Protocol of the Session on March 29, 2006

Meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen!

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsident!)

Das müssen wir noch üben. Den Verhaltenskodex lege ich Ihnen demnächst vor, die Schulordnung. Das wird ein Konsensmodell werden. Das ist klar.

(Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann wollen wir aber auch die Glocke bekommen! Einen richtigen Einzug!)

Es gibt einen richtig großen Gong. Ich glaube, dann ist die Frage, ob das Aufstehen der Schüler eine autoritäre Maßnahme oder eine Frage der Konzentrationsfindung ist, sehr schnell beantwortet.

(Christel Hoffmann (SPD): Darüber können wir lange streiten!)

Aber, bitte schön, nicht jetzt. Ich darf hier oben doch nicht.

Meine Damen und Herren, ich stelle fest, dass der Hessische Landtag beschlussfähig ist. – Ich höre keinen Widerspruch.

Wir haben die Punkte 1 bis 5, 42, 49, 57, 59, 61, 74 und 82 erledigt. Wir tagen heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden.

Wir beginnen mit dem Tagesordnungspunkt 54, Antrag der Fraktion der CDU betreffend Hessen Spitzenzahler im Länderfinanzausgleich – Solidarität ist keine Einbahnstraße, Drucks. 16/5418. Dann folgt Tagesordnungspunkt 43,Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Kleinkind- und Hortbetreuung. Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 11, der zusammen mit Tagesordnungspunkt 79 aufgerufen wird; das ist die Sparkassendebatte.

Meine Damen und Herren, eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Hochschulbau in Hessen,Drucks.16/5446.Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 83, und wir rufen ihn gemeinsam mit den Tagesordnungspunkten 22 und 34 auf.Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Wir gratulieren heute einem Kollegen zu einem jungen Geburtstag mit 32 Jahren: Lieber Herr Wagner, Gratulation des ganzen Hauses und alles Gute für das kommende Lebensjahr.

(Allgemeiner Beifall – Schriftführerin Abg. Ilona Dörr (Bergstraße) überreicht Abg. Mathias Wagner (Taunus) einen Blumenstrauß.)

Odenwald grüßt Taunus. – Jetzt könnten wir eigentlich schon schließen.

(Heiterkeit und Beifall)

Aber nein, es geht ums Geld. Ich rufe Tagesordnungspunkt 54 auf:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend Hessen Spitzenzahler im Länderfinanzausgleich – Solidarität ist keine Einbahnstraße – Drucks. 16/5418 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt 15 Minuten je Fraktion. Zur Eröffnung der Debatte hat Abg. Milde für die Fraktion der CDU das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei so viel Harmonie am frühen Morgen kann ich nur sagen: Diese Harmonie sollten wir auch haben, wenn es darum geht, dass wir uns als Land Hessen im Länderfinanzausgleich positionieren. Denn da ist Hessen Spitze, und darauf sollten wir zunächst einmal alle gemeinsam stolz sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Reinhard Kahl (SPD): Das war schon der erste Fehler!)

Herr Kahl,daraus sehen Sie auch schon,dass wir diese Solidarität nach außen tragen.Wir tun das, was wir tun müssen, auch gerne. Aber es muss einmal festgehalten werden,

(Zuruf des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

dass Hessen unter allen Bundesländern pro Kopf den höchsten Beitrag in den Länderfinanzausgleich leistet. Für jeden Hessen zahlen wir 261 c in den Länderfinanzausgleich ein. Der nächste Zahler ist Hamburg mit 217 c pro Bürger, dann Baden-Württemberg mit 206 c pro Kopf der Bevölkerung. Bayern zahlt nur 178 c pro Bürger, und dann kommt nur noch ein einziges Land, nämlich Nordrhein-Westfalen, das pro Kopf 27 c in den Länderfinanzausgleich einzahlt.

Daran kann man erkennen, wie schwierig es ist, mit diesem Geld elf andere Bundesländer zu finanzieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Reinhard Kahl (SPD):Was ist daran so neu?)

Meine Damen und Herren, bei dieser Gelegenheit muss man sich einmal die Gesamtzahlen anschauen. Insgesamt fließen in den Länderfinanzausgleich fast 33 Milliarden c. Ein durchaus hoher Anteil davon fließt auch aus Zahlungen des Bundes, aber ebenfalls ein sehr hoher Anteil – rund 10 Milliarden c – fließt aus dem Umsatzsteuervorwegabzug. Das ist ein weiterer Betrag, der in den Zahlungen unseres Länderfinanzausgleichs gar nicht enthalten ist.Auch das ist Geld, das den Hessen verloren geht, wenn es darum geht, einen Landeshaushalt aufzustellen. Diesen Betrag müsste man noch obendrauf rechnen.

Man muss sich auch einmal anschauen, welche Beträge für die Schulden aufgebracht werden müssen. Das Land Hessen – von Ihnen immer so kritisiert – hat im Jahr 2005 die zweitniedrigste Nettoneuverschuldung in Deutschland erreicht.

(Lachen bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das ist nicht selbstverständlich. Vor uns lag nur Sachsen. Unter den westlichen Flächenländern Deutschlands haben wir also mit Abstand – noch vor Bayern – die niedrigste Nettoneuverschuldung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ja, da kann man einmal klatschen. Wenn nur noch ein Land vor uns liegt, nämlich Sachsen, dann gehört zur ganzen Wahrheit – wir kritisieren das nicht –, dass Sachsen aus dem Topf des Länderfinanzausgleichs etwa 1 Milliarde c erhält, während wir in den Länderfinanzausgleich über 1,5 Milliarden c einzahlen. Meine Damen und Her

ren, diesen Vergleich müssen wir mit allen anderen Ländern anstellen.

Deshalb sollte man sich insgesamt schon einmal anschauen, wie sich die Zahlungen der anderen Länder und die Nettoneuverschuldung darstellen.Wenn Hessens Bürger 261 c in den Länderfinanzausgleich einzahlen, dann nehmen wir pro Bürger 127 c neue Schulden auf – traurig, aber notwendig. Das Land Hamburg, das für jeden Bürger 217 c in den Länderfinanzausgleich zahlt, nimmt aber schon 374 c neue Schulden pro Bürger auf. BadenWürttemberg zahlt für jeden Bürger 206 c in den Länderfinanzausgleich ein, und für jeden werden 157 c neue Nettoschulden aufgenommen. Bayern zahlt für jeden Bürger 178 c in den Länderfinanzausgleich,und für jeden werden 148 c neue Schulden aufgenommen. Ein Land wie Nordrhein-Westfalen, das 27 c pro Bürger in den Länderfinanzausgleich einzahlt, nimmt netto pro Bürger 369 c neue Schulden auf. Das ist die ganze Wahrheit, wenn es um die Finanzkraft der Hessen geht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist nicht richtig, wenn das immer kritisiert wird. Deswegen ist es für uns entscheidend, zu sagen: Jawohl, wir sind solidarisch, und wir sind auch gerne Spitzenzahler. Wer zahlt nicht gerne hohe Steuern, wenn er ein hohes Einkommen hat?

Meine Damen und Herren, aber Solidarität ist keine Einbahnstraße. – Gut, was die Steuern angeht, gibt es Ausnahmen.

Wenn jetzt einige Länder, insbesondere die eben genannten – auch finanzschwache – Länder diesen Solidarpakt in Frage stellen und sagen, sie brauchten noch mehr Geld aus dem Länderfinanzausgleich, dann muss ich sagen, irgendwo ist die Grenze der Solidarität auch der Hessen gegenüber anderen Ländern erreicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Viele haben gesagt: Das, was bei der Neugliederung des Länderfinanzausgleichs erreicht wurde, ist kaum wahrnehmbar.

Natürlich ist es nicht wahrnehmbar, denn es gibt kein Etikett, auf dem steht: So viel hat Hessen eingespart, weil Karlheinz Weimar und Roland Koch einen guten Kompromiss beim Länderfinanzausgleich erreicht haben. Die Fakten aber sind, dass wir – der Finanzminister wird dazu nachher eine Zahl nennen – nach dem Kompromiss, den Karlheinz Weimar vereinbart hat, einen deutlich dreistelligen Millionenbetrag weniger in den Länderfinanzausgleich einzahlen müssen als vor diesem Kompromiss.

(Reinhard Kahl (SPD): Was? Das will ich aber sehen!)

Das ist sehr viel Geld, wenn ich sehe, wie oft wir uns hier über ein paar Hunderttausend Euro oder ein paar Millionen Euro im Haushalt streiten müssen.Meine Damen und Herren, insgesamt darf das föderale System nicht dazu führen,dass aus reichen Ländern arme Länder und aus armen Ländern reiche Länder werden. Natürlich muss es so sein: Ein Land wie Hessen, das vor dem Länderfinanzausgleich auf Platz eins der Finanzkraft in Deutschland steht, muss logischerweise auch nach dem Länderfinanzausgleich auf Platz eins stehen.Alles andere wäre Unfug.

Wir brauchen ein Anreizsystem in Deutschland. Das ist schon ein gutes Stück in dem Kompromiss, den Karlheinz Weimar erreicht hat, enthalten; aber es führt natürlich immer noch nicht dazu, dass finanzschwache Länder einen

hohen Anreiz haben, ihre Steuerkraft zu verbessern. Denn nicht Investitionen werden beim Länderfinanzausgleich als Anreiz gefördert, da es im Länderfinanzausgleich keine Mittelbindung für das Geld gibt, das jemand bekommt. Das ist nicht richtig. Ich möchte keine Überwachungsbehörde, die kontrolliert, was in den anderen Länderhaushalten ausgegeben wird. Aber es kann doch nicht richtig sein, dass wir klaglos hinnehmen, dass in anderen Bundesländern, die finanzschwach sind, die Mittel, die wir mit hohem Aufwand dort einspeisen, einfach konsumtiv im Haushalt ausgegeben werden.

(Michael Denzin (FDP): Das geht nicht!)

Das geht nicht, meine Damen und Herren. Es kann nicht sein, dass sich andere Bundesländer Dinge leisten können, die wir uns in Hessen nicht leisten können, weil wir einen hohen Solidarbeitrag in den Länderfinanzausgleich zahlen.

Deswegen ist es richtig, dass sich die Bemessung des Länderfinanzausgleichs in Zukunft daran orientiert, was mit dem Geld geschieht, das dort ausgegeben wird. Sind das investive Ausgaben, die dazu führen, die Wirtschaftskraft in diesen Ländern zu stärken? Das müsste ja das Ziel sein. Übrigens gibt es mit Ausnahme Bayerns kein Beispiel in ganz Deutschland dafür, dass aus einem Nehmerland ein Zahlerland nach dem Krieg geworden ist. Das kann ja auch nicht sein.Das Ziel muss doch sein,dass mit den Mitteln, die z. B. die Hessen aufbringen, finanzschwache Länder eine Wirtschaft aufbauen, damit sie sich im Vergleich mit den anderen Ländern selbstständig behaupten können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Richtig ist auch, dass wir uns als Hessen nicht immer mit anderen Ländern in Deutschland vergleichen dürfen.Wir müssen sehen, dass sich Regionen wie Rhein-Main nicht mit Leipzig oder mit Hamburg vergleichen, sondern sie müssen sich vergleichen mit Paris, mit Barcelona oder mit London.Deswegen ist es wichtig,dass ein Bundesland wie Hessen auch nach dem Länderfinanzausgleich noch so viel Geld in die eigene Infrastruktur stecken kann, dass es den globalen Wettbewerb mit anderen Regionen bestehen kann.

Deswegen ist es richtig, dass ein Anreizsystem geschaffen wird. Wer höhere Steuereinnahmen hat, der muss mehr davon behalten können. Das gilt für die Spitzenzahler im Länderfinanzausgleich; das gilt aber auch für die finanzschwachen Länder. Das ist wahrscheinlich die einzige Chance. Man muss logischerweise sehen, dass wir, wenn von 16 Bundesländern nur fünf Länder einzahlen und davon ein Land eigentlich noch auf der Kippe steht, was im Prinzip ein Verhältnis 12 : 4 bedeutet, im Bundesrat keine Mehrheit dafür finden, dass wir mehr aus dem Länderfinanzausgleich herausbekommen. Das ist natürlich am Anfang eine schwierige Sache.

Wenn wir es allerdings schaffen, dass bei der Neuordnung des Länderfinanzausgleichs eine Form des Übergangs gefunden wird, bei der kein Land zunächst einmal in absoluten Zahlen weniger hat, sondern nur die Zuwächse anders verteilt werden, dann glaube ich, dass es durchaus eine Chance gibt, weil das auch den schwachen Ländern einen Anreiz bietet, mehr für ihre Wirtschaft zu tun und das Geld nicht in den Konsum, sondern in Investitionen zu stecken, damit die Wirtschaft wächst.