Andreas Bausewein

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Last Statements

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf hat zwei Hauptzielsetzungen. Zum einen wird die bisherige Berufsakademie Thüringen mit ihren beiden Studienabteilungen Eisenach und Gera aufgelöst. An ihre Stelle treten nun die Berufsakademien Eisenach und Gera. Zum anderen werden die bisher verliehenen
Diplomgrade der Berufsakademie durch BachelorAbschlüsse ersetzt. Beide Punkte finden unsere Unterstützung. Die SPD hat sich seit langem immer wieder für die Eigenständigkeit der beiden Studienabteilungen Eisenach und Gera eingesetzt. Dieses Ziel wird mit dem Gesetzentwurf zwar nicht erreicht, denn die beiden künftigen Berufsakademien in Eisenach und Gera verfügen über keine eigene Rechtspersönlichkeit, so dass von einer wirklichen Eigenständigkeit noch keine Rede sein kann, aber immerhin wird ein erster Schritt in die richtige Richtung getan. Das erkennen wir durchaus an. Was wir allerdings für wenig alltagstauglich halten, ist die in der Begründung des Gesetzentwurfs gegebene Definition der beiden künftigen Berufsakademien. Dort heißt es auf Seite 20 des Gesetzentwurfs - Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich -: „Die Berufsakademie besteht nicht in einem institutionellen, sondern allenfalls in einem funktionellen Sinn, in dem sie ihre Bildungsaufgabe durch das Zusammenwirken von Staatlicher Studienakademie mit den beteiligten Praxispartnern erfüllt.“ Ich gebe zu, dass ich diesen im herrlichsten und wunderbarsten Amtsdeutsch formulierten Satz zweimal lesen musste, bevor sich mir der Sinn endgültig erschlossen hat. Die Berufsakademien existieren demnach im juristischen Sinne nicht wirklich, sondern mangels einer eigenen Rechtspersönlichkeit quasi nur virtuell. Das hätte man auch einfacher formulieren können, zumal sich derartige Klein-Klein-Definitionen im Alltagsbewusstsein sicherlich nicht lange halten werden. Die Bürgerinnen und Bürger in Eisenach und Gera werden von ihren Berufsakademien sprechen; alles andere ist letztendlich irrelevant.
Die Umstellung auf die Bachelor-Abschlüsse ist ebenfalls zu begrüßen, denn damit wird ein KMKBeschluss vom 15. Oktober 2004 zur Einordnung der Berufsakademiebildungsgänge in die konsekutive Studienstruktur umgesetzt. So werden nicht nur die beiden künftigen Berufsakademien in den Bologna-Prozess eingebunden, auch für die Studierenden der Berufsakademien ist dieser Schritt von Vorteil. Durch die rechtliche Gleichstellung der an den anderen Berufsakademien erzielten Abschlüsse mit dem Bachelor-Grad staatlicher Hochschulen wird ihnen nun der Zugang zum Masterstudium und damit ein wichtiger Bereich weiterer akademischer Profilierung eröffnet. Vor dem Hintergrund zunehmenden Wandels in der Berufs- und Arbeitswelt, der ja auch die Notwendigkeit permanenter Kompetenzaneignung und -erweiterung mit sich bringt, erscheint eine solche Erschließung weiterführender Qualifikationsmöglichkeiten als überaus sinnvoll.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, eines ist deutlich geworden: Unsere Kritik macht
sich nicht an den Hauptzielsetzungen der Novelle fest; dennoch gibt es einzelne Details des Gesetzentwurfs, die durchaus kritisch zu sehen sind. So ist geplant, den beiden künftigen Berufsakademien ein beratendes, gemeinsames Kollegium beizugeben. In ihm sind zwar beide Berufsakademien durch ihren jeweiligen Leiter vertreten, den Studierenden soll aber jeweils nur ein einziger Vertreter zugestanden werden. Hier erscheint es uns sinnvoller, dass die Studierendenschaft jeder Berufsakademie einen eigenen Delegierten entsendet. Angesichts der ohnehin vollzogenen Aufwertung der Standorte Eisenach und Gera wäre dies nur konsequent. Des Weiteren besteht beim Kollegium ein Ungleichgewicht zwischen Repräsentanten der Unternehmensseite - dort gibt es zwei Vertreter - und den Repräsentanten der Gewerkschaften - dort gibt es nur einen Vertreter. Dieses Missverhältnis muss nach unserer Auffassung zugunsten einer paritätischen Vertretung beider Seiten aufgelöst werden.
Ferner ist laut Vorblatt des Gesetzentwurfs geplant, eine KMK-Vorgabe, wonach 40 Prozent der Lehrveranstaltungen der Berufsakademien durch fest angestelltes Lehrpersonal zu leisten sind, nicht etwa durch entsprechende Neueinstellungen umzusetzen, sondern durch eine Verringerung des Studienangebots. Aus unserer Sicht geht eine derartige Lösung eindeutig zulasten der Studierenden und der kooperierenden Unternehmen und führt zu qualitativen Einbußen beim Bildungsangebot der Berufsakademien. Das Kultusministerium selbst gibt den Umfang der nötigen Neueinstellungen mit fünf bis sechs Lehrkräften und den daraus resultierenden zusätzlichen Finanzbedarf mit maximal 420.000 € pro Jahr an. Also es geht nicht nur um eine halbe Million Euro - eine derartige Summe muss nach unserer Auffassung im Sinne der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des Berufsakademiebildungsangebots in Thüringen doch wohl vom Lande aufzubringen sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese und auch weitere Detailfragen, auf die ich hier nicht explizit eingegangen bin, will meine Fraktion noch intensiver behandelt wissen; daher halten wir eine Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien für angebracht. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, von Konrad Adenauer ist der schöne Satz überliefert: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“ Genau das scheint auch die Haltung der Landesregierung gegenüber der Einführung von allgemeinen Studiengebühren darzustellen. Sie hat nämlich dem Landtag vor gar nicht allzu langer Zeit wiederholt versichert, dass es derartige Gebührenerhöhungen in Thüringen vorläufig nicht geben wird. So erklärte Kultusminister Prof. Dr. Goebel am 25. Februar des vergangenen Jahres hier im Plenum - ich zitiere: „Die Thüringer Landesregierung plant die Einführung von Studiengebühren nicht. Konkrete Planungen liegen nicht vor.“ Ähnlich hat sich Staatssekretär Bauer-Wabnegg am gleichen Tag in einer von meiner Fraktion beantragten Aktuellen Stunde geäußert - ich zitiere: „Um es noch mal im Namen des Kultusministeriums und der Landesregierung klarzustellen: Aktuelle Pläne existieren nicht.“ Wenig später, am 30. März des vergangenen Jahres, hat das Kultusministerium auf eine von mir eingebrachte Kleine Anfrage geantwortet - ich zitiere zum letzten Mal: „Allgemeine Studiengebühren sind seitens der Landesregierung derzeit weder geplant noch wurde erwähnt, dass deren Planung beabsichtigt oder in Vorbereitung sei.“
Wir haben das der Landesregierung schon damals nicht abgenommen und seit ein paar Tagen fühlen wir uns in unserer skeptischen Haltung gegenüber der Landesregierung bestätigt. Am 23. Mai dieses Jahres hat der Ministerpräsident den Medien gegenüber die Einführung allgemeiner Studiengebühren in Thüringen als „unvermeidlich“ dargestellt und als
konkreten Einführungszeitpunkt das Jahr 2009 benannt. In der OTZ ist Herr Althaus am Tag darauf sogar mit dem Satz zitiert worden: „Für Studiengebühren war ich schon immer.“ Beides widerspricht eindeutig den eingangs zitierten früheren Aussagen der Landesregierung. Sie müssen sich daher schon den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie offenbar versucht haben, den Landtag und die Öffentlichkeit an der Nase herumzuführen. Ein derartiges Verhalten ist für meine Fraktion schlicht inakzeptabel.
Aber nicht nur das Verfahren gilt es zu kritisieren, auch die geplante Einführung allgemeiner Studiengebühren selbst lehnt meine Fraktion entschieden ab. Das hat vor allem soziale Gründe. Aus unserer Sicht wird eine derartige Gebührenerhebung vor allem Kinder aus einkommensschwachen Familien von den Hochschulen fernhalten und damit die ohnehin schon vorhandene soziale Schieflage bei der Zusammensetzung der Studentenschaft noch weiter verstärken.
(Beifall bei der SPD)
Wenn wir im internationalen Bildungswettbewerb mithalten wollen, brauchen wir in den kommenden Jahren deutlich mehr und nicht weniger Studierende. Künftig müssen bis zu 40 Prozent eines Altersjahrgangs zur Hochschule geführt werden, das entspräche ungefähr dem OECD-Durchschnitt. Studiengebühren würden dabei auf jeden Fall kontraproduktiv wirken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist außerdem mitnichten so, dass mit der Einführung von Studiengebühren in den Bundesländern ein Stück europäische Normalität in Deutschland einzieht. Auch wenn wahrscheinlich etwas anderes gesagt wird im Vergleich zu nord- und westeuropäischen Staaten, dort sind Studiengebühren eher die Ausnahme als die Regel. In der alten Europäischen Union gibt es mehr Länder, die keine Studiengebühren haben, als Länder, die Studiengebühren haben. Ich glaube, auch in der Frage wäre es mal ganz sinnvoll, über den eigenen Tellerrand hinwegzuschauen.
Als letzten Punkt möchte ich noch kritisch erwähnen, dass es die Landesregierung auch mit dem Termin 2009 offensichtlich nicht allzu genau nimmt. Sie beabsichtigt nämlich offenbar eine scheibchenweise Einführung von Studiengebühren bereits vor 2009. Wie wir dem Referentenentwurf der Hochschulgesetzesnovelle entnehmen können, soll es bereits ab 2007 an den Hochschulen einen zusätzlichen Verwaltungskostenbeitrag von 50 € pro Semester und
pro Student geben. Das ist so eine Art Studiengebühren light; es geht wahrscheinlich dann darum, die Studenten schon mal vor 2009 an das zu gewöhnen, was da kommen wird.
Zu all diesen taktischen Manövern kann ich abschließend nur noch eines sagen: Mit uns, der Thüringer SPD, wird es 2009 keine Studiengebühren geben.
Das werden wir auch bis dahin immer wieder deutlich machen, damit die Bürger 2009 bei den Landtagswahlen wissen, was sie wählen und wen sie wählen. Der Gedanke, dass es möglicherweise 2009 nicht mehr reicht, um Studiengebühren einzuführen, das scheint sich ja inzwischen auch innerhalb der Fraktion der CDU herumgesprochen zu haben,
es gibt ja schon einige Abgeordnete, die die Einführung von Studiengebühren in der Presse gefordert haben für das Jahr 2008, so nach dem Motto, ich ziehe das mal vor, hole es aus dem Landtagswahlkampf raus und dann schaffen wir vollendete Tatsachen. Dazu von meiner Seite her nur so viel: Wenn Sie 2008 Studiengebühren einführen, schaffen wir sie 2009 wieder ab. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste, die seit Monaten geführten Gespräche zwischen den Gewerkschaften auf der einen Seite und der Tarifgemeinschaft der Bundesländer auf der anderen Seite brachten bisher keine Fortschritte. Die TdL-Führung mit dem niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllring an der Spitze beharrt auf Arbeitszeitverlängerung auf bis zu 42 Stunden und auf Kürzungen bzw. Streichungen von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Nur wenn die Arbeitnehmervertreter diese Forderung akzeptieren, könne es überhaupt einen Tarifvertrag geben - so jedenfalls die Position von Herrn Möllring. Mit dieser Position spitzen die Arbeitgebervertreter die Auseinandersetzung mit den Arbeitnehmervertretern immer weiter an.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, uns erscheint eine solche Zuspitzung unnötig. Sie birgt die Gefahr des Scheiterns der Verhandlungen und letztlich sogar die Gefahr des Auseinanderbrechens der Tarifgemeinschaft der Bundesländer. An einer solchen Entwicklung kann gerade der Freistaat Thüringen kein Interesse haben. Wie unnötig die hier gewählte und von einzelnen Ministerpräsidenten unterstützte Form der Verhandlungsführung ist und wie im Gegensatz dazu Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen erfolgreich bei der Fortentwicklung des öffentlichen Dienstes zusammenarbeiten können, wurde bei der Gestaltung des Tarifrechts, das jetzt für die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen gilt, bewiesen. Dieser Tarifvertrag, der Tarifvertrag öffentlicher Dienst, wurde am 13.09.2005 sowohl von den Vertretern der Gewerkschaften als auch von denen des Bundes und von den kommunalen Arbeitgeberverbänden unterzeichnet. Uns erscheint genau wie den Gewerkschaften ein Zurückfallen hinter die dort getroffenen Regelungen für die Beschäftigten des Landes als nicht hinnehmbar. Im öffentlichen Dienst darf es auch zukünftig keine Zweiklassengesellschaft geben. Wir wollen nicht, dass die öffentlich Beschäftigten in Bund und Kommunen grundsätzlich anders behandelt werden als die Beschäftigten in den Bundesländern.
Als inakzeptabel und wider die Interessen des Freistaats Thüringen werten wir insbesondere die Position von Ministerpräsident Althaus in dieser Auseinandersetzung. Statt sich aktiv an der Entwicklung von Lösungsansätzen zu beteiligen und auf eine Einigung in Grundsatzfragen hinzuarbeiten, brüskiert Herr Althaus die Arbeitnehmervertreter. Ministerpräsident Althaus formulierte Forderungen, von denen er genau wusste, dass sie völlig unrealistisch und für die Arbeitnehmerseite absolut unannehmbar waren. Mit der Drohung, die Tarifgemeinschaft der Länder zu verlassen, machte Herr Althaus nicht nur fehlenden
Einigungswillen deutlich, er erweckte auch den Eindruck, auf das endgültige Scheitern der Verhandlungen hinzuarbeiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ministerpräsident Althaus handelte mit seinen unsachlichen Beiträgen gegen die Interessen des Landes. Diese liegen gerade aus Thüringer Sicht in der Übernahme des Tarifvertrags öffentlicher Dienst durch die Tarifgemeinschaft der Bundesländer und im Verzicht auf eigenständige Verhandlungen. Tarifvertragliche Regelungen dürfen nicht den immer stärker miteinander in Konkurrenz tretenden Bundesländern überlassen werden. Weitsichtige Politiker haben das inzwischen verstanden. Sie halten den Fortbestand der Tarifgemeinschaft der Bundesländer für sinnvoll und für wünschenswert. Für meine Fraktion ist und bleibt die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands ein wichtiger Grundsatz. Dazu gehören auch vergleichbare Standards staatlicher Leistungen in allen Landesteilen. Diese können letztlich nur auf der Grundlage vergleichbarer Beschäftigungs- und Einkommensbedingungen erreicht werden. Von einheitlichen Standards hängt nicht zuletzt die Gewinnung qualifizierten Nachwuchspersonals ab. Diese Aufgabe wird gerade für Thüringen in den kommenden Jahren zu einer immer wichtigeren und schwierigeren Aufgabe werden. Voraussetzung für ihre Bewältigung wäre die Angleichung der Ost- an die Westgehälter. Ohne einheitliche tarifvertragliche Regelungen fehlt aber dafür jegliche Perspektive. Ich frage mich deshalb, wie wir im Falle des Scheiterns der Tarifgemeinschaft den freien Wettbewerb der Länder um die Leistungsträger bestehen wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die besten Möglichkeiten, die anstehenden Herausforderungen zu bestehen, bietet die Tarifgemeinschaft der Bundesländer. Sie hat sich bewährt, sie dient den Interessen der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und sie dient der Qualität öffentlicher Dienstleistungen in Thüringen. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, am 20. Januar 2006, also vor gut sechs Wochen ist die Vorentscheidung für die erste Runde der Exzellenzinitiative bekannt gegeben worden. Dass dabei die Thüringer Hochschulen keine Berücksichtigung gefunden haben, ist natürlich ernüchternd und ich denke, wir alle hier hatten uns ein besseres Abschneiden für die Thüringer Hochschulen erhofft. Das Ergebnis der Vorentscheidung markiert aber auch ganz realistisch den derzeitigen Ausbaustand der Thüringer Hochschullandschaft. Ich möchte das wie folgt noch mal auf den Punkt bringen.
Seit 1990 haben die Thüringer Hochschulen die Umstrukturierung und den Neuaufbau der Wissenschafts- und Hochschullandschaft mit viel Engagement vorangetrieben. Hier ist fraglos in den letzten 15 Jahren Großes geleistet worden. Um aber zur internationalen Spitze aufzuschließen, sind in den kommenden Jahren noch weitere große Anstrengungen vonnöten. Ähnlich hat sich bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorentscheidungsresultate der Rektor der Jenaer Universität, Professor Dr. Klaus Dicke, geäußert. Die Thüringer Hochschulen blicken also den Tatsachen nüchtern ins Auge und das ist auch gut so. Nichts wäre fataler, als wenn man sich jetzt demotiviert in einen Schmollwinkel zurückziehen würde. Mir ist daher auch die Reaktion des Ministerpräsidenten auf die Nichtberücksichtigung der Thüringer Hochschulen nicht ganz verständlich. Laut „Thüringer Allgemeine“ hat Ministerpräsident Althaus die Förderkriterien der Exzellenzinitiative massiv kritisiert, obwohl diese doch im vergangenen Jahr von den Ländern selbst, also auch vom Freistaat Thüringen genauso mitformuliert worden sind, wie sie letztendlich zum Tragen kamen. Sich erst vorbehaltlos dem Wettbewerb zu stellen, dann aber, wenn dessen Ergebnisse nicht im eigenen Sinne ausfallen, die beleidigte Leberwurst zu mimen und die Schuld entweder bei den anderen oder bei den Spielregeln zu suchen, zeugt nicht gerade von großer Souveränität. Sinnvoller wäre es sicherlich, wenn sich die Landesregierung fragen würde, was sie selbst tun kann, welche Unterstützung sie bieten kann, damit Thüringens Hochschulen langfristig zur internationalen Spitze von Wissenschaft und Forschung aufschließen. Genau dies scheint mir der entscheidende Punkt für die weitere Hochschul- und Forschungspolitik des Landes zu sein. Der ebenso notwendige wie langwierige Aufholprozess wird nur gelingen, wenn der Freistaat den Hochschulen in den kommenden Jahren bestmögliche materielle Rahmenbedingungen zur Verfügung stellt. Dieser Aufgabenstellung wird die Landesregierung mit ihrem Hochschulpakt und ihrer Forschungspolitik jedoch seit Jahren nur in Teilen gerecht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte dies an zwei Beispielen deut
lich machen.
Zunächst zum Hochschulpakt: Anstatt den Hochschulen den dringend notwendigen Entwicklungsspielraum zu geben, zwängt sie dieses von der Landesseite initiierte Vertragswerk in ein viel zu enges finanzielles Korsett. Zwar ist durchaus anzuerkennen, dass der Hochschulpakt den Hochschulen eine Finanzierungszusage bis einschließlich 2007 bietet, dies aber im Großen und Ganzen lediglich auf dem Stand der im Jahr 2001 vom Land verausgabten Mittel. Die Förderung der Sach- und Investitionskosten steigt laut Hochschulpakt jährlich um gerade einmal 1 Prozent, eine Steigerung der Personalkosten ist überhaupt nicht vorgesehen. Vor dem Hintergrund nach wie vor stark wachsender Studierendenzahlen in Thüringen, aber auch im Hinblick auf tarifvertraglich bedingte und somit für die Hochschulen unabwendbare Personalkostensteigerung und die jährliche Inflationsrate wird der Hochschulpakt daher dem tatsächlichen Finanzbedarf der Thüringer Hochschulen nur in Teilen gerecht. Nach Berechnungen der GEW sind die Hochschulen im jetzigen Wintersemester 2005/2006 dank des Hochschulpakts bloß in der Lage, ihre Stellenpläne ungefähr zu 90 Prozent auszufinanzieren. Ende 2007, wenn der Hochschulpakt ausläuft, wird diese Finanzierungsquote wahrscheinlich noch weiter abgesunken sein. Wie Thüringen unter solchen unzulänglichen Bedingungen von Forschung und Lehre internationale Exzellenz erwerben will, ist mir persönlich schleierhaft. Hier muss seitens der Landesregierung dringend finanziell nachgebessert werden, wenn es ab 2008 einen neuen Hochschulpakt geben wird.
Kommen wir zum zweiten Beispiel der von der Landesregierung zu verantwortenden Situation in der Forschungsförderung: 1999 waren dafür noch 53,6 Mio. € an Landesmitteln eingestellt, 2006 ist von dieser Summe mit 13,1 Mio. € gerade mal noch ein Viertel übrig geblieben. Besonders betroffen von der fatalen Negativentwicklung ist das eigentliche Herzstück der Forschungsförderung, nämlich die Verbundforschung. Standen ihr im Jahr 1999 noch 33,1 Mio. € zur Verfügung, so sind es im Haushaltsjahr 2006 gerade mal noch 8,3 Mio. €, also ungefähr 75 Prozent weniger. Anstatt Forschung und Innovation mit allen Kräften zu fördern, wird ihnen von der Landesregierung seit Jahren immer stärker der Hahn abgedreht. Offenbar ist man auf Regierungsseite der Ansicht, dass Thüringen so etwas wie anwendungsorientierte Grundlagen- und Spitzenforschung überhaupt nicht braucht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit nicht genug: Das Vorgehen der Landesregierung bei der Forschungsförderung ist im Hinblick auf die weitere Entwicklung des Forschungs- und Technologiestandorts Thürin
gen absolut unverständlich und steht zudem in deutlichem Widerspruch zu den Empfehlungen, welche eine vom Land selbst eingesetzte Expertenkommission im März 2004 abgegeben hat. Im Kommissionsgutachten, welches im März 2004 unter dem Titel „Wissenschaftsland Thüringen“ erschienen ist, heißt es auf S. 51 - Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis darf ich zitieren -: „Die vom TMWFK seit mehreren Jahren erfolgreich betriebene Unterstützung von F- und U-Projekten im Verbund zwischen Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Thüringer Unternehmen sollte wieder deutlich aufgestockt werden. Mit den derzeit vorhandenen Mitteln sind nachhaltige Wirkungen nur noch in geringem Umfang zu erzielen. Angesichts der positiven Wirkung für die Wirtschaft, aber auch für die Profilbildung der Hochschulen und Forschungseinrichtungen spricht alles dafür, das Instrument der Verbundforschung offensiv zu nutzen.“ Diese von der Opposition im Landtag schon wiederholt und leider ohne jeden Effekt bei der Regierungsmehrheit zitierten Empfehlungen reflektieren wohlgemerkt die Situationen zu Beginn des Jahres 2004. Damals standen der Verbundforschung noch 12,1 Mio. € zur Verfügung. Jetzt, im aktuellen Haushaltsjahr 2006, sind es 3,7 Mio. € weniger. Es geht also seit Jahren immer stärker bergab mit der Forschungsförderung. Wo es zusätzlicher materieller Anstrengungen bedürfte, um Thüringens Hochschulen im internationalen Wettbewerb weiter nach vorn zu bringen, herrscht seitens der Landesregierung lediglich eine Kahlschlagmentalität, ein Kürzen um des puren Kürzens willen. Von meiner Fraktion ist das in den vergangenen Jahren immer wieder kritisiert worden. Angesichts des schlechten Abschneidens bei der Exzellenzinitiative und der dadurch deutlich gewordenen großen Distanz zur internationalen Forschungsexzellenz müsste eigentlich jedem in diesem Hause klar sein, dass der bisherige Weg einer dauerhaften Unterfinanzierung der Thüringer Hochschulen in ein Desaster zu führen droht. Wir dürfen in den kommenden Jahren für Forschung und Lehre nicht immer weniger Geld zur Verfügung stellen, wir müssen das finanzielle Landesengagement in diesem Bereich viel mehr deutlich und nachhaltig steigern, sonst verspielen wir leichtfertig Thüringens Chance, den langfristigen Anschluss an die internationale Spitze der Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu erlangen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Antrag der Linkspartei.PDS weist diesbezüglich in seinen Punkten 2 und 3 in die richtige Richtung. Es muss natürlich darauf geachtet werden, dass die Ausgaben entsprechend solide gegenfinanziert werden. Aber ich werbe bei den Kolleginnen und Kollegen von der Mehrheitsfraktion ausdrücklich darum, dieser Vorlage zuzustimmen. Meine Fraktion wird dies tun.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Reinholz, Sie haben eben empfohlen, dass wir uns sachlich über dieses Thema unterhalten sollten und nicht polemisch diskutieren sollten, aber ich gebe zu, es fällt ziemlich schwer bei dieser alljährlichen ritualen Berichterstattung der Landesregierung über die vergangenen Ausbildungspakte, nicht vor Empörung aus der Haut zu fahren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, insbesondere hier von der Mehrheitsfraktion und von der Landesregierung, im vergangenen Ausbildungsjahr betrug der Anteil der so genannten Altnachfrager 45 Prozent mit steigender Tendenz. Das heißt, 45 Prozent aller Bewerber um einen Ausbildungsplatz haben sich im vergangenen Ausbildungsjahr nicht das erste Mal um einen Ausbildungsplatz beworben, sondern das zweite, dritte, vierte, fünfte Mal. Jedenfalls sind sie schon mehrere Jahre in einer Warteschleife gewesen. Da spricht das Wirtschaftsministerium nicht nur in seiner Pressemitteilung vom 17. Januar, sondern heute auch hier der Minister vor dem Plenum, dass zum 31.12.2005 lediglich 162 Jugendliche nicht vermittelt werden konnten. Das sind nach Rechnung des Wirtschaftsministeriums dann lediglich 0,5 Prozent aller Bewerberinnen und Bewerber um einen Ausbildungsplatz. Ich halte solche Aussagen für ziemlich zynisch. Viele Jugendliche werden Jahr für Jahr in irgendwelche Warteschleifen geschickt und, Herr Minister, Sie wissen genauso gut wie ich, jeder berufsschulpflichtige, jeder schulpflichtige Jugendliche unter 18 Jahren, der keinen Ausbildungsplatz vorweisen kann, muss in eine berufsvorbereitende Maßnahme gehen und fällt demzufolge aus der Statistik heraus und demzufolge kann er natürlich zum 31.12. nicht mehr in der Statistik als Ausbildungsplatzsuchender angegeben werden.
Jahr für Jahr bewerben sich diese Jugendlichen immer wieder und müssen Jahr für Jahr erfahren, dass sie nicht gebraucht werden. Solche Schicksale verstecken sich derzeit in Thüringen hinter der Zahl 45 Prozent Altnachfrager. Und solche Schicksale verstecken sich hinter den Tausenden junger Menschen, die anschließend in der Zuständigkeit des SGB II als Langzeitarbeitslose ohne Berufsausbildung landen. Deshalb ist es Jahr für Jahr ein erneuter Bluff, wenn Sie in diesem Hause und der Öffentlichkeit versuchen weiszumachen, dass nur eine ganz geringe Anzahl Jugendlicher nicht vermittelt werden konnte. Sie versuchen wider besseres Wissen sogar zu suggerieren, dass die Anzahl nicht besetzter Ausbildungsplätze und weiterer so „unglaublich attrak
tiver“ Angebote von berufsvorbereitenden Maßnahmen die der nicht vermittelten Jugendlichen übersteigt. So kann und darf das nicht weitergehen. Deshalb ist der Antrag der Linkspartei.PDS auch zu begrüßen. Er sorgt zumindest dafür, dass wir uns in diesem Haus über die tatsächlichen Fakten unterhalten können. Die bestehen im ganz Wesentlichen darin, dass die Anzahl der Altbewerber katastrophal hoch ist und dass die Anzahl der bereits nach wenigen Wochen abgebrochenen oder überhaupt nicht angetretenen Ausbildungsverträge und die Anzahl der Jugendlichen, die langzeitarbeitslos und ohne Ausbildung sind, eines klipp und klar verdeutlichen: Wir haben in Thüringen seit Jahren kein ausreichendes Ausbildungsplatzangebot innerhalb des dualen Systems und wir haben auch, wenn nichts geschieht, in den nächsten Jahren keine Aussicht darauf, dass wir ein ausreichendes Ausbildungsplatzangebot im dualen System bekommen werden. Die Landesregierung hat sich beim Behaupten des Gegenteils damit abgefunden, die Berufsausbildung in einem hohen Maße staatlich zu finanzieren. Sie hat sich damit abgefunden, alljährlich viele junge Frauen und Männer als Leistungsträger in die wirtschaftsstarken Regionen der alten Bundesländer abwandern zu lassen, und sie hat sich damit abgefunden, Tausende junger Menschen ins gesellschaftliche Abseits der Langzeitarbeitslosigkeit zu verdrängen. Weder hat sich in dieser Zeit etwas an der Ausbildungseignung beim Eintritt in das Berufsleben verbessert, noch konnte der ungebrochene Trend des Abbaus betrieblicher Ausbildungsplätze wirklich gestoppt werden. Arbeitgeberverbände und Kammern beklagen Jahr für Jahr die mangelnde Ausbildungseignung und dafür, meine Damen und Herren von der Mehrheitsfraktion, ist vor allen Dingen die Bildungspolitik dieser Landesregierung verantwortlich. Zumindest das liegt in der ureigenen Verantwortung der Landesregierung und dort gibt es keinerlei Verbesserungen, ganz im Gegenteil. Schauen Sie sich die Anzahl der Ausbildungsabbrüche an und hören Sie endlich auf, dafür die Jugendlichen und deren Familien verantwortlich zu machen. Bei den betrieblichen Ausbildungsplätzen können Sie sich schönreden, was Sie wollen, es geht seit inzwischen neun Jahren abwärts. Wer sich mal die Mühe macht und blättert sich die Zahlen der Agentur für Arbeit durch, was das Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen zum aktuellen Zeitpunkt angeht, und vergleicht diese mit dem Februar 2005, der stellt fest, dass wir erneut ein Minus von über 10 Prozent zu verzeichnen haben. Wenn kein Wunder geschieht, wird in diesem Jahr das Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen erstmals auf unter 10.000 sinken.
Es ist unverfroren, wenn diese Landesregierung von der Wirtschaft etwas einfordert, was sie selbst zu leisten nicht bereit ist. Wenn wir uns die Haushaltspläne der vergangenen Jahre anschauen und dann sehen,
was im Endeffekt umgesetzt wurde, stellt man fest, dass in jedem Jahr immer nur gut die Hälfte der in den Haushaltsplänen eingestellten Ausbildungsplätze auch wirklich besetzt wurde mit Auszubildenden. In den Jahren 2006/2007 sind Sie im Haushaltsplan einen anderen Weg gegangen, da haben Sie gleich die Ansätze gekürzt, von über 800 Ausbildungsstellen auf um die 600 Ausbildungsstellen jährlich. Um Ihnen auch nicht einen Moment die Chance eines falschen Zungenschlags zu geben, sei noch mal eines festgestellt: Die SPD-Landtagsfraktion weiß das Engagement der Kammern bei der Akquirierung von Ausbildungsplätzen und der Betreuung der Betriebe sehr zu schätzen. Ohne diesen Einsatz stünden wir noch viel schlechter da. Die SPD-Landtagsfraktion weiß ebenfalls die Bereitschaft insbesondere kleiner Betriebe zur Bereitstellung von Ausbildungsplätzen im dualen System zu schätzen und bedankt sich dafür ausdrücklich. Diese Bereitstellung der Ausbildungsplätze hilft der Sicherung des eigenen Fachkräftenachwuchses. Sie hilft den jungen Menschen, die das Glück haben, einen solchen Ausbildungsplatz zu erhalten, sie hilft aber leider auch den Betrieben, die sich - ich muss es sagen - als Schmarotzer betätigen. Damit meine ich die Betriebe, die eben nicht ausbilden, dafür aber später ihren ausbildenden Konkurrenten die besten Fachkräfte wegschnappen. Diesen Wettbewerbsvorteil derjenigen Betriebe, die sich der Ausbildungsverpflichtung entziehen, den hütet die Landesregierung gemeinsam mit der Bundes-CDU wie ihren Augapfel. Das ist keine Wirtschaftsförderung, das ist die bewusste Schädigung der ausbildenden kleinen und mittleren Unternehmen. Dieser wohl organisierte Realitätsverlust wird auch in Thüringen Jahr für Jahr als Planerfüllung begeistert verkauft. „Anteil der Erfüllung“ nennt sich das in der Pressemitteilung vom 17. Januar und dann wird schwadroniert von „100 Prozent plus x“. Mit dem wahren Leben hat das wenig zu tun. So ist das mitunter mit den Planerfüllungen.
Mich wundert eigentlich, dass Sie nicht schon längst ein Überangebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen für die Zukunft geplant haben. Statt dessen der Wahrheit ins Auge zu schauen, würde bedeuten, zuzugeben:
Erstens, die Landesregierung wartet auf irgendein wirtschaftliches Wachstum und darauf, dass die Kinder endlich weniger werden. Sie hofft also darauf, dass die Demografie irgendwann die Probleme löst, und nimmt billigend in Kauf, dass zwischenzeitlich Abertausende junger Menschen entweder ganz aus Thüringen verschwinden oder innerhalb Thüringens ins gesellschaftliche Abseits geraten.
Zweitens: Die Landesregierung nimmt trotz aller Haushaltsschwierigkeiten in Kauf, dass erhebliche Teile der dualen Berufsausbildung, die eigentlich von
Betrieben finanziert werden müssten, tatsächlich vom Staat finanziert werden. Von diesem finanziellen Gewohnheitsrecht, meine Damen und Herren von der Landesregierung, werden Sie nur schwer wieder herunterkommen, zumindest dann nicht, wenn Sie nicht endlich die tatsächliche Ausbildungsplatzsituation wahrnehmen wollen.
Dieser Realitätsgewinnung, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Rückkehr auf den Boden der Tatsachen dient der Entschließungsantrag meiner Fraktion. Er konkretisiert das, was die Kollegen von der Linkspartei.PDS bezeichnet haben als „Perspektiven zur nachhaltigen Veränderung der Situation am Ausbildungsmarkt“. Wenn wir uns damit ernsthaft und realistisch befassen wollen - und dies hoffe ich bei allen unterschiedlichen politischen Auffassungen -, dann ist der von uns beantragte Ausbildungsgipfel ein unumgänglicher Auftakt. Es muss doch möglich sein, dass wir uns endlich von der selbst erfüllenden Prophezeiung, dass wir uns endlich von einer jubelnden Planerfüllung verabschieden und uns überlegen, wie wir tatsächlich jedem Jugendlichen eine Chance zum Erreichen eines Berufsabschlusses innerhalb des dualen Systems geben können, wie wir die Ausbildungseignung verbessern können und wie wir denen einen Chance geben, die schon längst in das berufliche Abseits verdrängt wurden. Deshalb ist der Ausbildungsgipfel und deshalb sind die dort aufgezählten Akteure erforderlich. Es geht um den Versuch, einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens zu erreichen. Dazu gehören über die „üblichen Verdächtigten“, also Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern, die Vertreter der freien Berufe und der Landwirtschaft, hinaus eben auch die Bildungsträger, die öffentlichen Arbeitgeber, die Kirchen, die LIGA der freien Wohlfahrtspflege und die Jugendberufshilfen in Thüringen. Sie alle haben in unterschiedlichen Formen mit denen zu tun, die nicht zu den relativ wenigen Glücklichen gehören, die einen betrieblichen Ausbildungsplatz finden oder bereits gefunden haben.
Deshalb, meine Damen und Herren, sollte die Erarbeitung einer Perspektive und die sich daraus ergebende politische Gestaltungsverantwortung das Ziel eines solchen Ausbildungsgipfels sein. Wir sollten endlich die Rituale der vergangenen Jahre verlassen, das wäre wichtig für die Sicherung des Wirtschaftsstandorts Thüringen, es wäre aber auch vor allen Dingen wichtig für unsere jungen Menschen und deren Eltern, die eine Zukunft hier in Thüringen erwarten und die die Zukunft Thüringens sind. Ich möchte Sie daher bitten, unserem Antrag zuzustimmen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Mehrfachangebote von Studiengängen in Thüringen
Im Freistaat Thüringen wird eine Reihe von Studiengängen, zum Beispiel Betriebswirtschaftslehre oder Medienwissenschaften, an mehreren Hochschulstandorten angeboten. Gleichzeitig sind etwa 90 Prozent der Stellenpläne an den Thüringer Hochschulen ausfinanziert.
Ich frage die Landesregierung:
1. Beabsichtigt die Landesregierung vor diesem Hintergrund die Schließung von Fachbereichen an Thüringer Hochschulen mit dem Ziel, dass künftig Mehrfachangebote von Studiengängen vermieden werden?
2. Kann sich die Landesregierung darüber hinaus eine Fusion von Thüringer Hochschulen vorstellen und wenn ja, wie könnte sich eine derartige Fusion konkret gestalten?
3. Wie groß ist aus Sicht der Landesregierung das finanzielle Einsparpotenzial, das sich aus einer Realisierung der unter Frage 1 und 2 genannten Optionen ergeben würde?
Thüringer Ausbildungspakt 2005
Die Ergebnisse des Thüringer Ausbildungspaktes 2005 wurden am 17. Januar 2006 der Öffentlichkeit vorgestellt. Hinsichtlich der Ausbildungssituation kam es dabei zu widersprüchlichen Angaben, insbesondere zwischen den dem Ergebnis zugrunde liegenden Daten der Landesregierung und den Daten der Bundesagentur für Arbeit.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie groß ist innerhalb der vom Ausbildungspakt erfassten Bereiche die Anzahl der betrieblichen Ausbildungsplätze und welche Entwicklung ist dies gegenüber dem Vorjahr (um differenzierte Benen- nung der Kammerbereiche wird gebeten)?
2. Wie groß ist die am 31. Dezember 2005 von der Bundesagentur für Arbeit für das Ausbildungsjahr 2005/2006 registrierte Anzahl der betrieblichen Ausbildungsplätze in Thüringen und welche Entwicklung ist dies gegenüber dem Vorjahr (um differenzierte Benennung der Kammerbereiche wird gebeten)?
3. Wie groß ist am 31. Dezember 2005 die Gesamtzahl berufsvorbereitender Angebote und welcher Anteil wird vom Land bzw. der Bundesagentur für Arbeit gefördert?
4. Wie groß ist am 31. Dezember 2005 die Zahl so genannter Einstiegspraktika?
Ich habe noch mal eine Nachfrage zu der von Ihnen beantworteten ersten Frage, und zwar zu den betrieblichen Ausbildungsplätzen. Es wurden insgesamt 17.861 Ausbildungsplätze abgeschlossen im
Rahmen des Ausbildungspakts. Allerdings waren da über 1.200 Verträge dabei, die zum Zeitpunkt 31.12. schon wieder aufgelöst wurden. Die Zahlen, die Sie mir genannt haben mit den 13.058 betrieblichen Verträgen, sind dort diese aufgelösten Verträge herausgerechnet oder sind die noch mit dabei?
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, „Wirtschaftsstandort und Wissenschaftsstandort gehören zusammen und wenn das Forschungsland Thüringen gut aufgestellt ist, hilft das einer soliden, zukunftsfähigen und auch arbeitsplatzintensiven Thüringer Wirtschaftsentwicklung.“ Dieser Satz stammt aus der Regierungserklärung von Ministerpräsident Althaus vom September des vergangenen Jahres. Ich denke, jeder von uns wird der eben zitierten Aussage bedenkenlos zustimmen können. Ich glaube auch, dass es jeder von uns begrüßen würde, wenn die Landesregierung tatsächlich gemäß dieser Maxime handeln würde. Aber was ist die Realität? Die Landesregierung beabsichtigt, die Mittel für die Förderung der wirtschaftsnahen und Grundlagenforschung weiter zu kürzen. Waren dort für 2005 noch 16 Mio. € veranschlagt, so sind im Haushaltsplan 2006 lediglich noch 13,1 Mio. € eingestellt. In diesem Bereich erneut von Mittelstreichungen betroffen ist die Förderung der Verbundforschung. Ihr Haushaltsansatz soll von 10,7 Mio. € auf 8,3 Mio. € reduziert werden. Falls das Thüringens Beitrag zum Einsteinjahr sein soll, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn der Freistaat in der Forschung noch weiter gegenüber dem Westen zurückfällt, als dies ohnehin schon der Fall ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines sollte uns allen bewusst sein: Die erneuten Reduzierungen sind höchst brisant, da die Landesregierung die Forschungsförderung bereits seit Jahren immer mehr
zusammenstreicht. Zur Erinnerung: 1999 waren für diesen Bereich im Landeshaushalt noch 53,6 Mio. € eingestellt. 2006 ist davon nicht einmal ein Viertel übrig geblieben. Besonders betroffen von dieser Negativentwicklung ist eigentlich ihr Herzstück der Forschungsförderung, nämlich die Verbundforschung. Standen ihr im Jahr 1999 noch 33,1 Mio. € zur Verfügung, so sind es im Haushaltsjahr 2006 rund 75 Prozent weniger. Das Land wendet heute also lediglich noch einen Bruchteil dessen für die Forschungsförderung auf, was dort vor wenigen Jahren noch zur Verfügung gestellt wurde und was dort auch heute noch unbedingt vonnöten wäre. Damit wird sehenden Auges ein nachweislich sehr erfolgreiches Landesprogramm an die Wand gefahren und der Forschung werden dringend benötigte Mittel entzogen. Letztendlich steht bei einem Festhalten an einer derart verfehlten Politik auch die Zukunft des Forschungs- und Technologiestandorts Thüringen auf dem Spiel. Ich erinnere hier noch einmal ausdrücklich an die eingangs zitierte Aussage des Ministerpräsidenten: „Wirtschaftsstandort und Wissenschaftsstandort gehören zusammen.“ Ziehe ich das Geld aus der Forschung, untergrabe ich also über kurz oder lang meine eigene ökonomische Basis. Das müsste eigentlich hierzulande jedem einleuchten. Nur der Landesregierung ist dieses Licht offensichtlich noch nicht aufgegangen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Vorgehen der Landesregierung bei der Forschungsförderung ist aber nicht nur im Hinblick auf die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten vom vergangenen September unverständlich, es steht zudem im deutlichen Widerspruch zu den Empfehlungen, welche eine vom Land eingesetzte Expertenkommission im März 2004 abgegeben hat. Im Kommissionsgutachten mit dem Titel „Wissenschaftsland Thüringen“ heißt es auf der Seite 51 - Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich: „Die vom TMWFK“, also damaligen Wissenschaftsministerium, „seit mehreren Jahren erfolgreich betriebene Unterstützung von FuE-Projekten im Verbund zwischen Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Thüringer Unternehmen sollte wieder deutlich aufgestockt werden. Mit den derzeit vorhandenen Mitteln sind nachhaltige Wirkungen nur noch in geringem Umfang zu erzielen. Angesichts der positiven Wirkungen für die Wirtschaft, aber auch für die Profilbildung der Hochschul- und Forschungseinrichtungen spricht alles dafür, das Instrument der Verbundforschung offensiv zu nutzen.“ Diese Empfehlungen reflektieren wohlgemerkt die Situation zu Beginn des Jahres 2004. Damals waren für die Verbundforschung noch 12,1 Mio. € im Haushalt eingestellt. Mit dem kommenden Jahr sollen dies dann 3,7 Mio. € weniger sein. Vor diesem prekären Hintergrund be
antragt die SPD-Fraktion, die Mittel für die Verbundforschung in den kommenden beiden Haushaltsjahren deutlich zu erhöhen.
Nur so wird es gelingen, die Forschungsförderung aus ihrem Dauersichtum zu befreien und sie im Sinne des eben zitierten Kommissionsgutachtens zur weiteren Entwicklung des Technologie- und Wirtschaftsstandorts Thüringen offensiv einzusehen. Ich werbe daher insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen der Mehrheitsfraktion mit Nachdruck für eine Zustimmung zu unseren entsprechenden Änderungsanträgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, im zweiten Teil meiner Rede möchte ich mich mit der geplanten Verlängerung des Thüringer Hochschulpakts beschäftigen. Die Landesregierung hatte bereits im März dieses Jahres mit den Thüringen Hochschulen eine Verlängerung des Hochschulpakts über den ursprünglich festgelegten Termin für das Jahr 2007 bis zum 31.12.2007 vereinbart. Meine Fraktion begrüßt grundsätzlich den Gedanken einer langfristigen Selbstverpflichtung des Landes bei der Hochschulfinanzierung. Den Thüringer Hochschulpakt in seiner jetzigen Form lehnen wir aufgrund seiner unzureichenden materiellen Ausstattung ab. Nach unserer Auffassung bedingen insbesondere die nach wie vor deutlich steigenden Studierendenzahlen eine andere finanzielle Ausgestaltung des Hochschulpakts. Besuchten noch im Sommersemester 1991 gerade einmal knapp 15.000 Studierende die Thüringer Hochschulen, so sind es im aktuellen Wintersemester 2005/2006 über 48.000 Studierende. Auch in den kommenden Jahren wird sich der Anstieg der Studierendenzahlen nach den Prognosen des Landeshochschulplans deutlich fortsetzen. Spätestens im Jahr 2007 wird danach eine Gesamtzahl von über 50.000 Studierenden erreicht sein. Allein schon diese Tatsache macht den weiteren Ausbau der Thüringer Hochschullandschaft zwingend erforderlich. Die von der Landesregierung gesetzten materiellen Rahmenbedingungen behindern jedoch die weitere Entwicklung des Campus Thüringen, da sie ihn in ein zu enges finanzielles Korsett zwingt. Zwar bietet der von der Landesseite initiierte Hochschulpakt den Hochschulen eine Finanzierungszusage bis einschließlich 2007, diese aber auf dem Stand der im Jahr 2001 vom Land verausgabten Mittel. Die Förderung der Sach- und Investitionskosten steigt laut Hochschulpakt bis 2007 jährlich um gerade mal 1 Prozent, bei den Personalkosten ist überhaupt keine Steigerung vorgesehen. Vor dem Hintergrund nach wie vor stark wachsender Studierendenzahlen in Thüringen, aber auch im Hinblick auf die tarifvertraglich bedingte und für die Hochschulen somit unabwendbare Personalkostensteigerung
und die jährliche Inflationsrate wird der Hochschulpakt dem tatsächlichen Finanzbedarf der Thüringer Hochschulen nicht im Ansatz gerecht.
Derzeit sind die Hochschulen nur in der Lage, ihre Stellenpläne zu etwa 90 Prozent auszufinanzieren. Dass diese Entwicklung nicht zur Qualitätssteigerung der Lehre beiträgt, dürfte jedem klar sein. So ist beispielsweise die Studiendauer seit den frühen 90er- Jahren deutlich angestiegen, in einigen Studienfächern um drei Semester. Dauerte zu Beginn der 90er-Jahre ein Universitätsstudium noch knapp fünf Jahre, so sind es inzwischen gut sechs Jahre, also auch hier eine Steigerung um über ein Jahr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ziel eines materiell angemessen ausgestatteten Hochschulpakts muss es daher sein, den Hochschulen bestmögliche Entwicklungschancen zu bieten, ihnen langfristige Planungssicherheit zu geben und ihnen insbesondere die Abdeckung tarifvertraglich bedingter Personalkosten zu ermöglichen. Da dies mit dem bisherigen Hochschulpakt nicht gegeben ist, wird meine Fraktion seiner Verlängerung nicht zustimmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss meiner Rede möchte ich noch einige Sätze zum Artikel 12 des Haushaltsbegleitgesetzes, sprich, zur Novelle des Thüringer Studentenwerkgesetzes verlieren. Ich werde mich allerdings aus Zeitgründen nur auf die Fusion der beiden Studentenwerke zum Studentenwerk Thüringen beschränken. Mit der Gesetzesnovelle wird, wie gesagt, die Vereinigung der beiden bisherigen Studentenwerke Jena-Weimar und Erfurt-Ilmenau zum Studentenwerk Thüringen angestrebt. Diese Vereinigung der beiden Studentenwerke, die ja de facto eine Integration des Studentenwerks Weimar-Jena nach Erfurt-Ilmenau darstellt, wird aber kurz- und mittelfristig nur Kosten verursachen, und dies vor allem durch die Anpassung der EDV-Systeme und die fällige Grunderwerbssteuer. Selbst wenn das Land auf seinen Anteil an der Grunderwerbsteuer verzichten würde, sind danach immer noch die Kommunen da, die dasselbe auf keinen Fall tun werden. Weitere Einsparungseffekte dürften sich auch aufgrund der bereits in den vergangenen Jahren vollzogenen Kürzungen kaum ergeben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es drängt sich der Verdacht auf, dass die Vereinigung der beiden Thüringer Studentenwerke nur vollzogen wird, weil es der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung im September des vergangenen Jahres so angekündigt hat. Gab es bei der letzten Fusion der
Thüringer Studentenwerke in den 90er-Jahren - damals wurden sie von vier auf zwei reduziert - noch einen entsprechenden Diskussionprozess und mehrere entsprechende Gutachten, die übrigens zu der Erkenntnis kamen, dass zwei Studentenwerke das Optimale für Thüringen seien, so soll nun der Zusammenschluss im Rahmen der Haushaltsbegleitgesetzgebung gewissermaßen nur durchgewunken werden. Die Zechen dafür werden wahrscheinlich die Studierenden zahlen. Daher hat meine Fraktion einen Änderungsantrag mit dem Ziel gestellt, die Fusion der beiden Thüringer Studentenwerke zu verhindern. Auch hierfür möchte ich insbesondere bei der Mehrheitsfraktion in diesem Hause um Zuspruch werben. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Förderung des Thüringer Filmbüros e.V.
Nach Angaben des Geschäftsführers des Thüringer Filmbüros e.V. hat der Leiter der Abteilung Medien in der Thüringer Staatskanzlei in einem Gespräch am 15. Juni 2005 die vom Freistaat bisher praktizierte Förderung der Geschäftsstellentätigkeit des Thüringer Filmbüros e.V. über das Projektmanagerprogramm als „illegal“ bezeichnet, da es sich um eine „versteckte institutionelle Förderung“ handele. Zur gleichen Zeit existierte jedoch eine am 22. Mai 2000 erlassene Richtlinie des Thüringer Kultusministeriums über die Gewährung von Zuwendungen aus Mitteln des Freistaats Thüringen zur kulturellen Filmförderung, wonach eine derartige Landesförderung sehr wohl gestattet war.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie begründet die Landesregierung die am 15. Juni 2005 gegenüber dem Thüringer Filmbüro e.V.
abgegebene Erklärung über die Illegalität der bisherigen Landesförderung, insbesondere im Hinblick auf die seinerzeit existierende Richtlinie des Thüringer Kultusministeriums über die Gewährung von Zuwendungen aus Mitteln des Freistaats Thüringen zur kulturellen Filmförderung?
2. Aus welchen Gründen wurde von der Thüringer Staatskanzlei zum 1. September 2005 eine neue Richtlinie zur kulturellen Filmförderung erlassen?
3. Weshalb ist in dieser neuen Richtlinie eine Landesförderung der Geschäftsstellentätigkeit landesweiter Verbände mit filmkultureller Zielsetzung nicht mehr enthalten?
4. Mit welchen Gremien ist diese neue Richtlinie vor ihrem In-Kraft-Treten beraten worden?
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns in den vergangenen Monaten in diesem hohen Hause schon mehrfach mit der Situation auf dem Thüringer Ausbildungsstellenmarkt beschäftigt. Zuletzt geschah dies im Oktoberplenum, als die Linkspartei einen Antrag stellte mit dem Kernziel, auf Bundesebene das Berufsausbildungsstellensicherungsgesetz in Kraft zu setzen. Der Grund, warum wir für den heutigen Tag diese Aktuelle Stunde beantragten, liegt darin, dass zur letzten Plenartagung die Daten, die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit für das Berufsberatungsjahr 2004/2005 noch nicht vorlagen. Inzwischen liegen die Zahlen vor und sie sind aus meiner Sicht noch weit verheerender als das vor vier Wochen zu vermuten war. Im Berufsberatungsjahr 2004/2005 standen im Freistaat Thüringen für 30.710 Bewerber nur 10.739 betriebliche Ausbildungsplätze zur Verfügung. Damit ist die Anzahl der zur Verfügung stehenden betrieblichen Ausbildungsplätze seit dem Berufsberatungsjahr 1996/1997, damals waren es knapp 21.000 betriebliche Ausbildungsplätze, zum achten Mal in Folge gesunken. Und was besonders bemerkenswert ist: Das Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen ging noch deutlicher, noch stärker zurück als die Zahl der Bewerber, so dass die Schere zwischen Angebot und Nachfrage noch größer wurde.
In diesem Zusammenhang möchte ich zum wiederholten Male darauf verweisen, dass die Landesregierung beim Abbau von Ausbildungsplätzen mit negativem Beispiel vorangeht. Im vergangenen Haushaltsjahr, im Jahr 2004, hatten wir 828 Ausbildungsplätze im Landeshaushalt eingestellt. Besetzt wurden zum Jahresende nur 508. Im aktuellen Haushaltsjahr wurde hier im Februar beschlossen, dass 815 Ausbildungsplätze in den Haushaltsplan eingestellt werden. Zur Jahresmitte, am 30. Juni, war gerade mal die Hälfte besetzt und in den kommenden beiden Jahren scheint die Landesregierung und die Mehrheitsfraktion einen anderen Weg gehen zu wollen. Wenn ich mir den Haushaltsentwurf für 2006/2007 anschaue, dann kann man sehen, dass für die beiden Haushaltsjahre jeweils nur noch gut 600 Ausbildungsstel
len eingestellt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen es ist einfach nicht nachvollziehbar, wenn die Landesregierung mit viel Tamtam alle Jahre wieder einen Ausbildungspakt initiiert und die Vertreter der Kammern und der Wirtschaft animiert, völlig zu Recht animiert, und auffordert, neue Ausbildungsplätze zu schaffen, aber andererseits im eigenen Zuständigkeitsbereich offensichtlich nichts Eiligeres zu tun hat als Ausbildungsplätze abzubauen und nicht zu besetzen. Damit ich hier nicht falsch verstanden werde, ich bin nicht der Meinung, dass der öffentliche Dienst die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage schließen kann. Dafür ist sie viel zu groß. Aber ich bin der Meinung, dass der öffentliche Dienst, dass das Land mit positivem Beispiel vorangehen muss und eben nicht als Beispiel für diejenigen vorangehen muss, die sich seit Jahren ihrer Ausbildungsverpflichtung entziehen und immer mehr Ausbildungsplätze vernichten.
Im Ergebnis dieser seit mehreren Jahren anhaltenden Entwicklung bleibt festzustellen, dass der Anteil der so genannten Altnachfrager inzwischen 45 Prozent aller Bewerber beträgt. Das heißt, fast jeder zweite Jugendliche, der sich im vergangenen Jahr hier in Thüringen um einen Ausbildungsplatz beworben hat, hat dies nicht zum ersten Mal getan, sondern er hat sich vor einem Jahr, vor zwei Jahren, vor drei Jahren oder gar vor vier Jahren das erste Mal beworben. Man muss kein Prophet sein, zu vermuten, dass der Anteil der Altnachfrage allein aufgrund dieser schlechten Versorgungslage im kommenden Berufsberatungsjahr bestimmt erstmalig die 50-Prozent-Hürde übersteigen wird. Abgesehen davon, dass es für Tausende von Thüringer Jugendlichen sehr demotivierend ist, wenn sie Jahr für Jahr auf dem Ausbildungsstellenmarkt scheitern und wieder und wieder in eine Warteschleife einmünden müssen, wir können uns diese Vergeudung von Humankapital einfach nicht leisten. Im Jahr 2010 - also in gut vier Jahren, das ist nicht mehr sehr lange hin - werden wir in Thüringen einen Fachkräftemangel haben. Um diesem vorzubeugen, muss das Angebot von betrieblichen Ausbildungsplätzen heute gesteigert werden und nicht in einigen Jahren, wenn es vielleicht schon zu spät ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung und die sie tragende Fraktion versuchen, auf Zeit zu spielen. Die Hoffnung von Ihnen besteht darin, dass sich das Problem durch die in den kommenden Jahren nicht mehr ganz so zahlreich auf den Ausbildungsstellenmarkt drängenden geburtenschwachen Jahrgänge gewissermaßen von allein erledigt. Mal abgesehen davon, dass wir Jahre brauchen werden, um diese
Bugwelle der Altnachfrage abzubauen, wir wissen auch nicht, ob der Anteil der betrieblichen Ausbildungsplätze in den kommenden Jahren vielleicht sogar noch weiter steigt. Die Lösung des Problems käme für viele inzwischen völlig demotivierte Jugendliche und auch vielleicht für einige nach Nachwuchskräften suchende Unternehmen zu spät. Die einzige Chance, die Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt kurzfristig zu entspannen und zahlreiche Altnachfrager in eine duale Berufsausbildung einmünden zu lassen, sehe ich persönlich und auch meine Fraktion in der Einführung einer Ausbildungsplatzumlage.
Nur wenn die Betriebe zahlen müssen, die sich seit Jahren der Ausbildung, ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur beruflichen Erstausbildung entziehen und die Betriebe Geld bekommen, die ihrer
Verpflichtung zur Ausbildung nachkommen, dann werden wir die Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt entspannen können und dann werden wir auch viele Altnachfrager in eine duale Ausbildung integrieren können. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kern des gesetzlichen Auftrags des § 19 Abs. 1 des Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetzes beinhaltet nichts anderes als eine Aufgabendefinition für die Jugendämter. Damit uns allen klar ist, worum es geht, möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen: Die Jugendämter sollen darauf hinwirken, dass alle Möglichkeiten zur beruflichen Integration junger Menschen, insbesondere benachteiligter junger Menschen, genutzt und erschlossen werden. Erst wenn alle diese Möglichkeiten, zum Beispiel der Bundesagentur für Arbeit oder der Schulen, nicht ausreichen, sind sie zu ergänzenden Hilfen aufgefordert. Das ist aus meiner Sicht wirklich nicht zu viel verlangt. Es geht also darum, vor Ort in der Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit, mit Schulen, mit den Sozialämtern dafür Sorge zu tragen, dass möglichst jedem Jugendlichen ein Angebot unterbreitet werden kann, dafür Sorge zu tragen, dass junge Menschen nicht ausgegrenzt werden. Das ist der gesetzliche Auftrag und ich weiß nicht, warum in dieser Situation ohne jede Not eine solche Klarstellung aufgegeben werden soll.
Meine Damen und Herren, wenn die kommunalen Spitzenverbände, die ja wohl die wesentlichen Initiatoren für den Wegfall dieses gesetzlichen Auftrags sind, behaupten, dass dies alles ohne Landesgesetz auch ginge, dann möchte ich Ihnen einige sehr aktuelle Argumente aufzeigen, die dies widerlegen.
1. Ende Oktober 2005 sind nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit 25.220 junge Menschen in Thüringen arbeitslos. Das sind fast 2.000 mehr
als noch im Vorjahr. Viele der jungen Menschen sind ohne Ausbildung. Es herrscht also offenkundig Handlungsbedarf und es gibt keinen Grund für irgendeinen der Beteiligten, sich zurückzulehnen. Einer der beteiligten Akteure ist die öffentliche Jugendhilfe, sind also die Jugendämter.
2. Wir erleben eine Diskussion, nach der wir am Ende des Jahres im Land Thüringen vermutlich Millionenbeträge des SGB II für aktive Arbeitsmarktpolitik nicht eingesetzt haben und zurückfließen lassen. Noch ist die Dimension nicht endgültig geklärt, aber es scheinen beträchtliche Summen zu sein. Wenn wir uns die Ausbildungsplatzsituation ansehen, dann stellen wir fest, dass auch bei der Förderung außerbetrieblicher Ausbildungsplätze für benachteiligte junge Menschen ein Rückgang zu verzeichnen ist, nicht, weil der Bedarf nicht vorhanden wäre, sondern unter anderem deshalb, weil sich die Arbeitsgemeinschaften und die optierenden Kommunen zur Umsetzung von Hartz IV mit der Finanzierung von Berufsausbildung - ganz vorsichtig formuliert - sehr schwer tun. Dort liegt Geld, aber es wird nicht richtig genutzt. Erinnern Sie sich bitte daran: Die Jugendämter sollten auf die Nutzung hinwirken; es wäre einmal interessant zu hören, wer in den letzten Monaten an dieser Stelle etwas unternommen hat.
3. Die aktuelle PISA-Studie bescheinigt der Bundesrepublik Deutschland erneut, Weltmeister in der Ausgrenzung benachteiligter junger Menschen zu sein. Wer sich in der Praxis auskennt, der weiß, dass dies an der Schwelle zum Berufsleben besonders deutlich wird. Wir alle wissen doch, dass junge Menschen mit Handicaps dort gnadenlos verdrängt werden und besonderer Hilfe bedürfen.
4. Landauf, landab wird die Qualität der Förderung über Menschen insbesondere bei der Umsetzung des SGB II beklagt. Sie wird umso mehr beklagt, je problembeladener die Jugendlichen sind. Die Mitarbeiter der Agenturen von den optierenden Kommunen sind häufig fachlich überfordert und brauchen Unterstützung. Die Ämter, die mit den problembeladenen Jugendlichen häufig sehr früh und sehr lange zu tun haben, das sind die Jugendämter.
Meine Damen und Herren, wir haben also eine Jugendarbeitslosigkeit, die beängstigend ist. Wir leisten es uns in dieser Situation, erhebliche finanzielle Mittel z.B. zur Integration junger Menschen nicht auszunutzen. Wir nehmen Benachteiligung bereits während der Schulzeit unverändert nicht oder nicht ausreichend wahr und lassen junge Menschen an der Schwelle zum Berufsleben häufig ins Nichts fallen und wir wissen über die nicht ausreichende Förderung junger Menschen. Genau in dieser Situation will die Landesregierung, dass eine gute gesetzliche Grundlage zur Unterstützung benachteiligter Jugend
licher entfallen soll. Das ist absurd. Stattdessen sollte die Landesregierung endlich darauf hinwirken, dass die Jugendämter ihre Mitverantwortung wahrnehmen; es geht um nicht mehr und es geht auch um nicht weniger. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ohne die Rede zu wiederholen, die ich bereits im Februar-Plenum in diesem hohen Hause gehalten habe, möchte ich zu Beginn meiner Ausführungen Folgendes noch einmal festhalten:
Meine Fraktion lehnt die Einführung von allgemeinen Studiengebühren kategorisch ab. Aus unserer Sicht sprechen deutlich mehr Gründe gegen die Einführung von allgemeinen Studiengebühren als dafür.
Studiengebühren sind sozial ungerecht. Sie manifestieren und verstärken die ohnehin schon vorhandene soziale Schieflage an den Hochschulen, weil sich Studierende aus einkommensschwachen Bevölkerungsschichten vom Studium fernhalten. Auch wenn Studiengebühren nachgelagert erhoben werden - also zu einem Zeitpunkt erhoben werden, wenn das Studium hoffentlich erfolgreich abgeschlossen wurde -, sind sie nicht sozial gerecht auszugestalten. Die Rückzahlung der Gebühren würde für die jungen Menschen nämlich genau in eine Lebensphase fallen, in der es darum geht, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. In dieser Lebensphase geht es darum, die materielle Grundlage für das spätere Leben zu schaffen und es geht in dieser Lebensphase auch darum, Familien zu gründen. Bezug nehmend auf den letzten Punkt: Bereits heute bekommen über 40 Prozent der Akademikerinnen keine Kinder, über zwei Fünftel der Akademikerinnen bleiben kinderlos.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie es uns gelingen soll, diese Quote zu senken, wenn demnächst zu allen Problemen, die es ohnehin nach dem Studium gibt, zu allen Problemen, die ohnehin existieren, wenn man versucht, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, auch noch der Fakt hinzu kommt, dass man Studiengebühren zurückzahlen muss.
Des Weiteren gefährden Studiengebühren die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Da wir keine anderen natürlichen Ressourcen besitzen, sind wir in Deutschland elementar auf den Faktor Bildung angewiesen. Wir müssen daher in den kommenden Jahren deutlich mehr Studierende an die Hochschulen führen und nicht weniger. Wir liegen heute schon, was die Studierendenquote angeht, deutlich hinter den meisten unserer europäischen Nachbarn. Das allgemein anerkannte langfristige Ziel besteht darin, 40 Prozent eines Altersjahrgangs an die Hochschulen zu führen. Studiengebühren wirken diesem angestrebten Ziel natürlich entgegen. Das belegen übrigens auch Zahlen einer Studie, die vor einigen Wochen im Auftrag des HIS erstellt wurde. Demnach benennen 22 Prozent der Studiumsverweigerer, so nenne ich mal die Jugendlichen, die eine Hochschulzugangsberechtigung erworben haben, dann aber nicht studieren, 22 Prozent dieser Personengruppe geben an, nicht zu studieren, weil die Einführung von allgemeinen Studiengebühren droht. Ich denke, das sollte sich auch der eine oder andere hier im Hause mal durch den Kopf gehen lassen.
Darüber hinaus ist es aus meiner Sicht mehr als fraglich, ob die durch die Erhebung von allgemeinen Studiengebühren eingenommenen finanziellen Mittel wirklich den Hochschulen zugute kommen, oder ob diese Mittel, die auf der einen Seite eingenommen werden, auf der anderen Seite vonseiten der Länder wieder gekürzt werden, um damit die großen Haushaltslöcher, wenn schon nicht zu schließen, dann doch wenigstens ein bisschen zu verfüllen.
In dem Zusammenhang möchte ich auf ein Rechtsgutachten verweisen, welches die Staatsregierung von Baden-Württemberg vor einigen Monaten in Auftrag gegeben hat. Bekanntermaßen eine CDU-geführte Landesregierung, die durchaus Studiengebühren befürwortet. Die Frage lautet: Ist es möglich, Studiengebühren zweckgebunden an die Hochschulen weiterzuleiten? Die Antwort lautete nein, weil damit das Budgetrecht des Parlaments unterlaufen würde und genau das nährt meinen Verdacht, den ich eben schon geäußert habe.
Letztendlich will sowohl die Mehrheit der Bürger als auch die Mehrheit der Studierenden keine Studiengebühren. Das besagen sowohl aktuelle Meinungsumfragen als auch z.B. Befragungen der Studierenden, die zum Ende des vergangenen Jahres
an mehreren Thüringer Hochschulen durchgeführt wurden.
Alles noch einmal auf den Punkt gebracht: Meine Fraktion lehnt allgemeine Studiengebühren ab. So etwas könnte man von mir aus auch in die Landesverfassung hineinschreiben. Zum Beispiel in der hessischen Landesverfassung Artikel 59 Abs. 1 heißt es - Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich: „In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich.“ Der Unterricht ist unentgeltlich; diese Formulierung fände ohne Weiteres meine Zustimmung und, ich glaube, auch die Zustimmung meiner Fraktion.
Der Antrag der Linkspartei.PDS geht aber weit über das pure Studiengebührenverbot hinaus. Das ist der springende Punkt. Sie fordern den unentgeltlichen Zugang zu allen Hochschuleinrichtungen. Das bedeutet in der Konsequenz nicht nur, dass keine allgemeinen Studiengebühren erhoben werden dürften und dass demnächst auch keine Langzeitstudiengebühren mehr erhoben werden dürften, was durchaus positiv wäre, sondern es heißt auch, dass die Hochschulen zukünftig auf jegliche Immatrikulations-, Verwaltungs-, Weiterbildungs-, Gasthörer-, Sprachprüfungungs-, Verfahrens- und Säumnisgebühren verzichten müssten. Da es sich laut Thüringer Hochschulgesetz bei Hochschuleinrichtungen um organisatorische Bestandteile einer Hochschule, wie beispielsweise Fachbereiche bzw. Institute oder auch Bibliotheken, handelt, würde der unentgeltliche Zugang in der Konsequenz auch den Verzicht auf Fernleihgebühren in Hochschulbibliotheken und auf Kursgebühren in den Zentren für Hochschulsport nach sich ziehen. Es ist zwar alles durchaus wünschenswert und ich hätte mich als Studierender auch sehr gefreut, wenn es damals so gewesen wäre, jedoch bei der angespannten Haushaltslage ist das, glaube ich, derzeit beim besten Willen nicht zu finanzieren.
Meine Fraktion wird sich daher trotz unserer kategorischen Ablehnung zu allgemeinen Studiengebühren bei der anstehenden Abstimmung der Stimme enthalten. Ich danke Ihnen.
Herr Kollege, Sie brachten viele Beispiele aus anderen Ländern, dass die Einführung von Studiengebühren angeblich nicht dazu geführt hat, dass sozial Schwache, dass Einkommensschwache von den Hochschulen ferngehalten wurden. Können Sie
mir ein Beispiel eines Landes nennen, wo die Einführung von Studiengebühren dazu führte, dass die Mittel zu 100 Prozent an die Hochschulen weitergereicht wurden? Ich weiß, z.B. in Australien werden die Hochschulen nur noch zu 54 Prozent von der öffentlichen Hand finanziert.
Ausbildung im öffentlichen Dienst der Kommunen und des Landes
Das Ausbildungsjahr 2005/2006 hat am 1. Oktober begonnen. Entsprechend den Angaben der Agentur für Arbeit ist die Ausbildungssituation in Thüringen unverändert problematisch.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie viele der im Landeshaushalt vorgesehenen Ausbildungsstellen innerhalb der Landesbehörden wurden bis zum 1. Oktober 2005 besetzt?
2. Wie viele Bewerber gab es auf die unter Frage 1 genannten Ausbildungsstellen?
3. Wie viele Ausbildungsstellen haben die Kommunen in Thüringen einschließlich der von Kommunen verantworteten Betriebe bisher für das Ausbildungsjahr 2005/2006 bereitgestellt?
4. Welche Veränderungen ergeben sich bei der unter Frage 3 erfragten Ausbildungssituation im Vergleich zu den Jahren 2003/2004 und 2004/2005? Vizepräsidentin Pelke:
Es antwortet Innenminister Dr. Gasser.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, 1999 hat sich Deutschland gemeinsam mit rund 40 anderen europäischen Staaten verpflichtet, bis zum Jahr 2010 einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum zu schaffen. Die wichtigsten Punkte der seinerseits verabschiedeten gemeinsamen Bologna-Erklärung lauteten:
- europaweite Einführung eines gestuften Studiensystems mit den international üblichen Abschlüssen Bachelor als ersten berufsqualifizierenden Abschluss nach 3 bis 4 Jahren und Master als zweiten Abschluss nach weiteren 1 bis 2 Jahren,
- die europaweite Einführung eines Leistungspunktesystems für das individuelle Studierverhalten,
- Abbau von Mobilitätshindernissen sowie
- Förderung der internationalen Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung.
Soweit die Zielsetzung des Bologna-Prozesses. Minister Goebel hat ja vorhin auch schon hierüber ausführlich berichtet. Dass nicht alles Gold ist, was glänzt, wird deutlich beim Blick auf den derzeitigen Umsetzungsstand bei der Einführung gestufter Studiengänge. Nach Angaben des nationalen BolognaBerichts 2004 waren mit Beginn des Sommersemesters 2005 in Deutschland 2.925 konsekutive Studiengänge eingerichtet. Das entsprach im Sommersemester 26,2 Prozent des gesamten Studienangebots. Das war im Vergleich zum Sommersemester
2003 schon ein riesiger Sprung, damals gab es nur gut 1.600 Studiengänge dieser Art, die eingerichtet waren. Dennoch besteht aus meiner Sicht kein rechter Anlass zum Jubeln.
Die aktuellsten Angaben aus Thüringen, die ich mir letzte Woche herausgesucht habe, stammten noch vom Sommersemester 2005. Zum damaligen Zeitpunkt, also vor einem halben Jahr, als das Sommersemester begann, konnte man von den 312 Studiengängen 37 mit dem Bachelor abschließen und nur 16 mit dem Master. Das heißt, zum Sommersemester 2005 lag Thüringen in puncto Umstellung auf die neuen Studiengänge noch unter dem Bundesdurchschnitt. Es freut mich natürlich, zu hören, dass wir da offensichtlich jetzt im Wintersemester einen großen Sprung gemacht haben, dass man inzwischen 48 Studiengänge mit dem Bachelor abschließen kann und weitere 38 Studiengänge mit dem Master abschließen kann. Das ist erfreulich, dass wir inzwischen demzufolge ein knappes Drittel aller Studiengänge umgestellt haben. Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, wir haben noch bis zum Jahre 2010 Zeit, das sind nur noch gut 4 Jahre, und in diesen nächsten 4 Jahren müssen auch die verbleibenden zwei Drittel der Studiengänge auf das neue gestufte Studiensystem umgestellt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die für Deutschland und Thüringen genannten Zahlen weisen vor allem auf nach wie vor bestehende Akzeptanzprobleme des dreistufigen Studiensystems bei den Hochschulen, aber eben auch bei den Studierenden selbst hin. Ähnlich sieht es übrigens bei den Unternehmen aus, die künftig als eine Art Hauptabnehmer der universitären Bachelor- und Master-Absolventen fungieren sollen. Nach einer repräsentativen Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft vom Mai des vergangenen Jahres - es ist schon ein gutes Jahr her - gaben lediglich zwei Drittel aller Unternehmen bis maximal 49 Beschäftigte an, dass sie sich vorstellen könnten, jemals einen Bachelor- oder Master-Absolventen zu beschäftigen. Bei den größeren Unternehmen stieg diese Quote glücklicherweise auf ungefähr vier Fünftel. Aber auch dort kann noch nicht von allseitiger Akzeptanz der konsekutiven Studiengänge gesprochen werden. Neben diesen prinzipiellen, oftmals auf fehlenden Informationen über das neue Studiensystem und auf mangelnder Vertrautheit mit den neuen Abschlussbezeichnungen basierenden Vorbehalten lassen sich auch noch sektorale Akzeptanzprobleme ausmachen. Das betrifft einmal den Bereich der Geisteswissenschaften, wo oftmals die Befürchtung geäußert wird, mit der Modernisierung der Studiengänge gehe eine Verschulung und damit zwangsläufig eine Verflachung des bislang von der Selbständigkeit und Selbstorganisation der Studierenden geprägten geisteswissenschaftlichen Universitätsstudiums einher. Zum anderen wären die Berei
che der Ingenieur- und Architekturwissenschaften zu nennen - Kollegin Hennig sprach es eben auch schon an. In diesem Bereich wird dem Bachelor vielfach die Eigenschaften als wirklich erstem berufsqualifizierenden Abschluss abgesprochen. Nicht umsonst haben sich die neuen großen Technischen Universitäten Deutschlands, Aachen, Berlin, Braunschweig, Darmstadt, Dresden, Hannover, Karlsruhe, München und Stuttgart, Ende vergangenen Jahres für den Mastertitel als berufsqualifizierenden Regelabschluss der Ingenieurwissenschaften ausgesprochen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei den eben skizzierten Akzeptanzproblemen kann Politik leider wenig helfen. Bund und Länder haben die hochschulpolitischen Rahmenbedingungen für das zweistufige Studiensystem abgesteckt. Nun müssen diese Änderungen in den Köpfen ankommen und mit Leben erfüllt werden. Dazu bedarf es vor allem verstärkter Informationen über die Chancen und Möglichkeiten der gestuften Studiengänge und der ihnen zugeordneten Abschlüsse. Hier sehe ich die Hochschulen, die Studierenden und die Arbeitgeber in der Pflicht. Ihnen kann man nur sagen: Informieren Sie sich und andere über den Bologna-Prozess, über den neuen entstehenden europäischen Hochschulraum und natürlich auch über die neuen Abschlüsse Bachelor und Master.
Abschließend noch eines: Bei einem anderen mit dem Umsetzungsprozess verknüpften Problem kann und muss Politik sehr wohl helfen. Ich meine damit die nur sehr schleppend verlaufende Akkreditierung der gestuften Studiengänge. Laut dem nationalen Bologna-Bericht 2004 sind von den seinerzeit 2.925 BA- und MA-Studiengängen gerade einmal 716 akkreditiert. Viele Hochschulen beklagen die zeitraubenden, teilweise überaus bürokratischen und komplizierten Verfahrensweisen der Akkreditierungsagenturen. Gleichzeitig berichten Insider immer wieder von der mitunter erschreckenden Oberflächlichkeit, mit der dann die endgültige Akkreditierungsentscheidung vorgenommen wird. Auf der einen Seite also ein langwieriges Akkreditierungsverfahren auf der anderen Seite eine teilweise recht laxe abschließende Entscheidungsfindung. Das passt nicht zusammen. Es ist fraglich, wie auf diesem Wege bis zum Jahr 2010 mehr als 11.000 Studiengänge in Deutschland und mehr als 300 Studiengänge in Thüringen vollständig akkreditiert werden sollen. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Jahr für Jahr umjubelt die Landesregierung voller Begeisterung gemeinsam mit einem nicht unbeträchtlichen Teil der veröffentlichten Meinung die Betriebe und verkündet jedes Jahr aufs Neue, dass jeder ausbildungswillige und ausbildungsfähige Jugendliche hier im Freistaat Thüringen einen Ausbildungsplatz erhalten wird. Wer genauer hinhört, der wird vernehmen, dass mancher der Jubelnden nicht von einem Ausbildungsplatz, sondern ganz einfach nur von einem Platz redet. Das, meine Damen und Herren, ist nun ein großer Unterschied, der aber leider in der öffentlichen Diskussion kaum eine Rolle spielt. Bei diesen feinen sprachlichen Unterscheidungen geht es nämlich vor allen Dingen um ein riesiges Angebot an berufsvorbereitenden Maßnahmen in und außerhalb von Schulen, und es geht um vollzeitschulische Ausbildungsgänge und um außerbetriebliche
Ausbildung. Das weiß die Landesregierung ganz genau und beschwört dennoch die in Thüringen in Teilen vorhandene duale Ausbildung, ganz so, als seien alle Plätze Bestandteil der dualen Berufsausbildung; nur sind Berufsvorbereitung und vollzeitschulische Ausbildung keine Bestandteile der dualen Berufsausbildung. Und wer am Ende des Ausbildungsjahres genau hinschaut, der wird auch feststellen, dass auch diejenigen Jugendlichen bei den immer wieder gegebenen und nie gehaltenen Ausbildungsversprechen gemeint sind, die irgendwann mit unbekanntem Verbleib aus der Statistik gestrichen werden. Nur wenn man dies alles zusammenfasst, dann kommt man Jahr für Jahr bis auf minimale Ausnahmen zur angeblich frohen Botschaft, jeder habe einen Platz gefunden. In diesen Sprachregelungen steckt schon Zynismus. Zumindest in der Vergangenheit bedeutete dies, dass mancher junge Mensch ohne Chance in die Sozialhilfe abgeschoben war, zynisch betrachtet, sozusagen seinen Platz auf der Parkbank gefunden hatte, und die Landesregierung tat so, als ob wieder ein Ausbildungspakt gelungen ist. Trotz aller Jubelrufe und Erfolgsmeldungen sank ganz nebenbei die Anzahl der betrieblichen Ausbildungsplätze im Freistaat Thüringen in den vergangenen zehn Jahren rapide, übrigens deutlich schneller als die Anzahl der Bewerber und auch die Bewerberzahlen sind aktuell nur dadurch noch so hoch, weil wir eine unglaubliche Bugwelle von Altnachfragern vor uns herschieben von nahezu 50 Prozent der Bewerber. Nach den aktuellen Daten der Bundesagentur für Arbeit sinkt auch in diesem Jahr das betriebliche Ausbildungsplatzangebot. Es gibt zwar noch keine endgültigen Zahlen vom 30.09., die werden erst nächste Woche am 12. Oktober veröffentlicht, aber allein das lässt mich schon Schreckliches befürchten, weil normalerweise diese Zahlen 3 bis 4 Tage nach Beginn des neuen Ausbildungsjahres veröffentlicht wurden. Wenn man die Zahlen vom August zugrunde legt, dann werden wir wahrscheinlich dieses Jahr in Thüringen nur noch knapp auf 11.000 betriebliche Ausbildungsplätze kommen. Wir hatten im Ausbildungsjahr 96/97 im Freistaat Thüringen einmal über 21.000 betriebliche Ausbildungsplätze. Es hat sich also halbiert. Und diese Mär, das allein ein Wirtschaftswachstum dazu führt, dass mehr ausgebildet wird - wir hatten in den Jahren 1999/2000/2001 eine durchaus positive wirtschaftliche Entwicklung, aber auch in dieser Zeit haben die Unternehmen die Ausbildung massiv zurückgefahren. Wir haben seit dem Ausbildungsjahr 1996/97 durchgängig in jedem Jahr einen Rückgang von betrieblichen Ausbildungsplätzen zu verzeichnen, wie gesagt, wir werden nach Lage der Dinge für das Ausbildungsjahr 2004/2005 im Bereich unter 11.000 betrieblichen Ausbildungsplätzen liegen. Erstaunlich ist allerdings, dass in der Statistik der Bundesagentur vom 31.08. ebenfalls die Zahl der außerbetrieblichen Ausbildungsplätze erheblich reduziert wurde. Außer
betriebliche Ausbildungsplätze sind aber immer von öffentlicher Finanzierung abhängig. Es wäre in diesem Zusammenhang schon interessant zu wissen, wo trotz des Ausbildungspakts und trotz der beträchtlichen öffentlichen Mittel die Finanzierungslücke ist.
Lassen Sie mich noch einmal zum Ausbildungspakt hier in Thüringen zurückkommen. Hier existiert nämlich aus meiner Sicht eine besondere Schizophrenie. Die Landesregierung fordert einerseits die Betriebe, die Kammern völlig zu Recht und wiederholt auf, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. Auf der anderen Seite besetzt sie aber seit Jahren im eigenen Bereich nicht alle zur Verfügung stehenden und in die jeweiligen Haushaltspläne eingestellten Ausbildungsplätze. Mit anderen Worten, sie baute in den vergangenen Jahren massiv Ausbildungsplätze ab. Im Jahre 2004 wurden nur 508 von 828 eingestellten Ausbildungsplätzen wirklich besetzt. Zum 30.06. dieses Jahres waren nur 470 besetzt von 815 eingestellten Ausbildungsplätzen. Wenn ich mir die Haushaltsansätze für 2006 und 2007 anschaue, da geht die Landesregierung einen anderen Weg, da stellt man von vornherein weniger Ausbildungsplätze in den Haushaltsplan ein, nämlich für 2006 664 Ausbildungsstellen und 2007 nur noch 654 Ausbildungsstellen.
Meine Damen und Herren, weil es absurd ist und weil wir dies alles seit Jahren eigentlich wissen, deshalb ist es wichtig zu erfahren, welche öffentlichen Mittel dafür eingesetzt werden. Die Verstaatlichung der Berufsausbildung kostet nämlich Millionen; Herr Minister Reinholz hatte eben einige Zahlen genannt. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erfahren, wofür denn die Mittel des Europäischen Sozialfonds eingesetzt werden. Wenn wir ein höchstrichterliches Urteil haben, das den Betrieben die Ausbildungspflicht auferlegt, und wenn wir gleichzeitig ein rechtskräftiges Berufsausbildungsstellensicherungsgesetz haben, dann stellt sich doch schon die interessante Frage, ob der Einsatz von Mitteln des Europäischen Sozialfonds in Maßnahmen der Berufsvorbereitung, in Maßnahmen der Berufsausbildung und vielleicht sogar in Maßnahmen an den staatlichen Schulen nicht nationale Pflichtaufgabe ist. Denn der Europäische Sozialfonds soll ja bekanntlich zusätzlich zu dem eingesetzt werden, was ohnehin nationale Aufgabe ist. Es wäre schon makaber und zu hinterfragen, wenn der ESF in Thüringen zur Sanierung des Landeshaushalts dient.
Wir sollten nun nach dem Abschluss des Berufsberatungsjahrs uns endlich die Wahrheit eingestehen, die besagt, dass der Thüringer Ausbildungspakt bestenfalls für einen Teil der Ausbildungsplätze gesorgt hat. Er war wichtig, aber er hat bei weitem nicht ausgereicht. Tausende junge Menschen werden aber in den kommenden Wochen eben nur einen Platz und
keinen Ausbildungsplatz erhalten. Tausende junge Menschen machen wieder eine mehr oder weniger unsinnige Warteschleife in einer Berufsvorbereitungsmaßnahme, um im kommenden Jahr wieder auf den Ausbildungsstellenmarkt zurückzukehren, um sich erneut um einen Ausbildungsplatz zu bewerben.
Noch eine Bemerkung zu den schönen Zahlen, warum die immer im August/September absinken. Wir haben in diesem Land eine Schulpflicht für alle unter 18-Jährigen, demzufolge auch eine Berufsschulpflicht. Wer noch keine 18 Jahre alt ist und zum 01.10. oder zum 30.09. keinen Ausbildungsplatz vorweisen kann, der geht natürlich in eine berufsvorbereitende Maßnahme hinein und fällt diesbezüglich natürlich in der Statistik im nächsten Monat nicht mehr auf. Das ist der Grund, warum wir gerade in den letzten Wochen immer massiv sinkende Bewerberzahlen haben. Das gehört zur realistischen Wahrnehmung und das deuten zum x-ten Mal auch die Zahlen der Bundesagentur an. Deshalb sollten wir uns endlich dem Problem stellen. Wir sollten beantworten, ob wir, was die Förderung angeht, faktisch eine staatliche Ausbildung wollen, selbst wenn sie in Betrieben stattfindet, oder ob wir der Auffassung sind, dass Finanzierung und Durchführung der Berufsausbildung - abgesehen von der Berufsschule - Aufgabe der Betriebe sein muss. Die Kollegin Hennig sprach es eben an, es gibt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1980, als es schon einmal eine große Debatte gab um eine mögliche Umlagefinanzierung. Damals hat Karlsruhe ganz klar entschieden: Es ist Aufgabe der Betriebe, genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Sie haben sogar die Größenordnung definiert. Sie haben gesagt, die Betriebe müssen 112,5 Prozent der Nachfrage an Ausbildungsplätzen zur Verfügung stellen und mit Nachfrage meinten sie nicht die bereinigten Zahlen von Ende September, sondern die Leute, die sich in einem Jahr um einen Ausbildungsplatz bewerben. Das heißt für Thüringen, dass wir für die 30.000 Bewerber im Ausbildungsjahr 2004/2005 im Grunde genommen ein Angebot von nahezu 35.000 betrieblichen Ausbildungsplätzen haben müssten. Die Realität ist wahrscheinlich unter 11.000 betrieblichen Ausbildungsplätzen, also eine Lücke von schlappen 24.000 betrieblichen Ausbildungsplätzen. Das Berufsausbildungssicherungsgesetz bietet eine Grundlage dafür, das Ausbildungsangebot wenigstens im nächsten Ausbildungsjahr zu erhöhen. Wir sollten in Anbetracht der Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt den Fördermechanismus des Berufsausbildungssicherungsgesetzes in Kraft setzen. Ich möchte daher auch ankündigen, dass meine Fraktion heute dem Antrag der Linkspartei.PDS zustimmen wird. Es bringt nichts, wiederum Tausende junge Menschen für nicht ausbildungsreif zu erklären und sie in irgendwelche Berufsvorbereitungsmaßnahmen zu stecken. Ich habe in diesem hohen Hause, ich glau
be, es war im April, schon einmal gesagt, dass eine derartige Feststellung, wäre sie wahr, den Offenbarungseid für die Thüringer Bildungspolitik darstellen würde. Wo anders als in den Schulen wird denn auf Ausbildungsreife vorbereitet? Schon deshalb kann es doch nicht sein, dass so viele junge Menschen Jahr für Jahr nicht ausbildungsreif sind.
Meine Damen und Herren von der Union und von der Landesregierung, gestehen Sie sich endlich ein: Wir haben für Tausende junge Menschen keinen Ausbildungsplatz und deshalb, nur deshalb, bieten wir ihnen eine Berufsvorbereitung und keinen Ausbildungsplatz an. Ich danke Ihnen.
Gestaltung des Ausbildungsvertrags der Berufsakademie Thüringen
Voraussetzung für den Besuch der Berufsakademie Thüringen ist der Abschluss eines Ausbildungsver
trags zwischen dem Studienbewerber und der Ausbildungseinrichtung eines Praxispartners. In Punkt 11.2 des von der Berufsakademie den Vertragschließenden vorgegebenen Vertragstextes heißt es: „Unzulässige Nebenabreden sind u.a. Abreden über eine Bindung nach Beendigung der Ausbildung oder über einen Kostenersatz bei einem Wechsel des Arbeitgebers nach Beendigung der Ausbildung.“
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie bewertet die Landesregierung diese Vertragsklausel?
2. Inwiefern hat sich diese Vertragsklausel aus Sicht der Landesregierung bewährt, insbesondere im Hinblick auf die Bereitschaft Thüringer Unternehmen, derartige Ausbildungsverträge einzugehen?
3. Ist der Landesregierung Kritik an dieser Vertragsklausel seitens der Thüringer Unternehmen bekannt?
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zu Beginn meiner Rede über diesen Antrag möchte ich die Gelegenheit nutzen, um auf eine Mündliche Anfrage hinzuweisen, die ich im Plenum im vergangenen Januar gestellt habe, darüber hinaus möchte ich noch einmal auf die Antwort der Landesregierung, damals vorgetragen von Minister Dr. Gasser, verweisen. Ich habe im Januar nachgefragt, warum im vergangenen Haushaltsjahr, im Jahr 2004, 828 Ausbildungsstellen in den Haushaltsplan eingestellt waren, aber im Laufe des Jahres nur 508 Ausbildungsstellen besetzt wurden. Der Innenminister hat mich daraufhin darüber informiert, dass es sich bei der im Landeshaushalt vorgesehenen Planzahl lediglich um eine Ermächtigung handelt, diese Ausbildungsstellen zu besetzen. Darüber hinaus hat mich Dr. Gasser darüber informiert, dass die Anzahl der tatsächlich abgeschlossenen Ausbildungsverträge sich neben den finanziellen Möglichkeiten in erster Linie am tatsächlichen Nach
wuchskräftebedarf orientiert. Zu meiner Frage, wie denn die Besetzung im Jahr 2005 vorgesehen ist, hat der Innenminister letztlich auf den damals nur im Entwurf vorliegenden Haushaltsplan 2005 verwiesen und damit begründet, dass noch keine verbindlichen Aussagen getroffen werden können.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die genaue Kommentierung der Antworten erspare ich mir an dieser Stelle. Ich hatte bis zum Beitrag von Frau Groß die Hoffnung, dass es uns im Interesse der jungen Menschen gelingt, gemeinsam diesen Antrag zu verabschieden und ein Zeichen zu setzen. Eine derartige Situation ist ja bekanntlich hier im Hause recht selten und wir hätten jetzt die Gelegenheit dazu und vor allem macht der Handlungsbedarf dies eigentlich auch nötig. Es gibt keine Entspannung auf dem Ausbildungsstellenmarkt. Es zeichnet sich eher eine Verschlechterung ab, was die Anzahl der betrieblichen Ausbildungsstellen angeht. Wenn man sich die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit anschaut für den Freistaat Thüringen, dann liegen wir knapp 10 Prozent unter den Werten des Vorjahres. Es gilt also, mit gutem Beispiel voranzugehen. Der Haushaltsplan des Jahres 2005 liegt ja inzwischen vor. Er ist kein Entwurf mehr. Er ist inzwischen ein Gesetz. Ich gehe mal davon aus, dass die in diesem Landtag vorgelegten Planzahlen in Höhe von 815 Ausbildungsplätzen dem tatsächlichen Bedarf an Nachwuchskräften der Landesdienststellen entsprechen. Ich gehe weiterhin davon aus, dass dieser Landeshaushalt nach Auffassung der Landesregierung den finanziellen Möglichkeiten des Landes entspricht. So gesehen überrascht es mich schon, dass Frau Groß beides in Frage stellt, zumal ja ihre Fraktion diesen Haushalt mit ihrer Mehrheit im Februar hier verabschiedet hat. Beide entscheidenden Faktoren, die Minister Gasser als Antwort auf meine Mündliche Anfrage benannt hat, sind aus meiner Sicht erfüllt.
Nun zurück zum Landeshaushalt. Dort sind 815 Ausbildungsplätze im Jahr 2005 vorgesehen. Und nach allem, was wir im Hinblick auf die problematische Altersstruktur auch in den Landesdienststellen wissen, dürfte eine derartige Zahl eher den Mindestbedarf und nicht den Höchstbedarf darstellen. Wenn wir uns die Anzahl der Altbewerber ansehen und feststellen müssen, dass diese mittlerweile fast 50 Prozent der Gesamtbewerber ausmachen, dann dürfte jedem in diesem Lande klar sein, warum wir um jeden einzelnen Ausbildungsplatz im Freistaat Thüringen kämpfen müssen. Es gibt keinen Grund, so zu tun, als wenn das Problem erledigt wäre. Auch der Ausbildungspakt, der vergangenen Dienstag unterzeichnet wurde, wird das Problem allenfalls abschwächen. Die Schere zwischen Angebot und Nachfrage droht auch in diesem Jahr noch weiter auseinander zu gehen. Deshalb sollten wir
im Interesse der Thüringer Jugendlichen, im Interesse von deren Eltern und im Interesse derjenigen, die aus der Wirtschaft bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und Ausbildungsplätze bereitstellen, dafür sorgen, dass das Land in diesem Jahr statt mit schlechtem Beispiel - wie in Vorjahren - endlich mit gutem Beispiel vorangeht. 320 Ausbildungsplätze hätten wir in eigener Zuständigkeit im Jahr 2004 mehr besetzen können. Ich gehe jede Wette ein, dass es für diese 320 Ausbildungsplätze auch genügend qualifizierte Bewerber gab und gibt. Jeder dieser 815 Ausbildungsplätze, die in diesem Jahr eingestellt sind, wird von einer derartigen Anzahl junger Menschen aus Thüringen umworben sein, dass die qualifizierte Auswahl leicht fallen dürfte. Falls es mal zur Auflösung eines Ausbildungsverhältnisses kommt, wird die unverzügliche Nachbesetzung leicht möglich sein. Es gibt also keinen Grund, in irgendeiner Form von der Besetzung aller 815 Ausbildungsstellen abzuweichen.
Meine Damen und Herren, der Ihnen vorliegende Antrag ist im ersten Punkt nichts anderes als die verbindliche Zusage, diese 815 Stellen auch wirklich zu besetzen. Im zweiten Punkt ist er von der Aktualität etwas eingeholt worden. Der Antrag lag ja bereits zur letzten Plenartagung vor, konnte aber aus Zeitgründen nicht mehr behandelt werden. Nichtsdestotrotz beinhaltet der zweite Punkt unseres Antrags nichts anderes, als innerhalb des Ausbildungspakts mit gutem Beispiel voranzugehen. Ich glaube schon, dass die Vertreter der Handwerkskammern, der Industrie- und Handelskammern, die Vertreter der freien Berufe und der Landwirtschaft nichts dagegen hätten, wenn die Landesregierung ihr eigenes Ausbildungsangebot in diesen Ausbildungspakt noch nachträglich einbringt. Es geht bei diesen Ausbildungsplätzen noch nicht einmal um die Zusätzlichkeit. Es geht einfach nur um das, was möglich ist, und das, was in diesem Hause von der Mehrheitsfraktion schon einmal beschlossen wurde. Und es wäre eine Möglichkeit, wenn wir das heute beschließen, auch ein Zeichen zu setzen in Richtung der kommunalen Arbeitgeber und da ein bisschen den Druck zu erhöhen. Denn nicht nur in den Landesdienststellen wurde in den vergangenen Jahren massiv an Ausbildungsstellen gespart, sondern auch auf kommunaler Ebene. Es geht darum, dass keiner vom anderem etwas verlangt, was er selbst nicht zu leisten bereit ist. Weil aber von der Wirtschaft sehr zu Recht verstärktes Ausbildungsengagement verlangt wird, kann und darf die Landesverwaltung vorhandene Ausbildungskapazitäten nicht als klammheimliche Sparbüchse missbrauchen.
Das wäre und das ist schlicht und einfach verlogen. Ich gehe davon aus, dass die anderen Partner
des Ausbildungspakts, auch wenn der bereits am Dienstag unterzeichnet wurde, diese heutige Debatte verfolgen und auch durchaus die Abstimmung verfolgen werden.
Meine Damen und Herren, ich weiß, dass es nicht primäre Aufgabe der öffentlichen Hand ist, gegebenenfalls fehlende Ausbildungsplätze in der Wirtschaft durch zusätzliche Kapazitäten im öffentlichen Dienst zu kompensieren. Darum geht es auch nicht. Es geht einfach darum, dass die Landesregierung das leistet, was sie durch ihre Haushaltsgesetzgebung zu leisten in der Lage sein müsste. Deshalb bitte ich insbesondere die Kollegen von der CDU, über ihren Schatten zu springen und im Interesse der jungen Leute im Land diesem Antrag zuzustimmen. Vielen Dank.
Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für bedenklich, dass man zu Recht die Wirtschaftsverbände auffordert, an ihre Grenzen zu gehen und möglichst viel auszubilden, auch wenn es zum Teil schwierig erscheint, auf der anderen Seite aber das Land offensichtlich nicht bereit ist, die Zahl an Ausbildungsstellen einzubringen in den Ausbildungspakt, die durch dieses Haus im Haushaltsplan beschlossen wurden?
Geplante Zusammenlegung der Studentenwerke Erfurt-Ilmenau und Jena-Weimar
In Thüringen existieren bislang die Studentenwerke Erfurt-Ilmenau und Jena-Weimar. Ministerpräsident Althaus hat in seiner Regierungserklärung vom 9. September 2004 eine Zusammenlegung der beiden Studentenwerke angekündigt.
Ich frage die Landesregierung:
1. Zu welchem konkreten Zeitpunkt soll die Zusammenlegung der beiden Studentenwerke erfolgen?
2. An welchem Ort soll das künftige Thüringer Studentenwerk seinen Geschäftsführungssitz haben?
3. Welche konkreten Einspar- und Synergieeffekte sind mit der Zusammenlegung zu erwarten?
4. Welche konkreten Auswirkungen wird die Zusammenlegung auf das Personal der beiden Studentenwerke haben?
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist für mich eine der angenehmeren Pflichten, heute vor Ihnen über den Entwurf des Thüringer Gesetzes zur Einführung der Juniorprofessur zu sprechen. Zwischen dem Fachministerium, das diese Vorlage erarbeitet hat, und den drei Landtagsfraktionen besteht - und das hat sich eben noch einmal bestätigt - meiner Ansicht nach weitestgehende Übereinstimmung in der Beurteilung der zur Regelung anstehenden Gesetzesmaterie. In Anbetracht der Tatsache, dass es in diesem Hause nicht üblich ist, dass man eine gemeinsame Meinung hat, denke ich, sollte das schon noch mal erwähnt werden.
Hauptzweck des vorgelegten Gesetzentwurfs ist es, Rechtssicherheit für die Thüringer Juniorprofessoren zu schaffen. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts - das wurde vorhin schon gesagt - vom 27. Juli des vergangenen Jahres, welches die 5. Novelle des Hochschulrahmengesetzes für nichtig erklärt und der Hochschulpersonalkategorie „Juniorprofessur“ die juristische Grundlage genommen hat, ist eine nicht unbeträchtliche rechtliche Lücke entstanden. Die Thüringer Juniorprofessoren befinden sich im Grunde genommen seit einem Dreivierteljahr in einem rechtlichen Schwebezustand. Dies hat erhebliche Rechtsunsicherheiten bei den Betroffenen auf der einen Seite, aber auch bei den Thüringer Hochschulen auf der anderen Seite geschaffen. Dieser unhaltbare Zustand ist nun beseitigt und das begrüßt meine Fraktion ausdrücklich.
Daneben findet ein weiteres Anliegen des Gesetzentwurfs unsere Unterstützung. Er eröffnet nämlich auch Optionen für eine umfassende Reform der Thüringer Hochschulen selbst. Künftig soll die Besetzung der Juniorprofessur aufgrund einer Ausschreibung in alleiniger Verantwortung der Hochschulleitungen erfolgen. Damit wird auf das herkömmliche Berufungsverfahren unter Beteiligung des Dienstherrn, also des Kultusministeriums in Vertretung des Freistaats Thüringen, ausdrücklich verzichtet. Meine Fraktion begrüßt dies als eine erste wichtige Maßnahme zur dringend gebotenen Ausweitung der Hochschulautonomie, insbesondere hinsichtlich größtmöglicher Eigenverantwortung bei Personalauswahl, Personalentwicklung und Personalführung. Wir sollten daher die aus der Anwendung des Juniorprofessorengesetzes resultierenden Erfahrungen nutzen, um bei der nächsten anstehenden Novelle des Hochschulgesetzes auch darüber zu entscheiden, ob diese Form der Ausschreibung
zum Standard bei der Besetzung von Hochschullehrstühlen gemacht werden kann oder nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die vom Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien durchgeführte schriftliche Anhörung zum Gesetzentwurf hat wenig substanziellen Änderungsbedarf ergeben. Lediglich zwei Punkte sind dabei ins Auge gefallen. Der eine betrifft die Anrechnung der bisherigen Amts- und Beschäftigungszeiten der Juniorprofessoren. Hier ist der Ausschuss in seiner Beschlussempfehlung unter Zustimmung aller drei Fraktionen den von den Vertretern der Juniorprofessoren geltend gemachten Änderungsvorschlägen weitgehend entgegengekommen.
Als zweiter Punkt ist die höhere Lehrverpflichtung von Juniorprofessoren in künstlerischen Fächern gegenüber jenen in wissenschaftlichen Fächern zu nennen. Im Ausschuss hat sich an dieser Stelle kein Einvernehmen über eine Angleichung der unterschiedlichen Lehrverpflichtungen gefunden. Das ist bedauerlich. Allerdings erscheint es mir letztlich auch sinnvoller, den Gesamtkomplex Lehrverpflichtungen bei der nächsten Novellierung des Hochschulgesetzes anzugehen. So können wir dann zu einer einheitlichen Regelung kommen, anstatt jetzt Sondertatbestände für den Bereich der Juniorprofessoren zu schaffen. Meine Fraktion erachtet diesen Punkt im Rahmen des vorliegenden Gesetzentwurfs als sekundär und hat deswegen auch keinen Änderungsantrag dazu eingebracht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss zusammenfassend Folgendes sagen: Die SPD-Fraktion begrüßt den vorliegenden Gesetzentwurf, insbesondere wegen seiner Hauptintention, Rechtssicherheit für die Thüringer Juniorprofessoren. Wir tragen die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft, Kunst und Medien mit und werden der Vorlage zustimmen. Vielen Dank.
Thüringer Ausbildungspakt 2005
Von der Landesregierung wurde mehrfach ein Ausbildungspakt für das Jahr 2005 angekündigt. Wie bereits in den vergangenen Jahren wird das von öffentlicher Förderung abhängige Ausbildungsplatzangebot und die Bereitschaft der Verbandsvertreter von erheblicher Bedeutung sein.
Ich frage die Landesregierung:
1. In welchem Umfang werden von der Bundesagentur für Arbeit voraussichtlich Ausbildungsplätze ent
2. In welchem Umfang wird voraussichtlich eine Förderung im Rahmen der „Zukunftsinitiative Lehrstellen (ZIL)“ erfolgen und welche Differenz ergibt sich voraussichtlich zur Förderung im vergangenen Jahr (Ausbildungspakt 2004)? 3. Beabsichtigt die Landesregierung die Einbeziehung der öffentlichen Arbeitgeber, der landwirtschaftlichen Berufe und der freien Berufe in den Ausbildungspakt 2005 und gibt es seitens der genannten Bereiche eine entsprechende Bereitschaft zur Mitunterzeichnung?
4. Bis zu welchem Zeitpunkt soll der Ausbildungspakt 2005 voraussichtlich zustande kommen?
Heißt die Einbeziehung der Landwirtschaft und der freien Berufe, dass diese beiden Branchen ihr Ausbildungsplatzangebot im Vergleich zum Vorjahr erweitern oder wenigstens halten?
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, als die PDS vor 14 Tagen diese Aktuelle Stunde beantragte, da waren die Ereignisse von Erfurt vom vergangenen Samstag noch nicht absehbar. Es war zwar bekannt, dass eine NPD-Kundgebung in Erfurt stattfinden wird, was aber im Einzelnen dort geschieht, davon konnte man natürlich damals noch nichts wissen.
Fakt ist eins, die Veranstaltung der NPD, des Kreisverbandes Gotha/Erfurt, fand am Samstag statt. Die Zahlen, die allgemein in den Medien genannt wurden, die kann ich durchaus bestätigen als jemand, der auch auf dem Anger zugegen war. 60 Rechtsradikale, ewig Gestrige, auf der einen Seite und ca. 300 couragierte Bürger auf der anderen Seite. Man muss zu Beginn noch mal eines klar stellen, weil ich glaube, das ist in den letzten Tagen über die Medien völlig falsch rübergekommen. Von den Gegendemonstranten, von den über 300 Menschen, waren die meisten friedliche Demonstranten, couragierte Bürger aus der Stadt Erfurt, und eben nicht potenzielle Gewalttäter,
zumal noch hinzu kommt, dass diese Bürger einen Aufruf nicht nur des gesamten Erfurter Stadtrats, sondern auch des Erfurter Oberbürgermeisters Manfred Ruge, CDU, folgten. Zu Beginn der Veranstaltung gab es die üblichen Hetzreden der Nazis. Es wurde von Seiten der Gegendemonstranten gepfiffen, so dass man zu Beginn zum Glück von dem, was vorn gesagt wurde, wenig verstehen konnte. Danach flogen Eier. Ich habe auch gesehen, wie eine Flasche flog. Aber ich muss noch mal sagen, es war die absolute Minderheit, die sich so verhalten hat. Ich beziffere es mit 20 oder 25 Leuten, 30 Leuten - das soll dahingestellt sein -, es war jedenfalls, gemessen an der Gesamtzahl der Demonstranten, die absolu
te Minderheit. Was danach geschah, das war völlig unangemessen und überzogen. Es war aus meiner Sicht ein Zeichen völliger Überforderung der Einsatzleitung der Polizei, dass man eben nicht versucht hat, die Gewalttätigen, die Flaschenwerfer zu isolieren, herauszuholen aus dem Trupp der vielen Demonstranten, nein, dass man per se 300 in der Masse friedliche Demonstranten zu potenziellen Gewalttätern erklärt hat und entsprechend dann - und das ist das Entscheidende - unter dem Jubel der Nazis mit einem Schwall von Wasser überzogen hat. Ich glaube, allein die Tatsache oder allein das Gefühl, als man gehört hat, wie die Nazis jubelten, als das Wasser kam, das wird diesem Land und der Stadt Erfurt noch lange anhängen.
Es flogen auch, was die Sache noch sehr viel kritischer gemacht hat, Flaschen von Seiten der Nazis. Da hat nämlich die Polizei offensichtlich zugeschaut und mir ist nicht aufgefallen, dass in irgendeiner Art und Weise in diese Richtung interveniert wurde.
Im weiteren Verlauf, nachdem die Blöcke voneinander getrennt wurden, wurden dann auch fröhlich im rechten Lager Lieder geträllert. Also ich kenne mich in der Szene, auch mit dem Liedgut nicht weiter aus, aber für meine Ohren war es schon so, dass man entweder ziemlich knapp in dem Bereich lag, wo man es noch gerade singen durfte oder eben schon zum Teil darüber lag. Auch da hat die Polizei nicht eingegriffen und hat diesem makaberen Schauspiel zweieinhalb Stunden lang zugeschaut und hat gewartet, bis diese Truppenteile nach über zwei Stunden die Erfurter Innenstadt wieder verließen.
Aus meiner Sicht hätte man viel eher eingreifen müssen, aber nicht unbedingt in die Richtung, wie man es getan hat, sondern eher in die andere Richtung. Ich glaube, man hätte viel eher auch diese Kundgebung der NPD auflösen können, wenn man etwas genauer auf die Lieder gehört hätte, die dort gesungen wurden,
und wenn man auch einmal bezüglich Flaschenwerfer und Tomatenwerfer von der anderen Seite etwas gründlicher nachgeschaut hätte. Ich denke, da kommt man auch im Nachhinein noch nach. Die Polizei hat ja ausführlich gefilmt. Die Filmaufnahmen sind ja bestimmt auszuwerten. Was ich aber - wie gesagt, ich habe es vorhin schon ein paar Mal angesprochen - ganz verheerend fand, auch als Signal nach außen, das ist die Art und Weise, was da
nach kommuniziert wurde - 250 bis 350 Gewaltbereite. Das ist aus meiner Sicht eine Unverschämtheit gegenüber den vielen couragierten Bürgern, die dahin gekommen sind, erstens und zweitens ist es auch deswegen, man muss wirklich sagen, völlig hohl so etwas zu behaupten, wenn man sieht, wer dort zum Teil stand. Das waren nämlich Mitglieder aller Parteien des Erfurter Stadtrats, das waren Mitglieder aller Parteien des Thüringer Landtags, unter anderem auch die Vizepräsidentin Birgit Pelke, und die Mitglieder aller Parteien sind entsprechend auch nass geworden und wurden entsprechend vollgespritzt von den Wasserwerfern der Polizei.
Als Letztes vielleicht noch eins: Man darf nicht vergessen,
dass es auch in den nächsten Wochen und Monaten wieder mehrere dieser Auftritte und Aufmärsche in Thüringen geben wird. In Erfurt sind die Nazis, ist die NPD, mit einer bundesweiten Veranstaltung für den 25.06. wieder angekündigt. Man muss sagen, das, was da am Samstag geschah, das war keine Abschreckung für die Nazis, das war eher eine Ermutigung wiederzukommen. Ich hoffe, dass man aus den Fehlern, die am Samstag gemacht wurden, lernt, dass sich auch die Polizei besser vorbereitet und dass man auch, was die Aktivitäten der Nazis angeht, etwas gründlicher hinschaut bei der nächsten Veranstaltung. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich ganz kurz etwas zum Thema Studiengebühren sagen. Wir haben ja noch die von meiner Fraktion beantragte Aktuelle Stunde, da werde ich mich etwas ausführlicher zum Thema äußern.
Wir sind jetzt nicht in der Aktuellen Stunde, Herr Kretschmer.
Zunächst nur so viel: Meine Fraktion lehnt die Einführung von allgemeinen Studiengebühren im Freistaat Thüringen auch aus sozialen Gründen kategorisch ab. Eine Gebührenerhebung wird insbesondere Kinder aus einkommensschwachen Familien von den Hochschulen fernhalten und damit die ohnehin schon vorhandene soziale Schieflage bei der Zusammensetzung der Studentenschaften noch weiter verstärken. Wenn wir aber im internationalen Bildungswettbewerb mithalten wollen, brauchen wir in den kommenden Jahren nicht weniger, sondern deutlich mehr Studierende.
(Beifall bei der SPD)
Das Ziel muss es in den kommenden Jahren sein, bis zu 40 Prozent eines Altersjahrgangs an die Hochschulen zu führen. Hierbei würden natürlich Studiengebühren absolut kontraproduktiv wirken. Letztendlich geht es bei der Frage - Studiengebühren ja oder nein - um soziale Belange. Es geht aber auch um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wer diese nicht gefährden will, der ist gegen Studiengebühren. Wie gesagt, meine Fraktion lehnt deren Einführung konsequent ab.
Aber lassen Sie mich nun zu dem von der PDS eingebrachten Gesetzentwurf kommen. Der Presse habe ich entnommen, dass damit in der Landesverfassung ein Verbot zur Erhebung von allgemeinen Studiengebühren festgeschrieben werden soll. Nur leider steht das so nicht im Gesetzentwurf, meine Damen und Herren. Die Vorlage zielt vielmehr darauf ab, Artikel 28 Abs. 1 der Thüringer Verfassung um einen weiteren Satz zu ergänzen, der da lautet, Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich: "Der freie, gleiche und unentgeltliche Zugang zu allen öffentlichen Hochschuleinrichtungen wird gewährleistet." Es ist also hier von einem freien und gleichen und sogar unentgeltlichen Zugang die Rede, der für alle öffentlichen Hochschuleinrichtungen geschaffen werden soll. Das ist aber etwas ganz anderes als die bloße Festschreibung eines Studiengebührenverbots in der Thüringer Verfassung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS, ich muss es mal so deutlich sagen: Die von Ihnen ge