Marion Walsmann

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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wenn ein Volksbegehren zugelassen und bekannt gemacht ist, dann ist es eine natürliche Abfolge, dass die Sammlung für die erforderlichen Unterschriften alsbald startet. Insofern erkenne ich nicht die besondere Aktualität, die diesem Thema heute innewohnen soll. Gleichwohl verschließt sich meine Fraktion nicht der Erörterung. Ich selbst habe bereits in einer Diskussionsrunde dazu auf Einladung der SPD-Fraktion, von Ihnen, Frau Taubert, teilgenommen. Also verstehe ich das heute als einen Wideraufguss der dazugehörigen Polemik oder wie sonst. Es geht bei diesem Volksbegehren eben nicht nur um Änderungen der einschlägigen Bestimmungen der Thüringer Kommunalordnung, sondern um eine durchaus sehr weitgehende Umgestaltung dieses Instruments. Ich möchte das kurz ins Gedächtnis rufen, denn viele wissen gar nicht, worüber im Moment gerade gesprochen wird. Es geht erstens darum, die Quoren für Bürgeranträge, Bürgerbegehren, Bürgerentscheide sollen deutlich gesenkt und Ausschlussgründe deutlich reduziert werden. Diese Instrumente sollen nach unten bis auf die Ebene der Ortschaften, der Ortschaftsräte und nach oben auf die Landkreise ausgedehnt werden und aus dem Bürgerantrag soll ein Einwohnerantrag werden, der nicht mehr auf die Staatsangehörigkeit abhebt.
Es ist meines Erachtens schon wichtig, dass diese Vielzahl von Maßnahmen wirklich als Bündel insgesamt noch einmal betrachtet wird, denn die Verhältnisse zu den gewählten Vertretungsorganen nach Ortschafts-, Gemeinde- und Kreisebene und den Bürgerinnen und Bürgern würden durch dieses Gesetz schon sehr weitgehend verschoben. Das kann man wollen, man kann und muss es aus meiner Sicht aber auch an manchen Stellen kritisch hinterfragen, wenn wir die Repräsentativorgane als wesentliche Institution unseres Gemeinwesens nicht entleeren wollen.
Die Frage nach niedrigeren Hürden für Bürgerentscheide und Bürgerbegehren auf kommunaler Ebene muss in erster Linie aber auf dieser Ebene beantwortet werden. Für meine Fraktion sind die bisher skeptisch ablehnenden Reaktionen der kommunalen Spitzenverbände nicht so leicht vom Tisch zu wischen. Ich darf Sie nur an die Stellungnahmen aus der Anhörung zu dem im Landtag bereits beratenen zielgleichen Gesetzentwurf der Opposition noch einmal erinnern. Ich will das nicht weiter vertiefen, aber der Gemeinde- und Städtebund sah zum Beispiel - so wörtlich - „keine vorrangige Notwendigkeit für den Ausbau der direktdemokratischen Elemente“ und verwies dabei auf die - so wörtlich - „grundsätzlichen Wertentscheidungen des Verfassungsgebers zu einer repräsentativen Demokratie und der bereits
vorhandenen Möglichkeiten der Bürger auf kommunaler Ebene ehrenamtlich oder hauptamtlich aktiv zu werden“. In ähnlicher Weise argumentierte der Landkreistag.
Natürlich hat der Ausbau der direktdemokratischen Elemente und Verfahren Rückwirkungen auf die Stellung der gewählten Volksvertreter auf der kommunalen Ebene. Wir können und wollen diese Voten der Spitzenvertretungen nicht ignorieren, denn in den Thüringer Kommunen wird - da sind wir uns, denke ich, alle einig - eine politisch unverzichtbare Arbeit geleistet. Die Bürgerinnen und Bürger engagieren sich, und das über viele Jahre in Kontinuität. Die über 12.000 kommunalen Mandatsträger sind die ersten Ansprechpartner vor Ort. Diese leisten eine sehr, sehr wichtige Arbeit. Ich finde es überhaupt nicht leicht zu nehmen und sogar unverantwortlich, wenn immer wieder betont wird, dass auf dieser Ebene nicht genügend Demokratie herrschen würde.
Meine Damen und Herren, auf lange Frist betrachte ich es als von deutlichem Vorteil, wenn grundsätzliche Entscheidungen, unabhängig auch von augenblicklichen Stimmungslagen, in gewählten Gremien getroffen werden. Wir wollen trotzdem als CDU den Verlauf des Volksbegehrens und die weitere Diskussion in der kommunalen Familie mit Offenheit und Interesse begleiten. Wir sollten unsere Energie aber auch darauf verwenden, das Ansehen und die Entscheidungskompetenz der kommunalen Vertretungsorgane zu stärken und dafür zu werben, dass viele Bürger sich für die kommunalpolitischen Mandate nächstes Jahr zur Kommunalwahl bewerben, statt die Entscheidungsprozesse auf alle möglichen Nebentribünen zu verlagern.
Die Problematik des Themas liegt nicht darin, dass Veränderungen an den Instrumenten direkter Demokratie an sich zur Debatte stehen. Das kann man durchaus auch, manches sogar im Einvernehmen mit den kommunalen Spitzenverbänden diskutieren. Auch bei der Höhe einzelner Hürden, um das zum Schluss zu sagen, gibt es natürlich nicht nur eine einzige zwingend allein richtige Lösung. Entscheidend ist, dass am Ende ein ausgewogenes System an Motivation und Verantwortung der gewählten Bürger einerseits und Einbeziehung aller anderen Bürger bei bestimmten Entscheidungen andererseits besteht. Einer nochmaligen vertieften Diskussion darüber, ob hier noch Verbesserungen möglich sind, verschließen wir uns nicht.
Letzter Satz: Die eigentliche Problematik liegt immer wieder in einem polemisch-propagandistischen Ansatz einerseits und Detailfragen andererseits. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Hauboldt, auf Ihren Anfangspopulismus werde ich nicht populistisch antworten, da ist mir nämlich die Zeit zu schade.
Wenn das Thema der Aktuellen Stunde suggeriert, dass es hier gravierende Probleme im Freistaat gäbe, die es effektiv zu bewältigen gelte, dann hätte ich mir gewünscht, verehrte Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, dass Sie sich im Vorfeld einmal intensiv mit der polizeilichen Kriminalstatistik der vergangenen Jahre für Thüringen auseinandergesetzt hätten, dann hätten Sie nämlich Folgendes festgestellt: Von 2004 bis 2006 ist die Anzahl tatverdächtiger Jugendlicher in Thüringen um 20,8 Prozent und die Anzahl tatverdächtiger Heranwachsender um 8,7 Prozent gesunken und auch die Anzahl tatverdächtiger
Kinder ist signifikant rückläufig.
Wurden im Jahr 2004 noch 3.104 tatverdächtige Kinder erfasst, so waren es im Jahr 2006 nur noch 2.224. Diese Zahlen zeigen eines: Thüringen ist ein sicheres Land und das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern Ergebnis harter Arbeit, insbesondere der Polizei und der Sicherheitsbehörden, an deren Seite die CDU steht.
Doch es kommt mir nicht allein auf die Zahlen an. Was mir große Sorge bereitet, ist der Umstand, dass bundesweit 43 Prozent der Gewaltdelikte von unter 21-Jährigen verübt werden. Jugendkriminalität ist für mich deshalb nicht nur eine Frage der Quantität, sondern vor allem eine Frage der Qualität von Straftaten. Es macht mich betroffen, wenn mir ältere Mitbürger in meinem Wahlkreisbüro ihre Ängste schildern, sich abends nicht mehr vor die Tür zu trauen, weil sie sich vor jugendlichen Gewaltgruppen fürchten, die ihr Unwesen treiben. Das müssen wir sehr ernst nehmen und ich sage deshalb hier ganz deutlich: Jeder Bürger muss sich zu jeder Tages- und Nachtzeit sicher und frei von Angst bewegen können. Dafür wird sich meine Fraktion einsetzen.
Der wesentliche Schritt dazu ist die thüringenweite Umsetzung des Drei-Säulen-Programms „Vorbeugen, Hinsehen, Eingreifen“ aus der Wiesbadener Erklärung der CDU vom Januar 2008. Ich persönlich füge noch hinzu die vierte Säule „Resozialisieren“.
Säule 1 - Vorbeugen: Für mich steht völlig außer Frage, Prävention ist das beste Mittel zur Bekämpfung der Jugendkriminalität. Kein Kind kommt kriminell auf die Welt. Die beste und wirksamste Präventionsarbeit wird immer noch im Kreis der Familie geleistet. Das Strafrecht kann weder gesellschaftliche noch soziale Defizite ausgleichen. Erziehung zu Toleranz, Gewaltfreiheit und Mitmenschlichkeit sowie die Vermittlung von Werten und Tugenden wie Ordnung, Disziplin und Achtung der Würde des Menschen müssen in erster Linie durch die Eltern erfolgen. Wenn dies allerdings versagt, steht der Staat in der Pflicht und in der Verantwortung und diese Verantwortung wird durch die Thüringer Behörden im Großen und Ganzen gut wahrgenommen. Gleichwohl gibt es immer noch Optimierungsbedarf, insbesondere bei Querschnittsaufgaben. Ich erinnere nur an die Diskussion um die Auslegung des § 36 a SGB VIII. Ich gehe davon aus, dass dieses Problem im Rahmen der am 01.01.2008 in Kraft getretenen Richtlinie zur Förderung der Jugendarbeit nunmehr
geklärt ist.
Säule zwei - Hinsehen: Viele Experten begründen die Kriminalitätsentwicklung bei den Gewaltdelikten unter anderem auch mit einem geänderten Anzeigeverhalten in der Bevölkerung. Wenn es wirklich so ist, dass es in der Bürgerschaft eine zunehmende Bereitschaft gibt, nicht mehr tatenlos zuzusehen, wenn Straftaten begangen werden, sondern zur Polizei zu gehen und eine Anzeige zu erstatten, dann begrüße ich das außerordentlich. Das ist ein Stück gelebte Zivilcourage und hier gilt es, die Kultur des Hinsehens zu unterstützen. Das stärkt den Zusammenhang in der Gesellschaft, hilft Straftaten zu verhindern und stellt den Opferschutz in den Blickpunkt. Die Opfer dürfen nie allein gelassen sein.
Säule drei - Eingreifen: Eine ganz zentrale Forderung der CDU-Fraktion ist, dass die Strafe gerade bei Jugendlichen unmittelbar auf dem Fuß folgen muss, denn nur eine zeitnahe Konfrontation mit der Justiz und eine spürbare Sanktion zeigen dem Jugendlichen auf, dass sein Verhalten von der Gesellschaft nicht toleriert wird. Die Fraktion war sich hier mit der Mehrheit der Bevölkerung einig. Daneben unterstütze ich die Forderung der unionsgeführten Länder im Bundesrat nach Einführung eines Warnschussarrests neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe. Damit kann dem Jugendlichen klar vor Augen geführt werden, was auf ihn zukommt, wenn er sich nicht ändert, und es kann verhindert werden, dass er die Bewährungsstrafe als Freispruch zweiter Klasse empfindet. Meine Forderung, auf Heranwachsende regelmäßig Erwachsenenstrafrecht und nur im Ausnahmefall Jugendstrafrecht anzuwenden, erhält ebenfalls Zustimmung. In Thüringen, denke ich, ist diese Diskussion auch klar von der Landesregierung getragen worden. Aber auch in der Diskussion um die Einrichtung von geschlossenen Erziehungseinrichtungen darf es keine Denkverbote geben. Neben diesen drei Säulen spreche ich mich noch für eine vierte Säule - Resozialisierung - aus
- mache ich gern -, und zwar so, wie wir es zur Verabschiedung des Jugendstrafvollzugsgesetzes auch besprochen haben. Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Vorbeugen, hinsehen, eingreifen, resozialisieren, das sind für mich die wirksamen Säulen zur Bekämpfung der Jugendkriminalität.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit dem Einzelplan 05 wenden wir uns einem der kleineren Haushalte zu, um nicht zu sagen der ganz kleinen.
Verehrter Herr Kollege Hauboldt, ich habe auch nicht vor, jetzt in einem Rundumschlag auf Ihren Beitrag zu reagieren. Sie haben sozusagen den ersten Redebeitrag als justizpolitischer Sprecher Ihrer Fraktion nach dem Wechsel gegeben. Wir werden miteinander noch viele Diskussionen haben, aber, ich glaube, heute ist das nicht der Anlass, darauf mit einem Rundumschlag einzugehen. Aber zu Ihren Vorschlägen kommt natürlich nachher noch eine Passa
ge.
Jetzt bereut es Herr Höhn, dass er nicht spricht. Wir kommen noch dazu.
Die Bescheidenheit der Thüringer Justiz zeigt sich vielleicht auch in dem prozentualen Anteil an den Gesamtausgaben des Freistaats. Der Anteil beträgt nämlich gerade mal 3,2 Prozent an den Gesamtausgaben. Insofern ist es richtig, wirklich von einem kleineren Haushalt zu sprechen. Auf der anderen Seite - und das ist ganz deutlich und das begrüße ich auch sehr - der Willen der Justizverwaltung trotz eben dieser engen Budgetvorgaben und steigender gesetzlicher, insbesondere bundesgesetzlicher und natürlich auch durch bestehende Verträge gebundene Ausgaben, Gestaltungsspielräume zu erschließen und zu gestalten, ist hoch anzurechnen, neue Gestaltungsspielräume zu eröffnen. Gerade die angemeldeten Beträge im Bereich der Investitionen in neue Informationstechnik sind dafür ein ganz beredtes Beispiel.
Der Begriff „reiner Verwaltungshaushalt“ erfährt in diesem Zusammenhang vielleicht eine ganz neue Bedeutung. Der beschreibt nicht mehr nur die Dimension der Personal- und Verwaltungskosten, welche mit rund 90 Prozent der Ausgaben den Justizhaushalt ausmachen, sondern vermittelt auch die Möglichkeit, eben mit dem verbleibenden Rest von 10 Prozent Verwaltungshandeln zu steuern.
Vielleicht einige ganz wenige kurze Anmerkungen zu Schwerpunkten des Justizhaushalts, wobei man sich natürlich so intensiv vielleicht damit auch nicht beschäftigt, wenn man nicht näher damit zu tun hat. Natürlich sind Personalausgaben ein Schwerpunkt. Das will man nicht bestreiten. Sie stellen mit 176,5 Mio. € rund 60 Prozent der Gesamtausgaben dar. Dann die Verfahrensauslagen - auch das haben wir schon sehr oft thematisiert -, auch als Auslagen in Rechtssachen bezeichnet, schlagen, immerhin mit 67,5 Mio. € in 2008 veranschlagt und 67,3 Mio. € in 2009, das heißt, etwa ein Viertel der Gesamtausgaben und ca. drei Viertel der sachlichen Verwaltungsausgaben, zu Buche. Diese Veranschlagung entspricht in etwa dem Niveau der Ist-Ausgaben des Jahres 2006.
Wir haben auch in Ausschussberatungen des Justizausschusses zur Kenntnis genommen, dass gerade im Bereich der verfahrensabhängigen Entschädigungsleistungen durch gemeinsame Bestrebungen der gesamten Justizverwaltung auch eine Kosteneindämmung angestrebt wird.
Für den Justizvollzug - und da sind wir wieder beim Thema, bei dem wir eigentlich nahtlos an den gestrigen Tag anschließen können -, in dem entsprechenden Kapitel sind vorgesehene Ansätze mit 54,3 Mio. € etwa in dem Veranschlagungsniveau des Jahres 2007. Dabei wurde allerdings berücksichtigt, dass einzelne Titelansätze vor allen Dingen im Personalkostenbereich schon erhöht wurden und demgegenüber die Kosten für die Unterbringung von Gefangenen in anderen Bundesländern veranschlagte Mittel reduziert werden konnten aufgrund der Haftplatzschaffung im eigenen Land. Was ich sehr begrüße, ist, um den Stellenpegel und damit die Beförderungssituation im mittleren allgemeinen Justizvollzugsdienst zu verbessern, sprich, auch Motivation zu verbessern, wurden insgesamt 135 Planstellen gehoben und 26 Planstellen der Besoldungsgruppe A 9 mit dem Zusatz „mit Amtszulage“ versehen. Ich denke, das ist das, was auch die Justizvollzugsbediensteten erwartet haben und ich bin froh, dass sich das im Haushalt auch niederschlägt.
Vielleicht gleich zu den Änderungsanträgen: Für Ihren Antrag zur Wiedereinführung der kommunalen Investitionspauschale wildert die Fraktion DIE LINKE für die Deckung in anderen Titeln, unter anderem in zwei Titeln der Justiz, nämlich „Bauten im Bereich des Thüringer Justizministeriums“, Einzelplan 18, das gehört ja zur Justiz. Wenn man sich das mal näher betrachtet, dann stellt man fest, dass Sie bei dem Titel „Unterhaltung der Grundstücke“ 100.000 € weniger einsetzen wollen. Die vorgeschlagenen Mittel in Höhe von eingestellten 450.000 € sind eigentlich schon nach den Grundsätzen einer sparsamen Haushalts- und Wirtschaftsführung äußerst knapp bemessen. Das zeigt natürlich auch der Vergleich zum Ist 2006 mit 655.000 €. Sie schlagen jetzt eine weitere Reduzierung um 100.000 € vor. Das würde bedeuten, dass eine ganze Reihe von Bauunterhaltungsmaßnahmen im Bereich der Justiz nicht durchgeführt werden könnte. Das hieße - um es deutlicher zu sagen -, die Fraktion DIE LINKE will die Landesregierung mit ihrem Änderungsantrag zwingen, den Gebäudebestand in der Justiz auf Verschleiß zu fahren. Das werden wir nicht zulassen, denn Sie wären gleichermaßen die Ersten, wenn das so durchkäme, die dieses wieder anmahnen würden, denn wir haben ja im Justizausschuss oft genug die Diskussion auch um die Situation der Gebäudeerhaltung geführt. Also in dem Sinn, diesen Antrag lehnen wir ab.
Ebenso ablehnen werden wir den Antrag, bei dem Titel „Kleine Neu-, Um- und Erweiterungsbauten“ einen großen Teil, nämlich über 1 Mio. €, 1,1 Mio. € einzusparen. Diese Kürzung, die Sie vorschlagen, würde bedeuten, dass wir nicht eine einzige Maß
nahme, die die Landesregierung im Justizbereich im Rahmen der kleinen Baumaßnahmen aufgrund der Umsetzung der Behördenstrukturreform umsetzen könnte. Das kann es ja wohl nicht sein, denn daran hängen Unterbringungssituationen für Gerichte und Staatsanwaltschaften. Auf der anderen Seite können Sie die Landesregierung nicht einerseits brandmarken, dass die Behördenstrukturreform angeblich schleppend umgesetzt wird, im Gegenzug aber die für die Umsetzung erforderlichen Mittel wegkürzen. Also auch hier wird es keine Zustimmung von uns für diesen Änderungsantrag geben.
Nächster Änderungsantrag - Ihr Antrag auf Verbesserung der Personalausstattung im Justizvollzug: Wenn die Eingangsbemerkung so gemeint gewesen war, dass mit dem veränderten Ansatz, dem Plus von 400.000 €, die Vorarbeit für die Umsetzung des neuen Jugendstrafvollzugsgesetzes gemacht werden sollte, dann reicht es ohnehin nicht. Ich denke mal, dass die Ansätze, die in den Haushalt eingestellt sind, der entscheidendere Weg sind, die Vorarbeit zu leisten, dass das neue Jugendstrafvollzugsgesetz umgesetzt werden kann.
Die personelle Situation im Justizvollzug hat sich in den letzten Jahren wesentlich verbessert und das muss ich ganz deutlich betonen. Neben der weiteren Einstellung von 39 Justizvollzugsobersekretären, 40 Anwärtern für den mittleren allgemeinen Vollzugsdienst und vier Justizvollzugsinspektoranwärtern wurden insgesamt 24 Stellen für den Fachdienstbereich zusätzlich geschaffen. Damit wird eins ganz deutlich: Der Justizminister misst den Fachdiensten und insbesondere den Fachdiensten im Justizvollzug eine ganz besondere Bedeutung zu. Im Jahr 2007 wurden zwei Psychologinnen und sechs Sozialpädagogen eingestellt. In den Jahren 2008 und 2009 sollen weitere 16 Neueinstellungen im Bereich der Fachdienste, darunter ein Kriminologe, folgen. Damit wird den Anforderungen auch des neuen Jugendstrafvollzugsgesetzes durch die Landesregierung in einem ersten Schritt entsprochen. Es ist ein erster Schritt, aber ein großer Schritt. Vor diesem Hintergrund geht die von der Fraktion DIE LINKE geforderte weitere Personalverstärkung im Bereich der Sozialpädagogen und Sozialarbeiter für diesen Haushalt ins Leere.
Zu den Lehrern: Sie haben die Einstellung von zwei Lehrern im Vollzug vorgeschlagen. Die Maßnahmen der Aus- und Fortbildung stellen ohne Frage wesentliche Eckpfeiler der Behandlung der Gefangenen dar, gerade mit Blick auf das Resozialisierungsgebot. Die Landesregierung hat sich im Rahmen der beruflichen Bildung für den Einsatz von privaten Bildungsträgern entschieden. Die Finanzierung dieser Bildungsmaß
nahmen erfolgt dabei anteilig über ESF-Mittel. Hierfür werden also keine eigenen Lehrer eingestellt. Gleichwohl ist für die schulische Ausbildung im Entwurf des Einzelplans 05 bereits eine Steigerung der Stellen für Lehrer im Justizvollzugsdienst von 2007 7 Stellen auf 2008 9 Stellen und 2009 11 Stellen vorgesehen. Damit zeigt meiner Meinung nach die Landesregierung bereits deutlich, dass sie die Aus- und Fortbildung der Gefangenen ernst nimmt. Eine zusätzliche Draufgabe, wie durch die Fraktion DIE LINKE beantragt, ist meiner Meinung nach reiner Populismus und nicht zweckdienlich, und wird von uns deshalb abgelehnt werden. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zur zweiten Lesung liegt uns heute der Gesetzentwurf der Landesregierung zum Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetz und ein Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS zum gleichen Thema vor. Ich hoffe nicht, dass das zur Maxime erhoben wird, wer mal wieder dran ist mit einem Gesetzentwurf,
denn das ist ja wohl eine sehr oberflächliche Betrachtung. Ich sage ganz deutlich: Mit der gesetzlichen Regelung des Jugendstrafvollzugs wird ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan.
Als Gesetzgeber - und da spreche ich alle im Raum an - können wir mit der heutigen Verabschiedung des Gesetzes innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Übergangsfrist die ursprünglich eigentlich vom Bundesgesetzgeber angemahnten verfassungsrechtlich erforderlichen Grundlagen für Grundrechtseingriffe beim Vollzug der Jugendstrafe schaffen.
Erst am 1. September 2006 ist mit der Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz für diesen Bereich auf die Bundesländer übertragen worden. Ich gebe zu, dass ich mich lange mit diesem Baustein der Föderalismusreform, mit der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug auf die Länder, schwergetan habe. Der Regierungsentwurf zum Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetz zeigt aber, dass die Qualität des Strafvollzugs dadurch keineswegs beeinträchtigt werden muss. Im Gegenteil, die Landesregierung nutzt die dem Land neu zugewachsene Kompetenz, um die Qualität des Jugendstrafvollzugs nachhaltig zu verbessern und die Betreuung der Gefangenen nicht nur im Vollzug, sondern auch über den Vollzug hinaus in der wichtigen Übergangsphase zurück in die Freiheit zu optimieren. Der Gesetzentwurf der Landesregierung basiert auf der Erkenntnis, dass die Sozialisierung jugendlicher Straftäter die beste Möglichkeit der Prävention gegen neue Straftaten darstellt.
Meine Damen und Herren, eine gelungene Sozialisierung ist immer auch Rückfallverhinderung und damit die optimale Maßnahme des Opferschutzes. Das ist der Tenor des Gesetzentwurfs der Landesregierung, Herr Blechschmidt. Dazu braucht es klare Vorstellungen und keine Wortspielereien, wie eben von Ihnen gehört.
Lieber Herr Höhn, lieber Herr Kollege, Sie sind ja immer für Überraschungen gut, aber diese Globalkritik, die Sie hier vorgetragen haben, ist schlicht und einfach unangemessen, vor allen Dingen vor dem Hintergrund, wenn - und da spreche ich etwas an, was ich heute eigentlich hier nicht ansprechen wollte - gerade ein Vertreter Ihrer Partei, der SPD in Rheinland-Pfalz, zu dem wortgleich durch den dortigen SPD-Justizminister eingebracht hat, diesen Gesetzentwurf als herausragend bezeichnet hat, dann ist das prompter Populismus. Das ist genau das, was die Bürger nicht von uns wollen.
Da müssen Sie sich schon andere Argumente einfallen lassen, um unseren Gesetzentwurf, den Gesetzentwurf der Landesregierung zu kritisieren.
Ja, ja, ja. Das wissen wir. Das haben Sie auch gesagt.
Bedingungsfaktoren für Straffälligkeit und die Erfordernisse für eine erfolgreiche Behandlung in der Zeit der Haft sind bei Jugendlichen und Erwachsenen sehr unterschiedlich. Das Jugendalter ist geprägt durch zahlreiche zum Teil tief greifende Entwicklungen.
Meine Damen und Herren - vielleicht hören Sie trotzdem weiter zu -, das gilt verstärkt für Jugendliche, die unter ungünstigen Sozialisationsbedingungen
mit häufigen Beziehungsabbrüchen oder in Heimen aufgewachsen sind und die oft mit Gewalttätigkeiten und Drogen zu tun haben und zu einem großen Teil nicht über einen Schulabschluss verfügen.
Wie bereits bei der ersten Lesung diskutiert und bei der Anhörung und der weiteren Beratung im Justizausschuss vertieft, haben wir es im Jugendstrafvollzug mit jungen Erwachsenen von ganz unterschiedlicher Entwicklung zu tun. Es gibt leider viele, die aus Familien kommen, in denen sie kein Familienleben erlebt haben, keine Bildungschancen hatten und in vielerlei Hinsicht auch im sozialen Umgang miteinander Defizite aufweisen. All das hat das Bundesverfassungsgericht vor Augen gehabt, als es nach der Föderalismusreform uns Landesgesetzgebern in das Stammbuch geschrieben hat: Kümmert euch darum, nehmt den Erziehungsauftrag wahr, macht Gesetze, die dem gerecht werden.
Wir haben aber auch den Auftrag, die Sicherheit der Bevölkerung im Auge zu behalten und die Jugendlichen im Vollzug so zu erziehen und zu resozialisieren, dass sie später straffrei leben können. Auch vor
dem Hintergrund solch erschwerter Bedingungen sind aber Jugendliche in den meisten Fällen noch mit den Mitteln der Erziehung erreichbar und positiv beeinflussbar. Das unterscheidet sie von Erwachsenen und auch von erwachsenen Straftätern. Erziehung ist deshalb - und, ich glaube, darin besteht wohl Einigkeit in diesem Haus - der zentrale Gedanke des Entwurfs der Landesregierung. Der Entwurf geht damit auf ein grundlegendes Bedürfnis junger Menschen nach Orientierung, Wertevermittlung und Anleitung ein. Es berücksichtigt aber auch den Umstand, dass Gefangene, die eine Jugendstrafe verbüßen, in vielen Fällen erhebliche Reifeverzögerungen aufweisen und zum Teil lange und deprimierende Karrieren erfolgloser Erziehungsversuche hinter sich haben.
Der Entwurf der Landesregierung beachtet die vom Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 31. März 2006 aufgestellten Maßstäbe und die geforderten Maßnahmen für einen guten und zielorientierten Jugendstrafvollzug und setzt sie zugleich praxisorientiert um. Deshalb trägt er nach unserer Auffassung den Anforderungen an einen humanen, zeitgemäßen und konsequent am Erziehungsgedanken ausgerichteten Jugendstrafvollzug Rechnung. Die Änderungsvorschläge meiner Fraktion, die im Rahmen der Ausschussbefassung Gegenstand der Beschlussempfehlung zum Regierungsentwurf wurden, dienen der Schaffung notwendiger Rechtssicherheit in bestimmten Bestimmungen. Die grundsätzliche Möglichkeit der Überwachung von Besuchen durch Videokameras soll aus Gründen der Rechtsklarheit in diesem Gesetz geregelt werden. Damit haben wir auch einer Anregung des Landesbeauftragten für den Datenschutz entsprochen. Das betrifft auch bestimmte Folgeänderungen.
Des Weiteren geht es uns um die Vorgabe der Unterbringung von maximal zwei Gefangenen in einem Haftraum mit deren Zustimmung und eine notwendige Klarstellung zum Wechsel zwischen den Vollzugsarten hinsichtlich der Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug, wenn das zur Erreichung des Vollzugsziels notwendig ist, worauf ich aber noch zu sprechen komme.
Der Entwurf legt als Vollzugsziel fest, die Gefangenen zu einem Leben ohne Straftaten in sozialer Verantwortung zu befähigen. Die gesamte Vollzugsgestaltung hat sich an diesem Ziel auszurichten. Zugleich hat der Vollzug die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Der Änderungsantrag der SPD-Fraktion sieht in § 2 vor, den Satz 2 zu streichen. Dies ist strikt abzulehnen, weil das in Satz 1 enthaltene Resozialisierungsziel den Schutzauftrag nach Satz 2 als staatlichen Pflichtauftrag nicht automatisch mit abdeckt. Ziel ist und bleibt die Resozialisierung des Straftäters, damit er nach Ent
lassung aus dem Vollzug ein künftig straffreies Leben führt. Daneben bleibt der Schutz der Allgemeinheit vor Straftätern auch während des Vollzugs eine gleichrangige Aufgabe des Strafvollzugs, die über den Resozialisierungsauftrag hinaus auch andere notwendige Schutzmaßnahmen umfasst. Dabei können wir uns keine Experimente zulasten der Sicherheit leisten, denn die Allgemeinheit hat einen legitimen Anspruch auf Schutz und Sicherheit und deshalb darf der Jugendstrafvollzug auch keine Spielwiese für sozialromantische Utopien sein. Da wäre ich bei Ihnen, Herr Blechschmidt, bei Ihrem Vortrag.
Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE enthält eine ganze Reihe von Regelungen, die bestenfalls als sozialromantisch zu bezeichnen sind und die Wirklichkeit ausblenden. So beschränkt sich in Ihrem Entwurf das Vollzugsziel auf die Resozialisierung, § 2: „Die Gefangenen haben nach § 4 das Recht, an dem Erreichen des sie betreffenden Vollzugsziels mitzuwirken.“ Keine Pflicht. Nach § 5 Abs. 1 sind sie grundsätzlich in freien Einrichtungen der Jugendhilfe oder im offenen Vollzug unterzubringen. Es gibt keine Beschränkung für den Inhalt von Paketen und keine Pflicht zur Arbeit, um nur einige Beispiele zu nennen, nur Rechte, keine Pflichten. Das erscheint mir doch wirklich von einer träumerischen Realitätsferne getragen und ignoriert alle gesicherten Erkenntnisse moderner Pädagogik und Kriminalitätsforschung.
In den Strafvollzugsanstalten sitzen nur 6 Prozent der Straftäter ein, die in einem rechtsstaatlichen Verfahren rechtskräftig verurteilt worden sind. Meine Damen und Herren, das ist der harte Kern der Rechtsbrecher, diejenigen, bei denen alle anderen Maßnahmen nicht geholfen haben und vor denen geschützt zu werden die Menschen in unserem Land auch einen Anspruch haben.
Bei den Jugendstrafgefangenen handelt es sich leider häufig um junge Menschen mit schwerwiegenden Sozialisierungsdefekten. Die der Inhaftierung zugrunde liegenden Anlasstaten sind in der Regel auch keine der Pubertät geschuldeten episodenhaften Fehltritte oder jugendliche Fahrlässigkeiten, sondern oftmals schwerwiegende vorsätzliche Straftaten. Deshalb ist der Ansatz des Regierungsentwurfs der Richtige, wonach intensiv mit diesen Straftätern gearbeitet wird, etwa in Form einer Förderung, Ausbildung und der Nachsorge. Das hat aber nichts mit Sozialromantik zu tun, sondern bedeutet harte, fachlich fundierte Arbeit, die der Bevölkerung dient, statt ihr zu schaden und den jugendlichen Straftätern hilft, schwerwiegende Sozialisierungsdefizite zu beseitigen. Auch Ihr Änderungsantrag, Herr Kollege Blechschmidt, verfolgt nach unserer Auffassung die falsche Strategie. Es fehlt die richtige Balance zwischen Fördern und
Fordern, zwischen Rechten und Pflichten der Gefangenen. In der Sachverständigenanhörung haben Sie dazu auch Realitätsferne bescheinigt bekommen gerade auch aus der vollzuglichen Praxis, das möchte ich besonders betonen. Es wird Sie also nicht weiter überraschen, wenn wir Ihren Änderungsantrag zum Regierungsentwurf ebenso wie Ihren Gesetzentwurf ablehnen, wie vom Justizausschuss empfohlen.
Meine Damen und Herren, der Jugendstrafvollzug ist erzieherisch zu gestalten. Die Gefangenen sollen in der Entwicklung und Bereitschaft zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung unterstützt werden. Sie haben aber aktiv an der Erfüllung ihrer Pflichten mitzuwirken. Sie sollen Verantwortung übernehmen, insbesondere auch für die begangenen Taten und für ihre weitere Entwicklung. Die Jugendstrafvollzugsanstalten sollen die Gefangenen in der Entwicklung und der Stärkung dieser Fähigkeiten unterstützen. Vor diesem Hintergrund wird im Entwurf der Landesregierung bewusst auf die Festschreibung einer Vorrangstellung für eine bestimmte Vollzugsform verzichtet. Sind Gefangene für den offenen Vollzug geeignet, sind sie auch im offenen Vollzug unterzubringen, sind sie dafür nicht geeignet oder aber steht diese Eignung noch nicht fest, so sind sie im geschlossenen Vollzug unterzubringen. Für die Form der Unterbringung ist also ausschließlich die Eignung des Gefangenen maßgeblich. Auch wenn im Vollzugsalltag der geschlossene Vollzug faktisch die Regel darstellt, da die meisten Gefangenen nicht von vornherein für den offenen Vollzug geeignet sind, so ist es richtig, dass der Entwurf der Landesregierung kein Regel-Ausnahme-Verhältnis festlegt, sondern ausschließlich auf die individuelle Eignung der Gefangenen abstellt. Das ist meines Erachtens das richtige Regelungsergebnis der neun an dem Entwurf beteiligten Bundesländer.
Meine Damen und Herren, die Gefangenen sind auch während der Inhaftierung Teil der Gesellschaft. Die Gesellschaft darf ihre Verantwortung nicht an den Jugendstrafvollzug abgeben. Der Entwurf der Landesregierung stellt deshalb klar, dass die Gefangenen auch von außen unterstützt werden sollen. Wichtig ist uns die Einzelunterbringung der Gefangenen während der Ruhezeit. Das dient der Wahrung der Privatsphäre und dem Schutz der Gefangenen vor wechselseitigen Übergriffen. Im Übrigen wird der Wohngruppenvollzug als regelmäßige Unterbringungsform vorgegeben, weil die Gefangenen sich dort mit den Bedürfnissen und Erwartungen ihrer Mitgefangenen auseinandersetzen und Probleme gemeinsam lösen müssen. Der Wohngruppenvollzug dient damit in besonderer Weise der Einübung sozial adäquaten Verhaltens. Die Regelung des Wohngruppenvollzugs im Regierungsentwurf ist stimmig. Die von der SPD vorgeschlagenen Änderungen tragen nicht zur Verbesserung bei, sondern sind, was
die Wohngröße oder Wohngruppengröße betrifft, für mich zu unflexibel und blenden den Bezug auf den individuellen Betreuungsbedarf nach sozialen Bedürfnissen aus. Im Übrigen wiederholen Sie auch Dinge, die im Regierungsentwurf schon stehen.
Meine Damen und Herren, schulische Bildung und Aus- und Weiterbildung sowie Arbeit sind zur Erreichung des Vollzugsziels von besonderer Bedeutung. Auch darüber besteht Einigkeit. Dabei haben Aus- und Weiterbildung deutlichen Vorrang vor der Arbeit, denn der Anteil der Jugendlichen ohne abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung ist im Jugendvollzug höher als im Erwachsenenvollzug. Den Gefangenen sollen vorrangig solche Kenntnisse vermittelt werden, die ihnen einen qualifizierten Bildungsabschluss ermöglichen. Da viele junge Gefangene mit ihrer Freizeit nichts Sinnvolles anzufangen wissen und oft auch ihre Straftaten während dieser Zeit begangen haben, sollen sie zur Teilnahme und Mitwirkung an den Freizeitangeboten verpflichtet werden. Dabei kommt dem Sport eine erhebliche Bedeutung zu. Hier lernen sie unter anderem, auch Niederlagen zu verarbeiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Vollzug ist von Beginn an auch auf die Wiedereingliederung der Gefangenen nach der Entlassung auszurichten. Diese Aufgabe kann und soll der Vollzug nicht allein bewältigen. Notwendig ist hier die Zusammenarbeit des Jugendvollzugs mit externen Institutionen. Die Jugendstrafanstalten sind deshalb gehalten, bereits zu einem frühen Zeitpunkt die Bewährungshilfe und andere soziale Dienste in die Vollzugs- und Entlassungsplanung einzubeziehen.
Ich sehe im sogenannten Übergangsmanagement eine enge Verzahnung des Jugendstrafvollzugs mit externen Jugend-, Bildungs- und Sozialeinrichtungen, mit Vereinen in der Straffälligenhilfe und darüber hinaus. Das ist außerordentlich notwendig. Wo immer es verantwortet werden kann, sind die sozialen Bezugspersonen wie Eltern, Partner, Partnerinnen einzubeziehen. Darüber hinaus geht es um die Zusammenarbeit mit den für die Vermittlung in den Arbeitsmarkt zuständigen Stellen. Dem Gefangenen sind für die Zeit nach der Entlassung die notwendigen und geeigneten Hilfen anzubieten. Inzwischen ist ja aus vielen wissenschaftlichen Untersuchungen bekannt, wie wichtig es ist, dass die Gefangenen in ihrer beruflichen Perspektive gefördert werden und dass die Rückfallquote erheblich sinkt, wenn Gefangene direkt nach der Entlassung in eine Beschäftigung vermittelt werden können.
Als Fazit möchte ich festhalten: Der Entwurf der Landesregierung bietet nach unserer Auffassung fachlich begründete Rahmenbedingungen und Standards für einen modernen Jugendstrafvollzug. Er be
zieht dabei den gegenwärtigen Forschungsstand sowie die langjährigen praktischen Erfahrungen der Anstalten in den neuen Bundesländern ein und entwickelt diese Erkenntnisse weiter. Die Vorgaben für die Sozialisierung jugendlicher Straftäter werden durch den vorgelegten Gesetzentwurf den aktuellen Erfordernissen dieser schwierigen gesellschaftlichen Aufgabe angepasst und in entscheidenden Bereichen deutlich verbessert. Viel wird auch davon abhängen, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Jugendstrafvollzug, denen für ihre schwere, verantwortungsvolle und vorbildliche Arbeit an dieser Stelle ganz herzlich Dank gesagt werden soll, mit dem neuen Gesetz umgehen.
Insgesamt betrachtet finde ich die Weichenstellung des Regierungsentwurfs zum Jugendstrafvollzugsgesetz zielführend. Erzieherische Ausgestaltung des Vollzugs, Schaffung sozialtherapeutischer Abteilungen, Gebot der Einzelunterbringung, Wohngruppenvollzug, Verbesserung der schulischen und beruflichen Aus- und Fortbildung, sinnvolle Gestaltung der Freizeit, Verlängerung der Besuchszeiten, Stärkung der kriminologischen Forschung, das alles kann ich nur begrüßen. Last, but not least: Ein moderner Jugendstrafvollzug ist nicht zum Nulltarif zu haben. Deshalb sehe ich neben dem geplanten Bau der neuen Jugendstrafvollzugsanstalt auch in dem Gesetzentwurf ein Bekenntnis der Landesregierung zur Investition in zukunftsfähige Strukturen sowohl materieller als auch personeller Art. Durch die Vermeidung von Rückfällen können - abgesehen von dem in jedem Fall vorrangigen Schutz möglicher Opfer - langfristig auch Kosten für die Gesellschaft reduziert werden. Ich bin davon überzeugt, dass sich der Jugendstrafvollzug modernisieren und deutlich verbessern wird. Dafür stellt der Gesetzentwurf der Landesregierung Ermutigung und Chance dar und wir empfehlen die Annahme. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zur ersten Beratung liegt uns heute der Gesetzentwurf der Landesregierung zum Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetz und ein Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS zum gleichen Thema vor. Herr Kollege Höhn, ich danke Ihnen ausdrücklich für Ihre Anmerkung zu dem Zwischenruf von Herrn Bärwolff, ich hätte es auch nicht anders formuliert.
Zu den weiteren Diskussionsbeiträgen werden wir sicher eine sehr spannende und kontroverse Diskussion auch im Ausschuss haben. Gleiches gilt auch
für die Vorstellung des Gesetzentwurfs durch Herrn Kollegen Blechschmidt. Mit der gesetzlichen Regelung des Jugendstrafvollzugs wird ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan. Wie groß dieser Schritt wirklich ist, wird deutlich, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass der Bundesgesetzgeber schon seit mehr als 30 Jahren in der Pflicht gewesen wäre, den Jugendstrafvollzug auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Die Erkenntnis, dass Verwaltungsvorschriften dem für Grundrechtseingriffe geltenden Gesetzesvorbehalt nicht genügen, ist ja so neu nicht und bedurfte sicher nicht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2006.
Herr Minister Schliemann hat es bereits ausgeführt, die Gesetzesinitiative, beide vorliegenden Initiativen dienen letztlich der Erfüllung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, das mit seinem Urteil vom 31. Mai 2006 dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist bis zum Ablauf dieses Jahres zur Schaffung der verfassungsrechtlich erforderlichen Grundlagen für Grundrechtseingriffe im Jugendstrafvollzug gesetzt hat. Dabei ist es in der Tat noch nicht so sehr lange her; erst am 1. September 2006 ist mit der Föderalismusreform I die Gesetzgebungskompetenz für diesen Bereich auf die Bundesländer übertragen worden. Ich gebe zu, dass ich mich lange mit diesem Baustein der Föderalismusreform, mit der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug auf die Länder schwergetan habe. Der Regierungsentwurf zum Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetz zeigt aber, dass die Qualität des Strafvollzugs dadurch keineswegs beeinträchtigt werden muss. Im Gegenteil, die Landesregierung nutzt die dem Land neu zugewachsenen Kompetenzen, um die Qualität des Jugendstrafvollzugs nachhaltig zu verbessern und die Betreuung der Gefangenen nicht nur im Vollzug - und das betone ich -, sondern auch über den Vollzug hinaus in der wichtigen Übergangsphase zurück in die Freiheit zu optimieren. Um es mit den Worten des hessischen Justizministers Banzer zu sagen: „Es gibt keinen Wettbewerb um den schäbigsten Vollzug.“
Der Regierungsentwurf ist ein gemeinsamer Entwurf einer sogenannten Neunerkoalition von Bundesländern. Angesichts der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ist dies wirklich ein zielführender Weg gewesen, der natürlich auch Vorbild für zukünftige Gesetzgebungsvorhaben im Strafvollzug sein könnte. Angemerkt sei dazu, dass ja alle SPDgeführten Länder sich in dieser Gruppe befunden haben und auch alle unisono diesen Entwurf, wie er uns vorliegt, eingebracht haben.
Der Entwurf legt als Vollzugsziel in § 2 fest, die Gefangenen zu einem Leben ohne Straftaten in sozialer Verantwortung zu befähigen (resozialisieren). Ich weiß nicht, was Sie da vermissen, Herr Kollege Höhn,
deutlicher kann man es eigentlich nicht feststellen. Die gesamte Vollzugsgestaltung hat sich an diesem Ziel auszurichten und zugleich hat der Vollzug der Jugendstrafe die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Erste und wichtigste Aufgabe des Jugendstrafvollzugs ist der Schutz der Allgemeinheit vor Straftätern durch deren Resozialisierung. Auch so könnte man das ausdrücken. Dabei können wir uns Experimente zulasten der Sicherheit nicht leisten. Da gehen vielleicht unsere Auffassungen auseinander. Denn die Allgemeinheit hat nach meiner Auffassung einen legitimen Anspruch auf Schutz und Sicherheit. Der Sicherheit der Bevölkerung und der Gewährleistung der notwendigen intensiven erzieherischen Einwirkung dient eben auch gerade die Wahl der Vollzugsform. So haben wir nicht das Regelausnahmeverhältnis, sondern das Nebeneinanderstehen von offenem und geschlossenem Vollzug. Ich könnte für mich persönlich anführen, dass ich mich auch sehr gut damit identifizieren könnte, wenn wir einen geschlossenen Regelvollzug als Grundlage hätten und die Unterbringung im offenen Vollzug davon abhängig gemacht wird, dass eine Erprobung der Gefangenen im Hinblick auf eine mögliche Missbrauchsgefahr verantwortet werden kann, also die strengere Lösung. Auch darüber könnte man diskutieren. Deshalb darf der Jugendstrafvollzug auch keine Spielwiese für sozialromantische Utopien sein.
Der Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS enthält neben Regelungen, die ja auch in dem Regierungsentwurf zu finden sind, eine ganze Reihe von Regelungen, die bestenfalls als sozialromantisch zu bezeichnen sind und die Wirklichkeit ausblenden. So beschränkt sich in Ihrem Entwurf z.B. das Vollzugsziel auf die Resozialisierung - § 2. Die Gefangenen haben nach § 4 das Recht, an dem Erreichen des sie betreffenden Vollzugszieles mitzuwirken, nach § 5 Abs. 1 sind sie grundsätzlich im offenen Vollzug unterzubringen. Alle Gefangenen, sogar psychisch gestörte Sexualstraftäter, dürfen nur mit ihrer Zustimmung in die Sozialtherapeutische Abteilung verlegt werden, wenn sie es wünschen - § 14. Es gibt keine Beschränkung für den Inhalt von Paketen - § 27 des Entwurfs -, keine Pflicht zur Arbeit, um nur einige Beispiele zu nennen. Ich denke, auch das wird Gegenstand der Diskussion im Ausschuss sein.
Nur Rechte, keine Pflichten, Herr Blechschmidt, das erscheint mir von einer träumerischen Realitätsferne getragen und ignoriert leider, sage ich mal, alle gesicherten Erkenntnisse moderner Pädagogik und Kriminalprävention. Es spiegelt allerdings auch einen uralten Meinungsstreit, der schon in den alten Bundesländern vor vielen Jahren ausgetragen wurde und immer noch so im Hintergrund gärt, wider. Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir dem nicht zu ei
ner Neuauflage verhelfen müssen in Thüringen.
In den Strafvollzugsanstalten sitzen nur 6 Prozent der Straftäter ein, die in einem rechtsstaatlichen Verfahren rechtskräftig verurteilt worden sind. Meine Damen und Herren, das ist der harte Kern der Rechtsbrecher, eben derjenige, bei denen alle anderen Maßnahmen nicht geholfen haben und vor denen geschützt zu werden die Menschen in unserem Land einen Anspruch haben.
Bei den Jugendstrafgefangenen handelt es sich leider häufig um junge Menschen mit schwerwiegenden Sozialisierungsdefiziten. Die der Inhaftierung zugrunde liegenden Anlasstaten sind in der Regel auch keine der Pubertät geschuldeten episodenhaften Fehltritte, sondern schwerwiegende Straftaten. Deshalb begrüße ich den Ansatz des Regierungsentwurfs, wonach intensiv mit diesen Straftätern gearbeitet wird, etwa in Form einer Förderung, Ausbildung und der Nachsorge. Das hat aber nichts mit Sozialromantik zu tun, sondern bedeutet harte, fachlich fundierte Arbeit, die der Bevölkerung dient, statt ihr zu schaden und den jungen Straftätern hilft, schwerwiegende Sozialisierungsdefizite zu beseitigen. Folgerichtig ist die erzieherische Ausgestaltung des Vollzugs ein wesentliches Element des Regierungsentwurfs. Die Gefangenen sind in der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten so zu fördern, dass sie zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Lebensführung in Achtung der Rechte anderer befähigt werden. Sie haben aber auch als Teil des Resozialisierungskonzepts aktiv - und das unterstreiche ich - an der Erreichung des Vollzugszieles mitzuwirken. Und da bei einem Großteil der Gefangenen lange Karrieren erfolgloser Erziehungsversuche hinter ihnen liegen, kann nicht selbstverständlich angenommen werden, dass sie willens und in der Lage sind, an der Erreichung des Vollzugszieles freiwillig mitzuwirken. Deshalb bedarf es eben konkreter Pflichten zur Erreichung des Vollzugszieles.
Wo das Elternhaus versagt hat, kann zwar der Staat mit keinem Patentrezept aufwarten, allerdings kann er im Rahmen seiner Möglichkeiten dazu beitragen, die Jugendlichen an die Hand zu nehmen und wieder auf die richtige Spur zu bringen. Dabei reicht es nicht, nur zu fördern, sondern es bedarf auch des Forderns.
Ich begrüße es außerordentlich, dass der Regierungsentwurf die Einrichtung einer Sozialtherapeutischen Abteilung im Jugendstrafvollzug vorsieht. Es ist ausgezeichnet, dass dabei vom System der Ka
talogtaten abgegangen wird und alle Gefangenen sozialtherapeutisch betreut werden können, bei denen die besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen zum Erreichen des Vollzugszieles angezeigt sind. Die Verlegung in die SothA wird zu Recht weder von der Zustimmung der Gefangenen noch von der des Leiters der Abteilung abhängig gemacht.
Meine Damen und Herren, insgesamt betrachtet finde ich die Weichenstellung des Regierungsentwurfs zum Jugendstrafvollzugsgesetz zielführend. Erzieherische Ausgestaltung des Vollzugs, Schaffung Sozialtherapeutischer Abteilungen, Gebot der Einzelunterbringung, Wohngruppenvollzug, Verbesserung der schulischen und beruflichen Aus- und Fortbildung, sinnvolle Gestaltung der Freizeit (Dem Sport kommt da- bei richtigerweise ein besonders hoher Stellenwert zu, denn hier wird Teamgeist geschult und Nieder- lagen gelernt zu verarbeiten), Verlängerung der Besuchszeiten, Stärkung der kriminologischen Forschung - meine Damen und Herren, dies alles kann ich voll unterstreichen. Last, but not least, ein moderner Jugendstrafvollzug ist eben nicht zum Nulltarif zu haben. Deshalb sehe ich neben dem geplanten Bau der neuen Jugendstrafanstalt auch in dem Gesetzentwurf ein Bekenntnis der Landesregierung zur Investition in zukunftsfähige Strukturen sowohl materieller, baulicher als auch personeller Art.
Und da gibt es deutliche Vorstellungen zur Verbesserung der aktuellen Situation. Die aktuelle Situation ist auch nicht für Polemik geeignet, Herr Höhn,
denn der ehemalige, bereits leider verstorbene SPDJustizminister Kretschmer hat sich ja um dieses Thema in hervorragender Weise herumgemogelt so lange er konnte - nur um das auch mal zu sagen.
Durch die Vermeidung von Rückfällen können, abgesehen von dem in jedem Fall vorrangigen Schutz möglicher Opfer, natürlich langfristig auch Kosten für die Gesellschaft reduziert werden. Einer intensiven Diskussion im Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten sehe ich mit Interesse entgegen - ich beantrage deshalb die Überweisung - und unsere Gesellschaft, die Bediensteten des Strafvollzugs und die jugendlichen und heranwachsenden Straftäter dürfen von uns erwarten, dass wir dort professionell und ohne ideologische Scheuklappen
um optimale Lösungen ringen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, vor Ihnen liegt die Antwort der Landesregierung zur Großen Anfrage zur Situation und zukünftigen Entwicklung im Justizvollzug. Die Erstellung des umfangreichen Papiers hat sicher viel Arbeit verursacht. Ich bin aber dankbar, dass sie die Gelegenheit bietet, mit Ihnen über den Strafvollzug in Thüringen und - das soll hier nicht verschwiegen werden - dessen Probleme diskutieren zu können.
Diese Diskussion sollte auch im Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten fortgesetzt werden.
Deshalb beantrage ich für meine Fraktion die Fortberatung im Ausschuss. Ich möchte an dieser Stelle darauf verzichten, statistische Darstellungen der Beantwortung der Großen Anfrage zu referieren. Die Antworten auf die 211 Fragen liegen Ihnen vor und es geht darum, einfach in die Tiefe im Ausschuss ein Stückchen mehr einzusteigen.
Vorab meinen Dank an die Bediensteten in den Justizvollzugsanstalten und den Mitarbeitern im Thüringer Justizministerium für die Arbeit im Zusammenhang mit der Beantwortung der Großen Anfrage, aber auch im Zusammenhang mit der tagtäglichen Arbeit im Vollzug allgemein.
Das haben Sie wirklich verdient. Um es gleich vorwegzunehmen, die Lage des Strafvollzugs in der Bundesrepublik insgesamt ist derzeit nicht gerade rosig. Obwohl wir in Thüringen im Bundesvergleich gut dastehen, sieht sich auch der Thüringer Justizvollzug in den letzten Jahren mit Problemen konfrontiert, die grundsätzliche Entscheidungen und Weichenstellungen erfordern. Um nur einige Beispiele zu nennen:
Erstens: Die Justizvollzugsanstalten im Land sind in ihrem Kernbestand mit Ausnahme von Tonna sehr alt, stehen zum Teil unter Denkmalschutz - die Folge: stetiger Sanierungs- und Modernisierungsbedarf.
Zweitens: Die durchschnittliche Belegung der Vollzugsanstalten im Land ist von etwa 1.119 im Jahr 1995 auf 2.142 Gefangene im Jahr 2005 gestiegen.
Drittens: Die Durchführung des Resozialisierungsauftrags wird durch Probleme in der Gefangenenstruktur, wie zum Beispiel Verständigungsschwierigkeiten durch unterschiedliche kulturelle Milieus, immer geringeres Bildungsniveau bzw. unzuläng
liche soziale Bindungen der Gefangenen erschwert.
Viertens: Die Alkohol- und Drogenproblematik in den Anstalten erfordert eine differenzierte Gratwanderung zwischen repressiven und präventiven Gegenmaßnahmen.
Fünftens: Das Personal muss aufgestockt werden. Verbesserung des Personalschlüssels bedarf es im Bereich der medizinischen und therapeutischen Versorgung. Hier steht Thüringen im Bundesvergleich - das muss man so sagen - nicht so gut da. Die Personalaufstockung in diesem Jahr ist ein Anfang. Es darf aber dabei nicht stehen geblieben werden. Nur eine gute und fundierte fachtherapeutische Behandlung kann die Rückfallquote, wenn überhaupt, das ist fachlich ja höchst umstritten, senken. Eine sinkende Rückfallquote ist auch ein Beitrag zu einem sicheren Thüringen. Erschwerend zu diesen strukturellen Problemen, die in sämtlichen Bundesländern in gleicher oder ähnlicher Form zu konstatieren sind, kommt häufig eine Geringschätzung der im Vollzug von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleisteten Arbeit. Salopp gesagt, im Gespräch ist der Strafvollzug doch eigentlich öffentlich immer nur dann, wenn etwas schief geht. Was folgt, sind im Regelfall populistische Ratschläge, auch aus dem politischen Raum, wie alles besser zu machen wäre und Schadenfreude in der Öffentlichkeit, nach dem Motto: Wie konnte das nur wieder passieren?
Um es gleich deutlich zu sagen, ich habe höchsten Respekt vor der Tätigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vollzug, die täglich mit einer häufig sehr schwierigen Klientel umzugehen haben. Sie arbeiten mit Menschen, die unsere bequeme Gesellschaft aus ihrem Blickfeld verbannt hat. Diese Tätigkeit erfordert eine Kraft und ein pädagogisches Fingerspitzengefühl, wie es meines Erachtens sonst nur wenige andere Berufe verlangen. Aus meiner beruflichen Tätigkeit vor der Abgeordnetentätigkeit kenne ich sehr viele dort tätige Beamtinnen und Beamte persönlich, die in der großen Mehrzahl mit Engagement an der Umsetzung des Vollzugszieles nach § 2 Strafvollzugsgesetz arbeiten.
Ich zitiere noch einmal die Aufgaben des Vollzugs, mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, § 2 Strafvollzugsgesetz: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen, der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.“ Die Landesregierung trägt deshalb in diesem sensiblen Bereich eine große Verantwortung, soweit es der Haushalt zulässt, wie bereits in der Vergangenheit, auch durch Beförderung und die stetige Verbesserung des Arbeitsumfeldes in den Anstalten dazu beizutragen, die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter im Vollzug zu steigern und ihren tagtäglichen Einsatz zu würdigen. Dazu gehört auch, dass es nicht tragbar ist, wenn Bedienstete im Eingangsamt in Rente gehen. Woher soll die Motivation kommen, wenn man im Extremfall in 4 Jahrzehnten kein einziges Mal befördert werden kann? Ich plädiere deshalb für eine in Abschnitten vonstatten gehende Stellenhebung. Auch werden mich die Vollzugsbediensteten und Anstaltsleiter wie bisher an ihrer Seite finden, wenn sie sich aus dem öffentlichen Raum ungerechtfertigten und effekthascherischen Vorwürfen ausgesetzt sehen sollten.
Meine Damen und Herren, ich habe schon mehrfach deutlich gemacht, dass die weitere Entwicklung und Modernisierung des Strafvollzugs in Thüringen ganz oben auf meiner rechtspolitischen Prioritätenliste für die nächsten Jahre steht. Ich habe in meiner früheren beruflichen Tätigkeit und auch jetzt zum Teil schon alle Justizvollzugsanstalten im Lande besucht, habe Gespräche mit den Leitungen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Justizvollzugsanstalten, mit Gerichts-, Bewährungs- und freiwilligen Straffälligenhilfe sowie den Gefangenenvertretungen geführt. Schließlich, und dafür bin ich dankbar, gibt es einen Fahrplan des Justizministeriums für die Neuerrichtung der Jugendstrafanstalt in Arnstadt-Rudisleben und hier möchte ich ausdrücklich Herrn Justizminister Schliemann und seinen Mitarbeitern für ihren unermüdlichen Einsatz danken.
Ich sage es auch deutlich, der Baubeginn 2008 darf nicht angetastet werden. Auch die 95 zusätzlichen Haftplätze in Goldlauter, die im Jahre 2008 zur Verfügung stehen sollen, sind dringend erforderlich. Ich möchte auch sehr deutlich sagen, dass ich es als notwendig betrachte, den Bau einer weiteren Justizvollzugsanstalt in Ostthüringen, möglichst vielleicht auch mit 600 Plätzen, wenn auch längerfristig, doch nicht ganz aus dem Auge zu verlieren und doch irgendwann in Angriff zu nehmen. Im Hinblick auf das stetige Ansteigen der Inhaftiertenzahlen sollten die Möglichkeiten der Vollstreckungshilfe intensiviert werden. Ausländische Straftäter sollen ihre Strafen in ihren Heimatländern absitzen. Das ist inzwischen auch gegen den Willen des Straftäters möglich, da im Rahmen der internationalen Rechtshilfe inzwischen das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarates nunmehr auch von Deutschland ratifiziert wurde. Damit könnte der Justizvollzug des Freistaats nun in kleinen Schritten - es ist noch nicht ganz so merklich - entlastet werden, aber es könnte Konfliktpotenzial in den Justizvollzugsanstalten abgebaut werden.
Meine Damen und Herren, für mich ist der Strafvollzug eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und eben
nicht nur die Sache der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vollzug. Der Resozialisierungsgedanke des Strafvollzugsgesetzes und damit ein humaner Strafvollzug sind keine Gefühlsduselei, sondern praktizierter Opferschutz. Ein reiner Verwahrvollzug, wie er mit Sicherheit in Thüringen nicht stattfindet - das sage ich auch deutlich -, in dem der Täter für die Dauer seiner Haftstrafe nur weggeschlossen würde und dann plötzlich und ohne Vorbereitung in die Freiheit entlassen wird, enthält ein wesentlich größeres Gefahrenpotenzial und entspricht nicht dem Menschenbild, das wir uns wünschen.
Deshalb muss allerdings ebenso konsequent dem Sicherheitsanspruch der Bevölkerung Rechnung getragen werden. Der Schutz der Bevölkerung vor weiteren Straftaten ist ein gleichwertiges Vollzugsziel. Die Vollzugsanstalten in Thüringen sind sicher, aber es braucht auch entsprechende Rahmenbedingungen, damit sie sicher bleiben. Deshalb sollte die Landesregierung in den kommenden Jahren an zweierlei Themen weiterarbeiten - einmal der weiteren Verbesserung der äußeren Sicherheit der Haftanstalten, aber auch der Weiterentwicklung des modernen Behandlungsvollzugs, wobei sehr, sehr viel auf diesem Weg schon erreicht worden ist, wofür ich mich auch ausdrücklich bedanke.
Mein Wunsch ist, dass Regierung und Parlament auf der Grundlage der vorliegenden Antwort ihre Gemeinsamkeiten definieren, und Voraussetzung dazu sollte sein, dass wir uns von jeglichem Populismus verabschieden und zu zielgerichteter und effektiver Arbeit für den Strafvollzug im Lande gelangen. Die Äußerung der letzten Monate - auch von Mitgliedern der Nichtregierungsfraktionen - erfüllen mich dabei mit einer gewissen Hoffnung. Die Probe dafür wird die Begleitung der noch anstehenden Gesetzgebungsvorhaben sein. Ich möchte dazu den Justizminister auffordern und ermutigen, wie beim Jugendstrafvollzugsgesetz auch bei den anderen Vorhaben die Kooperation mit den anderen Ländern zu suchen. So, wie beim Jugendstrafvollzugsgesetz könnte dies auch beim Untersuchungshaftvollzugsgesetz, dem Gesetz über den Vollzug der Sicherheitsverwahrung und vielleicht beim neuen Strafvollzugsgesetz fortgeführt werden. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren noch anwesende Abgeordnete, zunächst auch von mir herzlichen Dank für die Beantwortung der mit dem Antrag meiner Fraktion aufgeworfenen Fragen an den Justizminister. Manche Dinge müssen eben öfter und auch mehrfach angesprochen werden, damit sich konstruktive Lösungen finden - dicke Bretter bohren heißt das auch. Die Ausführungen von Herrn Justizminister Schliemann zeigen ja die Vielschichtigkeit der Problematik auf. Deshalb, Herr Höhn, kann Ihnen geholfen werden, wir beantragen namens der CDU-Fraktion auch die Weiterberatung im Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten.
Sehen Sie. Es ist in der Tat richtig, dass die Möglichkeiten der Einflussnahme durch die Landesjustizverwaltung eng begrenzt sind, da ein Großteil der die Kosten verursachenden Entscheidungen auf bundesrechtlichen Regelungen fußen und von den Gerichten in sachlicher, sprich richterlicher Unabhängigkeit getroffen werden. Gerade deshalb reicht es eben nicht aus, wenn eine Bundesjustizministerin nur kritisiert, anstelle vielleicht selber auch mal konstruktive Vorschläge in der Richtung der effektiven Kostenersparnis vorzulegen. Trotzdem entlastet dies die Landesjustizverwaltung natürlich nicht, verfassungsrechtliche Zielkonflikte, die mit der Budgetver
antwortung einhergehen, zu lösen. Genauso wie die Rechtsprechung eingebunden ist in die Funktionsfähigkeit des staatlichen Gemeinwesens, so ist der Justizhaushalt eben eingebunden in den Gesamthaushalt. Das beinhaltet die Verpflichtung zur konstruktiven Beteiligung auch am Konsolidierungskurs.
Aufgrund der Ausschussbefassung nur einige wenige Gedanken zu den angesprochenen Sachaussagen: Einige Aufwüchse haben ihre Ursache tatsächlich in Gesetzesänderungen. Das Betreuungsgesetz, das mit der Entmündigung Schluss gemacht hat, ist so ein Beispiel dafür, Herr Justizminister Schliemann hat das benannt. In der Folgezahl sind aufgrund dieser Tatsache die Zahlen der Betreuung gestiegen. Ohne den Makel, der der Vormundschaft anhaftete, beantragten Betroffene oder Angehörige eine Betreuung. Aber auch die Gerichte machten von diesem neuen Rechtsinstrument zunehmend Gebrauch.
Ich will aber auch noch stichpunktartig einige gesellschaftliche Faktoren einfließen lassen, die die Zahl der Betreuungen ansteigen ließen, die man aber auch mit einem besonderen Augenmerk betrachten muss. Demographischer Anstieg, davon will ich gar nicht reden, das war hier schon Thema, aber auch ständige Gesetzesänderungen bezüglich Pflege, Versorgung, Gesundheit machen es insbesondere älteren Hilfsbedürftigen, aber auch halbwegs gesunden Menschen, um das mal überspitzt zu sagen, schwer, ihre Hilfsbedürftigkeit selber geltend zu machen. Die knappen öffentlichen Kassen führten natürlich auch zu einem Abbau kommunaler aufsuchender sozialer Arbeit, durch die die rechtliche Betreuung hätte vielleicht in Einzelfällen vermieden werden können. Das beschlossene Betreuungsrechtsänderungsgesetz legt nun auch mehr Gewicht auf die Frage, ob denn die Betreuung unbedingt notwendig sei - ich füge gedanklich an, um Schaden abzuwenden - und versucht, dadurch die Zahl der Betreuungen einzudämmen. Das Verständnis der Betreuung als Instrument der Hilfe wird dadurch etwas zurückgedrängt. Betreuungskosten - das haben wir gehört - sind nicht der einzige Bereich, in dem die Länder mit einem enormen Kostenanstieg konfrontiert sind; bei der Beratungshilfe, Prozesskostenhilfe, bei den Verfahren nach der Insolvenzordnung sind vergleichbare Entwicklungen festzustellen, die in ihrer Gesamtheit eben von den Ländern bewältigt werden müssen, aber auch schwer zu verkraften sind. Aus dem Justizgewährleistungsanspruch der Bürger, der hier schon mehrfach bemüht wurde, besteht die Pflicht zur aufgabenadäquaten Ausstattung der Justiz, das hat ohne Zweifel seinen Preis. Angesichts der prekären Lage der Länderhaushalte kann die Verpflichtung zur Finanzierung nicht weiter reichen als der Aufgabenbereich, der notwendig durch die Staatsaufgabe Rechtspre
chung verfassungsrechtlich vorgegeben ist. So weit in Antwort auf Herrn Blechschmidt.
Eine ganz klare Aussage, der ungebremste Anstieg der Prozesskostenhilfe muss schon deshalb gestoppt werden - und da sind wir uns, glaube ich, alle einig -, um das bewährte Institut der Prozesskostenhilfe gerade für diejenigen zu erhalten, die auf Prozesskostenhilfe angewiesen sind. Darum geht es und deshalb tut Eile not, denn die Aufwüchse um mehr als 40 Prozent sind eben nicht gering. Dass die Entwicklung umfassend analysiert werden muss, steht, glaube ich, auch außer Frage. Es gilt nach Lösungen zu suchen, damit der Justizgewährleistungsanspruch für niemanden beschnitten wird, aber die...
Vielen Dank, Frau Präsidentin, sonst machen wir das nächste Mal eine Grundsatzaussprache zur Justiz, dann müssen Sie noch länger zuhören.
Es gilt also - und ich wiederhole den Gedanken, weil er wirklich wichtig ist, und ich denke, das sollte man auch nicht so auf die leichte Schulter nehmen - nach Lösungen zu suchen, damit der Justizgewährleistungsanspruch für niemanden beschnitten wird, aber die Haushalte der Länder möglichst bald auch von vermeidbaren Ausgaben entlastet werden. Das zeigt, dass neue Wege bei der sinnvollen Begrenzung der Ausgaben ein vordringliches Anliegen sind. Mit anderen Worten: Unbemittelten Bürgerinnen und Bürgern darf der Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz weder erschwert noch unmöglich gemacht werden. Wer mit seinem Einkommen die im Sozialhilferecht bestimmten Grenzen nicht überschreitet, darf auch weiterhin nicht zur Zahlung von Prozesskosten herangezogen werden.
Der gelegentlich von interessierter Seite und auch hier angeklungene Vorwurf, jeglicher Versuch Kosten zu reduzieren, sei Ausdruck sozialer Kälte oder komme gar einem Abbau des Sozialstaats gleich, liegt daher - und das will ich an der Stelle ganz deutlich sagen - völlig neben der Sache. Das Ziel ist ein ganz anderes und ich freue mich, dass wir uns darüber im Ausschuss auch bis ins Detail unterhalten können: Die knappen finanziellen Ressourcen im Bereich der Prozesskostenhilfe sollen nur denjenigen zugute kommen, die sie wirklich benötigen. Ob die großzügigen
Regelungen des geltenden Rechts, nach denen auch Personen mit Einkommen bis in den mittleren Bereich hinein Prozesskosten erhalten, sich zum Beispiel darin äußern müssen, dass die Scheidung einer Ehe vom Fiskus finanziert wird, das wage ich mal zu bezweifeln, ob das so sein muss.
Meine Damen und Herren, mögliche Wege für die Reduzierung der Prozesskostenaufwendung sind aufgeführt. Es sind Vorschläge von Thüringen unterbreitet. Es gibt aus anderen Ländern andere Vorschläge. Hier muss diskutiert werden, was der effektive Weg ist und was der Weg ist, der in keinster Weise den verfassungsrechtlichen Auftrag, den Justizgewährleistungsanspruch, beschneidet. Das dient auch dazu, um die Rechtsprechung auch für die kommende Generation am verfassungsrechtlichen Maßstab gewährleisten zu können. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wer Begriffe wie „Ignoranz“ und „Instinktlosigkeit“ in den Mund nimmt, der sollte sich schon einmal vorher der Realität versichern. Zur Realität gehören zum Beispiel Zuschriften wie diese - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -, Waldorf-Kindergarten Weimar e.V.: „Durch das neue Familiengesetz sind wir in eine Situation gekommen, unseren WaldorfKindergarten zu erweitern. Somit sind ab 01.09.2006 noch freie Plätze in unserer Einrichtung entstanden.“
So viel zu der Realität von Zuschriften, die uns auch in dutzender Form erreichen.
Jetzt zu dem eigentlichen Thema der heutigen Aktuellen Stunde, die Sie wieder trefflich missbrauchen, um eine Diskussion aufzumachen, die wir in
haltlich seit einem halben Jahr hier durchkauen mit Änderungsvorschlägen, Diskussionen etc. Heute geht es um etwas anderes, es geht um die Frage: Ist ein zugelassenes Volksbegehren automatisch auch verfassungskonform. Darauf habe ich in den letzten Wochen hingewiesen, dass es eben nicht immer so ist. Die Landtagspräsidentin hat im Zuge des Zulassungsverfahrens lediglich nach formellen, nicht jedoch inhaltlichen Kriterien zu entscheiden. Daher sind Aussagen darüber, ob der Gesetzentwurf verfassungskonform ist, auf dieser Basis nicht möglich. Erster Punkt.
Zweiter Punkt: Verfassungsimmanente Schranken für die Volksgesetzgebung beinhaltet unstreitig - und das werden Sie ja wohl nicht anzweifeln - Artikel 82 Abs. 2 der Landesverfassung. Danach sind Volksbegehren, die sich auf den Landeshaushalt beziehen, nicht zulässig. Unter „Landeshaushalt“ ist eben nicht nur das Haushaltsgesetz, sondern die Gesamtheit der Einnahmen und Ausgaben des Landes zu verstehen. Folglich, so der gängige Kommentar - Herr Matschie hat ihn ja schon bemüht zur Landesverfassung -, kann nicht nur das formelle Haushaltsgesetz von der Volksgesetzgebung ausgeschlossen sein. Der Ausschluss betrifft in gleicher Weise mit nicht geringfügigen finanziellen Auswirkungen Gesetze, die sich auf den Haushalt beziehen. Nach unserer Auffassung ist diese Erheblichkeitsschwelle überschritten - eindeutig.
Wenn es an der Zulässigkeit Zweifel gibt, muss - und ich betone das - muss der Verfassungsgerichtshof angerufen werden. Hier sprechen wir von einer Anrufung - also Ihr Klagebegriff ist auch weit hergeholt. Dazu sind die Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Landtags nach Artikel 82 Abs. 3 Satz 2 der Landesverfassung verpflichtet und das betone ich ausdrücklich. Das ist keine Frage politischen Gutdünkens oder gar Rechthaberei oder Willkür, wie die Opposition in diesem Hause gelegentlich glauben machen möchte, sondern des Verfassungsgehorsams. Es ist schlicht eine Frage des Verfassungsgehorsams,
zu dem wir uns alle, meine Damen und Herren, bei der Annahme unseres Mandats als Abgeordnete verpflichtet haben, auch Herr Matschie, auch Frau Pelke und auch die anderen, die gesprochen haben. Im Übrigen erinnere ich gern daran, dass die drei Fraktionen sich bei der Verfassungsänderung zur direkten Demokratie darin einig waren, etwaige Zweifel in einem frühen Stadium zu klären. Vorher, vor der Novellierung des Thüringer Gesetzes über Bürgerantrag, Volksbegehren, Volksentscheid und der Lan
desverfassung, erfolgte die verfassungsgerichtliche Überprüfung nach der großen Unterschriftensammlung. Nunmehr erfolgt sie davor, weil es vor der eigentlichen Sammlung klar sein sollte, ob für ein verfassungskonformes Volksbegehren gesammelt wird und ob der mit der Sammlung verbundene Aufwand überhaupt Sinn macht. Deshalb besteht überhaupt kein Anlass, eine etwaige Anrufung zu skandalisieren. Dies war übrigens der einzige Punkt - ich betone das -, über den sich alle Fraktionen und Parteien - CDU, SPD und PDS - von Anfang an einig waren. Es war deshalb sowohl im Regierungsentwurf als auch in den Entwürfen von PDS und SPD enthalten. Ich kann mich sehr gut an die Begründung von SPD und PDS erinnern: „Der enorme Aufwand an Finanzen und Manpower, den eine große Unterschriftensammlung beansprucht, soll nur erfolgen, wenn ein Volksbegehren letztlich auch zulässig ist.“
Richtig, meine Damen und Herren, da kann ich Ihnen nur zustimmen. Dies dürfte nämlich wegen der Aufwendigkeit eines Volksbegehrens in der Tat im Interesse aller Beteiligten liegen, ja sogar mit Rücksicht auf den politischen Frieden geboten sein, um den Kommentator Schonebohm zu bemühen. Die Oppositionsfraktionen sollten wenigstens die Fairness besitzen, zu den von Ihnen mit beschlossenen Verfahrensregelungen für die Volksgesetzgebung zu stehen.
Das ist halt falsch, Herr Matschie; aber Sie sind ja kein Jurist, das kann ich Ihnen nachsehen.
Ich halte deshalb die Kritik an der von der Landesregierung angekündigten Anrufung des Verfassungsgerichtshofs - gestatten Sie mir den Begriff - für scheinheilig.
Verfassungsrechtliche Zweifel müssen unmittelbar geklärt werden,
nachdem ein Volksbegehren zugelassen ist, und nicht erst nach dem mehrmonatigen Sammeln von Hunderttausenden von Unterschriften, wie Herr Dr. Hahnemann seinerzeit
völlig zutreffend vor dem Plenum ausgeführt hat.
Letzter Satz: Was den gern missbrauchten Begriff „Volkeswille“ betrifft, so ist dieser erst mit dem erfolgreichen Volksentscheid manifestiert.
Davor hat der Gesetzgeber mit Bewusstsein zwei andere Stufen gesetzt. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es kann nicht oft genug betont werden, die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in Thüringen erfüllen eine ebenso wichtige Aufgabe wie die Berufsrichterinnen und -richter und dafür gebührt ihnen allerherzlichster Dank.
So heißt es folgerichtig bereits in Artikel 86 Abs. 3 unserer Verfassung: „An der Rechtsprechung wirken Frauen und Männer aus dem Volk mit.“ Zu Ihrer Erinnerung - ein ehrenamtlicher Richter in Deutschland ist in gleichem Maße sachlich unabhängig wie ein Berufsrichter. Er hat seine Pflichten getreu dem Grundgesetz und dem Gesetz zu erfüllen, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen. Auf diese Pflichten leistet er einen Eid und er hat das Beratungsgeheimnis zu wahren. In Strafsachen - auch das ist richtig erwähnt worden, um das auch noch mal zur Unterscheidung zu sagen - nennt man den ehrenamtlichen Richter „Schöffen“, bei den Kammern für Handelssachen „Handelsrichter“. All diese Laienrichter, was Herr Minister schon definierte, sind ehrenamtlich tätig. Ich halte es für sehr gut, dass es die ehrenamtlichen Richter als Institution gibt. Sie sollen das Rechtsbewusstsein und die Wertvorstellung der Bevölkerung in die Urteilsfindung einbringen. Sie sollen nicht zu kleinen Juristen fortgebildet werden, denn das würde gerade diesen Punkt wieder konterkarieren, dass man nur die rechtliche Seite betrachtet, auch wenn das ein Jurist wohl selten so sagen würde.
In Strafsachen urteilen die Schöffen gleichberechtigt mit den Berufsrichtern im Namen des Volkes über Schuld und Unschuld ihrer Mitbürger, aber auch über die auszusprechende Strafe und sie haben dabei
dieselbe Verantwortung wie die Berufsrichter. Ihr Ehrenamt verlangt Fähigkeiten, wie das schon angesprochen wurde hier in der Diskussion, wie Menschenkenntnis, Lebens- und Berufserfahrung und ein sehr, sehr ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein. Weil in der Presseberichterstattung meist nur Strafverfahren eine Rolle spielen und selbst dort oft nur der vorsitzführende Richter benannt wird, erfährt die Öffentlichkeit oft viel zu wenig, auf welcher breit legitimierten Basis unsere Rechtsprechung steht. Ich finde es deshalb sehr gut, dass sich an vielen Gerichten in unserem Land ein Tag der offenen Tür etabliert hat, wo die öffentliche Akzeptanz auch des ehrenamtlichen Richters verbreitert wird, indem z.B. beliebte Rollenspiele praktiziert werden, dass also so eine Art Prozess einmal nachgestellt wird, wo öffentlich erklärt wird, was die einzelnen Prozessbeteiligten zu tun haben und was deren Pflichten sind.
Der Einsatz von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern sowie Schöffen stärkt die gesellschaftliche Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen und damit das Vertrauen in die Justiz. Dieses Vertrauen wird nicht stets deshalb schon von alleine aufgebaut, weil ein Gerichtsverfahren „den Vorschriften gemäß“ durchgeführt wird. Ein gerichtliches Verfahren muss auch nachvollziehbar und der Ausgang für den Bürger verständlich sein. Die Mitwirkung von Schöffinnen und Schöffen kann dafür sorgen, dass Prozesse transparent und verständlich gestaltet werden. Somit trägt die Beteiligung von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern zu lebens- und bürgernahen Entscheidungen bei. Diese Entscheidungen werden dann vom Bürger stärker akzeptiert.
Für diesen wichtigen Dienst, den die ehrenamtlichen Richter und Schöffen mit ihrer Tätigkeit leisten, gilt es, den 4.075 - das ist eine ganz stolze Zahl - ehrenamtlichen Richtern in Thüringen ganz, ganz herzlich Dank zu sagen. Ihr Einsatz trägt zur Funktionsfähigkeit der Justiz bei. In diesem Zusammenhang möchte ich mit Blick auf die in der Diskussion befindliche große Justizreform sagen, dass für den Rechtsuchenden gerade das bislang bestehende Nebeneinander so vieler Prozessordnungen oft unübersichtlich ist. Deshalb kann ich der geplanten Vereinheitlichung der Prozessordnung viel Positives abgewinnen und begrüße diese Initiative im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Welche Möglichkeiten der Vereinfachungen im Bereich der Regelungen über die Laienrichter überhaupt bestehen und gewollt sind, wird seitens der Bund-Länder-Arbeitsgruppe sehr sorgfältig zu prüfen und abzustimmen sein.
Gerade das Amt des Laienrichters ist aber auch mit großen Belastungen verbunden und ich danke Ihnen, Herr Minister, dass Sie auch darauf in dem Bericht abgestellt haben, denn gerade in Strafverfahren müs
sen sich die Schöffen oft mit Gewaltdelikten sehr intensiv auseinandersetzen. Auch sind Prozesse mit mehreren Verhandlungstagen keine Seltenheit und das bringt auch psychische Belastungen mit sich und wirkt sich auch auf das Privat- oder Berufsleben aus. Insofern war es auch wichtig, dass die ehrenamtlichen Richter einen besseren Schutz vor Nachteilen erfahren haben. Seit dem 01.01.2005 ist die Vorschrift des § 45 Abs. 1 a Deutsches Richtergesetz in Kraft, wonach eine Kündigung wegen Ausübung des Amts untersagt ist. Dem ehrenamtlichen Richter bleibt zwar immer noch gegebenenfalls die Beweislast, im schlimmsten Fall bei einer Kündigung aus anderen Gründen, dass diese vorgeschoben sind und eigentlich der Arbeitgeber einen häufig abwesenden Schöffen „loswerden“ will, aber zum Glück sind mir derlei Fälle in Thüringen eigentlich in dieser Weise nicht bekannt geworden.
Eine alte Weisheit lehrt, dass der Mensch es sich nicht gelüsten lassen sollte, Richter zu sein, denn er werde nicht alles Unrecht zu Recht machen können. Skepsis und Bescheidenheit, die sich hierin ausdrücken, stehen uns auch heute gut an und dennoch bleibt uns aufgegeben, die befriedende und ordnende Kraft des Rechts auch in unserer modernen Gesellschaft zu verwirklichen. Ohne Recht und Gesetz, auch ohne Strafgesetz, könnte sich jeder auf Kosten des anderen nehmen, was ihm so beliebe. So gesehen gewährleistet unsere Rechtsordnung unser aller Freiheit und die Laienrichter üben einen Teil der Staatsgewalt in dieser Rechtsordnung aus. Das Verdienst der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter und Schöffen ist, dass sie sich für unseren Rechtsstaat stark machen und ihre Fähigkeiten und Kenntnisse im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger einsetzen. Dafür nochmals herzlichen Dank und auch der Hinweis darauf - das sei mir zum Abschluss gestattet -, dass auch ehrenamtliche Richterinnen und Richter, Schöffen, die Laienrichter natürlich unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf die Förderung der Ehrenamtsstiftung haben. Aber auch das wird gar nicht deshalb so in den Blickpunkt gestellt, weil sie eben eine so vergleichbare Stellung gegenüber den Berufsrichtern haben, aber es ist in der Tat ein Fakt, den man nicht aus den Augen verlieren sollte. Nochmals herzlichen Dank, auch Dank für den Bericht. Ich denke, wir tun gut daran, die Arbeit der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter weiterhin positiv zu begleiten. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte zu Beginn ein Wort des Dankes an Herrn Justizminister Schliemann richten, der uns mit seinem Bericht einen sehr, sehr detaillierten Überblick über die Situation der Sozialgerichte in Thüringen gegeben hat.
Ihre heutigen Ausführungen, Herr Minister, komplettieren das Bild, das sich bereits nach der Beantwortung der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Hahnemann vom 31.08.2004 abgezeichnet hat. Es wurde bereits mehrfach von Herrn Höhn und von Herrn Blechschmidt erwähnt, zwei dem heute auf der Tagesordnung stehenden Antrag der Linkspartei.PDS inhaltlich vergleichbare Anträge wurden bereits sehr ausführlich im Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten behandelt, zuletzt im Januar dieses Jahres. Herr Minister Schliemann hatte im Rahmen der Ausschussbefassung bereits damals deutlich zur Situation der Sozialgerichte, zu den Problemen vor Ort Stellung genommen. Damals - das sei angemerkt - gab es nur eine Nachfrage von Herrn Abgeordneten Kubitzki zur Situation bei den Eilverfahren. So viel zum Interesse an Themen in Sitzungen mit begrenzter Öffentlichkeit. Deshalb halte ich auch wenig davon, wenn wir zum wiederholten
Male diese Thematik an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten überweisen.
Ich lehne das für die Fraktion ab.
Aber zum eigentlichen Thema: Die Sozialgerichtsbarkeit ist eine funktionierende Gerichtsbarkeit in Thüringen und alle dort beschäftigten Richterinnen und Richter sowie die Bediensteten im nichtrichterlichen Bereich leisten zur Gewährleistung der Rechtswegegarantie einen sehr, sehr verantwortungsvollen Dienst. Ein ganz besonderer Dank gilt auch den Richterinnen und Richtern, die sich bereit erklärt haben, aus anderen Gerichten bzw. der Staatsanwaltschaft oder der Verwaltung kommend, die Kollegen in der Sozialgerichtsbarkeit zu unterstützen. Da ist nicht unbedingt immer das Bonbon der Belohnung erforderlich, sondern das ist auch einfach mal kollegiale Unterstützung, so wie mir das aus der Praxis berichtet wurde. Man kann natürlich schon die Frage stellen, ob es klug war, der Sozialgerichtsbarkeit trotz der bereits damals bekannten Belastungssituation die Zuständigkeit für Streitigkeiten aus dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe sowie des Asylbewerberleistungsgesetzes - besser bekannt unter Hartz IV - zum 01.01.2005 auch noch systemwidrig zu übertragen. Aber auch eine andere Entscheidung, die Übertragung auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die da zu Buche gestanden hätte, hätte wohl nur eine kurzzeitige Erleichterung gebracht.
Letztlich hat die Sozialgerichtsbarkeit 2005 - Sie haben es alle vernommen - Unterstützung durch elf zusätzliche Richter erhalten. Wenn 2006 weitere acht der bereits angekündigten Richter, Proberichter und Richter kraft Auftrags, bereit sind, sich an die verschiedenen Sozialgerichte abordnen zu lassen oder versetzen zu lassen, dann ist das ein sehr positives Signal für die Sozialgerichtsbarkeit. Auch aus Sicht der Sozialgerichte selbst, so das Credo nach meinem Gespräch mit Richtern vor Ort, gibt es keinen Grund, von einer Notfallsituation zu sprechen. Insofern ist schon eine Diskrepanz zwischen Verbandsäußerung und der Bewertung von einzelnen Richtern festzustellen.
Der Personalbestand ist freilich nicht üppig, das streitet keiner ab. Die Arbeitsbelastung ist auch keineswegs gering, aber sie ist zu bewältigen. Das ist auch die Meinung aus der Praxis. Trotzdem muss die Belastungssituation - und das sage ich sehr deutlich - und somit die Verfahrensdauer, die natürlich damit im Zusammenhang steht, im Auge behalten werden, damit bei einer weiteren Veränderung der Lage wieder sofort reagiert werden kann.
Hinsichtlich der Erledigungszahlen und der Dauer der sozialgerichtlichen Verfahren möchte ich einen Aspekt, der vielleicht ein bisschen zu kurz gekommen ist, etwas vertiefen. Für die Verfahren bei den Sozialgerichten besteht nach § 103 SGG der Amtsermittlungsgrundsatz. Von der obergerichtlichen Rechtsprechung ist dieser Amtsermittlungsgrundsatz für die sozialgerichtlichen Verfahren wesentlich stärker ausgestaltet als für das verwaltungsgerichtliche Verfahren. Weil es eben häufig um existentielle Probleme und Ansprüche geht, muss allen Hinweisen, auch den kleinsten Anhaltspunkten nachgegangen werden. Die Mitarbeit der Kläger ist dabei genauso vorauszusetzen wie die der Beklagten und das sind auch oft Verbände.
Zur Entscheidung in 50 Prozent aller Fälle sind medizinische Gutachten erforderlich. Einige meiner Vorredner haben das auch schon erwähnt. Welche Verfahren betrifft das? Ich denke, wenn man das erwähnt, soll man nicht nur an der Oberfläche kratzen. Es betrifft insbesondere Verfahren des Erwerbsunfähigkeitsrechts, des Schwerbehindertenrechts und des Krankenversicherungsrechts. Dabei handelt es sich eben um notwendige Zustandsfeststellungen, wobei Zustandsfeststellungen eben auch die Auswirkung haben, dass sie häufig mehrfach erforderlich sind. So ist es keine Seltenheit, um das mal an einem Beispiel klarzumachen, dass in der ersten Instanz zwei bis drei Gutachten erforderlich werden, nämlich erst der Befundbericht des behandelnden Arztes, dann ein Gutachten, auch eines gutachterlichen Instituts, evtl. ein Spezialgutachten z.B. eines Herzspezialisten bei internistischen Problemen oder dann noch ein weiteres Fachgutachten. Dazu kommt, das hat bisher ein bisschen gefehlt, dass sowohl dem Beklagten als auch weiteren Beteiligten natürlich Fristen zu der Stellungnahme zu dem Gutachten gegeben werden. Meistens sind das vier Wochen. Das ist eine ganz legitime Frist.
Bei Erwerbsminderungs- und Zusatzversorgungssachen müssen darüber hinaus zunehmend mehr Anfragen an Register zu den einzelnen Betrieben oder an andere Institutionen gerichtet werden, auch das kostet Zeit. Dass sich diese gutachterliche Seite und diese Registeranfragen auf die Verfahrensdauer auswirken, ich denke, das dürfte klar sein.
Dass sich keine Pauschalaussagen zu einzelnen Verfahrensarten geben lassen, dürfte auch nachvollziehbar sein. Das hat aber auch damit zu tun, dass die fachlichen Anforderungen an die Rechtsprechung der Sozialgerichte in der Tat immer weiter gestiegen sind.
Was die Fortbildung der Sozialrichter angeht, so sind besonders Themen von Bedeutung, die das Verständnis und die Auseinandersetzung mit me
dizinischen Gutachten betreffen. Gerade für jüngere Richter, die am Beginn ihrer Berufsausübung stehen, ist es eben nicht einfach, ein medizinisches Gutachten zu verstehen und auf Schlüssigkeit zu prüfen. Dazu braucht es etwas mehr Erfahrung und Unterstützung. Hier könnte aktuell Fortbildungsbedarf abgefragt werden. Lösungsansätze, wie von Herrn Höhn dargeboten, sind interessant, aber auch ein wenig abenteuerlich, denn erstens sollte es keine Besoldungsangebote nach Kassenlage geben, sondern ein ausgewogenes System erhalten bleiben, was ohnehin durch den fehlenden Altersaufbau im richterlichen Bereich schon genug erschwert ist. Zum Abschluss sei noch einmal deutlich gesagt, dass Thüringen eine funktionsfähige und kompetente Sozialgerichtsbarkeit hat, die eine fachlich feste Säule unseres Rechtsstaats ist, und dafür danke ich.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Landesregierung hat zu dem vorliegenden Antrag
der SPD Stellung genommen
und eigentlich hätte es nach der Abarbeitung der Fragestellung keine Basis für einen großen Teil der soeben von Ihnen, Herr Abgeordneter Höhn, gehörten Ausführungen gegeben.
Aber dann hätten die Antragsteller ja zugeben müssen, dass sie sich ins falsche Fahrwasser begeben haben - das falsche Fahrwasser, weil es selten überzeugend ist und allzu vordergründig, wenn man einen Antrag in der Begründung auf nichts weiter als auf einen Pressebericht einer Zeitung stützt,
der über das Stadium der Spekulationen nie hinausgegangen ist.
Im Gegenteil! Einige Behauptungen sind bereits wieder relativiert und zurückgenommen. Eine Gegendarstellung ist bereits abgedruckt. Das stellt selbst ein anderer Zeitungsbericht dar, ich zitiere - mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin - die „Südthüringer Zeitung“ vom 06.03.2006: „Die Vorwürfe immer schön mit einem Fragezeichen versehen, denn Belege dafür fehlen, zumindest solche, die wesentlich über mehr oder weniger zufällige Bekanntschaften und die Feststellung hinausgehen, dass er Innenminister war und heute Mitbesitzer einer Firma ist, die Häuser auch für kommunale Wohnungsbaugesellschaften verwaltet.“ Die CDU-Fraktion weist die ehrverletzenden Spekulationen gegen Christian Köckert entschieden zurück.
Es gibt keinen Anlass für die CDU-Fraktion, sich aufgrund von Behauptungen, Spekulationen und vagen Andeutungen in eine Ermittlerrolle drängen zu lassen.
Lieber Herr Höhn, wir sind auch keine Prozessbeobachter, die zu Bewertungen eines gerichtlichen Verfahrens, was dazu noch läuft, aufgerufen sind. Es gibt für uns keinen Anlass, aus den Spekulationen Schlüsse auf die vergangene Tätigkeit unseres Fraktionskollegen Köckert zu ziehen. Last, but not
least, lassen Sie sich gesagt sein, an einem Rufmord auf der Grundlage von Gerüchten und Spekulationen beteiligen wir uns nicht,
sondern ein solches Verhalten weisen wir zurück. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit dem Tagesordnungspunkt 5 steht heute ein Artikelgesetz zur Beratung in erster Lesung an. Ich meine, mit Ausnahme des Artikels 3 sind es zwar notwendige, aber wenig spektakuläre Materien, wie die drangvolle Enge im Plenarsaal auch zeigt.
Zu Artikel 2: Mit dem Vormünder- und Betreuungsvergütungsgesetz vom 21. April 2005, das am 1. Juli 2005 in Kraft getreten ist, hat sich, wie bereits benannt, ein redaktioneller Änderungsbedarf ergeben, da das Thüringer Ausführungsgesetz an die neue Rechtslage im Bund angepasst werden muss. Schlicht und einfach, die bisherige Bezugnahme auf das Berufsvormündervergütungsgesetz wurde durch Bezugnahme auf das Vormünder- und Betreuungsvergütungsgesetz ersetzt, das ist vollkommen korrekt. Im Kern, um das auch noch einmal kurz zu sagen, geht es richtig darum, dass durch die Ermächtigung des Landesgesetzgebers bestimmte, durch Prüfung erfolgreich abgeschlossene Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen einer abgeschlossenen Lehre bzw. einer abgeschlossenen Hochschulausbildung gleichgestellt werden können. Das ist auch richtig.
Etwas mehr Anpassungs- und Novellierungsbedarf ergibt sich natürlich zum Artikel 1, der Änderung des Thüringer Nachbarrechtsgesetzes. Ursächlich hierfür ist, dass die Regelungen des BGB durch die Schuldrechtsreform im Bereich der Verjährung grundlegend neu gestaltet wurden und darüber hinaus, wie auch schon angesprochen, wird der im Jahr 2004 novellierten Bauordnung und der Vereinfachung des Bauantragsverfahrens Rechnung getragen. Auch die Klärung von Rechtsunsicherheiten im Bereich des Beseitigungsanspruchs des Nachbarn bei abstandswidrigen Anpflanzungen ist durchaus erforderlich. Dazu kommt eine notwendige Klarstellung im Hinblick auf den Beseitigungsanspruch bei abstandswidrig errichteten Spaliervorrichtungen und Pergolen.
Die CDU-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass Regelungslücken, die sich in der Praxis ergeben haben, geschlossen werden. Dass sich ein Gesetz zum nachbarrechtlichen Interessenausgleich so gut bewährt hat, war ja nicht ganz so selbstverständlich vorauszusehen, aber es hat 13 Jahre hervorragend funktioniert und, ich denke, das muss man auch einmal positiv konstatieren.
Artikel 3 beinhaltet nun die Aufhebung des Thüringer Gesetzes über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Straftäter. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 10. Februar 2004 im Verfahren zur Überprüfung der Landesgesetze aus Bayern und Sachsen-Anhalt entschieden, dass nicht die Länder, sondern der Bund für ein Gesetz zur nachträglichen Sicherungsverwahrung zuständig ist. Diese Position habe ich persönlich immer erwartet. Es gab auch eine Vielzahl von Bundesratsinitiativen, die seit 1997 den Bund zum Tätigwerden aufgefordert haben. Ich denke, Herr Höhn, das sollten Sie auch nicht vergessen, da Sie gerade auf diesen Punkt in Ihrer Rede so abgestellt haben. Das waren insbesondere Anläufe von Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Thüringen. Den ohnehin problematischen Worten des damaligen Bundeskanzlers Schröder, ich zitiere: „Wegsperren, aber für immer“, sind damals keine Taten gefolgt. Im Gegenteil, die damalige Bundesregierung hingegen hat die Zuständigkeit des Bundes verneint und die Länder aufgefordert, selbst tätig zu werden. Also, wenn es hier um Ohrfeigen für irgendjemand geht, dann wegen fahrlässigem Nichttätigwerdens an die damalige Bundesregierung.
Ich meine, es war unter den gegebenen Umständen vollkommen folgerichtig, dass in Thüringen gehandelt und ein Gesetz verabschiedet wurde, dass die nachträgliche Unterbringung von gefährlichen Straftätern vorsieht, wenn sich mit hoher Wahrscheinlichkeit abzeichnet, dass diese nach ihrer Haftentlassung erneut schwerste Straftaten begehen. Dieser schwierigen Aufgabe hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung durchaus im Text der Entscheidung auch Rechnung getragen. Warum nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht die Pflicht zur sofortigen Aufhebung des Landesgesetzes bestand, ist bereits in aller epischen Breite und Ausführlichkeit auch hier im Landtag erörtert worden. Ich verweise Sie auf die Protokolle der 101. Sitzung des Landtags in der 3. Legislaturperiode. Übrigens war in diesem Zusammenhang auch eine Erörterung an dieser Stelle in Anknüpfung an Herrn Blechschmidt und Ihre Äußerungen, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung eben keine Strafe ist und deshalb hier es nicht um ein Rückwirkungsverbot geht, sondern es ist eine Maßnahme der Sicherung und Besserung; aber auch da empfehle ich Ihnen einfach noch einmal das Nachlesen der Protokolle. Es war schon damals klar, dass es vom weiteren Handeln des Bundes abhängt, ob und wann das Landesgesetz aufzuheben ist. Der Bund hätte zum Beispiel auch die Möglichkeit gehabt, mittels einer so genannten Länderöffnungsklausel die Kompetenz der Landesgesetzgeber für entsprechende gesetzliche Regelungen zu begründen. Der Bund hat sich für die zielführendere Lösung, wie ich auch mei
ne, eine eigene gesetzliche Regelung zu treffen, entschieden. Das war aber damals nicht absehbar. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung, ob durch Bundes- oder Landesgesetz, ist ein sinnvolles, ganz unbestritten ein notwendiges und ein rechtsstaatlich zulässiges Instrument. Durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 wurden durch den Bund bereits Verbesserungen des Schutzes der Bevölkerung vor gefährlichen Rückfalltätern erreicht. Gleichwohl weist das zur Verfügung stehende Instrumentarium nach meinem Gefühl noch Defizite auf. Das betrifft unter anderem die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Heranwachsende und im Strafurteil bei Ersttätern. Unter diesem Aspekt sind auch die von der Bundesregierung angekündigten Gesetzesvorlagen nach der Koalitionsvereinbarung besonders aufmerksam zu begleiten.
Meine Damen und Herren, niemand hätte Verständnis dafür, wenn man einen gefährlichen Straftäter aus der Haft entlassen würde, obwohl sich aus dem Vollzug heraus Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass der Verurteilte wieder einschlägig in Erscheinung treten könnte und dieser dann tatsächlich wieder eine erhebliche Straftat begeht. Und wenn auch nur ein Opfer, ein wehrloses Kind durch diese Maßnahme gerettet werden kann, dann erübrigt es sich wohl von selbst zu behaupten, ein solches Gesetz hätte keine Wirkung. Danke.
Inbetriebnahme des Erweiterungsbaus der Justizvollzugsanstalt Tonna
Der Erweiterungsbau der Justizvollzugsanstalt Tonna wird spätestens im Herbst 2006 in Betrieb genommen. Daraus wird sich voraussichtlich ein erhöhter Personalbedarf ergeben.
Ich frage die Landesregierung:
2. Ist die Einbeziehung der Personalvertretungen bei den geplanten Personalmaßnahmen gewährleistet?
3. Sind in Anbetracht der zu erwartenden Personalmaßnahmen die Belange von Sicherheit und Behandlung in den betroffenen Justizvollzugsanstalten gewahrt?
4. Welche Auswirkungen hat der Abzug von Personal auf den Vollzugsbetrieb der betroffenen Anstalten und welche Überlegungen bestehen seitens der Landesregierung, eventuelle Engpässe auszugleichen?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Rechtsgewährung für jedermann ist verfassungsmäßiger Auftrag der Justiz und der Justizhaushalt ist eine Grundlage, dass dieser verfassungsmäßige Auftrag auch erfüllt werden kann. Dafür, dass es gelungen ist, keinen üppigen, aber ausgewogenen Haushalt in den finanziell schwierigen Zeiten aufzustellen, möchte ich an erster Stelle erst einmal allen Beteiligten herzlichen Dank sagen. Ich denke, das ist überfällig, an dieser Stelle auch mal danke zu sagen. Justizhaushalt ist ein sehr personalkostenintensiver Verwaltungshaushalt und er ist überwiegend geprägt dadurch, dass eben bundesgesetzlich geregelte Zahlungsverpflichtungen vorgegeben sind; der Bewegungsspielraum ist dadurch eingegrenzt. Viele Dienstleistungen der Justiz sind haushaltsmäßig auch nicht steuerbar. Bevor ich auf die vielen nebulösen Andeutungen und Wiederholungen dessen komme, was im Ausschuss schon zigmal behandelt und diskutiert worden ist, möchte ich Ihnen aber trotzdem einige Fakten und Eckwerte nicht ersparen, denn man sollte sich schon noch einmal vor Augen führen, über welchen finanziellen Rahmen wir überhaupt hier sprechen, den Rahmen, in dem der Justizhaushalt den gesetzlichen Aufgaben überhaupt entsprechen kann.
Der Justizhaushalt gehört zu den kleineren Haushalten. Das ist klar, das haben Sie alle betont. Einnahmen, im Telegrammstil will ich das sagen,
93,7 Mio. €, Ausgaben rund 282 Mio. € in 2006 und 285 Mio. € in 2007. Das heißt, ein Zuschussbedarf von summa summarum 188,7 Mio. € für 2006 und 191 Mio. € für 2007. Beachtenswert ist, dass der Anteil am Gesamthaushalt 3 Prozent bezogen auf die Ausgaben und nur 2 Prozent bezogen auf den Zuschussbedarf beträgt. Wir haben eine Deckungsquote von rund 33 Prozent. 60 Prozent, und das ist eine große Summe, sind Personalausgaben. Für Auslagen in Rechtssachen oder auch verfahrensabhängige Entschädigungsleistungen, wie eben Prozesskostenhilfe, Anwalts-, Zeugen-, Sachverständigenentschädigungen, Betreuungskosten usw., sind insgesamt jeweils 63 Mio. € vorgesehen. Das entspricht immerhin 55 Prozent der Sachausgaben. Um nur einen Bereich noch herauszunehmen: Der Justizvollzug allein kostet 54 Mio. € in 2006 und 54 Mio. € in 2007, davon 30 Mio. € Personalkosten. Damit will ich das mit den Eckwerten sein lassen und auf die konkreten Anträge zu sprechen kommen.
Zunächst der Änderungsantrag der SPD-Fraktion zu der Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses, wonach Sie nach Punkt III den Artikel 8 aufgehoben haben wollen. Dem wird die CDU-Fraktion nicht zustimmen.
Das haben Sie ja eigentlich in der Ausschussdiskussion mitbekommen, Herr Kollege Höhn.
Ziel der Behördenstrukturreform im Geschäftsbereich des Justizministeriums ist die Schaffung einer strafferen und effizienteren Justizverwaltung. Durch die Herstellung der Einräumigkeit bei der Struktur der Amtsgerichte sollen eben Synergien erreicht werden, ohne, und das möchte ich dick unterstrichen wissen, die erforderliche Bürgernähe zu beeinträchtigen. Zielstellung ist, das Prinzip der Einräumigkeit durch die Reduzierung der Zahl der Amtsgerichte durchgängig in allen Amtsgerichtsbezirken herzustellen. Darin sehe ich nun wirklich keine Beeinträchtigung unseres Rechtsstaats. Das ist einfach ein herbeigeredetes Argument, was überhaupt nicht schlüssig ist. Die Veränderungen haben einen positiven Effekt für die interne Geschäftsverteilung und, das sollten Sie auch nicht außer Acht lassen, worauf Sie auch überhaupt nicht eingegangen sind, ermöglichen einen flexibleren Einsatz der Richter, wenn zum Beispiel personelle Vakanzen auch auf dem Abordnungswege zwischen Hauptsitz und Zweigstelle ausgeglichen werden könnten. Im Übrigen, ich will das nicht alles wiederholen, haben wir dazu im Justizausschuss schon mehrfach diskutiert. Herr Minister Schliemann hat jedenfalls mehrfach dazu berichtet. Es hat zwar von der Opposition unterschiedliche Auffassungen zu einzelnen Standorten gegeben, nicht aber zum
Grundsatz, dass eine Straffung und Zusammenlegung von Standorten grundsätzlich möglich sein kann und auch erfolgen sollte.
Dass Sie sich, Kollege Höhn, auch nicht so ganz sicher waren bei der Erörterung Ihres Antrags, wo Sie uns vorgeworfen haben, wir hätten den verschleppt, was totaler Quatsch ist, das hat sich deutlich darin gezeigt, dass Sie ja sogar überlegt haben, ob Sie den Antrag zurückziehen, weil er inzwischen obsolet geworden ist, dann aber wahrscheinlich den höheren Segen einholen wollten, ob Sie das tun dürften, und das durften Sie nicht tun und deshalb hat er weiter Bestand gehabt.
Jedenfalls haben wir hier auch im Plenum schon zwei oder drei Mal darüber diskutiert. Insofern muss ich dann auch einmal sagen, nicht alles ist gerechtfertigt, was so in dieser Weise gesagt wurde dazu. In diesem Zusammenhang lehnen wir auch die Änderungsanträge der Linkspartei.PDS ab, die in den Drucksachen 4/1476 und 4/1477 vorliegen. Mit dem Vorschlag, den Amtsgerichtsbezirk Eisenach in der Zuständigkeit des Landgerichts Mühlhausen zu belassen, wird weder ein Angleich der Landgerichtsbezirke an die Planungsregionen erreicht noch die Einräumigkeit im Bereich der Landgerichtsbezirke hergestellt. Nach diesem Vorschlag fallen immer noch Teile des Wartburgkreises sowohl in die Zuständigkeit des Landgerichts Meiningen als auch in die Zuständigkeit des Landgerichts Mühlhausen. Der Änderungsvorschlag, der vorliegt, wird begründet mit dem Verlust an Gerichtseingesessenen im Landgerichtsbezirk Mühlhausen. Der Vorschlag führt zu einer unausgewogenen Verteilung der Gerichtseingesessenen, wenn man das einfach mal aufrechnet und sich gegenüberstellt. Während nach dem vorliegenden Gesetzentwurf die Einwohnerzahl des Landgerichtsbezirks Meiningen um ca. 92.500 über der vom Landgerichtsbezirk Mühlhausen liegt, ist nach dem Änderungsantrag die Einwohnerzahl im Landgerichtsbezirk Mühlhausen um ca. 115.000 Gerichtseingesessene höher als im Landgerichtsbezirk Meiningen. Um eine angemessene gleiche Größe der Landgerichtsbezirke Meiningen und Mühlhausen zu erzielen, kann dabei aber nicht nur auf die reinen Einwohnerzahlen abgestellt werden, das wäre etwas zu einfach. Sie verkennen dabei vollkommen, dass das Landgericht Mühlhausen in Wirtschaftsstrafverfahren eine thüringenweite Sonderzuständigkeit hat, die zurzeit allein drei Wirtschaftsstrafkammern umfasst. Zum Ausgleich dieser Sonderzuständigkeit ist auch eine geringere Zahl der Gerichtseingesessenen
gerechtfertigt.
Rechnen Sie es einfach mal nach der Begründung, die Ihnen ja im Gesetz auch vorliegt, nach.
Damit werden im Ergebnis annähernd gleich große Landgerichte in Meiningen und Mühlhausen erreicht. Dagegen würde der Änderungsantrag das Landgericht Meiningen auf eine Größe schrumpfen lassen, in der das nicht mehr möglich wäre. Der darüber hinaus aufgeführte Grund, mit dem Gesetzentwurf sei die Auflösung des Landgerichts Mühlhausen langfristig beabsichtigt,
ist absolut absurd, denn wir haben ja gerade gehört, dass für 20 Jahre ein Mietvertrag abgeschlossen wurde mit dem Landkreis Unstrut-Hainich zur Unterbringung des Landgerichts Mühlhausen. Ich denke mal, das ist reine Polemik, das in dieser Weise so anzubringen.
Zu guter Letzt noch etwas zu der Frage Prozesskostenhilfe: Das ist ja auch ein wiederkehrendes Thema. Auch das haben wir schon in epischer Breite im Justizausschuss diskutiert und Fragen sind von Minister Schliemann, soweit ich mich erinnere, dort auch beantwortet worden. Die Haushaltsansätze für Entschädigungen der im Wege von Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwälte sind in dem Entwurf des Haushaltsplans für die Jahre 2006/2007, insbesondere vor dem Hintergrund der bisherigen Aufgabenentwicklung, der Geschäftsentwicklung und den voraussichtlichen Aufgabensteigerungen im Gefolge des zwischenzeitlich in Kraft getretenen Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes, festgelegt worden und aus unserer Sicht auch ausreichend veranschlagt.
Sie haben vorhin, ich glaube, Herr Kollege Blechschmidt war es, die LHO angesprochen. Sollten die veranschlagten Mittel aus derzeit nicht vorhersehbaren Gründen dennoch nicht auskömmlich sein, hält zum Beispiel das Notbewilligungsrecht des für Finanzen zuständigen Ministeriums nach § 37 LHO, um es zu zitieren, wie es im Gesetz steht, ein ausreichendes Instrumentarium bereit, um die notwendigen Pflichtaufgaben des Landes auch leisten zu können. Natürlich müssen entsprechende Anträge - und das ist die Aufgabe des zuständigen Fachressorts - auch rechtzeitig gestellt werden, so dass es zu keinen Verzögerungen bei der Auszahlung der Entschädigungen an die Rechtsanwälte oder nur im
Ausnahmefall kommen kann.
Missdeutungen sind wohl deshalb entstanden, weil ursprünglich die Prozesskostenhilfe in einem Sammeltitel veranschlagt war und das Ganze in drei Einzeltitel inzwischen aufgeteilt wurde. Die Addition der Einzeltitel zeigt aber sehr, sehr deutlich, dass insgesamt mehr Mittel zur Verfügung stehen, leider mehr Mittel, muss man sagen, weil sie mehr nachgefragt werden und zeigt also, dass auch dieser Antrag der Grundlage entbehrt. Ich möchte mir das sparen, jetzt zahlenmäßig das noch nachzuweisen, wie Sie das zusammenrechnen. Das strapaziert, glaube ich, nur unser Zeitbudget.
(Beifall bei der SPD)
Ich würde einfach bitten, dass Sie das noch mal im Haushaltsplan nachlesen, und kann nur sagen, von einer geplanten Einsparung der Landesregierung bei der Prozesskostenhilfe kann unseres Erachtens keinesfalls die Rede sein. Insofern ist auch dieser Antrag eher an den Haaren herbeigezogen. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, durch Beschluss des Landtags am 15. September 2004 ist der Gesetzentwurf der Landesregierung, der Ihnen in der Drucksache 4/1188 vorliegt und das Zweite Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes beinhaltet, an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zur Beratung überwiesen worden.