Hannelore Eckhardt

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Last Statements

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch,das war wirklich eine schöne Rede.Kinderrechte sind Menschenrechte, und Menschenrechte sind im Grundgesetz dieser Republik und in den Länderverfassungen als Basis aller rechtlichen Normen verankert. Unter diesem Gesichtspunkt könnte man die Gesetzesinitiative der FDP-Fraktion als überflüssig bewerten.
Der Verfassungsrang für Kinderrechte ist aber nicht überflüssig. Das zeigen viele Initiativen, die es auf Länderebene, auf Bundesebene und auf internationaler Ebene gegeben hat und weiter geben wird. Eine inhaltliche Übereinstimmung in dieser Frage gibt es auch in diesem Hause.
Es ist allerdings die Vorgehensweise, die Wahl des Zeitpunkts, durch die eine wichtige Sache auch scheitern kann. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass eine Volksabstimmung zur Verfassungsänderung eine größtmögliche Aufmerksamkeit für das Thema mobilisiert, dass durch Informationen im Vorfeld des 27.01.2008 die Kinderrechte zu einem zentralen politischen Thema landauf, landab gemacht werden können und dass die Notwendigkeit, am Wahltag einen weiteren Wahlzettel auszufüllen, den Wählerinnen und Wählern die Möglichkeit gibt, sich sehr intensiv und aktiv dafür auszusprechen, die Kinderrechte in die Verfassung aufzunehmen, und damit auch die humanitäre Dimension und die Zukunftsrelevanz von Kindesentwicklung und Kindesschutz dadurch deutlicher gemacht werden.
Beispielhaft für die Vorgehensweise kann Art. 3 des Grundgesetzes sein. In diesem Fall hat der Gesetzgeber durch den Verfassungsrang der Rechte von Menschen mit Behinderung mehr Druck auf die Umsetzung in der Realität ausüben wollen. Initiativen, so auch bei Kinderrechten zu verfahren, gibt es derzeit mehrere, beispielsweise die Initiative von Kerstin Griese, Vorsitzende des Familienausschusses im Deutschen Bundestag. Sie hat gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Kinderkommission den Vorstoß unternommen und einen Gesetzentwurf erarbeitet. Dieser Entwurf ist noch vor der Sommerpause in die Fraktionen gegangen. Er wird dort beraten und soll noch in dieser Legislaturperiode in den Bundesrat eingebracht werden.
Ich könnte natürlich auch erwähnen, dass die SPD dieses Thema in ihrem Bremer Entwurf sehr zentral behandelt hat und der Hamburger Parteitag einen Beschluss herbeiführen wird, um Kinderrechte in der Verfassung zu verankern.
Die Zielrichtung des Gesetzentwurfs der FDP-Fraktion findet also volle Übereinstimmung. Was mich allerdings wirklich ärgert – ich denke, da bin ich nicht alleine; das dürfte fraktionsübergreifend der Fall sein –, ist die Tatsache, dass Sie sich erstens wieder einmal nicht an eine Verabredung gehalten haben und dass Sie zweitens ein solches Thema wahlkampfmäßig instrumentalisieren.
Die Enquetekommission hat die grundsätzliche Empfehlung an dieses Parlament gegeben, eine umfangreiche Reform der Hessischen Verfassung nur – –
Frau Beer, für uns sind Arbeitnehmerrechte und Bürgerrechte auch Menschenrechte. Diese geben wir nicht auf dem Jahrmarkt der Beliebigkeiten preis. Das wissen Sie ganz genau.
Nein, tut mir leid.
Leider hat sich die Fraktion der Freien Demokraten schon sehr früh von dem Vorhaben verabschiedet, gemeinsam die Verfassung zu ändern. Bereits vor zwei Jahren wurde der Versuch unternommen, mit einem Paket von 17 Einzelgesetzen die Änderung der Hessischen Verfassung herbeizuführen. Damals standen Sie allein da. Herr Kollege Wintermeyer, an dieser Stelle darf ich Sie zitieren: Die Verfassung ist die Basis unser aller rechtlichen und gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit. Deshalb eignet sich die Verfassung nicht, wenn man politische Alleingänge unternehmen will.
Meine Damen und Herren,die Hessische Verfassung können Sie nicht zu einem bunten Taxi machen. Dieser politische Alleingang bekommt einen besonderen Beigeschmack durch den Zeitpunkt im Vorfeld der Landtagswahl: Seht her, wir von der FDP sind die wahren Kinderfreunde.Den anderen Parteien müssen wir in Sachen Kinderschutz und Kinderrechte so richtig auf die Sprünge helfen. – Das ist die wirkliche Intention Ihres Gesetzentwurfs.
Herr Dr. Jürgens hat in diesem Zusammenhang einmal sinngemäß gesagt,dass sich die Verfassung nicht für Wahlkampfzwecke eigne. Dies sei ein Missbrauch der Hessischen Verfassung.
Es ist auch zutiefst unkollegial gegenüber all denen im Haus, die sich nicht minder engagiert für Kinderrechte eingesetzt haben und es weiter tun werden.
Ich bin immer davon ausgegangen, dass die Mitglieder dieses Hauses genau dieses Thema gleichwertig hoch schätzen, bewerten und bearbeiten wollen. Es gibt in diesem Haus auch keine unterschiedlichen Positionen in der Sache.
Es besteht doch Konsens zu den Kinderrechten in der Verfassung. Das wollten wir doch. Das ist in der Enquetekommission von allen Fraktionen gewollt gewesen, und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Meine Damen und Herren von der FDP, Sie zwingen uns mit dieser Gesetzesinitiative eine Debatte auf, in der es letztendlich nicht um Inhalte, sondern wahrscheinlich nur um das Wie geht.
Da kann Ihr Profilierungsbedürfnis letztlich der Sache schaden. Das habe ich vorhin schon einmal gesagt. Ich kann alle Kolleginnen und Kollegen quer durch die Fraktionen sehr gut verstehen, wenn sie sagen: Die haben sich wieder einmal nicht an die Vereinbarung gehalten, dann lassen wir sie eben auflaufen.
Für mich hat in der Tat der Inhalt, das Ziel einen größeren Stellenwert, nicht zuletzt auch wegen der vielen Vertreter von Verbänden, die immer wieder und immer wieder die Kinderrechte in der Verfassung thematisieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb lassen Sie uns das parlamentarische Foul der FDP diesmal beiseite schieben,
und gehen wir in die inhaltliche Diskussion. Dabei fällt zuallererst auf, dass der Gesetzentwurf der Freien Demokraten eine weitgehende inhaltliche Übereinstimmung mit dem Gesetzentwurf auf der Bundesebene aufzeigt. Es ist durchaus beachtenswert, dass eine Partei, die in Berlin in der Opposition steht, einen Gesetzentwurf der Regierungspartei zum Teil übernimmt und zur Grundlage der Gesetzesinitiative auf der Landesebene macht. Okay, ich will das jetzt nicht weiter kommentieren. Es ist aber immerhin festzustellen, dass Sie in der Enquetekommission genau zu diesem Thema keine einzige Silbe geäußert haben.
Es bleiben da zumindest einige Fragen offen. In der Enquetekommission ist die Übereinstimmung zwischen den Fraktionen des Hessischen Landtags klar zum Ausdruck gekommen. Wir wollen auf diesem Konsens aufbauen. Deshalb haben wir die Formulierung aus der Kommission zur Grundlage eines Änderungsantrages gemacht, den wir heute vorlegen und der eigentlich von Ihnen allen inhaltlich mitgetragen werden kann.
Mit der Aufnahme der Kinderrechte in die Verfassung bekommt meines Erachtens das Verhältnis des Staates zum kleinen Kind und zur Gruppe der kleinen Menschen in ihrer Gesamtheit eine neue Qualität. Mit dem Kinderrecht in der Verfassung wird das Recht des Staates daran geregelt. Der Staat kann dann nicht mehr nur bei Gefahr im Verzug eingreifen, sondern er hat aktiv die Rahmenbedingungen für die erklärten Rechte der Kinder zu schaffen. Er hat Sorge für kindergerechte Lebensbedingungen zu tragen, weist der staatlichen Gemeinschaft Aufgaben zu, aktive Maßnahmen zu realisieren, Bedingungen zu schaffen und sie auch zu finanzieren.
Wir alle wissen, dass die Maßnahmenbündel beispielsweise zur Prävention von Gewalt gegen Kinder, vorsorgende Familienhilfe, Beratungsstellen und ausreichende Betreuungsplätze öffentliche Mittel notwendig machen. Wir wollen deutlich machen, dass wir uns durch den Verfassungsrang stärker in die Pflicht nehmen lassen wollen. Warum haben Sie genau den Punkt vom Bundesgesetz nicht mit abgeschrieben?
Den haben Sie weggelassen. Wir halten es für dringend notwendig,dass das,was unter dem Eindruck der teilweise unvorstellbaren Gewalt – das hat Herr Rentsch richtig angesprochen – gegen Kinder gerade in den letzten Monaten wieder sehr deutlich geworden ist, das Recht auf gewaltfreie Erziehung,in der Verfassung verbrieft sein muss.
Wenn Pädagogen und Psychologen eine grundsätzlich höhere Gewaltbereitschaft feststellen, wenn zu beobachten ist, dass die Hemmschwelle geringer und die Toleranz gegenüber Gewalt größer wird, dann kann aus der Ohrfeige von früher oder dem Rohrstock von damals heute viel, viel mehr werden. Die elterliche Erziehungsmaßnahme kann eskalieren, wenn Gewalt als Erziehungsmittel nicht völlig ausgeschlossen wird.
Ich will die gesellschaftlich akzeptierte Züchtigung von Kindern in der Vergangenheit keineswegs relativieren. Aber wir müssen ganz deutlich machen, dass Aussagen wie: „Eine Ohrfeige hat noch keinem geschadet“, oder: „Ich habe auch jeden Tag Senge gekriegt,und trotzdem ist etwas aus mir geworden“, kein Gedankengut mehr sein dürfen. Es ist sozusagen das Einfallstor für Gewalt gegen Kinder und mehr.Deshalb gehe ich noch ein Stück weiter. Das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit ist höher anzusiedeln als mögliches Elternrecht auf die Wahl von Erziehungsmethoden. Auch das wird durch die Aufnahme des Rechts auf gewaltfreie Erziehung in der Verfassung manifestiert.
Meine Damen und Herren, ich bin sicher, dass die überwiegende Mehrheit des Landtags darin übereinstimmt, dass Kinderrechte in die Verfassung aufgenommen werden sollen. Diese Forderung von vielen Menschen im Lande, gerade von denen, die sich aktiv und engagiert und meist ehrenamtlich jahrzehntelang für Kinder einsetzen, auch für das Verfassungsrecht, darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Ich glaube auch – das ist eigentlich der schlimmere Teil –, dass Sie das ein Stückchen mit provoziert haben. Und ich glaube, dass wir all diesen Menschen nicht erklären können, dass wir die inhaltliche Ausrichtung aufgrund einer verfehlten Vorgehensweise der FDP nicht mittragen können. Deshalb lade ich Sie alle ein, lassen Sie uns in die inhaltliche Entscheidung für Kindeswohl und Kindesschutz eintreten. Lassen Sie uns eine entsprechende Anhörung durchführen.
Allerdings frage ich zum Schluss – das interessiert mich –: Haben Sie den zeitlichen Ablauf tatsächlich mit berücksichtigt?
Das wird verdammt knapp. Ich glaube, da kriegen Sie wirklich ein echtes Problem. Das können Sie uns nicht mehr in die Schuhe schieben.
Ich frage die Landesregierung:
Was hat sie bisher unternommen, um den Berufsschulstandort Kassel für den Beruf als Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienste über das Ausbildungsjahr 2006 bis 2007 hinaus zu erhalten?
Frau Ministerin, gab es denn Gespräche mit den anderen ortsansässigen Logistikunternehmen in der Region Kassel, weitere Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen und damit auch den Erhalt einer Berufschulklasse verstärkt zu sichern?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, Ihren Antrag für eine aktuelle Stunde zum Thema Kleinkinderbetreuung mit den Termini „...spielchen“ und „Seifenblasen“ zu überschreiben deutet auf eine gewisse verbale oder philosophische Kreativität hin. Sie wissen aber auch ganz genau, wie die Mehrheitsverhältnisse in diesem Land, die Kräfteverhältnisse in der Großen Koalition und – das hätte ich ganz zuerst nennen sollen – die völlig divergierenden Positionen in der CDU/CSU zu dem Thema „Ausbau von Betreuungsangeboten“, insbesondere für Kinder unter drei Jahren, zu bewerten sind. Da sind noch ganz dicke Bretter zu bohren.
Ich fürchte, die Widersprüche in der Union zu genau diesem Thema werden auch trotz der Machtworte der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten nicht ganz so schnell aus der Welt geschaffen sein. So gesehen ist es natürlich richtig, dass wir immer wieder den Finger in die Wunde legen. Für uns, die Mitglieder der SPD, gilt es, in der Großen Koalition den lahmen Gaul CDU/CSU immer wieder auf Trab zu bringen.
Wir werden dabei immer von der Hoffnung getragen,dass der stete Tropfen die versteinerten Vorstellungen dieses konservativen Frauen- und Familienbilds doch irgendwann einmal höhlen wird.
Inzwischen sind wir wieder bei der Vorstellung der bösen Rabenmütter und dem Ideal der Hausfrauenehe angelangt.
Wir haben in der SPD eine glasklare und eindeutige Zielbestimmung.Sie lautet:Verbesserung der Bildung und damit Verbesserung der Zukunftschancen unserer Kinder, bessere Integration der Kinder aus sozial benachteiligten Familien und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Daran gibt es auch nichts zu deuteln.
Um das zu erreichen, müssen die Betreuungs-, Bildungsund Erziehungsangebote nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ verbessert werden. Weil das nicht zum Nulltarif zu haben ist, haben wir einen Finanzierungsvorschlag vorgelegt. Denn es müssen alle Ebenen beteiligt werden. Das jetzt den Ländern, bzw. am Ende den Kommunen aufbürden zu wollen, ist nun wirklich der allerschlechteste Weg.
Ich will das jetzt nicht im Ganzen vortragen. Ich will nur Beispiele nennen. Diese sind:
Die Mittel für eine mögliche zukünftige Erhöhung des Kindergelds fließen in den Ausbau der Infrastruktur zur frühen Förderung der Kinder.
Die finanziellen Mittel, die durch die geringere Zahl der Kinder ab dem Jahr 2010 frei werden, sollen nicht eingespart, sondern in den Ausbau der Betreuungsangebote umgeleitet werden.
Außerdem könnte man Umschichtungen aus finanziellen Transfers und eine Reduzierung der steuerlichen Vorteile vornehmen.
Dabei gehören aber auch die 184 Milliarden c mit auf den Prüfstand, die jährlich von Bund, Ländern und Kommunen als Leistungen an Familien gezahlt werden.
Natürlich kann man über alle Vorschläge diskutieren. Aber die Mitglieder der CDU/CSU haben in den letzten Wochen immer nur gerufen: Das geht nicht. – Das ist nun wirklich zu wenig. Damit können wir uns wirklich nicht anfreunden.
So langsam lüftet sich der Nebel. Nun zeigt sich, dass die Union in der Bundesregierung nur familienpolitisch modern aussieht. In Wirklichkeit tut sie aber gar nichts für einen gesellschaftspolitischen Wandel. Sie will dafür überhaupt kein Geld ausgeben.
Genau, ein Zopf wird abgeschnitten, das war es.
Das Geld wurde völlig umsonst ausgegeben. Das ist eigentlich schade. Am Ende wird das natürlich wieder bei den Ländern und den Kommunen hängen bleiben. Ich frage mich, ob sich die Sozialministerin dann aufbäumen wird.
Insgesamt ist das schon ein feines Tricksen. Das muss man schon sehen. Auf der einen Seite wird den jungen Frauen und den Familien der Eindruck vermittelt, die CDU mausere sich zur modernen Familienpartei.
Auf der anderen Seite wird den klassischen, konservativen Anhängern signalisiert: Beruhigt euch einmal, so viel wird sich schon nicht ändern.
Jetzt ist die spannende Frage, wie lange Frau von der Leyen dieses Spielchen noch treibt und wie lange sich die Menschen den Blick noch vernebeln lassen. So manche haben es schon bemerkt: Sie ist in der Beliebtheit innerhalb eines Monats um zwölf Punkte gesunken. – Wenn man etwas verspricht und es dann nicht hält, dann ist das immer schwierig. Wenn die 600 Millionen c für bauliche Investitionen alles sind, was die Ministerin vorzuweisen hat, dann ist das für Frau von der Leyen ein beschämendes Armutszeugnis.
Sie war doch so forsch gestartet. Wir haben ihr wirklich mit auf die Sprünge geholfen und haben gedacht: Nun geht es los. Aber inzwischen lahmt sie und mit ihr die CDU/CSU. Sie ist so glaubwürdig unglaubwürdig wie eh und je.
Vielleicht darf ich noch einen kurzen Hinweis geben, bevor hier Frau Ravensburg ans Rednerpult tritt und alle Wohltaten aufzeigt, die Hessen macht. Ich möchte nur eine einzige Zahl nennen. Rheinland-Pfalz zahlt jährlich – das schon seit 2005 – –
Hören Sie doch erst einmal zu. Dann können Sie stöhnen. Dann haben Sie auch ein Recht darauf, zu stöhnen.
Herr Kollege, eine Zahl möchte ich noch nennen.
Rheinland-Pfalz zahlt pro Jahr 205 Millionen c an Personal- und Betriebskostenzuschüsse aus originären Haushaltsmitteln. – Jetzt dürfen Sie stöhnen.
Frau Präsidentin,meine Damen und Herren! Mittlerweile ist es doch recht spät geworden. Ich meine damit aber nicht Tag und Stunde. Vielmehr meine ich, dass viel Zeit seit der ersten Debatte vergangen ist, die wir in diesem Haus zum Thema Kindesvernachlässigung und -misshandlung geführt haben. Es ist nämlich über ein Jahr vergangen.
Das ist ein Jahr, in dem nicht sehr viel Hilfreiches für all die Kinder geschehen ist, die täglich dem Martyrium der Vernachlässigung und Misshandlung ausgesetzt sind. Da bin ich einer etwas anderen Meinung als Frau Kollegin Ravensburg.
Die Zeit arbeitet gegen die betroffenen Kinder und auch gegen die Eltern, die dringend Hilfe und Unterstützung brauchen.
Denn sie sind, aus welchen Gründen auch immer, leider mit ihren kleinen Kindern völlig überfordert.
Frau Ministerin, wir erkennen durchaus an, dass Sie mithilfe der verpflichtenden Vorsorgeuntersuchung noch mehr Kinder erreichen wollen. Wir erkennen auch an, dass die Vorsorgeuntersuchungen wichtig sind, um Fehlentwicklungen, Missbildungen, chronische Krankheiten usw. sehr viel früher zu erkennen. Dann kann man auch eingreifen und das behandeln. Das ist wichtig und richtig.
Aber das reicht nicht aus,um die betroffenen Kinder,über die wir heute sprechen, tatsächlich alle zu erreichen und sie wirksam zu schützen.
Kinder- und Jugendärzte sind längst auf Distanz gegangen. Sie warnen vor einer trügerischen Sicherheit und wehren sich dagegen, die gesamte Verantwortung übernehmen zu müssen. Leider sind sie auch fachlich im Moment noch nicht dazu in der Lage.
Frau Ministerin, auch ein noch so ausgeklügeltes, landauf und landab funktionierendes Einladungs- und Kontrollsystem wird nicht verhindern, dass einige Wochen verstreichen können, in denen im Ernstfall für ein Kind nichts geschieht, das sich in einer riskanten Situation befindet. Frau Ministerin, bitte realisieren Sie auch: Es gibt Familien, in denen Briefe gar nicht erst geöffnet werden, auch solche nicht, in denen eine Einladung zu einer Vorsorgeuntersuchung steckt.
Vielmehr brauchen wir dichtere Intervalle bei den Vorsorgeuntersuchungen. Ein Säugling ist beispielsweise in sehr viel höherem Maße gefährdet als ein größeres Kind.
Es wird immer vom Verhungern gesprochen.
Ja eben, sie gehen nicht hin. Frau Ministerin, genau das ist der Punkt. Darauf werde ich gleich zu sprechen kommen. – Wissen Sie, wie schnell ein Säugling verdurstet? Das geschieht innerhalb von zwei oder drei Tagen.
Die Zeitspannen, die zwischen den Untersuchungen von U2 bis U5 liegen, sind wirklich groß. Im Ernstfall hat ein kleines Kind da überhaupt keine Chance.
Wir sollten die Last nicht alleine den Ärzten aufbürden. Vielmehr brauchen wir ein ganzes Maßnahmenbündel im Rahmen nachhaltig wirkender Präventionsprogramme.
Wir brauchen niedrigschwellige Hilfen und eine bessere Vernetzung aller beteiligten Akteure. Da sind wir alle einer Meinung.
Die Meinungen unterscheiden sich, wenn es um das geht, wo Sie Mittel gestrichen haben.Ich meine die Erziehungsund Beratungsstellen. Deren Hilfe muss wirklich zeitnah zur Verfügung stehen. Da darf es keine wochenlangen Wartezeiten geben. Die Wartezeit dauert gegenwärtig bis zu sechs Monate.
Nein, die Eltern würden da nicht hingehen.Aber die Jugendämter vermitteln das.
Wir brauchen dringend mehr Betreuungsplätze, insbesondere für Kinder unter drei Jahren, um Familien, in denen es Belastungen gibt und in denen die Eltern gestresst sind, unterstützen zu können
oder um zu erreichen, dass ganz normale Familien überhaupt nicht mehr in diese Stresssituation hineinkommen.
Wir brauchen viel mehr zugehende Familienhilfen.Das ist heute in der gesamten Presse und im Rundfunk zu erfahren gewesen. Die Kritik ist sehr laut geworden. Wir brauchen mehr zugehende Familienhilfe für Risikofamilien, die überwiegend isoliert und ohne nachbarschaftliche Kontakte leben, in alltäglicher Tristesse, Armut, Arbeitslosigkeit, Ausweglosigkeit, die schlicht nicht in der Lage sind, ihre Kinder wenigstens minimal, geschweige denn liebevoll und gut zu versorgen. Hebammen könnten die sehr nahe und vertrauensvolle Beziehung zu den Eltern länger als bisher aufrechterhalten und die Eltern in ihrer Erziehungskompetenz, in ihrer Unsicherheit unterstützen, wenn ein Kind einfach nur permanent schreit. Familienhelfer sollten in jeder Kommune Neugeborene, und zwar alle Neugeborenen,begrüßen und den jungen Eltern Möglichkeiten vor Ort vorstellen: Einrichtung oder Beratung über Hilfen.
ja, ich werde mich beeilen, entschuldigen Sie bitte – und Kontaktmöglichkeiten mit anderen Eltern. Polizeikommissariate,angelehnt an das Polizeikommissariat in Berlin – hier sind nicht mehr Fälle passiert, sondern hier ist das Dunkelfeld aufgehellt worden. Das ist wichtig. Hier sind Kinder erreicht worden.
Meine Damen und Herren, eines vielleicht zum Schluss. Ich habe immer Probleme damit gehabt, wenn in den Medien über diese Fälle teilweise auch sehr reißerisch berichtet wurde. Mittlerweile bin ich anderer Meinung. Es ist eine Sensibilität geschaffen worden. Durch die Betroffenheit auch der Fernsehzuschauer und Leser ist vielleicht auch mehr Mut gekommen. Couragierte Nachbarn haben tatsächlich einmal zum Telefonhörer gegriffen, wenn im Nachbarhaus vielleicht etwas nicht in Ordnung war.
Ich bin, ohne Schuld zuzuweisen, der Meinung, dass es das Wichtigste ist, was wir schaffen können, dass die Bevölkerung wirklich aufmerksam ist. Ich glaube, dem kleinen Mädchen in Waldeck-Frankenberg hätte es auch geholfen. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, es ist überaus bedauerlich und fast schon katastrophal, dass wir heute das Kinder- und Jugendhilfegesetz in dieser Form verabschieden werden.
Es wird in keiner Weise den gesellschaftspolitischen und fachlichen Herausforderungen einer qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Kinder- und Jugendpolitik gerecht.
Seit mehr als fünf Jahren steht die Ankündigung eines Kindertagesstättengesetzes im Raum. Für uns als Opposition stieg die Spannung Jahr um Jahr ins Unermessliche. Wir stellten hierzu regelmäßig Anträge – zur Erinnerung, zur Bekräftigung und zur Unterstützung. Nach Übereinkunft aller Fraktionen haben wir diese Anträge in Erwartung dieses wunderbaren Gesetzes auf Halde gelegt.
Was liegt uns nun vor? Ein an wenigen Stellen marginal verschlimmbessertes Gesetz. Leider ist es ganz und gar nicht der große Wurf geworden. Dieser Gesetzentwurf bleibt weit hinter den fachlichen Erwartungen an eine moderne Kinder- und Jugendhilfe in Hessen und weit hinter den Anforderungen an eine gelingende Bildung, Erziehung und Betreuung für unsere Kinder zurück.
Für dieses Gesetz müssen Sie nun die alleinige Verantwortung tragen. Zumindest im Ausschuss zeichnete sich ab, dass Sie hierfür keine Zustimmung bekommen werden.
Alle Oppositionsfraktionen haben Ihnen eine konstruktive Mitwirkung angeboten. Zahlreiche schriftliche und mündliche Stellungnahmen hätten bei fachlicher Berücksichtigung ein herausragendes Gesetz entstehen lassen können.
Sie haben alle Fachkompetenz und wertvollen Verbesserungsvorschläge missachtet. Was bleibt, ist große Enttäuschung bei den Vertretern der Verbände und der Organi
sationen, bei den Trägern, bei den Einrichtungen, bei den Kommunen und nicht zuletzt bei den Eltern.
Meine Damen und Herren, Frau Ministerin, es bleibt schlicht und ergreifend zu viel auf der Strecke. Eine Weiterentwicklung von kinder- und familienfreundlichen Rahmenbedingungen gibt es nicht. Es gibt keine Verbesserung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es gibt keine Verbesserung der Chancengleichheit von Kindern, unabhängig davon, woher sie kommen. Die Förderung früher und integrativer Bildung bleibt ebenfalls auf der Strecke.Qualitäts- und Quantitätsverbesserungen bei den Betreuungsangeboten von Kleinst- bis hin zu den Schulkindern wird es nicht geben. Außerdem wird es keine partnerschaftliche Finanzierungsverantwortlichkeit von Land und Kommunen geben. Es gibt keine verbindliche Förderung zum gleichmäßigen Ausbau bedarfsgerechter Jugendhilfeleistungen. Darüber hinaus gibt es keine erkennbare Chance für die Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans in Hessen. Ich denke, mehr muss man dazu nicht sagen.
Eines noch. Tagesmütterland Nummer eins, Familienland Nummer eins, Bildungsland Nummer eins: Frau Ministerin, mit diesem Gesetzentwurf haben Sie schlicht und ergreifend alles versenkt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Minimalkonsens ist, dass es durchaus sinnvoll ist, Einzelgesetze zu bündeln und zu einem hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch zusammenzufassen. Das ist jedoch lediglich ein formaler Aspekt,wobei über die Gesetzesinhalte noch nichts ausgesagt wird.
Da die Landesregierung nach der ersten Lesung und trotz der Anhörung die Mangelhaftigkeit dieses Gesetzentwurfs nicht erkannt hat – oder nicht wahrhaben will –,
kann ich die sozialdemokratische Position heute hier nur so formulieren: In der Form wollen wir dieses Gesetz nicht.
Dieser Gesetzentwurf kann auch durch die Änderungsanträge – ich nehme den Vortrag von Frau Schulz-Asche einmal aus – nicht zu einem Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch werden,das diesen Namen wirklich verdient.Ziehen Sie diesen Entwurf zurück. Überarbeiten Sie ihn, oder – noch besser – schaffen Sie einen völlig neuen Entwurf,der die Zukunftsfähigkeit des Landes in der Kinder- und Jugendhilfe tatsächlich sichert.
Wir wollen ein Gesetz, das Klarheit, Verlässlichkeit und eine wirkliche Erleichterung für die Eltern schafft. Wir wollen ein Gesetz, das die Beitragsfreiheit für das letzte Kindergartenjahr durch originäre Landesmittel verbindlich absichert. Wir wollen ein Gesetz, das die Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich verbessert. Wir wollen, dass die Weiterentwicklung der Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren verbindlich geregelt wird.
Wir wollen auch ein Gesetz, das die Qualität der Tagespflege verbindlich regelt. Es muss Mindestqualitätsstandards geben, was die Qualifikation von Tagespflegepersonen, aber auch die inhaltliche Arbeit im Rahmen dieser Angebote angeht. Wir wollen, dass die Lebenszeit des Kindes vor dem Eintritt in die Schule endlich als eine wichtige Entwicklungsphase begriffen und als Bestandteil des gesamten Bildungswegs eines jungen Menschen angesehen wird.
Zur Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans. Er ist wirklich gut. Nun wenden Sie ihn doch an; setzen Sie ihn um. Wir haben händeringend und mit Schweißperlen auf der Stirn darauf gewartet, dass er endlich kommt. Aber nun verkommt er endgültig zur Bedeutungslosigkeit.
Er muss im Gesetz verankert sein. Es muss ein klarer Bezug hergestellt werden, nicht nur inhaltlich, sondern auch im Hinblick auf die finanziellen Gesichtspunkte.
Wir wollen, dass der besondere Förderbedarf benachteiligter Kinder als Rechtsanspruch festgeschrieben wird. Kleine Menschen mit Behinderung, mit einem Migrationshintergrund oder aus sozial schwachen Familien brauchen eine intensivere Betreuung und Zuwendung. Das bedeutet kleinere Gruppen, einen besseren Betreuungsschlüssel und mehr Zeit für das einzelne Kind.
Alle diese Ziele müssen im Gesetz festgeschrieben werden. Das ist das klare, übereinstimmende Ergebnis dieser Anhörung. Das ist auch die Realität in vielen anderen Bundesländern. Es geht nicht an, in Hessen solch relevante Entscheidungen aus der Kompetenz des Parlamentes herauszunehmen und auf die Verordnungsebene zu geben.
Es besteht nämlich durchaus die Gefahr, dass für die Kinder- und Jugendpolitik ein Gesetz geschaffen wird,das die Regierung ermächtigt, weiterhin allein zu entscheiden
und die Zuständigkeit – oder die Kritik – des Landtags auszuschalten. Wenn wir sehen, wie diese Landesregierung mit den Ergebnissen der Anhörung umgeht und wie die Stellungnahmen und die Fachkompetenz der Vertreter von Verbänden und Organisationen, die Tag für Tag unmittelbar mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, missachtet werden, können wir feststellen, dass auch keine Änderung des Verordnungsentwurfs zu erwarten ist, die sich am Kindeswohl und an den dringenden Erfordernissen orientiert. Bei einer derartigen Resistenz von Regierung und CDU-Fraktion gegenüber Fachargumenten werden diese vielleicht keinerlei Niederschlag im Gesetz finden und mit ziemlicher Sicherheit auch in der Verordnung nicht beachtet werden. Deutlich wird aber, dass dies ein Gesetzentwurf ist, der gegen den Sachverstand gemacht wurde.
Wir wollen, dass nicht nur das, was in diesem Gesetzentwurf zur Kinderbetreuung steht, verbessert wird. Dieser Anspruch gilt auch für die Maßnahmen der Jugendhilfe in Hessen. Mit den §§ 19 und 20 will sich die Landesregierung aus der verbindlichen Förderung von Maßnahmen zum gleichmäßigen Ausbau der Jugendhilfeleistungen verabschieden, obwohl wir eine steigende Zahl von Kindern und Jugendlichen mit großen Defiziten allein in der sozialen Kompetenz feststellen müssen und obwohl die Zahl der Familien, die ihrem Erziehungsauftrag nicht oder nur unzureichend gerecht werden,leider ständig größer wird.
Telefon.
Herr Minister Banzer, bei einem Symposium zum Thema Jugendstrafvollzug, das vor einigen Tagen im Schloss Biebrich stattgefunden hat – ein sehr guter Vortrag, insgesamt hervorragend –, wurde übereinstimmend die These vertreten, dass man Kindern und Jugendlichen, die letztlich in der Kriminalität angekommen sind, viel früher hätte helfen können. Das ist ganz gewiss eine extreme Entwicklung. Aber solche Fehlentwicklungen sind frühzeitig erkennbar und können verhindert werden.
Dazu ist aber ein flächendeckendes präventives Jugendhilfeangebot nötig, das alle Kinder schon sehr früh unterstützt. Es muss ein engmaschiges Netz von Beratungsstellen für Eltern,Kinder und Jugendliche geben,die Hilfe suchen und auch annehmen wollen. Es darf nicht passieren, dass diese Menschen bis zu sechs Monate auf einen Beratungstermin warten müssen, wie das in Hessen zurzeit leider traurige Realität ist.
Wir brauchen ein Gesetz, das bedarfsorientierte, flächendeckende Fördermaßnahmen der Jugendsozialarbeit, der Familienhilfe und sozialer Gruppenarbeit in Hessen sicherstellt. Wir brauchen die Garantie, dass eine schnelle und fachkompetente Beratung vorhanden ist, wenn diese angefordert und gebraucht wird. Wir wollen, dass Sozialarbeit in Schulen angeboten wird.Auch das hat sich in anderen Ländern bewährt.
Der einheitliche Ausbau der Jugendhilfe im ganzen Land muss sichergestellt sein. Deshalb darf das Land die Kommunen bei der Finanzierung all dieser Maßnahmen nicht
im Stich lassen und die Förderung nicht lediglich nach Haushaltslage und Gutdünken gewähren. Wir wollen, dass die Pflicht des Landes zur Förderung der Jugendhilfe im Gesetz verankert wird.
Der Gesetzentwurf sah ursprünglich die Beschneidung der Kompetenzen des Landesjugendhilfeausschusses vor. Die Degradierung dieses Gremiums zu einem reinen Gesprächskreis war geplant. In dieser Frage hat sich die CDU-Fraktion offensichtlich eines Besseren besonnen.
Sie übernimmt unsere Position und hat einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht, dem wir selbstverständlich zugestimmt haben,
auch wenn uns die CDU-Fraktion mit ihrer Begründung gern glauben machen möchte, dass diese 180-Grad-Kehrtwende lediglich die Klarstellung einer vermeintlich missverständlichen Formulierung im Text des Gesetzentwurfs gewesen sei. Okay, es ist letztlich egal, wie Sie es begründen. Die Einsicht zählt.
Aber diese leichte Veränderung, was den Landesjugendhilfeausschuss betrifft, ist zu wenig, um aus dem Entwurf ein zukunftstaugliches Gesetz zu machen. Da wir befürchten müssen, dass Sie unserer Aufforderung, diesen Gesetzentwurf zurückzunehmen und im nächsten Jahr einen neuen, zukunftsweisenden und an den Notwendigkeiten orientierten Entwurf vorzulegen, nicht nachkommen werden, bringen wir, um wirklich nur das Allerschlimmste zu verhüten, unseren Änderungsantrag ein.
Das wäre zu § 6 Abs. 7 eine Klarstellung. Da übernehmen wir die Formulierung aus dem SGB VIII, um dem Jugendhilfeausschuss auf der kommunalen Ebene ein Anhörungs- und Beschlussrecht zu geben.
Das betrifft auch die §§ 9 und 12.Wir sind nach wie vor der Meinung, dass es speziell für die Belange von jungen Frauen und Mädchen der gezielten Fachkompetenz auch in den Ausschüssen bedarf und dass wir auch weiterhin Modellvorhaben für geschlechtsspezifische Angebote unterstützen müssen. Das bezieht auch Jungenarbeit ein.
Zu Nr. 4 und Nr. 5 unseres Änderungsantrags. Die Landesförderung wird gesetzlich normiert. Aus der Kannregelung wird wieder eine gesetzlich vorgeschriebene Landesförderung, auch um Kommunen eine verlässliche Vorgabe zu bieten.
Nr. 6 betrifft die von Frau Kollegin Schulz-Asche schon angesprochene gewerbliche Tätigkeit in der Kinderbetreuung. Meine Damen und Herren, was und wem wollen Sie dort Tür und Tor öffnen? Wenn Sie gar nicht wissen, worum es geht, gebe ich Ihnen den Tipp: Gehen Sie einmal ins Internet unter www.villa-ritz.de. Dann wissen Sie, was auf uns zukommt. Dafür soll es dann auch möglicherweise noch eine Landesförderung geben. Das ist schlicht und ergreifend unglaublich.
Okay. – Alles Weitere werden wir heute Abend im Ausschuss beraten. Ich denke, Sie sind unglaublich flexibel. Vielleicht kommt dabei noch etwas richtig Gutes heraus.
Ich habe noch eine Frage an Herrn Reißer: Bitte zeigen Sie mir die Stelle im Gesetzentwurf, an der das BAMBINI-Programm sowie die zuverlässige Finanzierung für die Kommunen beschrieben werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, ich beziehe mich auf das, was Sie zuletzt vorgetragen haben,nämlich auf die Beratung im Ausschuss und auf die Frage, ob der gesamte Gesetzentwurf noch besser gemacht werden kann. Ob das geschehen kann, hängt im Wesentlichen auch davon ab, inwieweit Sie Ihre Beratungsresistenz einmal aufgeben können.
Die Bündelung der Gesetze ist durchaus sinnvoll, und zwar insbesondere dann, wenn man die Betreuung, die Förderung, die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen – –
Herr Kaufmann.
Vielleicht könnten Sie zumindest etwas leiser sprechen. Das fände ich reizend. Danke. – Es ging gerade um Erziehung.
Man kann Erziehung, Bildung und Betreuung nicht als Summe von Einzelmaßnahmen, sondern als einen Gesamtprozess ansehen, für den man dann ein integriertes Gesamtkonzept braucht. Die Qualität eines solchen Gesetzbuchs ergibt sich meines Erachtens aber nicht einfach alleine dadurch, dass man die einzelnen Gesetze zusammenfasst. Vielmehr muss es dabei um die Inhalte der Gesetze und die sich daraus ergebende gesellschaftliche Wirklichkeit gehen. Da wird mir allerdings ein bisschen angst und bange. Zunächst einmal ist das der Fall, weil der Landtag in Zukunft bei der Behandlung dieser wichtigen Fragen ausgeschaltet werden soll.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, wenn Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen, ist das auch ein Stück weit „Selbstkastration“ der kinder- und jugendpolitischen Kompetenzen Ihrer Parlamentarier.
Der Entwurf sieht nämlich vor, dass maßgebliche inhaltliche Aufgaben und Regelungen von Bildung, Betreuung und Erziehung auf die Ebene der Verordnung übertragen werden sollen.Damit sind sie sehr elastisch,aber kein bisschen zuverlässig für die Kommunen. Das ist definitiv eine Kompetenzbeschneidung aller gewählten Abgeordneten.
Meine Damen und Herren, angekündigt war der große Wurf, besonders in der Nachfolge des alten Kindertagesstättengesetzes.
In einem fraktionsübergreifenden Konsens ist in den letzten Monaten auf Anträge zum Thema Kinderbetreuung weitgehend verzichtet worden. Es bestand Einigkeit zwischen den Fraktionen, dass die alte Norm nicht mehr zeitgemäß ist, nicht jetzigen und schon gar nicht künftigen Anforderungen entspricht.
Das, was als Entwurf herausgekommen ist, ist – ausgenommen die Ergänzung zur Tagespflege – im Grunde genommen nicht sehr viel mehr als das Abschreiben des alten Gesetzes.Warum haben Sie nicht ins Gesetz geschrieben, dass das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei sein soll? Das haben Sie den Menschen im Land doch versprochen. Sie haben das nur deshalb nicht aufgenommen, weil Ihre Finanzierung, wie heute Morgen mehrfach betont worden ist, eine Mogelpackung ist.
Sie unterlaufen das Konnexitätsprinzip, nehmen den Kommunen das Geld aus dem Kommunalen Finanzausgleich weg,um es ihnen dann als eine „BAMBINI-freundliche“ Landesregierung wiederzugeben.
Ich frage Sie: Warum haben Sie keinen Gesetzentwurf eingebracht, nach dem die Beitragsfreiheit des letzten Kindergartenjahres aus originären Landesmitteln finanziert wird?
Warum bringen Sie keinen Gesetzentwurf ein, durch den die Beitragsfreiheit für den gesamten Kindergartenbe
such schrittweise herbeigeführt wird,und zwar durch Landesmittel? Warum denken Sie nicht über einen Rechtsanspruch für Betreuungsplätze ab dem zweiten Lebensjahr nach? Dass das alles möglich ist, haben die Kolleginnen und Kollegen aus Rheinland-Pfalz, die gerade einmal eine Brücke von hier entfernt sind, in den letzten Tagen vorgemacht.
Die im Kindertagesstättengesetz von Rheinland-Pfalz gesetzten Eckpunkte sollten jedenfalls Vorbildcharakter für Hessen haben. Dort ist ein Gesetz formuliert worden, das den Namen auch verdient.
Aber nicht nur die Regelung der Beitragsfreiheit fehlt im zweiten Teil des Gesetzentwurfs, auch die qualitative Weiterentwicklung von Betreuungseinrichtungen ist leider nirgends erkennbar, erst recht nicht die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung auch und gerade in dem im Sinne von Bildung immens wichtigen Zeitabschnitt.
Sie haben einen Bildungs- und Erziehungsplan vorgelegt. Da stehen wir auch zu Ihnen, Frau Ministerin. In diesem Gesetzentwurf bleibt er aber völlig unerwähnt.
Damit fällt er,was wir immer befürchtet haben,in den Bereich der völligen Unverbindlichkeit und Bedeutungslosigkeit.
Meine Damen und Herren, der 12. Kinder- und Jugendbericht, der 7. Familienbericht, die brandaktuelle 15. Shell-Studie und nicht zuletzt viele Anhörungen hier im Landtag haben unisono die Qualitätsmerkmale für Betreuung, Bildung und Erziehung definiert. Hier nur einige Beispiele:kleinere Gruppengrößen,Verbesserung des Betreuungsschlüssels, bedarfsgerechte Öffnungszeiten, gezielte Fortbildung für Betreuungspersonal, die verbindliche Sprachförderung und vieles mehr.
Frau Staatsministerin, warum waren Sie eigentlich bei all diesen Anhörungen anwesend, wenn Sie nichts von den Ergebnissen der Experten in Ihren Gesetzentwurf einbringen? Mir bleibt nur eine Erklärung für ein solches Vorgehen: Diese Landesregierung will sich – anders, als das in den meisten anderen Bundesländern der Fall ist – aus der Verantwortung für qualitativ hochwertige Kindertagesstätten herausstehlen.
Sie bekunden zwar immer wieder die Zukunftsrelevanz dieses Berichts, auch in Ihrem sehr langatmigen Vortrag. Offensichtlich sind Sie aber nach wie vor nicht bereit, dafür das notwendige Geld in die Hand zu nehmen, um auch dadurch den vorrangigen Stellenwert von Betreuung, Bildung und Erziehung zu dokumentieren.
Wenn nämlich unterschiedlich finanzstarke Kommunen die finanzielle Verantwortung für Betreuung tragen müssen, wird sich notgedrungen auch ein System unterschiedlicher Qualitätsstandards in Hessen etablieren – und das mit all den daraus resultierenden Folgen für die Bildung.
Ich möchte auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen, der nicht nur mich, sondern alle Mitglieder des Landesjugendhilfeausschusses sehr geärgert hat. Frau Ministerin, ich frage Sie ganz ehrlich: Warum schaffen Sie den Landesjugendhilfeausschuss nicht gleich ab?
Wenn Sie den Fachausschuss, der bisher Richtlinienkompetenz in den Fragen der Jugendhilfeplanung hatte, zum reinen Gesprächskreis degradieren wollen, sollten Sie gleich konsequent sein und offen zugeben,dass Sie seitens Ihrer Regierung keine Notwendigkeit der fachlichen Beratung sehen.
Ihre Haltung haben Sie bereits im Vorfeld dieser Lesung mit der Verkürzung der Anhörungszeit und der Terminierung in die Hauptferienzeit sehr deutlich gemacht – und das, obwohl seit mehr als einem Jahr, wie ich eingangs gesagt habe, der große Gesetzentwurf, also der Wurf, angekündigt worden ist.
Ich habe volles Verständnis dafür, dass Sie einen Fachausschuss nicht besonders wertschätzen, der Ihnen bescheinigt, dass es Ihnen nicht gelungen ist, den gesellschaftspolitischen und auch fachlichen Herausforderungen in der Herstellung eines qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Bildungs- und Betreuungsangebots gerecht zu werden, als da wären: Ausbau von kinder- und familienfreundlichen Rahmenbedingungen, Verbesserung der Chancengleichheit von Kindern jedweder Herkunft, Förderung früher und integrativer Bildung, Qualitätsentwicklung und vor allem partnerschaftliche Finanzverantwortung von Land und Kommunen.
Dass die grundsätzliche Förderung der Jugendhilfe durch Landesmittel jetzt aufgegeben und als Kannleistung formuliert wird, hat uns am Ende auch nicht mehr sehr erstaunt.
Die Definition von sozialer Verantwortung und sozialem Gewissen durch CDU und Landesregierung, gerade wenn es um Menschen auf der Schattenseite der Gesellschaft geht, ist eine grundlegend andere als die unsere.
Das haben wir spätestens im Zusammenhang mit der „Operation angeblich sichere Zukunft“ gemerkt.Auch in der letzten Ausschusssitzung haben wir inhaltlich darüber debattiert.
Wenn die in den §§ 20 ff.aufgeführten Fördermaßnahmen von Jugendsozialarbeit, Familienhilfe, sozialer Gruppenarbeit usw. bei steigendem Bedarf in der Jugendhilfe nur noch Kannleistungen für das Land sein sollen, kann sich jeder die Folgen ausmalen.
So wird dieses Gesetz einen weiteren Beitrag zur Amerikanisierung des hessischen Sozialsystems leisten. Die Reform in dieser Form bedeutet eindeutig einen Rückschritt sowohl im sozialen wie im bildungspolitischen Bereich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Reißer, ich habe fast befürchtet, dass Sie so etwas sagen wie eben.
Es entspricht in der Bundesrepublik einer gewissen Tradition, dass Bundespräsidenten im Rahmen von Grundsatzreden Stellung zu politisch-gesellschaftlich relevanten Themen und Entwicklungen nehmen. Sie leisten eine gewisse Richtungsvorgabe und zeigen auf, wie sich aus der Sicht des höchsten Verfassungsorgans politische Entwicklungen vollziehen sollten.
In diese Tradition möchte ich diese Rede von Bundespräsident Köhler einordnen, die er damals vor der Akademie in Tutzing gehalten hat.
Dass wir als SPD-Fraktion den beiden Kernthesen – den grundsätzlichen Forderungen nach Überdenken des Rollenverständnisses in der Familie und der erheblichen Verbesserung der Rahmenbedingungen für Familien – uneingeschränkt zustimmen werden, das mag Sie sicherlich nicht verwundern. Seit langer Zeit ist beides Bestandteil sozialdemokratischer Programmatik.
Das war es auch schon zu Zeiten, als in der CDU und in anderen konservativen Kreisen solche Forderungen mit „Zerschlagung von Familienstrukturen“ oder gar dem Vorwurf des Rabeneltern-Seins kommentiert wurden.
Ich habe eben in der Vergangenheit gesprochen, weil ich gedacht habe, das sei jetzt auch bei der CDU allmählich überwunden.Weit gefehlt.
Nun habe ich mir auch Gedanken gemacht:Was um Gottes willen, sehr verehrte Kollegen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, soll denn jetzt eigentlich dieser Entschließungsantrag? Mittlerweile wird es mir klar.
Das ist echt spannend. Denn wir hatten jetzt die Debatte. Wir wissen alle,wo wir stehen.Da ist nun dieser Antrag eigentlich nicht notwendig.Wir haben auch in dieser Legislaturperiode mehrmals über dieses Thema debattiert und etliche Male gefordert, dass die Forderungen des Bundespräsidenten umzusetzen sind.
Wir haben auch ganz konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, damit Bedingungen geschaffen werden, dass junge Menschen wieder mehr Kinder haben wollen und auch haben können. Wir brauchen eigentlich jetzt keine weiteren verbalen Bekenntnisse.
Wir brauchen endlich Beschlüsse. In der Tat, Herr Dr. Wagner, wir brauchen Beschlüsse. Denn es geht zunächst einmal darum, Bedingungen zu schaffen.
Deshalb fürchtete ich nun den lieben langen Tag und besonders nach der gestrigen Debatte, dass wir mit diesem Entschließungsantrag am Ende der Landesregierung durch unsere Zustimmung die Möglichkeit schaffen, darüber hinwegzutäuschen, dass sie sich eigentlich dadurch auszeichnet, dass sie zu langsam ist, dass sie zu wenig tut und dass sie das Falsche tut für Familien in diesem Land. 2005 war das Jahr mit der geringsten Geburtenrate nach dem Zweiten Weltkrieg,
und das nicht nur, weil junge Menschen zu bequem sind, Kinder zu bekommen, oder die Mühen scheuen oder weil es finanzielle Konsequenzen hat.
Horst Köhler hat nur allzu Recht, wenn er sagt, dass es nicht mehr nur Privatsache ist,ob Familien entstehen können oder nicht. Es ist gesellschaftliche Realität in diesem Land, dass junge Menschen nicht die Freiheit haben, Kinder und Beruf miteinander zu vereinbaren. Sie haben nicht die Freiheit, zu sagen: Ich möchte Kinder und beruflichen Erfolg. – Viele haben auch nicht die Freiheit, zu sagen: Wir wollen Kinder und verzichten deshalb auf e i n Einkommen. – Dazu sind die Familieneinkommen oft zu gering. Es gibt in diesem Land auch junge Menschen, die sich die Freiheit genommen und Kinder bekommen haben, aber leider nicht in der Lage sind, diese verantwortungsvoll zu erziehen und sie zu versorgen, weil sie selbst beispielsweise noch sehr jung sind.
Ganz persönlich haben mich die Ausführungen – Herr Reißer, ich habe die Rede ganz und nicht nur stellenweise gelesen und dann daraus nicht auch noch selektiv zitiert – des Bundespräsidenten über die Notwendigkeit gespürter Liebe und verlässlicher Bindungen gefreut, und dass er festgestellt hat,dass dies nicht nur Großeltern oder Eltern sind, sondern durchaus Erzieherinnen und andere Personen sein können.
Wir sollten die Bedingungen schaffen, dass diese Personen die Möglichkeit haben, unsere Kinder nicht nur noch zu verwahren, sondern sie auch gut zu betreuen.
Ich beeile mich, Herr Präsident. Ich habe zwischendurch immer wieder einmal die Luft angehalten, weil es hier so laut ist.
Herr Köhler hat die Wichtigkeit der Anregung in den ersten Jahren ebenfalls sehr deutlich herausgestellt und die Notwendigkeit der frühkindlichen Bildung angemahnt.
Wir hielten diesen Entschließungsantrag zunächst einmal für überflüssig, stimmen ihm aber inhaltlich zu. Deshalb halten wir es auch für besser, für etwas nicht Notwendiges zu stimmen, als den Eindruck zu erwecken, wir könnten dagegen sein.
Es wäre dann ganz spannend, zu sehen, wie sich die anderen Fraktionen verhalten, und es wäre am Ende auch schön, wenn sich die Zustimmung nicht nur heute durch das Handheben ausdrückte, sondern dann auch in konkretes Handeln umsetzte.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Reißer, Sie wollen jetzt nichts mehr dazu sagen? – Nein. Interessant.
Nur ganz kurz zu Ihrem Antrag, den ich wirklich auch für eine Zutextung halte. Die 75 Millionen c, die Sie hier ansprechen, gehören den Kommunen. Jetzt schmücken Sie sich doch nicht damit!
Dann sprechen Sie hier von den Grundschulen, die jetzt schon so satt mit zusätzlicher Betreuung ausgestattet seien.Wissen Sie, wenn ich Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern treffe und ihnen das zu erklären versuche, und die nur den Begriff „pädagogischer Mittagstisch“ hören,
dann schauen einige verschämt in die Luft,und wieder andere fallen vor Lachen fast unter den Tisch. Das hat nichts mit Qualität zu tun.
Zu Punkt 5 Ihres Antrags würde ich sagen: Jawohl, da stimmen wir Ihnen hundertprozentig zu. Aber dann machen Sie das bitte richtig und auch mit der richtigen Finanzausstattung.
Meine Damen und Herren,ich zitiere jetzt aus dem Rundbrief der LAG „Freie Kinderarbeit in Hessen“:
An dieser Stelle
gemeint ist die Mittelverschiebung –
wird eine deutliche Schwerpunktsetzung der Landesregierung für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren gegen die Betreuung von Schulkindern deutlich. Ersteres ist zeitgemäß, Zweiteres leider weniger.
So die Kommentierung dieser Organisation, die natürlich auf eine gute Zusammenarbeit und auch auf die Förderung durch das Ministerium angewiesen ist. Deshalb, meine ich, kann man das Ganze auch etwas unverblümter formulieren: Die Hessische Landesregierung stopft Löcher und reißt an einer anderen Stelle wieder neue auf.
Aber vielleicht haben Sie ja eine Erklärung dafür. Das, was Sie im Antrag geschrieben haben, reicht mir nicht. Die Frau Ministerin wird dazu noch etwas sagen. Vielleicht haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Betreuung von Schulkindern plötzlich einen so viel geringeren Stellenwert haben soll als die Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Wir könnten den Veränderungen der Fach- und Fördergrundsätze zustimmen, sogar mit Freuden zustimmen, wenn sie die Hortbetreuung überflüssig machen würden. Es wäre sogar eine pädagogische Weiterentwicklung, wenn an Hessens Schulen ein ausreichendes Ganztagsangebot zur Verfügung stehen würde, und es wäre noch erfreulicher, wenn nicht nur ein ausreichendes, sondern eines von höherer pädagogischer Qualität vorhanden wäre,
wenn eine Ganztagsschule als Lebensraum begriffen würde, in der die Trennung in Vormittagsunterricht, pädagogischen Mittagstisch und Nachmittagsbetreuung abgebaut und das Ganze zugunsten eines rhythmisierten Tages umgebaut würde.
Meine Damen und Herren, es gibt diese Schulen, z. B. die Bodenseeschule. Aber auch in Hessen gibt es ein gutes Beispiel; das ist die Offene Schule in Waldau.Aber davon sind wir leider noch eine ganze Ecke entfernt. Deshalb brauchen wir immer noch die Zwischenzeitlösung der Hortbetreuung. Diese muss weiter ausgebaut werden.
Ich gehe auch in keinem Fall davon aus, dass die Nachfrage geringer geworden ist.Allein aus meinem Wahlkreis weiß ich, dass das DRK – die liegen sozusagen in den Startlöchern – dringend diese Landesförderung braucht, um die geplanten Hortplätze an der Schule in Edertal einrichten zu können. Gerade im ländlichen Raum wird die Nachfrage ansteigen.Hier besteht ein Nachholbedarf,und die Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Ich nenne die Zahlen für 2005: Über 200 neue Betreuungsplätze für Schulkinder sind im vergangenen Jahr mit der Förderung entstanden. Das zeigt doch, dass auf einem hohen Niveau noch einiges zu leisten ist.
Meine Damen und Herren von der Union, was Sie hier machen, ist wirklich eine Mogelpackung, die Sie den Eltern vorhalten.
Erst werden Eltern durch Angebote für Kleinkinder in der Sicherheit gewogen, dass alles gut ist, dass sie eine gute Betreuung vorfinden,und wenn die Kinder im Schulalter sind, dann stehen sie da und sind allein gelassen.
Was Sie praktizieren, ist auch ein erneuter Schlag gegen die Eltern solcher Familien, die mehr Unterstützung als andere brauchen. Das sind die Alleinerziehenden, die ohne den nötigen familiären Background auskommen müssen, und vorwiegend die, bei denen beide Elternteile arbeiten müssen, um ein einigermaßen sicheres Familieneinkommen nach Hause zu bringen, die, die ohne Betreuung und Versorgung ihrer Kinder gar nicht arbeiten gehen könnten. Möglicherweise geht es hier auch um den Verlust von Arbeitsplätzen. Es gibt nämlich in diesem Land verantwortungsvolle Eltern, die dann eher auf den Arbeitsplatz verzichten, weil sie ihre kleineren Schulkinder nicht aufgrund mangelnder Betreuung auf der Straße stehen lassen wollen.
Sie wollen ihre Kinder eben versorgt wissen und nehmen dafür ein geringeres Familieneinkommen in Kauf, und verzichten möglicherweise auf das berufliche Fortkommen.Das haben Sie schon ein Stück weit zu verantworten. Diesen Eltern haben Sie nicht die nötige Unterstützung zugesichert.
Ich möchte jetzt vom sozialpolitischen zum wirtschaftlichen Aspekt kommen, weil dieser oft gar nicht so gesehen wird. Es gibt da ganz interessante Zahlen über die Einsparungen von Sozialhilfeleistungen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin hat im vergangenen Jahr die möglichen Einsparungen bei einer Erwerbstätigkeit von allein erziehenden Müttern quantifiziert. Das Institut kommt auf eine Gesamtsumme von 1,5 Milliarden c. Interessant ist dabei die Aufschlüsselung. Auf die Gruppe der Mütter mit Kindern unter drei Jahren entfielen an Einsparungen 240 Millionen c. Bei den Müttern mit Kindern im Kindergartenalter wären es immerhin schon ca. 500 Millionen c. Aber bei den Müttern mit Kindern im Hortalter betrügen die Einsparungen rund 790 Millionen c. Ganz abgekoppelt von allen pädagogischen und entwicklungspsychologischen Überlegungen kommt also unter dem Einspareffekt bei der Sozialhilfe der Bereitstellung von genügend Hortplätzen eine ganz besondere Bedeutung zu.
Solange wir die qualifizierte Ganztagsschule nicht überall dort anbieten, wo sie nicht nur pädagogisch wünschenswert, sondern ganz einfach notwendig ist, muss das bedarfsgerechte Hortangebot ausgebaut werden und darf nicht auf nicht ausreichendem Stand eingefroren werden. Sie können doch nicht einen Bildungs- und Erziehungsplan vorlegen und dann eines der wichtigsten Angebote – dazu steht doch einiges in Ihrem Plan drin, den wir übrigens gar nicht ablehnen – gleich am Anfang schon wieder als Auslaufmodell abqualifizieren.
Meine Damen und Herren, unsere Position ist eindeutig: Bildung, Betreuung, Förderung aller Kinder unabhängig vom Alter ist eine zentrale Aufgabe und muss Priorität vor anderen Politikfeldern haben. Das ist Zukunftssicherung, und das ist eine Voraussetzung für ein Land im Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft.
Hessische Realität ist leider die Mangelverwaltung in diesem Bereich. Gerade in die Kinderbetreuung investiert das Land weniger als ein Drittel der Summe, die die Vorvorgängerregierung bereitgestellt hat. Da helfen alle mar
kigen Worte, ob sie jetzt mit Offensive oder sonst wie beginnen, nichts.
Solche Begriffe reichen nicht. Notwendig ist insgesamt mehr Geld im Landeshaushalt für diese Aufgabe.
Sehr geehrter Herr Kollege Rentsch,
nach Ihrer viertelstündigen Ausführung darauf hinzuweisen, dass wir uns auf eine Anhörung verständigt haben, ist natürlich spannend. Ich meine, diese Anträge von Ihnen sind alle in der Zeit des Wahlkampfes entstanden. Da hat man noch einmal etwas losgetreten. Wir haben uns übrigens an die Verabredung gehalten. Wir sind tatsächlich der Meinung, sich an dieser Stelle immer wieder im Kreis zu drehen und die gleichen Argumente auszutauschen bringt nicht besonders viel. Wenn allerdings solche Sachen von der Regierung oder von der CDU kommen, dann muss man schon ein bisschen nachhaken. Da gebe ich Ihnen Recht. Das kann man nicht alles so durchgehen lassen. Die glauben das nämlich alles auch noch.
Das ist das Allerschlimmste.
Trotz alledem sehen wir eine Schnittmenge bei dem, was Sie da vorgestellt haben. Allerdings hat Ihre Forderung nach Elternbefragung schon etwas mit sozialpolitischem Abenteurertum zu tun.
Schon die Formulierung „Allein der Elternwille soll zählen“ ist unzulässig verallgemeinernd, lieber Herr Kollege Rentsch. Das ist nämlich nichts anderes als liberale Grundsatzproklamation statt differenzierter Analyse. Es gibt nicht d e n Elternwillen. Die Lebensbedingungen und die Lebensumstände, unter denen Eltern mit ihren Kindern leben, sind so vielfältig und so unterschiedlich, dass ein einheitlicher Elternwille nicht möglich sein wird. Ein mehrheitlicher Elternwille – wenn man den berücksichtigt und tatsächlich umsetzt, könnte das am Ende sogar das Ende einer qualifizierten und bedarfsgerechten Kinderbetreuung implizieren.
Wir gehen von einem bedarfsgerechten Betreuungsangebot von 20 % für Kinder unter drei Jahren aus.Die Eltern, die das brauchen, werden auch dafür votieren, was völlig logisch ist. Aber wie viele von den anderen, die ihre Kinder erst ab drei Jahren in den Kindergarten schicken, werden auf Kostenfreistellung verzichten wollen? Da passt einiges noch nicht zusammen. Ich denke, dazu sollten wir uns am 10. Mai die Meinung der Experten anhören.
Meine Damen und Herren,zusammengefasst lässt sich sagen: Nicht Kleinkinderbetreuung statt Hort, sondern Kleinkinderbetreuung und Hort – alles andere ist familienpolitischer Unfug.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Ravensburg, es ist schon bezeichnend, dass Ihnen die Auswirkungen der „Operation düstere Zukunft“ nur im Zusammenhang mit unserem Dringlichen Antrag, aber nicht bei der Reflexion dessen, was Sie in den letzten Jahren getan haben, aufgefallen sind.
Ich bin mir aber sicher, dass jeder von uns betroffen und entsetzt war, als er mit den Bildern und den Informationen über die oft jahrelangen Martyrien der Kinder konfrontiert wurde,über die Sie eben auch gesprochen haben.
Frau Ravensburg, da herrscht absolutes Unverständnis darüber,was die Väter und die Mütter,also die Eltern,den eigenen Kindern antun können. Natürlich sind wir alle deswegen ein Stück verzweifelt und ratlos.