Protocol of the Session on March 16, 2005

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich eröffne die 65. Plenarsitzung, heiße Sie herzlich willkommen und stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest. – Dem wird nicht widersprochen.

Zur Tagesordnung.Zunächst liegt mir ein Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP vor betreffend großartige Rede des Bundespräsidenten – „Die Ordnung der Freiheit“ – und seine berechtigte Mahnung an die Politik im Bund und in den Ländern, Drucks. 16/3793.Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall.Damit wird dieser Punkt auf die Tagesordnung gesetzt, ich sage Ihnen nachher, unter welcher Ziffer.

Erledigt sind die Punkte 1, 2, 43, 76, 3, 47, 4 und 71.

Sie haben vier Dringliche Anträge, Druck 16/3790 bis 16/3793, vorliegen. – Die Dringlichkeit wird nicht verneint. Damit ist so beschlossen. Diese Anträge werden die Punkte 83, 84, 85 und 86 der Tagesordnung. Drucks. 16/3790 kann mit Tagesordnungspunkt 50 – kein Widerspruch – und Tagesordnungspunkt 85, Drucks. 16/3792, mit Tagesordnungspunkt 28 aufgerufen werden. – Auch kein Widerspruch.

(Nicola Beer (FDP): Drucks 16/3793 mit Tagesordnungspunkt 51!)

Das ist klar.

Vereinbarungsgemäß tagen wir heute bis 18 Uhr mit zwei Stunden Mittagspause. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 51, einem CDU-Antrag betreffend Deutschland hat Besseres verdient als Rot-Grün, den wir mit Tagesordnungspunkt 79 und dem neu aufgenommenen Antrag der FDP aufrufen. Nach der Mittagspause ist Tagesordnungspunkt 39 an der Reihe. Das zu Ihrer Information.

Herr Staatsminister Grüttner wird heute an der beginnenden CdS-Konferenz in Berlin teilnehmen und Herr Staatsminister Dr. Wagner das Land im Vermittlungsausschuss vertreten.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst und der Sozialpolitische Ausschuss tagen heute um 13.45 Uhr im Raum 107.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat gestern etwas Gutes getan; die wichtigste sportliche Meldung des heutigen Tages ist ein 1 :1 gegen eine Elf aus dem Main-Taunus-Kreis. Der Spielertrainer und Teamchef Manfred Schaub hat die Mannschaft geführt, und Herr Kollege Wintermeyer hat das Ganze organisiert. Die Leberechtstiftung hat 310 c bekommen. Unser Torschütze – wir haben ihn von der Landesregierung ausgeliehen – war Herr Derix. Das nächste Spiel der Landtagself findet am 27. April in Erbach im Rheingau statt.Wann Fanbusse fahren, wird noch bekannt gegeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt kommen wir zu unserer Tagesordnung. Ich rufe Tagesordnungspunkt 51 auf:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend Deutschland hat Besseres verdient als Rot-Grün – Drucks. 16/3759 –

sowie Tagesordnungspunkt 79:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend die Brandstifter spielen Biedermann – Hessen-CDU missbraucht Arbeitslosenstatistik für Polemik – Drucks. 16/3784 –

und Tagesordnungspunkt 86:

Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend großartige Rede des Bundespräsidenten – „Die Ordnung der Freiheit“ – und seine berechtigte Mahnung an die Politik im Bund und in den Ländern – Drucks. 16/3793 –

Wir haben eine Redezeit von 15 Minuten pro Fraktion vereinbart. Ich erteile Herrn Boddenberg für die Fraktion der CDU das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Hiobsbotschaften reißen nicht ab.Wir haben erst vor wenigen Wochen die erschreckende Zahl von 5,2 Millionen Arbeitslosen zur Kenntnis nehmen müssen. Schon gibt es die neue Hiobsbotschaft – wir werden von ihr nicht überrascht; denn das ist schon fast ein übliches Prozedere in diesem Land geworden –, dass der Weltwährungsfonds die Wachstumsprognose für dieses Jahr von 1,6 % auf 0,8 % halbiert.

Es mag ja sein, dass sich der eine oder andere an solche Nachrichten schon gewöhnt hat.Wir, die hessische Union, werden uns an solche Zahlen keinesfalls gewöhnen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir werden die ganze Wirtschaftskraft Hessens weiterhin nutzen und damit dazu beitragen, dass die Bundesrepublik Deutschland endlich wieder auf einem der vorderen Plätze unter den Industrieländern landet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von Rot-Grün, wenn Sie im Zuge der Visaaffäre damit begonnen haben, das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ wegen angeblich tendenziöser Berichterstattung zu kritisieren, ist das Ihre Sache. Wenn Sie den „Spiegel“ jetzt aber deswegen kritisieren, weil er die vielen Zitate von Vertretern der Bundesregierung zum Thema „Arbeitsmarkt“ 1 : 1 veröffentlicht, ist das nicht nachvollziehbar. Denn es ist nun einmal Fakt, dass Sie die Menschen in diesem Land hinsichtlich der wirtschaftlichen Erwartungen und mit Ihren Arbeitsmarktprognosen seit Jahren hinters Licht führen.

(Beifall bei der CDU)

Der Bundeskanzler hat vor der Bundestagswahl von einer Halbierung der Arbeitslosigkeit gesprochen, der Bundeswirtschaftsminister hat noch vor einem Jahr gesagt: „Das Tal der Tränen ist durchschritten“, und am Ende des Jahres 2004 hat der Bundeskanzler gesagt: „Wir haben jedenfalls mit der Arbeitsmarktreform unser Möglichstes zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit getan“. Das ist, gelinde gesagt, ein arbeitsmarktpolitischer Skandal in diesem Land, wie es ihn noch nie gegeben hat.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn Sie davon sprechen, dass allein die Statistik schuld sei, sind Sie an vielen Stellen zu widerlegen. Denn wenn alle Verschleierungen, die Sie in den letzten Jahren vorgenommen haben, um nicht das wahre Ausmaß der Arbeitslosigkeit öffentlich werden zu lassen, herausgerechnet werden, können Sie auch Hartz IV herausrechnen und sind immer noch bei 5 Mil

lionen Arbeitslosen. Das ist das Ergebnis rot-grüner Politik, die Sie seit sechs Jahren zu verantworten haben.

(Beifall bei der CDU)

Der Stillstandsantrag,den Sie heute in dieser Debatte einbringen,spricht Bände.Sie weisen darin nämlich nicht nur der Statistik die Schuld zu, sondern Sie versuchen auch noch, vieles von dem zu rechtfertigen, was Rot-Grün verbockt hat.

An dieser Stelle muss man vor allen Dingen Ihrem ständigen Vorwurf begegnen, die CDU/CSU übe sich in Bremsertätigkeit, wie Sie formuliert haben. Ja, wer treibt denn in diesen Tagen die Bundesregierung und den Bundeskanzler dazu, sich endlich des wichtigsten Themas in dieser Legislaturperiode und sicher auch in den nächsten Perioden so anzunehmen, wie das erforderlich ist?

(Beifall bei der CDU)

Wenn der Bundespräsident in seiner gestrigen Rede davon gesprochen hat, dass Regierung und Opposition in patriotischer Verantwortung für dieses Land stehen, sagen wir: Recht hat der Bundespräsident. Wir werden uns dieser Verantwortung im Gegensatz zu Ihnen stellen; denn bei Ihnen haben Herr Müntefering und Herr Stiegler schon versucht, alle seriösen Vorschläge zu ironisieren, die vonseiten der Union vorgetragen worden sind.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da müssen Sie selbst lachen!)

Meine Damen und Herren, wir wissen, woran die Handlungsunfähigkeit der Bundesregierung in erster Linie liegt und worin sie begründet ist. Sie ist zum einen darin begründet,dass der Bundeskanzler Angst vor seiner eigenen Partei hat. Er hat nicht nur den Bundesvorsitz abgegeben, sondern er hat danach auch aufgehört, sich mit seiner Partei im Diskurs zu beschäftigen.

Der zweite Grund für die Misere in diesem Land ist der grüne Koalitionspartner. Denn die GRÜNEN haben bis heute nicht gelernt, dass sie aufgrund ihrer Verhinderungs- und Verweigerungspolitik ein hohes Maß an Verantwortung für das desaströse Ergebnis auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu tragen haben.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich ist es nachvollziehbar, dass man den Streit nicht unbedingt gerne sucht. Sie haben im Jahr 2004 erlebt, dass die CDU mit ihrer Schwesterpartei um die Gesundheitsreform gerungen hat. Sie haben das vielfach belächelt und mit wüsten Kommentaren versehen – aber mit dem Ergebnis, dass wir ein Konzept haben, während Sie bis heute eine Antwort auf die Frage schuldig bleiben, wie Sie sich eine Strukturreform im Gesundheitswesen vorstellen.

(Reinhard Kahl (SPD): Was, lesen Sie keine Zeitung?)

Wir werden Sie weiter danach fragen. Vor allem werden die Wählerinnen und Wähler Sie weiter danach fragen.

Wir wollen auch gar nicht verhehlen, dass wir, wenn es um die Modernisierung des Arbeitsmarktes geht, auch intern in der CDU gestritten und gerungen haben, allen voran unser Fraktionsvorsitzender als Hauptverantwortlicher für dieses Kapitel im Leitantrag auf dem letzten Bundesparteitag.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben mit den Arbeitnehmervertretern, mit den Arbeitgebern gemeinsam um die Lösungen und die Ergeb

nisse gerungen, die wir am Ende in dieses Papier geschrieben haben. Das hat uns nicht nur Applaus von der Wirtschaft, sondern auch Kritik von Gewerkschaften, aber auch von unseren eigenen Arbeitnehmern eingebracht, aber am Ende auch die Erkenntnis gebracht, dass wir alle der Auffassung sind, dass wir gemeinsam mit teilweise auf den ersten Blick unattraktiven Lösungen den Problemen dieses Landes begegnen müssen.

Meine Damen und Herren, waren es früher sicherlich immer wieder die Fragen des Arbeitsmarktes und des Wirtschaftwachstums, über die wir diskutiert haben, kommt jetzt noch erschwerend eine äußerst dramatische weitere Komponente hinzu. Früher konnten sich die Menschen, wenn nicht auf ihre Arbeitsplatzsicherheit, dann doch wenigstens darauf verlassen, dass ihr Einkommen und Erspartes werthaltig geblieben ist. Eine weitere, vielleicht die größte Sünde, die Sie in diesen Tagen begehen, ist das Aufweichen des Stabilitätspaktes des Euro in Brüssel.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ausgerechnet diejenigen, die in schwierigen Verhandlungen unter Verantwortung des Bundeskanzlers Helmut Kohl erreicht haben, dass diese Kriterien so sind, wie sie heute sind, damit wir den Menschen sagen konnten, dass sie Vertrauen haben dürfen in die Stabilität der neuen Währung, genauso wie sie Vertrauen hatten in die alte Währung, genau diejenigen, die das seinerzeit im Positiven verantwortet haben, nämlich die Bundesrepublik Deutschland, sind diejenigen, die sich jetzt an die Spitze derjenigen stellen, die sagen: Wenn wir nicht in der Lage sind, die Regeln einzuhalten, verändern wir halt die Regeln.– Das ist keine seriöse Art von Politik,und das ist der Grund für das Misstrauen der Menschen in diesem Land gegen die Politik insgesamt.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man sich anschaut, warum wir in dieser schwierigen Lage sind, was die öffentlichen Haushalte und insbesondere den Bundeshaushalt anbelangt, dann muss man als Weiteres feststellen,dass es Gelegenheiten gegeben hätte, den Bundeshaushalt zumindest in Teilen zu konsolidieren. Kein Finanzminister vor Hans Eichel hat solche Volumina bei Verkaufserlösen erzielt wie eben dieser Hans Eichel. Seit 1999 sind über die Verkäufe verschiedener Vermögensteile der Bundesrepublik Deutschland 100 Milliarden c Erlöse erzielt worden. In den gesamten Neunzigerjahren war es gerade ein Zehntel dieses Betrages.

Meine Damen und Herren, wir hätten die Kraft gehabt, bei der Konsolidierung des Haushaltes einiges zu erreichen. Sie haben es versäumt, weil Sie an vielen Stellen Löcher stopfen mussten, die Sie an anderer Stelle verantwortet und verursacht haben.

Ein Weiteres trägt zum Misstrauen und zur Unsicherheit der Menschen bei. Auch das thematisieren Sie in Ihrem Antrag. Die Rentnerinnen und Rentner hatten in diesem Lande einmal das Gefühl, dass man sich auf die staatliche Rente verlassen könnte.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unter Blüm, oder was?)