gemeinsam mit den Eigentümern und den Bewirtschaftern von Grund und Boden verwirklicht werden.

Moderner Naturschutz muss deshalb alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Eigeninitiative und das freiwillige Handeln von Landwirten und Forstwirten im Sinne des Naturschutzes zu fördern. Moderner Naturschutz heißt auch, obrigkeitsstaatliches Handeln und die Gängelei der Bürger durch den Staat zurückzudrängen. Deshalb hat es die Landesregierung außerordentlich begrüßt, dass ostfriesische Landwirte aus dem Rheiderland aus eigener Initiative Vorschläge zur Verbesserung der Naturschutzarbeit in ihrer Region entwickelt haben. Diese Landwirte haben nicht auf Vorschläge der Verwaltung gewartet. Sie haben als Betroffene selbst

gehandelt. Dafür gebührt ihnen eine hohe Anerkennung.

Die Rheiderländer Landwirte haben nach Vorbildern in den Niederlanden naturschutzfachlich neue Wege beschritten und ein neues Konzept zum Schutz hoch bedrohter Tierarten, die auf Ackerflächen leben, entwickelt. Sie sind dabei insbesondere auch vonseiten der Landesjägerschaft unterstützt worden. Nach sorgfältiger fachlicher Prüfung des Vorschlages hat das Niedersächsische Umweltministerium 2003 entschieden, das Pilotvorhaben „Rheiderländer Marsch“ des Landwirtschaftlichen Naturvereins mit Artenschutzmitteln zu fördern.

Dies vorausgeschickt, beantwortet die Landesregierung die Fragen des Herrn Abgeordneten Thiele wie folgt:

Zu 1: Das Pilotvorhaben „Landwirtschaftlicher Naturschutz“ des Landwirtschaftlichen Naturvereins Rheiderländer Marsch e. V. ist außerordentlich erfolgreich verlaufen. 27 Landwirte, die durch den Vorstand des Vereins vertreten werden, haben auf hochwertigen Getreideböden insgesamt 50 km vernetzte Tierartenschutzstreifen mit einer Gesamtfläche von 55 Hektar angelegt. Diese Schutzstreifen verbessern die Lebensqualität für seltene Tiere auf einer Gesamtfläche von 4 500 Hektar.

Die Schutzstreifen bleiben von der landwirtschaftlichen Nutzung frei und werden von den Landwirten mit einer speziellen Saatmischung eingesät, die Kleintieren und der biologischen Vielfalt zugute kommt. Die Schutzstreifen werden während der Jungenaufzucht im Frühling und im Sommer von seltenen Vogelarten und Säugetierarten besiedelt. Während und nach der Getreideernte dienen diese Streifen wilden Tieren als Zuflucht und Deckung.

Das Pilotvorhaben wird wissenschaftlich begleitet. Die wissenschaftliche Bewertung ist noch nicht abgeschlossen. Bereits jetzt ist aber schon dokumentiert, dass man sehr gute Erfolge erzielt hat. Man kann davon ausgehen, dass sich die Erfolge im zweiten und dritten Jahr noch verstärken werden.

Alle drei mitteleuropäischen hoch bedrohten bodenbrütenden Greifvogelarten, wie die Kornweihe, die Wiesenweihe und die Rohrweihe, haben im Gebiet gebrütet. Die seltene, am Boden brütende Sumpfohreule ist nach zehn Jahren Abwesenheit in die Region zurückgekehrt. Selbst das Rebhuhn, das nach Auskunft der Landwirte seit Jahren nicht

mehr in der Ackermarsch gesichtet werden konnte, war in diesem Jahr in Folge der Anlegung der Schutzstreifen in der Lage, Jungtiere aufzuziehen. Die Schutzstreifen haben auch vielen Kleinvogelarten und sogar Säugetieren wie Feldhase und Reh als Aufzucht-, Nahrungs- und Rückzugsgebiete gedient.

Besonders hervorzuheben ist der hohe Effektivitätsgrad des Vorhabens. Durch das Anlegen der vernetzten Schutzstreifen ist die Lebensqualität für eine große Zahl von Wildtieren auf einer Gesamtfläche von 4 500 Hektar verbessert worden. In Relation dazu ist die Fördersumme von insgesamt 50 000 Euro außerordentlich gering.

Ein anderer wichtiger Aspekt dieses Pilotvorhabens ist die erzielte Einsparung von Verwaltungsaufwand. Das Konzept ist nicht von der Verwaltung, sondern von den Landwirten in Eigenregie, in Eigenverantwortung entwickelt worden. Es musste lediglich von der Verwaltung rechtlich und administrativ geprüft werden.

Ein neuer innovativer Ansatz besteht auch darin, dass die Verwaltung nur noch einen Vertrag mit dem Vorstand des Vereins abschließen musste, der im Namen aller dem Verein beigetretenen Landwirte für die Einhaltung der vertraglich mit dem Land eingegangenen Verpflichtungen verantwortlich zeichnet. Nach den bisher üblichen Vertragsnaturschutzkonzepten müssen dagegen mit allen Landwirten Einzelverträge abgeschlossen werden. Das neue Konzept macht somit einen erheblichen Abbau von Bürokratie möglich.

Durch den absehbaren weiteren Erfolg des Projektes in der Zukunft bestätigt sich in eindrucksvoller Weise das Konzept der Landesregierung, den Grundeigentümern bei der Umsetzung von Naturschutzprogrammen eine größere Eigenverantwortung zu übertragen.