Norbert Nieszery
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Last Statements
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht gestatten Sie mir zunächst ein Wort an die Oppositionsfraktionen.
Ich bitte ausdrücklich um Entschuldigung, wenn wir Sie nicht mit auf die Anmeldeliste gesetzt haben.
Es war auch aus meiner Sicht nicht wichtig,
weil es mir wichtig war, dass wir gemeinsam über ein wirklich erfolgreiches und tolles Projekt hier in diesem Landtag diskutieren können. Ich entschuldige mich für diesen Fehler und beim nächsten Mal machen wir es anders, okay?
Ihre Rede, Herr Köster, unterstreicht eigentlich in erschreckender Weise, wie notwendig dieses Landesprogramm ist, über das wir heute reden.
Und vor allen Dingen unterstreicht es, dass es Erfolge zeigt, die Ihnen offensichtlich sehr wehtun.
Worum, meine Damen und Herren, geht es in diesem Abschlussbericht
über das Landesprogramm „Demokratie und Toleranz gemeinsam stärken!“ im Grunde?
Es geht, meine Damen und Herren, um unsere Demokratie, die bedroht ist,
nicht nur durch den Rechtsextremismus, sondern auch, und das muss man selbstkritisch eingestehen,
durch einen Demokratieverdruss viel zu vieler Bürgerinnen und Bürger in diesem Land,
wie zum Beispiel die immer geringer werdende Wahlbeteiligung in unserem Land auch zeigt. Das muss man eingestehen. Ich denke oft, es handelt sich dabei um die mangelnde Wertschätzung des Selbstverständlichen.
Aber, meine Damen und Herren, man kann es gar nicht oft genug sagen, Demokratie ist die Grundlage von Freiheit und die Demokratie ist gleichbedeutend mit dem Rechtsstaat. Demokratie ist mit anderen Worten das komplette Gegenteil einer Diktatur, in der ein einzelner oder eine kleine Gruppe alles bestimmt und in der die Individuen entrechtet und ihrer persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten beraubt werden.
Seit mehr als 20 Jahren leben die Deutschen aus Ost und West in einem freiheitlichen Rechtsstaat und einer vorbildlichen Demokratie.
Diese Demokratie, in der wir uns manchmal vielleicht ein wenig zu gemütlich eingerichtet haben, ist aber leider keine Selbstverständlichkeit. Sie wirkt anstrengend, manchmal erschreckend langsam und langweilig und oft sehr kompliziert, weil sie auf Konsens und Kompromisse aufbaut. Nur so aber können Freiheit, Recht, Selbstbestimmung und Individualität gedeihen.
Unsere Demokratie wird bedroht durch extremistische Parteien und Kräfte, die unsere Verfassung und die Demokratie insgesamt ablehnen. Diese Kräfte wollen die Grundfesten unserer freiheitlichen Gesellschaft untergraben und träumen vom gewaltsamen Umsturz und von einem völkischen Führerstaat.
Diesen Demokratiefeinden tritt das Landesprogramm, treten wir alle gemeinsam aktiv entgegen.
Der Abschlussbericht beschreibt in eindrucksvoller Weise das landesweite Engagement von Staat und Gesellschaft gegen rechtsextremistische Strukturen und er enthält eine wissenschaftliche Evaluation der vier Regionalzentren für demokratische Kultur.
Die Menschen wieder für Demokratie zu begeistern, das ist ein weiteres, wenn nicht das wichtigste Anliegen des Landesprogramms. Auch wenn es nicht immer die einfachen Lösungen sind, die der demokratische Rechtsstaat bereithält, lohnt es sich doch, täglich um ihn zu kämpfen, weil das, was die Gegner des Rechtsstaats wollen, nur Rechtlosigkeit und Unfreiheit und am Ende Ausgrenzung, Terror und Tod bedeutet. Der Abschlussbericht beschreibt, was in der Vergangenheit getan worden ist in der politischen Bildung, in der Vermittlung demokratischer Grundwerte, in der nachhaltigen Stärkung demokratischer Teilhabe von Menschen.
Meine Damen und Herren, ich möchte die heutige Aussprache, wie meine Kollegen vor mir auch, nutzen, um mich im Namen meiner Fraktion sehr herzlich bei der Landesregierung für die Begleitung und Umsetzung des Landesprogramms zu bedanken. Vor allem aber gilt mein Dank den unzähligen engagierten Bürgerinnen und Bürgern in Mecklenburg-Vorpommern sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Regionalzentren für ihre wertvolle Arbeit sowie das mutige Einstehen für die Demokratie.
Meine Damen und Herren, das Eintreten für Demokratie kann natürlich nicht mit dem Abschlussbericht eines Landesprogramms beendet sein. Die Wirksamkeit unserer Arbeit für ein Erstarken des Demokratiebewusstseins steht und fällt mit ihrer Dauerhaftigkeit und ihrer Kontinuität. Daher möchte ich meine Freude über die vielen laufenden Initiativen, Projekte und Maßnahmen mit einem Appell an uns alle verbinden: Wir dürfen auch in Zukunft nicht nachlassen, für unsere Demokratie einzutreten, und zwar jeden einzelnen Tag!
Denn auch mit einem Scheitern der NPD bei der nächsten Landtagswahl ist das Problem des latenten Rechtsextremismus in unserem Land noch lange nicht erledigt.
Lassen Sie uns in dieser Frage weiterhin eng zusammenstehen und die Menschen für die Demokratie begeistern! Lassen Sie uns weiterhin dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen entschlossenes Handeln für Demokratie und Toleranz zulassen und befördern!
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam die Ergebnisse des Abschlussberichtes der wissenschaftlichen Evaluation als Ansporn dafür nehmen, wirkungsvolle Maßnahmen fortzusetzen und dort, wo es erforderlich ist, dazuzulernen und besser zu werden. Dies zeichnet eine offene, pluralistische und demokratische Gesellschaft sowie ihre Politik aus und nimmt den antidemokratischen Strukturen den Wind aus den Segeln. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem etwas wirren Beitrag von Frau Linke möchte ich insbesondere für unsere Zuhörer da hinten
ein wenig Übersicht schaffen über das Thema, das wir heute behandeln.
Meine Damen und Herren, es ist mir wichtig, noch einmal die Schwerpunkte des anstehenden Gesetzgebungsvorhabens hier darzustellen.
Ja, Sie können sich wieder beruhigen, Sie können sich wieder beruhigen.
Zunächst zum Heilberufsgesetz, meine Damen und Herren. Während des Verfahrens ist das ein heftiger Streitpunkt gewesen, und zwar die ärztliche Weiterbildung. Nach der jetzigen Rechtslage entscheidet die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern darüber, wer Weiterbildungseinrichtung ist, und die Ärztekammer bestimmt die Personen, die die Weiterbildung durchführen dürfen.
Wer jedoch, meine Damen und Herren, könnte besser zur Weiterbildung berechtigt sein als die Universitätskliniken?
Diese Universitätskliniken im Land bilden die Studierenden und Studenten aus. Das heißt, ihre ureigenste Eigenschaft ist die Ausbildung. Der Ärztekammerpräsident aber sieht das anders.
Er will weiterhin über die Weiterbildungsermächtigung für die Universitätskliniken und die Professorinnen und Professoren entscheiden. Dieses Verfahren, meine Damen und Herren, haben wir nun zugunsten der Universitätskliniken vereinfacht und damit verbessert.
Frau Dr. Linke, wir haben uns schon im Ausschuss da rüber ausgetauscht, wie die Berufungsverfahren an den Universitätskliniken ablaufen. Somit kann man selbstverständlich davon ausgehen, dass berufene Professorinnen und Professoren geeignet sind, junge Ärzte nicht nur aus-, sondern auch weiterzubilden.
Nach einem aufwendigen Berufungsverfahren werden an unsere Universitäten internationale Spitzenmediziner berufen.
Wir haben überhaupt keinerlei Veranlassung, an dem Verantwortungsbewusstsein dieser Mediziner zu zweifeln, wenn sie in die Weiterbildung einsteigen. Eine andere Entscheidung würde die Attraktivität unserer medizinischen Lehrstühle hier im Land massiv abwerten, denn wir wären das einzige Land, das nicht die Universitäten per Gesetz als Weiterbildungseinrichtungen hätte.
Sie reden immer davon, wir sollten etwas gegen den Ärztemangel tun, Frau Linke. Hier tun wir etwas dagegen, indem wir den bisherigen Wettbewerbsnachteil unserer Universitäten aufheben. Ärzte werden überall in Deutschland gesucht. Also gehen sie dahin, wo sie die besten Rahmenbedingungen erhalten.
Wo werden sie wohl hingehen, wenn wir ihnen in Mecklenburg-Vorpommern die Weiterbildungsermächtigung vorenthalten?
Auch der Kritik des Ärztekammerpräsidenten, dass die Rotation, das heißt die breit gefächerte Ausbildung der jungen Ärzte innerhalb einer Disziplin an den Universitäten nicht gesichert sei, kann ich nicht folgen.
Es ist eine geradezu abstruse Unterstellung des Ärztekammerpräsidenten, dass die Universitätsklinika nicht nur in unserem Land, sondern in ganz Deutschland nur noch „Schmalspurfachärzte“ ausbilden. Das kann ich wirklich nicht glauben,
dass ein Ärztekammerpräsident so etwas von unseren Landesinstituten behauptet.
Schauen Sie bitte ins Wortprotokoll des Ausschusses, Frau Müller, dann werden Sie genau diese Sachen sehen!
Ich hoffe nur, dass sich die über 20 Jahre an den Universitäten ausgebildeten Ärzte
gegen diese infame Unterstellung zur Wehr setzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben deutlich in das Gesetz geschrieben, dass die Hochschulen die Vorgaben der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer, insbesondere aber die Rotation in den einzelnen Weiterbildungsabschnitten umzusetzen haben. Damit wird sichergestellt, dass die Vorgaben der Ärztekammer in den Universitäten umgesetzt werden und die Qualität der ärztlichen Ausbildung einheitlich gewährleistet wird.
Nun zum Krebsregister: Wir haben die Kritik unseres Datenschutzbeauftragten auch angenommen. Die Pseudo nymisierung der Patientendaten soll nicht, wie vorgesehen, im Zentralen Klinischen Krebsregister vorgenommen werden, sondern an einer davon getrennten Stelle. Deshalb haben wir die Einrichtung einer Treuhandstelle ins Gesetz eingeführt. Diese soll die Aufgabe haben, die Daten für die Zwecke des Krebsregistergesetzes aufzuarbeiten und zu pseudonymisieren. Damit sind wir dem Anliegen eines erforderlichen und angemessenen Schutzes der Patientendaten nachgekommen.
Meine Damen und Herren, in der Anhörung wurde dargelegt, dass der Gesetzentwurf sowohl im Hinblick auf die Empfehlung des Nationalen Krebsplanes, als auch des Prognos-Gutachtens als außerordentlich positiv zu bewerten ist. Unser Land erlangt mit diesem Krebsregistergesetz somit bundesweites Renommee. Dafür meinen Dank an die Ministerin und deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Wir setzen bundesweit hohe Qualitätsstandards für die Verbesserung der Behandlung von Krebspatienten. Dem sollten auch Sie, Frau Dr. Linke, zum Wohle der Betroffenen zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte eigentlich zu dem Inhalt des Gesetzes nichts mehr weiter ausführen. Es ist mir aber ein Bedürfnis, etwas richtigzustellen, insbesondere auch deshalb, weil wir Zuhörer im Saal haben.
Hier ist sowohl von der ehemaligen Sozialministerin behauptet worden, unsere Krankenhauslandschaft sei in Gefahr, es würde zu Krankenhausschließungen kommen. Von Herrn Köster habe ich keine andere Behauptung erwartet.
Ich möchte die Gelegenheit hier nutzen und Ihnen allen mitteilen, dass unsere Krankenhauslandschaft ungefährdet ist.
Jedes dieser Krankenhäuser, die im Land am Netz sind, bleibt auch am Netz,
denn wir haben im Gegensatz zu manch anderem Flächenland in Deutschland unsere Krankenhausstrukturen auf Vordermann gebracht.
Sie können alle davon ausgehen,
dass Sie auch weiterhin die bestmögliche Versorgung in unseren Krankenhäusern erhalten können,
unabhängig davon, was die ehemalige Sozialministerin in ihrem Schwanengesang hier im Landtag gesagt hat.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!
Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin.
Ich habe die Kritik von meinem Kollegen Mantei an der Ministerin schon vernommen. Ich frage mich natürlich, woher er das nimmt, die Ministerin in dieser Art und Weise zu kritisieren,
weil Sie haben zwar, und das kann man ja auch begrüßen,
mit Herrn Glawe mit großen Trompeten hier verkündet, wir machen mal ein Stipendienprogramm,
ein Facharzt entsteht in etwa in acht bis neun Jahren – acht bis neun Jahre! – und in acht bis neun Jahren frühestens können wir die Initiative von Herrn Glawe messen, messen, ob sie Erfolg hat oder nicht. Bislang ist das aus meiner Sicht erst mal Aktionismus im Vorfeld der Landtagswahl dieses Jahres, meine Damen und Herren.
Im Masterplan haben wir damals ausgeführt, das darf ich hier mal sagen, dass wir eine Professorenstelle für Allgemeinmedizin einrichten werden an der Universität Rostock mithilfe der KV. Das haben wir auch getan.
Und neulich...
Ja, Herr Pastörs, hören Sie mal zu!
Neulich war ich in einem kleinen Krankenhaus, in einem kleinen Krankenhaus in Bützow. Dieses kleine Krankenhaus ist darauf spezialisiert und das wird auch sehr gerne angenommen von jungen Ärzten, die sich in der Facharztausbildung für Allgemeinmedizin insbesondere an solchen Krankenhäusern gut aufgehoben fühlen und dort ausgebildet werden. Und dieser junge Arzt, da war die Ministerin sogar dabei,
hat uns erklärt, dass er nichts lieber möchte, als eines Tages nach seiner Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner sich in die Niederlassung zu begeben und dort die Menschen zu versorgen, eben auf dem flachen Land in den Dörfern. Dort wird er hingehen und sich eines Tages niederlassen. Und ich habe nicht diese große Angst, ich habe nicht diese große Angst, dass wir in eine Riesenversorgungslücke hineinschlittern, die Sie hier so gerne ausmalen.
Nach Ihrem Bild sind in ein paar Jahren die Leute unterversorgt, sie sterben auf offener Straße. Das wird nicht passieren, Herr Pastörs.
Das wird nicht passieren. Sie verunsichern die Menschen in unerträglicher Weise und Sie beschädigen den Ruf derjenigen, die in diesem Job hart arbeiten und gute Arbeit verrichten für die Menschen in unserem Land.
Wissen Sie, meine Damen und Herren, ich sage Ihnen das jetzt auch mal,
ich sage Ihnen das jetzt mal ganz deutlich:
Wir klagen auch heute noch immer auf einem unglaublich hohen Niveau. Ich bin jedes Jahr, jedes Jahr seit 20 Jahren,
seit 20 Jahren fahre ich jedes Jahr nach Frankreich, nach Zentralfrankreich. Das ist in der Nähe einer kleinen Stadt, die ist so groß wie Bützow, mitten im Land gelegen, extrem dünn besiedelt. Wissen Sie, wie lange die Menschen dort fahren müssen, wenn Sie einen Unfall haben, zum nächsten Krankenhaus? 100 Kilometer. 100 Kilometer! Und jetzt gucken Sie sich mal unsere Versorgungsstruktur an, wie die aussieht. Die ist dagegen hervorragend.
Wenn Sie, wenn Sie in Frankreich zu einem Arzt gehen wollen, in die Niederlassung,
zu einem ambulanten Arzt, wissen Sie, was Sie als Erstes machen müssen? Geld auf den Tisch legen.
All das gibt es hier nicht. Sie sind hier wunderbar versorgt. Na also, dann hören Sie doch endlich auf! Hören Sie doch auf!
Meine Damen und Herren, ich finde, man kann anfangen, das zu tun, wie es Herr Glawe und die CDU gemacht haben. Sollen sie es versuchen, mit ihren Landräten gemeinsam solche Stipendienprogramme aufzunehmen, sollen sie es machen.
Aber das heißt ja nicht, dass die Landesregierung nichts tut. Wir tun sehr wohl was und wir setzen diesen Masterplan um und er wird ständig fortgeschrieben,
und zwar mit den Beteiligten im Gesundheitssystem.
Der Masterplan ist gut gewesen, er wird auch gut bleiben und wir werden ihn jederzeit weiter ergänzen
mit allen Beteiligten im Gesundheitssystem.
Meine Damen und Herren, vielen Dank, haben Sie keine Angst vor einer Unterversorgung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können es kurz machen. Die Ausführungen waren sehr deutlich. Fest steht, der Psychiatrieplan kommt.
Und vielleicht gestatten Sie mir eine Anmerkung zu den gesundheitspolitischen Anträgen der LINKEN: Ich bin es eigentlich leid, dieses ewige Gejammer, immer zu hören, oh, da muss was kommen
und ihr habt zu viel Zeit verschwendet und so weiter.
Frau Linke, Ihre gesundheitspolitischen Anträge
haben aus meiner Sicht oftmals etwas sehr Masochistisches.
Vergeblich versuchen Sie, Ihrer Nachfolgerin im Amt Versäumnisse anzuhängen. Am Ende der Debatte jedoch steht fast immer der Beleg der eigenen Unfähigkeit als Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern. Das, meine Damen und Herren, hat schon etwas Tragisches.
Wir lehnen natürlich den Antrag ab.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Frau Linke,
was Sie hier eben erzählt haben, spottet eigentlich jeder Beschreibung und ist einer ehemaligen Sozialministerin absolut unwürdig. Das darf ich hier mal so feststellen. Gesetze wie dieses Krankenhausgesetz werden nicht im Wolkenkuckucksheim gemacht, sondern sie werden auch im Vorfeld und in einer Anhörung mit den Beteiligten des Gesundheitswesens abgestimmt. Und die von Ihnen hier eben vorgebrachten Kritikpunkte wurden von niemandem, aber auch von niemandem geteilt, Frau Linke. Das, was Sie hier vorgetragen haben, sind Phantomschmerzen einer ehemaligen Ministerin, nichts weiter.
Ja, finde ich auch. Danke schön.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
die Einbringung des vorliegenden Gesetzentwurfes gibt uns die Möglichkeit, über etwas zu sprechen, das wir alle gemeinsam – mit Ausnahme natürlich der NPD – in den letzten Jahren ganz hervorragend hinbekommen haben. Ich meine damit unsere Krankenhauslandschaft mit ihren qualitativ hochwertigen Behandlungsmöglichkeiten
und die flächendeckende stationäre Versorgung für unsere Bürgerinnen und Bürger. Man darf mit Fug und Recht sagen, dass wir alle im Falle eines Falles in unseren Krankenhäusern sehr, sehr gut aufgehoben sind.
Deshalb stelle ich meiner Rede einen ausdrücklichen Dank an alle im Gesundheitswesen tätigen Menschen voran. Vielen Dank für Ihre gute Arbeit!
Unsere Krankenhauslandschaft, meine Damen und Herren, kann sich im bundesweiten Vergleich nicht nur sehen lassen,
sie ist geradezu vorbildlich, Frau Müller.
Wir haben insbesondere in diesem Bereich unsere Hausaufgaben schon lange gemacht.
Das waren schmerzhafte Aufgaben, Frau Müller, die andere Bundesländer erst noch vor sich haben.
Aber, meine Damen und Herren, wir müssen gewappnet sein für die Herausforderungen,
die der demografische Wandel und die damit verbundene höhere Krankheitsanfälligkeit einer alternden Gesellschaft mit sich bringen werden. In keinem Land steigt der Altersdurchschnitt so schnell wie in Mecklenburg-Vorpommern.
Das geht einher mit der Zunahme multimorbider und chronisch kranker Menschen.
Verbunden mit einer immer geringer werdenden Zahl niedergelassener Ärzte werden künftig Patienten häufiger in Kliniken eingewiesen, Frau Müller. Auch das können Sie wissen.
Dem müssen wir Rechnung tragen. Das vorliegende Krankenhausgesetz ist deshalb eines der wichtigsten Gesetze im Gesundheitsbereich überhaupt. Krankenhäuser sind hier im Lande die Leuchttürme der medizinischen Versorgung.
Und deshalb hängt von der Gestaltung der Krankenhauslandschaft auch die medizinische Versorgung unseres Flächenlandes insgesamt ab. Mit diesem Gesetz versuchen wir, die Rahmenbedingungen für unsere Krankenhäuser so gut wie möglich zu machen.
Und was macht der Herr Bundesminister Rösler?
Durch seine Entscheidung, meine Damen und Herren, gegen einen bundeseinheitlichen Landesbasisfallwert verlieren unsere Krankenhäuser Millionen Euro.
Schon jetzt haben unsere Krankenhäuser erhebliche Probleme, da sie bei der geringsten Vergütung bundesweit mit den gleichen kostenmäßigen Belastungen zurechtkommen müssen wie alle anderen, die aber pro Fall wesentlich mehr Geld kassieren. In M-V fehlen den Krankenhäusern 32 Millionen Euro jährlich bis zu einem bundeseinheitlichen Preis für dieselben Leistungen.
Meine Damen und Herren, es kann doch nicht sein, dass eine Blinddarmoperation anderswo fast doppelt so viel kostet wie in Mecklenburg-Vorpommern. Das ist nicht hinnehmbar.
Und ab 2014 erhalten unsere Krankenhäuser jährlich – und ich betone: jährlich – 16 Millionen Euro weniger per Gesetz.
Alles zusammen bedeutet das einen dauerhaften Wettbewerbsnachteil unserer Krankenhäuser gegenüber den Krankenhäusern in Berlin, Hamburg und anderswo. 20 Jahre nach der Wende, meine Damen und Herren, ist das ein skandalöser Vorgang.
Gerade in Mecklenburg-Vorpommern übernehmen die Krankenhäuser aber zunehmend
die kostenintensive medizinische Versorgung in der Fläche. Viele Krankenhäuser im Land warnen nun davor, dass Röslers Politik für sie betriebswirtschaftlich fatale Folgen haben wird. Die Auswirkungen werden wieder einmal die Mitarbeiter der Häuser und die Bevölkerung tragen müssen. Das empfinden wir als massive Ungerechtigkeit.
Aber von einem FDP-Minister konnte man nichts anderes erwarten.
Sie, meine Dame und Herren von der FDP, die leider nicht anwesend sind – ach doch, Herr Grabow –,
Sie, meine Dame und Herren von der FDP,
tragen die Verantwortung für die drohende finanzielle Schieflage der Krankenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern. Das werden sich auch die Patienten in unserem Land sicher ganz genau merken.
Zudem behindert Rösler die Zusammenarbeit zwischen dem stationären und dem ambulanten Bereich,
weil er auf eine Verstärkung der Sektorengrenzen setzt. Insbesondere wird es den kommunalen Krankenhäusern erschwert, ein medizinisches Versorgungszentrum zu betreiben. Rösler alleine weiß, warum.
Diese Verhinderungspolitik, meine Damen und Herren, ist mit Blick auf die gravierenden Probleme, die vor uns liegen, völlig inakzeptabel, unverantwortlich und geradezu dilettantisch, denn es ist allgemein akzeptiert, dass
die Zukunft der medizinischen Versorgung den sektorenübergreifenden, vernetzten Strukturen gehören wird. Nur diese werden künftig eine angemessene und ausreichende gesundheitliche Versorgung im ländlichen Raum garantieren können.
Wir Sozialdemokraten aber, meine Damen und Herren, werden alles dafür tun, unsere Krankenhauslandschaft zukunftssicher zu machen, Herr Köster, trotz des heftigen Gegenwindes aus Berlin. Ich danke deshalb Frau Ministerin Schwesig für die Vorlage dieses ausgesprochen guten Gesetzes, das in einem breiten Konsens
mit allen Beteiligten des Gesundheitswesens erarbeitet wurde, Frau Müller.
Mit diesem Krankenhausgesetz werden wir gut gerüstet sein, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, auch wenn Herr Rösler uns immer wieder Knüppel zwischen die Beine wirft.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte abschließend um Überweisung des Gesetzentwurfes in den Sozial- und den Finanzausschuss und wünsche konstruktive Beratungen dort. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir behandeln heute einen Antrag der FDP, der ganz perfide Unterstellungen enthält, die wir als Sozialdemokraten auf keinen Fall so stehen lassen können.
Vereinfacht gesagt steht in diesem Antrag etwa Folgendes:
Wer die politische Legitimation des Kriegseinsatzes der Bundeswehr kritisch hinterfragt, steht nicht zur Bundeswehr. Und wer nicht zur Bundeswehr steht, der trägt die Hauptschuld daran, wenn in unserem Land Standorte geschlossen werden.
Das zu behaupten, meine Damen und Herren von der FDP, ist gelinde gesagt eine Riesensauerei!
Aber arbeiten wir mal Punkt für Punkt ab.
Punkt 1:
Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass die SPD ganz eindeutig zur Bundeswehr steht. Die Bundeswehr ist elementarer Bestandteil unseres demokratischen Rechtsstaates. Niemals haben wir etwas anderes gesagt.
Ganz im Gegenteil, die SPD hat konstruktiv an Aufbau und Weiterentwicklung der Bundeswehr als Parlamentsarmee gearbeitet.
Und auch heute steht für uns Sozialdemokraten außer Frage, dass die in den Krisengebieten, insbesondere in Afghanistan, eingesetzten Soldaten ihre Aufgabe pflichtgemäß, engagiert und rechtmäßig erfüllen.
Ich sage hier an dieser Stelle ausdrücklich,
was ich auch in anderen Zusammenhängen schon öfter gesagt habe: Den Bundeswehrsoldaten,
insbesondere denen im Einsatz, gehört unser voller Respekt!
In dieser Einstellung, meine Damen und Herren, unterscheiden wir uns fundamental von denen, die erst vor Kurzem eine öffentliche Veranstaltung der Bundeswehr unter anderem mit Zwischenrufen wie „Haut ab!“ nicht unerheblich gestört haben. Ich habe keinerlei Verständnis für eine derartige Ablehnung unserer Soldaten. Man kann ja Vorbehalte haben gegen den einen oder anderen politischen Auftrag, man sollte sie aber nicht an denen auslassen, deren Pflicht es nun einmal ist, diesen Auftrag auszuführen.
Man sollte sich immer vor Augen halten, dass diese Männer und Frauen, die heute in Afghanistan ihr Leben riskieren, morgen schon Sandsäcke schleppen und Menschen aus Katastrophengebieten evakuieren, Katastrophengebieten, die auch vor unserer Haustür liegen können.
Wirklich entsetzt aber, meine Damen und Herren, war ich, dass am Ende der eben genannten Veranstaltung – auch unter dem Banner einer demokratischen Partei – die Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland gnadenlos ausgepfiffen wurde.
Ich kann mir nicht vorstellen, Herr Holter,
dass Sie und die Mehrheit Ihrer Fraktion eine solche Respektlosigkeit gegenüber einer staatlichen Institution und staatlichen Symbolen gutheißen.
Ich hoffe, dass Sie hier und heute noch die Gelegenheit ergreifen, um sich unmissverständlich zu distanzieren.
Punkt 2:
Unsere Kritik, insbesondere am Afghanistaneinsatz, richtet sich also ausdrücklich nicht gegen die Bundeswehr, sondern gegen die politische Entscheidung, eine politische Entscheidung, die einen Auftrag formuliert, der
sich immer mehr von der Realität vor Ort entfernt, einen Auftrag, der immer weniger dazu geeignet scheint, das ohnehin verschwommene strategische Ziel der internationalen Gemeinschaft zu erreichen.
Um es noch einmal ganz deutlich zu machen:
Entsandt haben wir unsere Soldaten mit dem Auftrag, den zivilen Wiederaufbau in Afghanistan zu sichern und die Demokratisierung des Landes voranzubringen.
Afghanistan, meine Damen und Herren, ist heute aber von demokratischen Verhältnissen ähnlich weit entfernt wie zu Beginn der Initiativen.
In den meisten Regionen des Landes regieren Warlords oder Drogenbosse.
Afghanistan hat seit 2001 seine Opiumproduktion mindestens verzehnfacht.
Es produziert heute genauso viel Rauschgift wie die Kokainländer Kolumbien, Peru und Bolivien zusammen.
Die meisten humanitären Helfer im Land leben in Todesangst, einerseits vor den wieder erstarkten Taliban und andererseits vor Minen und Entführungen.
Von der zunehmend verunsicherten Bevölkerung und insbesondere den Taliban werden sie als Handlanger des fremden Militärs angesehen und dementsprechend auch behandelt.
Zahlreiche Hilfsprojekte wurden zwar finanziert, aber nicht realisiert. Ein guter Teil der Hilfsgelder versickert in einem hochgradig korrupten System. Nach Aussagen eines deutschen Generals – ich darf das wiederholen: eines deutschen Generals –
laufen rund 60 Prozent der von Deutschen und der EU ausgebildeten afghanischen Soldaten und Polizisten zum Gegner über, und zwar allein aus dem Grund, weil er zehnmal mehr Sold zahlt.
Hinzu kommt, dass die Autorität der afghanischen Zentralregierung kaum über Kabul hinausreicht. Sie ist extrem schwach und bietet so gut wie keine Perspektiven für eine eigenständige Fortführung des Wiederaufbau- und Demokratisierungsprozesses. Das, meine Damen und Herren, sind die Realitäten vor Ort.
Deshalb trauen sich die Soldaten nur noch in schwer gepanzerten Wagen vor ihr Lager. Jeden Tag müssen die Einsatzkräfte damit rechnen,
in einen Hinterhalt zu geraten, auf Minen zu fahren oder Opfer von Sprengfallen und Selbstmordattentätern zu werden.
Offiziell, meine Damen und Herren, werden die Kampfeinsätze der Bundeswehr als Notwehrsituation eingestuft. Das mag ja in juristischem Sinne auch richtig sein. Jedoch ist Notwehr normalerweise ein Ausnahmefall. In Afghanistan aber sind Notwehrsituationen zur Alltäglichkeit geworden. Sie bedrohen die Soldatinnen und Soldaten jeden Tag auf Schritt und Tritt. Fragen Sie doch einmal diejenigen, die da waren, wie sie diesen Einsatz beschreiben! Fragen Sie die Verwundeten oder Traumatisierten! Sie werden Ihnen sagen, dass sie sich wie im Krieg fühlen.
Und wir Sozialdemokraten sagen: Ja, ihr fühlt euch nicht nur so, ihr kämpft in einem Krieg.
Wenn sich also unsere Soldaten in einem Krieg befinden, stellt sich doch die Frage, ob es überhaupt noch ein realistisches strategisches Ziel dieses Kriegseinsatzes gibt und, wenn ja,
ob es mit den angewendeten Mitteln überhaupt erreichbar ist und dauerhaft erhalten werden kann.
Diese Fragen stellen sich auch eine Vielzahl von Soldaten, meine Damen und Herren, der unterschiedlichsten Dienstgrade. Sie haben ebenso wie wir erhebliche Zweifel daran, dass sich der politische Auftrag und die Realität in Übereinstimmung bringen lassen.
Seien Sie gewiss, mit dieser Kritik fallen wir Sozialdemokraten den Soldaten nicht in den Rücken! Das, meine Damen und Herren, werden Sie von mir und der SPD niemals erleben. Aber wir stellen Fragen nach der Legitimation und der Sinnhaftigkeit des Unterfangens. Das sind die Fragen und Probleme, die uns Sozialdemokraten bewegen
und auf die wir ebenso wie die Soldaten eine Antwort verlangen. Darüber wollen wir politisch diskutieren, auch und gerade zum Schutz und im Interesse unserer Soldaten. Eine Diskussion über die Frage von Krieg und Frieden gehört zu den ureigensten Aufgaben von Politik, hoffentlich auch bei Ihnen, meine Damen und Herren von den Liberalen!
Punkt 3:
Die parlamentarische und gesellschaftliche Diskussion über die Mission der Bundeswehr ist ausgesprochen wichtig und hat natürlich auch etwas mit der Strukturde
batte zur Reform der Bundeswehr zu tun, aber nicht so, wie Sie, meine Damen und Herren von der FDP, es hier versuchen darzustellen. Die kritische Haltung der SPD in Mecklenburg-Vorpommern zu den Einsätzen in Afghanistan hat nichts, aber auch gar nichts mit den künftigen Entscheidungen zu Standorten der Bundeswehr zu tun.
Hier eine Verbindung herzustellen, ist in hohem Maße unredlich und wirft ein bezeichnendes Licht auf Ihren Charakter.
Richtig ist, dass die Bundeswehr ihren Auftrag neu definieren will, nachdem der Kalte Krieg vorbei ist und die unmittelbare Landesverteidigung immer weiter in den Hintergrund tritt.
Deshalb hat die Bundesregierung Folgendes entschieden, unter anderem:
1. die Wehrpflicht faktisch abzuschaffen, was ich persönlich für grundlegend falsch halte,
2. die Führungsstrukturen wesentlich zu verschlanken und
3. die Bundeswehr zu einer verkleinerten Interventionsarmee aus Berufssoldaten umzustrukturieren.
Wer das mitbeschlossen hat – wie Sie, meine Damen und Herren von der FDP –, kann sich doch hier nicht hinstellen, mit dem Finger auf andere Leute zeigen und sagen: Ihr seid schuld. Das gibt’s doch gar nicht!
Für diese Entscheidung, meine Damen und Herren, tragen Sie ganz alleine auch die Verantwortung.
Und Sie sollten auch dazu stehen. Alles andere ist feige.
Diesen eben genannten Strukturveränderungen liegen offenkundig umfangreiche Neubeschreibungen der Aufgaben unserer Bundeswehr zugrunde.
Hierzu hat der Bundesverteidigungsminister erst vor Kurzem klar Stellung bezogen, indem er die militärische Sicherung der wirtschaftlichen Interessen – der wirtschaftlichen Interessen! – Deutschlands als wesentliche Aufgabe von Bundeswehreinsätzen definiert hat.
Wir Sozialdemokraten, meine Damen und Herren, sagen an dieser Stelle klar und deutlich: Niemals, niemals darf militärisches Denken zum Fundament unserer Zukunftssicherung werden!
Abgesehen von diesem hochbrisanten Thema, das noch oft und kontrovers zu diskutieren sein wird, müssen wir jedenfalls davon ausgehen, dass es im Zuge der Reform zu einem erheblichen Personalabbau bei der Bundeswehr kommen wird. Dieser wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht spurlos an Mecklenburg-Vorpommern vorübergehen, allein schon deshalb nicht, weil wir im Vergleich zu anderen Bundesländern eine sehr hohe Dienstpostendichte im Land haben. Sie könnte unter den geplanten Zentralisierungen leiden.
Deshalb unterstützen wir die Verhandlungen zwischen Innenminister Lorenz Caffier und dem Bundesverteidigungsminister mit aller Kraft und hoffen, dass unser Land nicht allzu sehr unter möglichen Standortschließungen leiden wird. Eine Aufforderung der FDP, hier die Landesinteressen zu vertreten, die ihre eigenen Kollegen in Berlin offensichtlich mit Füßen treten, ist mehr als überflüssig, eigentlich gar skurril.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit einem klaren und eindeutigen Bekenntnis zu unserer Bundeswehr werden wir daher Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bald 65 Jahre sind seit dem Kriegsende vergangen. „Tag der Befreiung“ wird er genannt, der 8. Mai 1945.
Das geschundene Europa wurde befreit vom Joch der nationalsozialistischen Diktatur. Kein anderes Volk der jüngeren Geschichte Europas hat seinen Nachbarn so viel Unrecht und entsetzliches Leid gebracht. Nie hat ein Volk durch eigenes Verschulden öfter und tiefer in den Trümmern seiner eigenen Geschichte gestanden als das deutsche. Für viele Millionen Menschen in Europa war angesichts der verheerenden Zerstörungen, des unbeschreiblichen Leids und des millionenfachen Mordes eines klar: Krieg darf es nie wieder geben!
Es stand die Frage im Raum: Wie konnte es nur so weit kommen?
Wie machten die Nazis das deutsche Volk kriegstauglich?
Gleich zu Beginn des Dritten Reiches wurde die Gruppe vollwertiger Menschen allein auf die Angehörigen der Volksgemeinschaft beschränkt.
Dies geschah durch soziale Ausgrenzung.
Bestimmte Gruppen wurden als Feinde der Volksgemeinschaft definiert, ins KZ gesteckt, gefoltert und schließlich ermordet. Die aufkeimende Moderne wurde fast schlagartig transformiert in einen höhlenbärmäßigen Nationalismus. Kaum jemand in Deutschland begehrte dagegen auf, im Gegenteil. Nur wenige Monate nach der Machtergreifung galt es zum Beispiel als normal, politische Gegner zu denunzieren, Juden auf offener Straße zu prügeln und ihre Geschäfte zu boykottieren. Innerhalb kurzer Zeit hatten viele Deutsche die Umwertungsprozesse verinnerlicht.
Lassen Sie mich an dieser Stelle ein prominentes Beispiel dieser Ausgrenzung aus der Volksgemeinschaft kurz beschreiben. Es verdeutlicht, wie schnell und wie intensiv der Umbau der Werte selbst unter Intellektuellen erfolgte.
Anfang 1933 erlaubte sich Thomas Mann,
einen kritischen Essay mit dem Titel zu schreiben: „Leiden und Größe Richard Wagners“. Mit diesem Essay ist er auch auf Vortragstouren ins Ausland gegangen. Dieser Essay gehört noch heute zu den herausragenden Bewertungen Richard Wagners, aber er löste beinahe hysterische Prozesse aus. Sie gipfelten in einer Schmähschrift mit dem Titel „Protest der Richard-Wagner-Stadt München“. Sie wurde initiiert von dem Dirigenten Hans Knappertsbusch, dem Komponisten Hans Pfitzner und – man höre und staune – Richard Strauss. Letztendlich führten diese Verleumdungen im Namen der sogenannten nationalen Erhebung dazu, dass der Literaturnobelpreisträger von 1929 nicht mehr in seine Heimat zurückkehren durfte.
Gegen Thomas Mann erging bereits im Sommer 1933 ein Schutzhaftbefehl, 1936 erfolgte seine offizielle Ausbürgerung.
In dieser Atmosphäre, meine Damen und Herren, verschärften die Nazis ihre Maßnahmen. Das Volk akzeptierte die so entstandenen Werteverschiebungen nahezu widerspruchslos.
Die Gewaltausübung gegen Andersdenkende, Andersgläubige gehörte zum akzeptierten gesellschaftlichen Verhalten, nicht vornehmlich aus Angst vor Naziterror, sondern weil sie für Angehörige der Volksgemeinschaft normal, sogar wünschenswert war. Die gesellschaftliche Brutalisierung bildete den Nährboden für einen unbarmherzigen Krieg gegen andere Völker. Krieg wurde zu einer Sache der Ehre und unabdingbar für die Erhaltung der Volksgemeinschaft. Und heute, 65 Jahre nach Kriegsende und der längsten Friedenszeit,
die Deutschland je erlebt hat, habe ich den Eindruck, dass die humanistischen und aufklärerischen Werte in unserem Koordinatensystem wieder in Bewegung geraten sind. Sie verschieben sich, Zug um Zug. Es gibt offensichtlich wieder einen Feind, der diesmal die ganze westliche Welt bedroht, unseren Wohlstand, unsere Energieversorgung, ja, sogar unsere westliche Kultur.