Ich eröffne die Sitzung und heiße Sie alle sehr herzlich willkommen. Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.
Es sind noch einige Tagesordnungspunkte offen. Das sind die Punkte 15 bis 26, 28 bis 34, 36, 38 bis 40, 42 und 43, 45 und 46, 48 bis 50, 56, 62 bis 67, 71, 73 bis 75 sowie 78 bis 80. Es ist also noch einiges zu tun.Vereinbarungsgemäß tagen wir heute bis zur Erledigung der Tagesordnung, bei einer Mittagspause von einer Stunde.
Meine Damen und Herren, seien Sie bitte so lieb und widmen mir Ihre ungeteilte und sehr huldvolle Aufmerksamkeit.
Wir beginnen mit den Anträgen für eine Aktuelle Stunde. Die Redezeit beträgt fünf Minuten je Fraktion.
Heute feiern wir einen Geburtstag. Unser Freund und Kollege, Herr Abg. Mathias Wagner (Taunus), feiert heute seinen 33. Geburtstag. Ich darf dir im Namen des gesamten Hauses die allerherzlichsten Glückwünsche aussprechen sowie alles Gute und Gottes Segen.
Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Galileo darf nicht sterben) – Drucks. 16/7107 –
Das Wort hat Frau Kollegin Ruth Wagner. – Meine Damen und Herren, ich bitte Sie jetzt um Aufmerksamkeit. Das gilt vom Beginn der Sitzung an.
Kolleginnen und Kollegen, Herr Präsident! „Galileo darf nicht sterben“, das ist ein schöner Titel, der von unseren Öffentlichkeitsarbeitern offensichtlich aufgrund eines alten Filmtitels ausgedacht worden ist, der da heißt: „Serengeti darf nicht sterben“.
Dieser Titel zeigt, dass wir alles dafür tun müssen – das ist sicherlich allgemeine Überzeugung –, dass die Erde ökologisch wieder in Ordnung kommt, auch müssen wir hierfür unsere technischen Möglichkeiten nutzen. Galileo ist ein solches Projekt, und es ist in diesem Hause von allen Fraktionen gemeinsam unterstützt worden.
Im Jahre 2000 hat sich die Idee gefestigt, Satelliten – es sind insgesamt 30 geplant – ins Weltall schießen zu können, um so ein neues Navigationssystem zu entwickeln, welches die Europäer verbindet und ihnen die Möglichkeit gibt, nicht nur mit dem amerikanischen GPS-System in Wettbewerb zu treten, sondern neue Felder der Innovation, Technologie, industriellen Anwendung sowie Vermarktung zu finden.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung – auch wir haben das sehr unterstützt – hat mit einem Grundkapital von über 1,1 Millionen DM im unmittelbaren Um
feld der ESOC/ESA in Darmstadt ein Gründerzentrum gegründet, und sie hat dafür Partner gewonnen, wie die Stadt Darmstadt, die Hochschulen, das Fraunhofer-Institut sowie private Firmen wie T-Systems und andere. Das halte ich für ganz wichtig,da ein solches Projekt nur in Kooperation mit privaten Wirtschafts-, Hochschul- und Forschungseinrichtungen funktioniert.
Meine Damen und Herren, Sie erinnern sich sicherlich noch daran:Wir hatten in Deutschland – schon fast traditionell – im Vorfeld des letzten Jahres zwischen Oberpfaffenhofen in Bayern, Darmstadt sowie Rom und Toulouse einen Streit darüber, wo das Kontrollzentrum errichtet werden soll. In den letzten Tagen schrillen bei uns die Alarmglocken, denn es sieht nun so aus, als seien nationale Interessen wie z. B. die Interessen Spaniens oder Frankreichs gewichtiger als das gemeinsame europäische Projekt, auf das man sich verständigt hat. Es geht offensichtlich – das sage ich ganz klar und hart – um einen Kampf um Geld, Einfluss und Macht der beteiligten Firmen und halbstaatlichen Institutionen in Europa wie z. B. EADS und T-Systems.
Meine Damen und Herren,wenn wir nicht auch in Hessen dazu beitragen – das passt zur europäischen Diskussion der vergangenen Tage –, dass diese nationalen Egoismen
und die Egoismen der Unternehmen zugunsten eines gemeinsamen europäischen Innovationsprojektes überwunden werden, dann sind nicht nur die Europäer Verlierer, sondern auch die Deutschen und im Speziellen das RheinMain-Gebiet.
Wir haben eine Berechnung, die besagt, dass wir aus diesem Technologieprojekt über 60 Milliarden c gewinnen können, die für Hessen in den unterschiedlichsten Bereichen einen erheblichen Arbeitsplatzzuwachs bringen würden. Wir haben deshalb diesen Punkt zum Gegenstand der Aktuellen Stunde gemacht, weil wir unterstützen wollen, dass sich die Landesregierung im Vorfeld einklinkt. Ich weiß, dass sie das im Vorfeld aller deutschen Verkehrsminister tut.
Die 27 europäischen Verkehrsminister haben zu Recht die Kommission aufgefordert, bis zum 20. Mai dieses Jahres klare Strukturen und Entscheidungen vorzulegen, und in Verbindung mit dem Verkehrskommissar Jaques Barrot eine Frist gesetzt, die besagt: Bis zur Juni-Sitzung der Kommission muss es nicht nur ein Konzept zur anteiligen Finanzierung und die Strukturierung geben, sondern auch eine Entscheidung über die anteiligen Aufgaben fallen.
Meine Damen und Herren, ich finde es auch sehr richtig, dass man am Anfang gesagt hat, falls dies scheitere, müsse es eine Worst-Case-Systematik geben, denn es kann nicht sein, dass wir so viel Geld aufs Spiel setzen und dass Europa sein Renommee wieder einmal aufs Spiel setzt, indem es möglicherweise ein so großes Technologieprojekt genauso scheitern lässt, wie es gerade das Airbus-Projekt in Gefahr bringt oder zumindest zu dessen Verzögerung beiträgt.
Meine Damen und Herren, Hessen muss sich mit dem Rhein-Main-Gebiet – dessen großen Forschungseinrichtungen und bedeutenden Unternehmen, die partizipieren könnten, sowie der Hoffnung der Region, eine große Anzahl von neuen, innovativen und qualifizierten Arbeitsplätzen hinzubekommen zu können – an diesem Projekt beteiligen.Wir möchten daher darum bitten,dass die Lan
desregierung heute Morgen klar erklärt, dass sie weiterhin an diesem für Hessen so zukunftsträchtigen Projekt arbeitet. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir kennen alle das GPS-System aufgrund unserer Navigationssysteme und der Diskussion darüber. Fast jeder hat heute ein Navigationssystem.
Genau, wenn es denn funktioniert. – Es wurde von dem amerikanischen Militär entwickelt und wird auch von ihm finanziert und kontrolliert. Die europäische Antwort auf das GPS-System ist das Galileo-System, das entwickelt werden soll. Das GPS-System und das Galileo-System sind kompatibel. Aber das europäische System soll genauere Daten liefern, und es soll damit vor allem für uns Europäer ungeahnte Anwendungsmöglichkeiten bieten können.
Die Hessische Landesregierung hat in den letzten Jahren die Grundlage dafür geschaffen, dass Galileo auch nach Hessen und Darmstadt kommt. Hierfür haben sich Ministerpräsident Koch und Minister Dr. Rhiel besonders erfolgreich engagiert.
Für Hessen lautet das Ergebnis: Während der Startphase werden von den geplanten 30 Satelliten rund 15 Satelliten von Darmstadt aus gesteuert. Um dies zu erreichen, waren viele Gespräche, Veranstaltungen und Beratungen in Berlin und Brüssel notwendig. Dort hatten sich fünf europäische Unternehmen konkurrierend um Galileo beworben. Es bedurfte eines sanften Drucks – ich will es an dieser Stelle ein Stück abkürzen –, um sie zu einer Zusammenarbeit zu verpflichten. Damit beginnen die Probleme, und daher ist es auch zu den aktuellen Verzögerungen gekommen.
Wenn man aber die Marktchancen und das enorme Potenzial an Innovationen betrachtet, die mit Galileo verbunden sind, dann stellt man fest: Galileo muss ein Erfolg werden. Ich begrüße es daher, dass sich die Hessische Landesregierung der zusätzlichen Vermarktung der künftigen Galileo-Anwendungen zugewandt hat.
Dazu wurde das Zentrum für Satellitennavigation in Darmstadt gegründet. Frau Wagner hat bereits davon gesprochen. Zu ihm gehören das Land Hessen, die TU, die Hochschule Darmstadt, T-Systems, die Vega Informations-Technologien GmbH,die INI-GraphicsNet Stiftung, das Fraunhofer-Institut und auch die Wissenschaftsstadt Darmstadt. Diese Gesellschaft soll die Anwendungsmöglichkeiten sondieren und das dann auch umsetzen.
Galileo wird eine Fülle an Anwendungen bieten.Es bietet ein enormes Potenzial an neuen und zukunftsträchtigen Arbeitsplätzen auch für Hessen. Die Anwendungspalette
reicht von Verkehrstelematik über den Telekommunikationsbereich, den Hochwasserschutz und das Vermessungswesen bis hin zum Umweltschutz. Damit habe ich nur einige Beispiele genannt.
Die Satellitennavigation ist eine Zukunftsbranche. Das dürfen wir Europäer nicht den Amerikanern und den Russen überlassen.
Europa darf nicht auf diese Schlüsseltechnologie verzichten. Galileo kann die größte Genauigkeit für die kommerzielle Anwendung bieten.Deshalb ist es dringend notwendig, Galileo einzuführen.
Ich will ein Beispiel aus der aktuellen Diskussion nennen. Auch der Blindenbund hat angefragt, wie man Galileo ganz pragmatisch nutzen kann. Denn das System arbeitet so genau, dass Blinde es nützen können. Es arbeitet im Gegensatz zu dem GPS millimetergenau, dem amerikanischen System, dessen Genauigkeit teilweise gestört wird und das deshalb diese Genauigkeit nicht hat. Man sieht also, dass es ein hohes Interesse an der Nutzung dieser Technologie gibt.
Die Hessische Landesregierung hat das längst erkannt und hat sich ganz besonders auch für den Standort Darmstadt engagiert. Frau Wagner hat das ebenfalls erwähnt. Es gab mit Oberpfaffenhofen Konkurrenz aus Bayern. Es gab auch Konkurrenz aus anderen europäischen Ländern. Das war also ein schwieriges Feld.
Der Hessischen Landesregierung ist es aufgrund ihrer klugen Verhandlungen gelungen,dafür zu sorgen,dass das nach Darmstadt gekommen ist. Sie hat damit diesen Technologiestandort weiter gestärkt.
Gerade für dieses Engagement bezüglich des Standorts Darmstadt bin ich als Darmstädter dankbar. Darmstadt hat sehr viel technischen Know-how zu bieten. Dazu gehören ESA und ESOC. Sie bilden das Tor Hessens zum Weltall. Das wollte ich an dieser Stelle auch einmal sagen. Dazu gehörten auch die beiden Hochschulen, die unwahrscheinlich gute und leistungsfähige Abteilungen hinsichtlich der Forschung und der Anwendung haben.
Zusammenfassend lässt sich Folgendes sagen: Die gegenwärtig bestehende Situation auf europäischer Ebene muss gelöst werden. Die Landesregierung, aber auch die Bundeskanzlerin in ihrer Funktion als Präsidentin des Europäischen Rats werden ihren Einfluss geltend machen, damit dieses Zukunftsprojekt so zügig wie möglich realisiert wird.
Es gibt also keinen Grund, das unter den negativen Titel zu stellen: „Galileo darf nicht sterben“. Frau Wagner, ich glaube, wir sollten ein positives Zeichen setzen und sagen: Galileo muss trotz dieser schwierigen Situation unbedingt ein Erfolg werden. Denn das ist wichtig für Hessen und für Europa. – Herzlichen Dank.