Bernhard Vogel
Appearances
3/8
3/9
3/10
3/13
3/14
3/16
3/17
3/23
3/27
3/30
3/33
3/35
3/38
3/39
3/42
3/43
3/44
3/45
3/47
3/48
3/50
3/51
3/58
3/59
3/60
3/61
3/63
3/66
3/67
3/68
3/69
3/73
3/74
3/75
3/76
3/79
3/81
3/82
3/83
3/86
Last Statements
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sorge tragen für Thüringen. Am 5. Februar 1992, um die Mittagszeit, gab der damalige Landtagspräsident Dr. Gottfried Müller das Ergebnis der Wahl zum Ministerpräsidenten bekannt: Schuchardt - 27 Stimmen, Vogel - 50 Stimmen. Auf dem kurzen Weg durch den Mittelgang, den es damals hier noch gab, von der hintersten Stuhlreihe wurde mir binnen Sekunden schlagartig bewusst, was mir da bevorstand. Fast wäre ich wieder umgekehrt. Ich bin das nicht, sondern bin, hier nach der Vereidigung, zu einer ganz kurzen Erklärung an das Pult getreten und habe gesagt, ich weiß, dass mir eine große Verantwortung auferlegt ist, diese Verantwortung ist kein Anspruch, sondern diese Verantwortung wird ein Dienst sein. Heute - auf den Tag genau elf Jahre und vier Monate später - verlasse ich diesen Platz. Ich werde am Ende dieses Redebeitrags Frau Landtagspräsidentin mein Rücktrittsschreiben überreichen und mein Amt als Ministerpräsident in die Hand des Landtags zurückgeben. Mein Platz wird bis zum Ende der Legislaturperiode in den Reihen meiner Fraktion sein. Nach Artikel 75 Abs. 2 unserer Landesverfassung endet mit meinem Rücktritt auch die Amtszeit aller Kabinettsmitglieder. Ich habe deswegen den Damen und Herren vorhin ihre Urkunde ausgehändigt und sie gebeten, die Geschäfte bis zum Amtsantritt der Nachfolger fortzuführen.
Meine Damen und Herren, ich möchte heute, wie angekündigt, eine knappe Bilanz ziehen und sagen, wie ich mir die Zukunft unseres Landes vorstelle. Das wird kurz und in wenigen Stichworten und anhand von Beispielen geschehen. Meine Arbeit zu beurteilen, steht mir nicht zu, das bleibt anderen vorbehalten. Ich habe versucht, dem Eid gerecht zu werden, den ich im Februar 1992 und dann erneut 1994 und 1999 geschworen habe. Ich bin gekommen, weil ich gerufen wurde, ich wollte helfen; ich habe versucht, nach Kräften diesem Land zu dienen und meine Pflicht zu tun. Wo mir das gelungen ist, bin ich dankbar, wo mir der Mut oder die Kraft oder die Einsicht fehlten, bitte ich um Entschuldigung. Ich war nie der Meinung, dass ich es besser wüsste. Ich wollte auf die Menschen zugehen und mithelfen, das Vertrauen in die eigene Kraft wieder herzustellen. 52 Kreisbereisungen, Hunderte von Betriebsbesuchen, 600 Kilometer Fußweg durch das Land sollten unter anderem dazu beitragen.
Wenn wir heute in einem anderen Thüringen leben als vor 13 Jahren, als das Land wieder entstand, dann ist das zuallererst das Verdienst der Bürgerinnen und Bürger des Freistaats Thüringen.
Sie haben mit ungeheurem Mut und großem Fleiß Hand angelegt. Sie haben die Chance der wiedergewonnenen Freiheit genutzt und sich durch alle Widrigkeiten nicht entmutigen lassen. Sie haben viel erreicht, aber sie wol
len auch, dass wir in Zukunft erreichen, was noch nicht erreicht ist. Sie haben seit der friedlichen Revolution Großartiges geleistet und es verdient, dass wir heute keinen Vergleich zu scheuen brauchen und in vielen Bereichen besser dastehen als andere. Nirgendwo in den jungen Ländern gibt es mehr ehrenamtlich engagierte Mitbürger als bei uns in Thüringen. Und es ist erfreulicherweise selbstverständlich geworden, über das eigene Land hinauszublicken. Das Land, die Kommunen, die Schulen und Hochschulen, die Kirchen, viele Vereine und Verbände unterhalten internationale Kontakte und Freundschaften und pflegen den gegenseitigen Austausch. Ich grüße alle Partnerregionen, von Kleinpolen bis Kambodscha, der Kontakt zu ihnen war mir ein Herzensanliegen und ich bitte Sie und ich bitte die neue Regierung, auf diesem Weg fortzufahren.
Es gab schwere Stunden, die bestanden werden mussten: Bischofferode 1993, der Anschlag auf die Erfurter Synagoge am Gründonnerstag 2000 und vor allem der 26. April 2002 - das Blutbad am Gutenberg-Gymnasium hier in Erfurt. Ja, es gab schwere Stunden, aber es gab auch unleugbare Erfolge: Die Verabschiedung der Landesverfassung und ihre Bestätigung durch die große Mehrheit der Bevölkerung, die kommunale Gebietsreform, zügig und effektiv oder die Entwicklung Jenas zu der Region in Deutschland, deren technologische Leistungsfähigkeit die größten Fortschritte macht.
Unternehmen von Weltruf haben sich in Thüringen angesiedelt, General Motors, Fujitsu-Siemens, DaimlerCrysler, um drei Beispiele zu nennen. Wir können mit Fug und Recht sagen, Thüringen ist wieder ein Automobilland geworden.
Der Ausbau der Verkehrswege, rund 220 Autobahnkilometer sind neu gebaut oder ausgebaut worden. Etwa die Hälfte der Landstraßen und 80 Prozent der Bundesstraßen sind saniert. Wo beim Fernstraßenbau noch Lücken zu schließen sind, steht die Vollendung kurz bevor oder der Baubeginn ist absehbar.
Der Bau des größten Wasserkraftwerks in Deutschland bei Goldisthal ist gelungen. Im Wismutgebiet sind buchstäblich Berge versetzt worden und die Qualität von Luft und Wasser ist eine völlig andere. Im Februar 1992 konnte man vom Hochhaus hier nebenan noch nicht auf die Stadt schauen. Jetzt ist der Blick wieder klar.
Der Nationalpark Hainich, die Wiedergründung der Universität Erfurt, die Gründung der Fachhochschule Nordhausen und der Berufsakademie, die Errichtung von drei Max-Planck-Instituten, die Ansiedlung des Bundesarbeitsgerichts und der Bundesanstalt für Wasserbau, der Kinderkanal in Erfurt, die Neukonzeption der Gedenkstätte Buchenwald, die Stiftung Ettersberg, unser Engagement für die Zwangsausgesiedelten und für die Rehabilitierung von SED-Opfern, die Kulturstadt Weimar 1999, der Neubau des Goethe-Museums, die Sanierung und Erwei
terung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, die Renovierung des neuen Museums, der Thüringentag, die überdurchschnittliche und überdurchschnittlich erfolgreiche Förderung des Breiten- und Spitzensports, der Bürgerbeauftragte, vor ein paar Monaten die Errichtung der Stabsstelle Verwaltungsvereinfachung, das Landeserziehungsgeld, das sind nur ein paar Beispiele, warum ich sage, es gab unleugbare Erfolge.
Am schwierigsten war der Umbau der Wirtschaft. Er verlief in der Tat nicht ohne Schmerzen und Rückschläge. Aber auch hier ist Thüringen zu neuem Leben erwacht und ein modernes Land geworden. Nicht mehr volkseigene, überdimensionierte und uneffektive Kombinate prägen die Wirtschaftslandschaft, sondern eine vielfältige, mittelständisch strukturierte Unternehmensstruktur und das Handwerk. 1990 war die Ausgangslage für uns in den neuen Ländern für alle gleich. Heute haben wir uns in vielen Bereichen einen beachtlichen Vorsprung erarbeitet. Wir haben die niedrigste Arbeitslosenquote unter den jungen Ländern. Die verarbeitende Industrie weist im Gegensatz zum Bundestrend einen hohen Zuwachs aus. Wir können davon ausgehen, dass das produzierende Gewerbe weiter wächst. Unser Export entwickelt sich positiv. Die Zahl der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe wächst, während sie bundesweit leider zurückgeht. Das Interesse namhafter Investoren ist groß, größer als unsere finanziellen Möglichkeiten, alle Vorhaben zu fördern.
Die gute Nachricht, dass Brüssel unserem Förderkonzept für die Ansiedlung von Merck in Jena zustimmt und die gute Nachricht, dass für die Edscha-Gruppe, die bei Arnstadt ein Investitionsvolumen von 275 Mio. bis zu 1.100 Arbeitsplätze schaffen will, dass dafür die vertiefte Prüfung der Beihilfe eingeleitet worden ist. Diese guten Nachrichten kamen an dem Tag, an dem Minister Schuster mitgeteilt hat, so wie er mit mir gekommen ist, so werde er mit mir gehen. Das ist Zufall, aber es passt zum erfolgreichen Wirken dieses Wirtschaftsministers und dieses treuen Weggefährten.
Aber, meine Damen und Herren, die Strukturkrise der Bauwirtschaft, die sich noch einmal beschleunigt hat und der unvermeidbare Personalabbau im öffentlichen Sektor wirken sich insgesamt stärker aus als die Zuwächse in der Industrie und beeinflussen selbstverständlich die Gesamtbilanz. Wir mussten Personal abbauen. Dass unsere Personalausgaben trotzdem hoch sind, liegt daran, dass wir in Thüringen mehr Lehrer und mehr Polizisten als in anderen Ländern haben. Und ich frage, sollen wir Lehrer entlassen? Nein, meine Damen und Herren, ich verteidige es, dass wir eine Einstellungsquote für junge Lehrer haben und dafür sorgen, dass auch junge Lehrer im Lande tätig werden können.
Sollen wir Polizisten entlassen? Nein, ich halte es für richtig, mehr grün auf die Straßen zu bringen. Im Übrigen, meine Damen und Herren, darf man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Anders als in anderen Ländern stehen bei uns die Hortnerinnen im Sold des Landes und deswegen haben wir selbstverständlich mehr Personal auf der Zahlliste des Landes als Länder, die nicht die Trägerschaft für die Hortnerinnen beim Land haben.
Wir haben Schulden gemacht, hohe Schulden - nicht die höchsten, die sind in Sachsen-Anhalt und in Brandenburg gemacht worden. Bei der Schuldenlast liegen wir insgesamt in Deutschland auf Platz 9 und, meine Damen und Herren, ich bekenne mich zu unseren Schulden, weil sie eine der Voraussetzungen dafür waren, dass unsere Arbeitslosigkeit niedriger ist als die in allen jungen Ländern. Ich bekenne mich dazu, weil sie eine der Voraussetzungen dafür waren, dass wir eine Forschungslandschaft in Thüringen entwickelt haben und auch eine Voraussetzung dafür, dass wir den Thüringer Weg einer betont familienfreundlichen Politik gegangen sind.
Als die Luft eisenhaltig wurde, als die Konsequenzen aus den katastrophalen Einnahmeausfällen zu ziehen waren, haben wir Kurs gehalten. Wir sparen und gestalten und die Prioritäten gelten weiter: Jugend, Kernbereich von Wissenschaft und Forschung, Kommunen, innere Sicherheit, Theaterlandschaft. Ja, am Anfang war das Telefonieren schwieriger als das Regieren. Heute ist das Finanzieren schwieriger als das Bilanzieren, meine Damen und Herren.
Natürlich danke ich am heutigen Tag den Wählerinnen und Wählern auch dafür, dass sie mir im wachsenden Maße Vertrauen geschenkt haben. Und ich danke dem Landtag. Die parlamentarische Demokratie hat sich bewährt. Aus allen Wahlen sind stabile Mehrheiten und stabile Regierungen hervorgegangen und die demokratischen Parteien haben die Fähigkeit zur Zusammenarbeit immer wieder unter Beweis gestellt. Koalitionen waren nicht immer geliebt, aber sie haben dennoch erfolgreich gearbeitet.
Deswegen danke ich allen Kolleginnen und Kollegen im Landtag dieser und der vorausgegangenen Legislaturperioden und ich bekunde der Opposition gegenüber Respekt. Auch wenn mir die Wähler diese Rolle weder in Rheinland-Pfalz noch in Thüringen je übertragen haben, ich weiß, Opposition hat es nicht leicht. Ich habe immer versucht, die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass der andere auch Recht haben könnte, meine Damen und Herren.
Ganz besonders danke ich den Kolleginnen und Kollegen, die meine Regierung getragen haben. Das ist ja auch keine leichte Aufgabe, wenn man zum Beispiel einen Haushalt
verabschieden muss, der einem überhaupt nicht schmeckt und der in der Tat eine Zumutung darstellt. Deswegen danke ich für die 1. Legislaturperiode der CDU- und FDPFraktion, den Fraktionsvorsitzenden Schwäblein und Kniepert und den Mitgliedern des damaligen Kabinetts, insbesondere meinem ersten Stellvertreter, Herrn Kollegen Fickel.
Ich danke für die 2. Legislaturperiode den Fraktionen von CDU und SPD, Herrn Schwäblein für die erste Zeit und insbesondere Herrn Köckert und Herrn Lippmann und den Mitgliedern meines damaligen Kabinetts, insbesondere meinem damaligen Stellvertreter, Herrn Kollegen Schuchardt.
Und ich danke in der 3. Legislaturperiode der CDU-Fraktion und dem Vorsitzenden Dieter Althaus und in der Regierung meinem Stellvertreter Andreas Trautvetter. Auch absolute Mehrheit will gelernt sein; ich hoffe, wir haben sie inzwischen gelernt. Die Leistung des Kabinetts, das ich bis gestern geleitet habe, steht für mich außer Frage. Zeigen Sie mir ein deutsches Kabinett, das über lange Jahre besser und erfolgreicher zusammengearbeitet hat und mehr erreicht hat. Ich bedanke mich bei jedem Einzelnen für gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit, zum Teil über mehr als 11 Jahre. Meine besonderen Wünsche gelten den Kollegen, die dem neuen Kabinett nicht angehören werden.
Insgesamt, meine Damen und Herren, danke ich den 24 Mitgliedern meiner drei Kabinette, die alle ihr Bestes zu geben bereit waren.
Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Landesregierung und den nachgeordneten Behörden. Ja, ich weiß, es ist üblich und auch nicht immer unberechtigt, an der Verwaltung und an der Bürokratie Kritik zu üben und so zu tun, als befände sich die Mehrheit in den Spitzenämtern der B-Besoldung. Aber wer mit ihnen über ein Jahrzehnt zusammengearbeitet hat, weiß, dass es berechtigt ist, sich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich zu bedanken, insbesondere bei denen in der Staatskanzlei, die es nicht immer leicht mit mir hatten. Ich habe viel verlangt, aber weil sie diesem Land dienen wollten, haben sie Großartiges geleistet. Dass manche mich gern ziehen sehen, um endlich einmal ausschlafen zu können, wie ich in einer Zeitung gelesen habe, stimmt nicht. Herzlichen Dank meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern!
Meine Damen und Herren, ich gehe jetzt, weil ich der Überzeugung bin, jetzt können meine Freunde es selbst. Es ist eine Mannschaft herangewachsen, die es selber kann, und vier Fünftel der Wahlperiode sind vorüber. Die Zusage, die wir, und insbesondere ich, in der ersten Regie
rungserklärung dieser 3. Legislaturperiode gegeben haben, ist nahezu vollständig eingelöst. Ich verweise unter anderem auf die Zwischenbilanz, die ich im März 2002 vorgelegt habe. Aber damit ist die Arbeit nicht getan, bei Gott nicht. Es bleiben große Aufgaben; noch längst nicht alle Schäden der deutschen Teilung und alle Folgen des sozialistischen Systems sind beseitigt. Thüringen ist wieder erstanden; es ist kein ostdeutsches Land mehr. Es hat zur eigenen Identität gefunden, auch wenn es noch nicht den ihm gebührenden Platz unter allen deutschen Ländern einnimmt. Und dass das geschieht, bleibt das Ziel. Unser Dank an Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz, die uns von der ersten Stunde an besonders beigestanden haben, bleibt lebendig, aber der Dank gilt allen alten Ländern, die, wenn auch nach harten Verhandlungen, die Solidarpakte I und II mitgetragen haben.
Da die Scheinwerfer so ausgerichtet sind, dass wir gesehen werden, aber wir die Tribüne nicht sehen können, weiß ich nicht, ob Herr Kollege Koch schon eingetroffen ist. Jedenfalls möchte ich ihm stellvertretend für alle Ministerpräsidenten, die uns geholfen haben, gerade, weil er heute anwesend ist, besonders herzlich danken.
Aus Nachbarn, unerreichbar im nichtsozialistischen Ausland, sind in den letzten 13 Jahren Freunde und Partner geworden - die Bayern, zumal die Franken, die Hessen, die Niedersachsen. Unsere Initiative Mitteldeutschland ist erfreulicherweise allenthalben auf gute Resonanz gestoßen. Zusammenlegen der Länder - nein. Thüringen bleibt Thüringen, meine Damen und Herren.
Aber, enge Zusammenarbeit nicht nur um Geld zu sparen, sondern auch um effektiver und attraktiver zu werden - ja, enge Zusammenarbeit zwischen den drei mitteldeutschen Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Meine Damen und Herren, was dem Land wirklich fehlt, sind Arbeitsplätze. 209.000 Arbeitslose im Mai dieses Jahres - 16,7 Prozent, das ist unerträglich und das darf nicht so bleiben. Vor allem darf es nicht noch schlimmer werden. Es fehlt auch in Thüringen nicht an Arbeit, aber weil die Lohnzusatzkosten zu hoch sind, ist sie zu teuer. Den Arbeitnehmern bleibt zu wenig und die Kosten für die Unternehmen sind zu hoch. Wir Deutsche sind nicht konkurrenzfähig in Europa und wir nehmen hin, dass immer mehr Schwarzarbeit geleistet wird - der beste Beleg dafür, es fehlt nicht an Arbeit. Dagegen muss jetzt endlich etwas geschehen, und zwar sofort. Wenn jetzt nichts ge
schieht, geschieht etwas, und zwar etwas Negatives, und darum muss etwas geschehen.
Die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Krise, die Krise der sozialen Sicherungssysteme, darf sich nicht zu einer umfassenden innenpolitischen Krise ausweiten. Deswegen muss die Stagnation überwunden werden und deswegen darf die Stagnation nicht zur Rezession oder gar zur Deflation führen. Ich selber orientiere mich am Leitbild der sozialen Marktwirtschaft: weniger Staat, mehr Eigenverantwortung.
Die Agenda 2010 kann ein Anfang werden, zumindest der Anfang vom Anfang. Durchgreifende Maßnahmen sind notwendig und Thüringen sollte bereit sein, an ihnen nach Kräften mitzuarbeiten. In den jungen Ländern allerdings muss mehr geschehen als in den alten. Ich hoffe, dass mein Sonderprogramm Ost nicht in Vergessenheit gerät, und zwar so lange nicht, bis es umgesetzt ist.
Die Rahmenbedingungen für Investitionen dürfen sich nicht verschlechtern. Was Herr Kommissar Barnier sich zum Ziel gesetzt hat, eine Strukturförderung nach 2006, die sehr nahe am jetzigen Fördervolumen liegt, muss bei den alten Ländern und beim Bund durchgesetzt werden und vor allem die europäischen Förderbedingungen dürfen sich nicht verschlechtern. Was wir aus eigener Kraft tun können, muss natürlich geschehen. Dazu gehört so viel Flexibilität wie möglich, im Tarifrecht und bei den Förderprogrammen. Dass unsere Erwerbstätigenquote über der Erwerbstätigenquote von Hamburg und Schleswig-Holstein liegt, ist ein gutes Zeichen. Dass unser Lohnniveau noch niedriger ist als anderswo ist ein zeitlich befristeter Wettbewerbsvorteil, den wir, so lange er noch besteht, ausnützen sollten. Aber auch der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur ist notwendig. Halten Sie bitte am Ausbau der ICE-Strecke und am Ausbau der Mitte-Deutschland-Verbindung fest,
die Mitte-Deutschland-Verbindung nicht zuletzt im Hinblick auf die BUGA 2007 in Gera.
Seit Monaten wird uns die Finanzierungsvereinbarung für den ICE versprochen, es gibt sie immer noch nicht. Wir müssen die Einlösung deswegen immer wieder fordern, die verbindlich gegebenen Versprechen anmahnen, jede Woche aufs Neue.
Wir müssen die Schwierigkeiten beim Thema Wasser/Abwasser in den Griff bekommen. Viele Zweckverbände arbeiten ordentlich, aber es gibt auch schwarze Schafe, die unvertretbar hohe Beiträge gefordert haben. Die Thüringer Wasser- und Abwasser GmbH ist gegründet, um dieses Ärgernis zu beseitigen. Sie soll sich der Problemfälle annehmen und wo nötig muss hart durchgegriffen werden.
Meine Damen und Herren, wir müssen Investitionen in Bildung und Forschung Priorität einräumen. Ausgaben für Bildung und Ausbildung sind Zukunftsinvestitionen. Was die Schule betrifft: Wir haben bei PISA gut abgeschnitten, aber ein guter Platz bei PISA reicht nicht, meine Damen und Herren. Unsere Hochschulen belegen bei allen Rankings Spitzenpositionen, wir haben die meisten Patentanmeldungen unter den jungen Ländern, aber das muss für die Zukunft so bleiben. Wir haben ein flächendeckendes Netz von Forschungs- und Kompetenzzentren, die Wissenschaft und Anwendung miteinander verzahnen und jungen Unternehmern den Start erleichtern. Hinzu kommen das Mediengründerzentrum in Erfurt, das Zentrum für intelligentes Bauen in Weimar, ein Anwendungszentrum für Kunststofftechnik in Ostthüringen, ein Zentrum für Mikro- und Nanotechnologie in Ilmenau und ein Kompetenzzentrum für Strom- und Flächenmanagement an der Fachhochschule Nordhausen. Für Erfurt und Weimar sind die konzeptionellen Vorabeiten so gut wie abgeschlossen.
Meine Damen und Herren, die Bevölkerung wird in Thüringen, wie im ganzen Bundesgebiet, in den nächsten Jahren stark abnehmen. Leider ist es aber in der Tat schwierig, in Deutschland eine wirkliche Debatte über die demographische Entwicklung und die Folgen dieser Entwicklung zu führen. Die Abwanderung ist dabei nur ein Teil unserer Sorgen und erfreulicherweise stehen inzwischen wachsende Zuwanderungsquoten aus den anderen deutschen Ländern zur Debatte. Entscheidend ist, meine Damen und Herren, dass jedes Jahr mehr Menschen sterben als geboren werden. Drei Viertel des Bevölkerungsrückgangs in Thüringen ist darauf zurückzuführen. Bis 2020 müssen wir die Entwicklung akzeptieren. Wir müssen akzeptieren, dass wir in diesem Jahr 2003 36.000 Schulabgänger haben, aber 2010 nur noch 15.000. An dieser Zahl ist nichts mehr zu ändern. Die Vorausberechnungen für 2050 dagegen bin ich nicht bereit zu akzeptieren. Ich glaube nicht, dass Thüringen 2050 nur noch 1,7 Mio. statt heute 2,4 Mio. Einwohner haben wird. Solche Vorhersagen haben in der Vergangenheit nie gestimmt und sie werden auch diesmal nicht stimmen.
Erfreulicherweise, meine Damen und Herren, erlaubt sich die Wirklichkeit, sich anders zu verhalten, als es statis
tisch über eine zu lange Zeit vorausberechnet wird, schon deswegen, weil man die Wirklichkeit beeinflussen kann, beispielsweise durch eine gute Familienpolitik. Eine gute Familienpolitik wird für 2050 andere Zahlen ausweisen, als die, die in der Fortschreibung heute angegeben werden.
Meine Damen und Herren, Thüringen braucht den Vergleich mit den alten Ländern nicht zu scheuen.
Eine große Mehrheit unserer Mitbürger stimmt dieser Aussage zu. Dass sich ein starkes Landesbewusstsein entwickelt hat, ist alltägliche Erfahrung, aber sie lässt sich auch durch Umfrageergebnisse belegen. 46 Prozent der Bevölkerung sehen sich zuerst als Thüringer, 28 Prozent zuerst als Deutsche und nur 15 Prozent als Ostdeutsche. Meine Damen und Herren, ein sehr gutes Ergebnis 13 Jahre nach der Wiedervereinigung.
Thüringen ist wieder selbstbewusst und weltoffen geworden. Die erste Regierungserklärung habe ich überschrieben "Thüringen - Deutschlands Mitte", meine 18. und letzte Regierungserklärung vor diesem Haus ergänze ich durch den Wunsch für die Zukunft "Thüringen - Deutschlands starke Mitte, eine zukunftsträchtige Region im geeinten Europa".
Seit Jahrhunderten hat Thüringen von seiner zentralen Lage profitiert. Menschen aus aller Welt haben sich hier niedergelassen und haben das Land geprägt und seit Jahrhunderten sind Menschen aus Thüringen in andere Länder gegangen und haben dort sichtbare Spuren hinterlassen. Thüringens Zukunft liegt in der Mitte eines Europas, das nicht mehr durch Erbfeindschaften geprägt ist. Die Erweiterung der Europäischen Union bringt sehr viel mehr Vor- als Nachteile. Von Polen, von dem ich hoffe, dass in wenigen Stunden eine Zustimmung zum Beitritt gegeben wird von den polnischen Wählern, vom Baltikum und von anderen mittel- und osteuropäischen Ländern gehen positive Signale für unsere Wirtschaft aus. Es wirkt sich als Vorteil aus, dass wir den wirtschaftlichen Strukturwandel dieser Länder nachvollziehen können und dass wir Hilfestellung leisten können, dass wir - mit einem Wort - eine natürliche Brückenfunktion haben.
Roman Herzog hat einmal gesagt: "Weimar sei Deutschland in nuce". Ich erlaube mir zu sagen, Thüringen ist Deutschland in nuce. Thüringen, das Land, in dem sich Kulturen begegnen und von dem immer wieder neue Impulse ausgehen, das Land der Kultur, nicht nur in seinen Zentren übrigens, sondern auch in den Regionen des Landes. Aber Thüringen steht auch für die Janusköpfigkeit unserer Geschichte, für die Brüche unserer Geschichte, darum ist Dialogbereitschaft gefragt. Niemand wird ja wohl den unmittelbaren Zusammenhang zwischen kultureller und wirtschaftlicher Entwicklung leugnen. Das
freiheitliche Selbstbewusstsein, das die Thüringerinnen und Thüringer aus der bitteren Lehre der Geschichte gewonnen haben, ist auch eine Voraussetzung für den weiteren wirtschaftlichen Aufbau. Ein Selbstbewusstsein, das den Menschen Zuversicht gibt, auch die noch vor uns liegenden Schwierigkeiten zu bewältigen. Die Liberalitas Thuringiae ist ein kostbares Gut, das es zu stärken und zu mehren gilt.
Meine Damen und Herren, ich gebe mich keiner Täuschung hin und wir sollten uns alle keiner Täuschung hingeben, die kommenden Jahre werden nicht einfacher sein. Sie werden allen Beteiligten viel abverlangen und sie werden nicht leichter werden als die Jahre, die hinter uns liegen. Aber ich bin aufgrund der Jahre, die hinter uns liegen, fest davon überzeugt, so wie wir die letzten Jahre gemeistert haben, werden die Thüringerinnen und Thüringer und werden Sie, meine Damen und Herren, auch die Zukunft meistern. "Alle große politische Aktion besteht in dem Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit. Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist," sagt Ferdinand Lassalle. Wo er Recht hat, hat er Recht.
Meine Damen und Herren, meinen Freunden möchte ich zurufen: Stellt euch den Realitäten, sagt den Bürgern die Wahrheit, nüchtern und ungeschminkt. Vor den Wahlen und nicht danach.
Parteien müssen den Mut haben, den Wählern etwas zuzumuten. Parteien müssen die Zukunft zu ihrer Sache machen und nicht nur die Gegenwart. Aber Zukunft ist nicht Besitzstandswahrung und Zukunft ist nicht Wohlstand auf Pump. Manchmal habe ich den Eindruck, wir hätten Gegenwartsparteien und wir bräuchten Zukunftsparteien. In einer gegenwartsorientierten Gesellschaft ist es freilich nicht einfach, die Zukunft zum Thema zu machen. Trotzdem rufe ich meinen Freunden zu: Versucht es, wagt es, redet nicht nur über die Gegenwart, sondern redet über die Zukunft. Frau Birthler, Marianne Birthler, hat auf dem ökumenischen Kirchentag gesagt: "Der Traum von der heilen Welt ist gefährlich. Zum Leben in Freiheit und Würde gehört, auf Wirklichkeit zu setzen statt auf Ideologie, und auf Emanzipation statt auf Erlösung." Wer Politiker für Heilsbringer hält, ist Schuld daran, dass Politiker nicht erreichen, was ihre Aufgabe ist. Aufgabe der Politik ist die Kunst des Möglichen und nicht das Versprechen des Unmöglichen, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, alles hat seine Zeit, so steht es schon im Alten Testament. Für jedes Geschehen gibt es eine bestimmte Zeit, Zeit zum Niederreißen und zum Aufbauen, Zeit zum Streiten und zum Frieden, Zeit zum Pflanzen und zum Ernten. Für mich ist der Zeitpunkt
gekommen, mich als Ministerpräsident zu verabschieden. Ich bin dankbar für mehr als elf Jahre. Als ich kam, konnte ich nur ahnen, worauf ich mich eingelassen habe. Heute weiß ich es und heute bin ich voller Zuversicht für die Zukunft. Meine Damen und Herren, ich bin stolz auf Thüringen.
Da sehen Sie, wie dynamisch meine Minister sind, sie sind vom Rednerpult kaum wegzuhalten.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mich nur gemeldet, um Ihnen, Frau Doht, noch mal zu sagen, ich weiß ja, dass Opposition schwierig ist, ich weiß, dass Opposition sehr schwierig ist, wir erleben das ja anderenorts auch in Deutschland, aber Sie müssen doch als erste Grundregel konsequent bleiben. Es ist doch ganz selbstverständlich, hätten wir erst im Kabinett entschieden und wären dann gekommen, dann hätte ich das Lamento über die Arroganz der Macht gehört. Wir haben vielmehr genau getan, was wir vor fast eineinhalb Jahren im Staatsanzeiger angekündigt haben, erst wird diskutiert und dann wird verabschiedet, weil das Kabinett nämlich nach dem Gesetz das letzte Wort hat. Deswegen wird das Kabinett das letzte Wort erst sprechen, wenn der Diskussionsbedarf gedeckt ist. Und jetzt noch etwas, verehrte Frau Doht, also wenn man Sie reden hört, dann hat man immer das Gefühl, hier im Lande Thüringen geschieht ein Wunder. Eine dusslige, handlungsunfähige Regierung bringt zu Wege, dass dieses Land die beste Position unter den neuen Ländern hat.
Es ist in der Tat bemerkenswert und ich würde Ihnen mal empfehlen, halten Sie doch mal endlich inne mit dem ständigen Schlechtreden eines Landes, das eine sehr gute Entwicklung nimmt.
Halten Sie doch mal endlich inne, den Leuten statt Mut zu machen, dass wir das Reststück auch noch schaffen, dauernd darzulegen, dass alles immer schlechter wird. Der erste Entwicklungsplan von 1993 ist zu einem vollen Erfolg geworden,
aber 10 Jahre später haben sich Rahmenbedingungen geändert, beispielsweise die Demographie, und 10 Jahre später haben sich Dinge geändert, beispielsweise die Tatsache, dass Deutschland Schlusslicht unter den europäischen Ländern ist, was wir beim Landesentwicklungsplan 1993 nicht vorhersehen konnten. Und jetzt haben wir den Mut, Bilanz zu ziehen und zu sagen, das und das ist erledigt, ist gut erledigt, ist schneller erledigt, das und das ist nicht erledigt und das werden wir anpacken, aber hören Sie doch ständig auf, dauernd das Land und die Leistung seiner Leute schlechtzureden.
Nein, ich möchte gerne erst meinen Gedanken zu Ende führen.
Im Übrigen hat ja zu Ihren ersten Sätzen Ihrer ganzen Rede Ihr Schluss auch gar nicht gepasst, Frau Doht, denn in den ersten Sätzen haben Sie so getan, als ob wir voreinander hindümpeln und dann haben Sie den wesentlichsten Punkten des Herrn Gnauck zugestimmt. Damit sind Sie genau auf der Linie des Kabinetts. Mit voller Unterstützung aller hat Herr Gnauck heute vorgetragen, was Meinung des Kabinetts in der Sache Landesentwicklungsplan ist. Danke schön.
Ich habe nie Schwierigkeiten, Fragen von Herrn Höhn zu beantworten.
Sehen Sie, dass ist Ihre Vorstellung von Demokratie. Ich diskutiere erst und entscheide dann. Sie entscheiden erst und verkünden dann Diskussion. Es bleibt genau bei dem Konzept, das Herr Gnauck vorgetragen hat. Im Mai wird der Entwurf vorgelegt, im Herbst gibt es die angekündigten Konferenzen und je nach den Ergebnissen der breiten Diskussion werden wir dann so wie vorgesehen weiter verfahren. Haben Sie mich verstanden?
Entschuldigung - haben Sie mich verstanden oder wollen Sie eine Zusatzfrage stellen?
Dann ist es gut, dann bin ich ja zufrieden. Wenn Sie mich verstanden haben, das Land, die Bevölkerung hat uns jedenfalls verstanden und darum: Top Thüringen!
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, am Morgen nach dem Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen im Irak, am 20. März, habe ich die Frau Präsidentin gebeten, heute eine Erklärung zur Sicherheitslage in Thüringen abgeben zu können. Ich habe am gleichen Tag auch die drei Fraktionen dieses hohen Hauses von dieser Absicht unterrichtet. Es ist nur zu verständlich, dass die Ereignisse im Irak bei vielen Menschen Ängste wecken, dass niemand in Deutschland Krieg will und dass viele sich für den Frieden engagieren. Mir geht es heute in erster Linie darum, Ihnen und durch Sie den Bürgerinnen und Bürgern in unserem eigenen Land zu versichern, dass sich die Landesregierung auf die leider eingetretene Situation mit allen ihr zur
Verfügung stehenden Mitteln vorbereitet hat. In Thüringen besteht kein Anlass zur Sorge. Es gibt keinerlei Hinweise auf eine akute und konkrete Gefährdung, zumal sich in unserem Lande keine offiziellen britischen oder amerikanischen Einrichtungen und Institutionen befinden. Gleichwohl ist Wachsamkeit auch bei uns im Freistaat geboten. Wir wissen seit dem 11. September, dass niemand vor Terroranschlägen sicher sein kann. Wachsamkeit vor Terroranschlägen ist angebracht, insbesondere Wachsamkeit vor Anschlägen gegen amerikanische und britische Unternehmen und gegen jüdische Einrichtungen, Wachsamkeit aber auch vor grausamen Einzeltätern, auch wenn nach unserer Erkenntnis bei uns im Freistaat nur rund 100 ausländische Mitbürger extremistischen Organisationen angehören. Wir wissen, dass die Zahl gewaltbereiter Islamisten in Deutschland insgesamt auf über 30.000 geschätzt wird; so der aktuelle Verfassungsschutzbericht des Bundes, der uns vorliegt. Wir wissen, dass die Terroristen, die die Anschläge in den USA verübt haben, ihre verabscheuungswürdigen Taten auch in Deutschland vorbereitet haben. Die Festnahme von sechs islamistischen Extremisten vor zwei Wochen in Berlin ist ein Beleg dafür, dass es weiterhin intakte Terrorzellen von islamistischen Gruppierungen gibt, die weltweit und damit auch in Deutschland Anschläge verüben könnten. Und wir müssen auch in Thüringen die Ankündigung des irakischen Diktators Saddam Hussein ernst nehmen, dass weltweite Terroristen für Vergeltungsakte bereitstünden.
Meine Damen und Herren, es gibt begründete Ängste, die man ernst nehmen muss, und es gibt unbegründete Ängste, die man abzubauen versuchen muss. Für die Thüringer Landesregierung steht die Sicherheit ihrer Bürgerinnen und Bürger an erster Stelle. Deshalb tun wir in enger Zusammenarbeit mit anderen Landesregierungen und der Bundesregierung alles, was in unserer Macht steht, um die Sicherheit der Menschen in unserem Lande zu gewährleisten. Der Innenminister hat die nötigen Maßnahmen ergriffen und die Sicherheitsvorkehrungen nach dem Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen deutlich verstärkt. Besonders gefährdete Gebäude - dazu gehört beispielsweise die Erfurter Synagoge, aber dazu gehören auch moslemische Moscheen und Gebetshäuser in unserem Lande - werden verstärkt überwacht. Das Thüringer Landeskriminalamt hat dem Verband für Sicherheit in der Wirtschaft und den Industrie- und Handelskammern in Erfurt, Gera und Suhl umfangreiche Materialien mit Sicherheitshinweisen für gefährdete Wirtschaftsunternehmen zugänglich gemacht. Weil bei Terroranschlägen eine schnelle und koordinierte Reaktion notwendig ist, haben wir bereits nach dem Anschlag vom 11. September einen interministeriellen Arbeitsstab für Notfallfragen eingerichtet, in dem das Innenministerium, das Wirtschaftsministerium, das Umweltministerium, das Gesundheitsministerium und die Staatskanzlei vertreten sind. Dieser Stab ist im Alarmfall sofort arbeitsfähig und hat die Aufgabe, in Krisensituationen die Thüringer Ministerien ständig zu unterrichten, Maßnahmen der Ministerien zu koordinieren und Empfehlungen für Entscheidungen des
Kabinetts und der Ministerien zu erarbeiten. Ebenfalls unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September hat das Landeskriminalamt eine Koordinierungsstelle Terrorismusbekämpfung eingerichtet, in der unter anderem Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft, des Landesamts für Verfassungsschutz und des Landesverwaltungsamts mitarbeiten. Alle Thüringer Schulen sind mit aktuellen Materialien zur Krisenbewältigung ausgestattet worden. Niemand von uns rechnet mit Schadensereignissen in Thüringen; wenn sie aber wider Erwarten eintreten sollten, sind wir gerüstet. Neben der Polizei sind die Feuerwehren ein wichtiges Rückgrat unserer Gefahrenabwehr und die mehr als 162 Mio. seit 1991 Ausstattung und Ausrüstung der Feuerwehr gefördert haben, erweisen sich einmal mehr als gut angelegtes Geld. Beinahe 50.000 hauptamtliche und ehrenamtliche Feuerwehrleute, rund 7.000 Helfer in den Hilfsdiensten wie dem THW, der DLRG und dem ASB, dem Roten Kreuz, der JohanniterUnfall-Hilfe, dem Malteser-Hilfsdienst u.a. stehen bei besonderen Gefahrensituationen bereit. Ihre Einsatzbereitschaft im Katastrophenfall haben die Thüringer Helfer während ihres Hochwassereinsatzes in Sachsen und Sachsen-Anhalt, aber auch beim Januar-Hochwasser hier bei uns eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Der Thüringer Sozialminister hat Maßnahmen getroffen, die die medizinische Versorgung der Bevölkerung im Katastrophenfall sichern. Dazu gehört die Aufstellung eines Thüringer Notfallbettenplans, der sicherstellt, dass in den Thüringer Krankenhäusern eine große Zahl von Patienten schnell und zusätzlich medizinisch versorgt werden könnte. Dazu gehört eine umfassende Übung der Krankenversorgung im Katastrophenfall, die vor wenigen Wochen in Erfurt erfolgreich durchgeführt worden ist. Damit im Krisenfall ausreichende Mengen an Medikamenten zur Verfügung stehen, wurden in Thüringer Krankenhäusern zusätzlich vier Notfalldepots für Arzneimittel und Medizinprodukte eingerichtet. Wir haben Vorbereitungen für den Fall eines Anschlags mit atomaren, biologischen oder chemischen Waffen getroffen. Von den 28 geplanten ABCErkundungsfahrzeugen, die uns der Bund zugesagt hat, sind inzwischen 27 bei den kommunalen Feuerwehren stationiert. Die notwendige Ausbildung der Fahrzeugbesatzungen wurde von der Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule kurzfristig realisiert und ein Konzept für die Organisation und Durchführung einer Pockenschutzimpfung aller Thüringerinnen und Thüringer für den Notfall ist erarbeitet worden.
Weil auch Anschläge, die die Lebensmittelsicherheit gefährden, nicht völlig auszuschließen sind, sind schnelle Untersuchungsmöglichkeiten unverzichtbar. Deshalb bereiten wir im Rahmen der Verwaltungskooperation der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine entsprechende Zusammenarbeit der zuständigen Behörden und Einrichtungen vor. Im Übrigen haben wir schon nach dem 11. September dafür gesorgt, dass das Landesamt
für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz sein Personal verstärken konnte. Leider ist die Zahl der Trittbrettfahrer seit Beginn der Auseinandersetzungen im Irak wieder angestiegen. Meine Damen und Herren, wer mit falschen Drohungen Angst und Unsicherheit schürt, der betreibt das Geschäft der Terroristen und ihrer Helfershelfer.
So bedauerlich diese Taten sind, so erfreulich ist es, dass sich ein deutliches Gefahrenbewusstsein bei den Bürgern unseres Landes gebildet hat. In jedem Fall konnten die Risiken für die Betroffenen und die Einsatzkräfte durch angemessenes Verhalten vermindert werden. Natürlich, meine Damen und Herren, ist die Polizei bei der Bekämpfung von Straftaten mit extremistischem und terroristischem Hintergrund besonders gefragt. Darum danke ich den Polizistinnen und Polizisten für ihr Engagement und für ihre Wachsamkeit.
Dass Thüringen im Vergleich der Kriminalstatistik als eines der sichersten Länder Deutschlands gilt, ist vor allem das Verdienst der Polizei.
Natürlich sind die Polizeikräfte auf Rahmenbedingungen angewiesen, die ihnen ein effektives Arbeiten ermöglichen. Weil die Prävention bei der Bekämpfung von Terroranschlägen entscheidende Bedeutung hat, haben wir in der Novelle des Polizeiaufgabengesetzes im Juni dieses Jahres auch Konsequenzen aus der terroristischen Bedrohung gezogen. Wir haben die Videoüberwachung an gefährdeten Objekten ermöglicht, wir haben das Gesetz in mehreren Regelungen um das Rechtsgut des Bestandes des Bundes oder eines Landes erweitert und wir haben die Möglichkeit zur Überwachung von Daten der Telekommunikationsanbieter verbessert. Wir haben bei den Bestimmungen zur Rasterfahndung die jüngsten Erfahrungen berücksichtigt, die wir nach der bundesweiten Fahndung nach den Tätern des 11. September gemacht haben. Es gehört zur Stärkung der inneren Sicherheit, dass niemand verunsichert werden darf.
Aber es gehört auch dazu, dass wir in der Lage sind, möglichen Notfällen entschieden zu begegnen. Mit unserem "Programm für mehr Sicherheit in Thüringen" - nach den Terroranschlägen in den USA beschlossen und inzwischen weitgehendst umgesetzt - haben wir die personelle und materielle Ausstattung der Thüringer Ermittlungsbehörden entscheidend verbessert. Dazu gehört die Inbetriebnahme des bundesweiten neuen Informationssystems der Polizei des Bundes und der Länder, die Anschaffung neuer Techniken für erkennungsdienstliche Behandlungen, die Aus
stattung der Polizei mit Befehlskraftwagen und weiteren notwendigen Fahrzeugen, die personelle Verstärkung der Polizei, die vor allem den Bereichen Staatsschutz, Mobiles Einsatzkommando, Finanzermittlung und Verbrechensbekämpfung zugute kommt. Wir haben darüber hinaus die personelle Ausstattung für Justizbehörden verbessert und die Steuerfahndung, die Fällen von Geldwäsche nachgehen soll, mit Fachleuten verstärkt. Wir haben die Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule ausgebaut und ihre technische Ausstattung verbessert. Die für den Brandund Katastrophenschutz zusätzlich vorgesehenen Stellen im Innenministerium sind weitgehend besetzt.
Wir versuchen so nach Kräften Voraussetzungen zu schaffen, um auf terroristische Gefahren vorbereitet zu sein. Aber wir sind uns auch bewusst, dass terroristische Angriffe, auch Naturkatastrophen und Unglücksfälle nur mit gesamtstaatlichen Maßnahmen bewältigt werden können. Ich begrüße es deshalb, dass wir auf der Ministerpräsidentenkonferenz in der vergangenen Woche beschlossen haben, die herkömmliche Unterteilung in Zivilschutz und Katastrophenschutz neu zu ordnen, denn es gibt Gefährdungen und Bedrohungen, die nur mit Hilfe der Bundeswehr bewältigt werden können. Die Bundeswehr muss in der Lage sein, Polizei und Bundesgrenzschutz in außergewöhnlichen Gefahrensituationen zu entlasten.
Die Vorbeugung vor terroristischen Anschlägen ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist die Verantwortung der Politik, Frieden und Freiheit zu sichern und alles daran zu setzen, dass es nicht zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommt.
Meine Damen und Herren, wir beklagen, dass dieser Krieg nicht verhindert worden ist. Wir haben diesen Krieg nicht gewollt; die Politik, die Diplomatie haben versagt. Dieser Krieg wäre vermeidbar gewesen. Wir beklagen, dass es keine gemeinsame Abwehrfront gegen den grausamen Diktator Saddam Hussein gegeben hat, und wir beklagen, dass Europa und dass die internationale Staatengemeinschaft nicht mit einer Stimme gesprochen hat und dass sie auch weiterhin
nicht fähig ist, mit einer Stimme zu sprechen. Wir beklagen, dass der Druck auf Saddam Hussein und sein verbrecherisches Regime nicht stärker und einmütiger gewesen ist.
Wir bedauern, dass die Vereinten Nationen als Instrument der Friedensgewinnung und Friedenssicherung geschwächt worden sind. Obwohl der Weltsicherheitsrat einstimmig die Gefahr festgestellt hat, die das irakische Regime für den Weltfrieden darstellt, haben wir uns nicht auf ein ge
meinsames Handeln verständigen können. Wir sehen vor allem mit Besorgnis, dass unsere Bündnissysteme geschwächt sind und wir uns darum Sorgen um die Zukunft unserer eigenen Sicherheit machen müssen. Wir sind jetzt in einer Situation, so Hans-Ulrich Klose, in der im Grunde alles bedroht ist, die deutsch-amerikanischen Beziehungen, die europäische Einheit, die NATO und die Vereinten Nationen. Das jüngste EU-Gipfeltreffen in Brüssel bot ein beklagenswertes Bild. Wir brauchen jetzt mehr Gemeinsamkeit - nicht weniger; wir brauchen jetzt mehr Europa - nicht weniger.
In diesem Punkt stimme ich mit dem Bundeskanzler überein, wenn er sagt, wir werden sowohl unsere Verantwortung als auch unsere mitgestaltende Rolle in einer multipolaren Weltordnung des Friedens und des Rechts nur dann umfassend wahrnehmen können, wenn wir das auf der Basis eines starken und geeinten Europas tun.
Meine Damen und Herren, für uns ist selbstverständlich, wir stehen auf der Seite der Freiheit und das bedeutet, wir dürfen die Eckpfeiler unserer eigenen Sicherheit nicht ins Wanken bringen.
Wir müssen alles vermeiden, was die Fundamente dieser Eckpfeiler, die NATO und die Europäische Union, gefährdet. Aus diesem Grund begrüße ich, wie übrigens auch die Bundesregierung, ausdrücklich die Entscheidung, die das Bundesverfassungsgericht in der vergangenen Woche zu der deutschen Beteiligung an AWACS-Überwachungsflügen getroffen hat. Jede andere Entscheidung hätte die Handlungsfähigkeit des NATO-Bündnisses weiter schwer geschädigt.
Wir bekennen uns zur gemeinsamen Wertegemeinschaft in Europa. Helmut Schmidt hat es vor ein paar Tagen in Berlin auf den Punkt gebracht, ich zitiere ihn: "Es wird richtig bleiben, was wir seit Adenauer, seit Brand, Schmidt und Kohl wissen: Wir Deutschen sind wegen unserer geopolitischen Lage in der Mitte und wegen unserer jüngsten Geschichte besonders gefährdet. Wir Deutschen brauchen deshalb die Europäische Union noch nötiger als die meisten unserer Nachbarn. Wir Deutschen bedürfen deshalb ganz besonders der Beharrlichkeit und des nicht ermüdenden Willens zum Kompromiss." Helmut Schmidt hat Recht.
Wir stehen ganz selbstverständlich zur deutsch-französischen Partnerschaft und wir stehen zur transatlantischen Partnerschaft. Sie ergänzen einander, sie bedingen einander, so wie sie es über 50 Jahre getan haben. Die Gemeinschaft der freien Staaten war und ist die Grundvoraussetzung für die erfolgreiche europäische Integration, und was wir nie vergessen sollten, sowohl für die
deutsche Wiedervereinigung als auch für die Erweiterung der Europäischen Union. Das garantiert Frieden, Freiheit und Sicherheit in Europa und insbesondere für Deutschland. Diese Balance muss wieder hergestellt werden. Jeder Versuch, diese Gefüge durch andere Konstruktionen, beispielsweise durch einen deutschen Sonderweg oder durch eine Achse Paris-Berlin-Moskau, zu ersetzen, ist zum Scheitern verurteilt.
Solche Versuche machen die Zukunft unseres Landes unsicher. Dass wir uns darüber hinaus auch gute Beziehungen zu Russland wünschen, steht für mich selbstverständlich außer Frage.
Meine Damen und Herren, die Menschen in unserem Land sind beunruhigt und viele von ihnen sind verunsichert. Ich verstehe das nur zu gut und ich danke deswegen beispielsweise den Kirchen, dass sie ihre Tore breit geöffnet haben, dass sie Trost und Hoffnung und Orientierung geben und zum Gebet aufrufen.
Ich danke den Bischöfen für wegweisende Worte. Nicht nur sie, auch der Papst hat sich unmissverständlich für den Frieden engagiert und Krieg nur als allerletztes Mittel gelten lassen. Vor allem junge Menschen fühlen sich beunruhigt und drücken in immer neuen Demonstrationen ihren Wunsch und ihre Sehnsucht nach Frieden aus. Ich finde das beeindruckend und ich glaube, das lässt niemanden von uns unberührt. Ich verhehle allerdings auch nicht, dass mir bei mancher Demonstration mancher antiamerikanische Ton nicht gefällt.
Unabhängig davon bereitet vielen von uns Sorge, dass sich Gruppierungen unter die Demonstranten mischen, die immer schon Ressentiments gegen die USA schüren wollten und sie jetzt mit nationalistischen Tönen vermischen. Für Übermorgen hat die rechtsextremistische NPD zu einer antiamerikanischen Demonstration aufgerufen. Meine Damen und Herren, dagegen muss man sich mit aller Entschiedenheit wenden.
Auch wenn der Bundesrat wie der Bundestag und die Bundesregierung mit dem Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht erfolgreich waren, entbindet uns das doch nicht von der Aufgabe, die NPD politisch mit allen Mitteln zu bekämpfen.
Das ist jetzt umso notwendiger, denn Charakter und Ziele dieser Partei haben sich in keiner Weise geändert.
Die NPD bleibt verfassungsfeindlich in ihren Zielen und ist eine Gefahr für die freiheitliche Demokratie.
Meine Damen und Herren, ich begrüße es sehr, dass der Kultusminister frühzeitig auf die besondere Verantwortung hingewiesen hat, die den Schulen aus den bewaffneten Auseinandersetzungen mit dem Irak erwächst. In der Tat reicht es nicht aus, auf berechtigte Ängste und Fragen der Schülerinnen und Schüler mit einfachen Erklärungsmustern und Schuldzuweisungen zu reagieren. Jeder weiß, die Krise hat vielfältige historische, politische und kulturelle Aspekte, auf die in altersgerechter Weise in den Schulen eingegangen werden muss.
Demonstrieren allein reicht nicht, es muss auch Wissen vermittelt werden, damit man urteilsfähig wird.
Die Hintergründe und Ursachen der aktuellen politischen Situation müssen nachvollziehbar werden und dazu gehört auch deutlich zu machen, warum Politik und Diplomatie in den letzten Wochen bei unseren osteuropäischen Nachbarn tiefe Besorgnis hervorgerufen haben. Viele junge Menschen, davon müssen wir ausgehen, wissen heute nicht, dass der Rapallovertrag von 1922 eine Hinwendung Deutschlands zur Sowjetunion bedeutete, dass er im Gegensatz zum Vertrag von Locarno stand und die Revision der polnischen Grenzen nicht ausschloss. Und viele wissen nicht, dass der Hitler-Stalin-Pakt von 1939 die Aufteilung Polens vorsah. Die Erinnerung an diese Ereignisse und die Ängste bei unseren polnischen Nachbarn wirken nach. Zur Herausbildung eines Bewusstseins für die historischen Hintergründe und zur Vermeidung geschichtslosen Denkens gehört auch der deutliche Hinweis auf die Gefahr, die droht, wenn einem menschenverachtenden Diktator nicht rechtzeitig entgegengetreten wird.
Ich wünschte, die Welt hätte 1938 gegen den Diktator Adolf Hitler mit einer Stimme gesprochen.
Meine Damen und Herren, natürlich haben wir mehr als andere ein vitales Interesse an der vollen Funktionsfähigkeit der Vereinten Nationen, nur ist das Angriffsverbot der UNCharta von vielen Staaten verletzt worden. Eine der letzten Vertragsverletzungen war der Krieg im Kosovo, an dem wir Deutsche uns unter flagranter Verletzung des Zwei-plus-Vier-Vertrags beteiligt haben. Das möge man bitte nicht vergessen. Natürlich ist die Diskussion erlaubt, ob der Angriff auf den Irak völkerrechtlich gedeckt ist oder
nicht, und natürlich wird diese Diskussion deswegen auch in nahezu allen Parteien geführt, aber ich frage mich, ob sie uns weiterbringt. Wer das Völkerrecht verletzt sieht, der sollte sich klar machen, was das in letzter Konsequenz bedeutet. Wir müssten die AWACS-Besatzungen abziehen, Überflugrechte verweigern, die Nutzung aller Großbritannien und den USA zur Verfügung stehenden Basen in Deutschland untersagen, mit der Folge, dass wir künftig auf den Schutz der NATO und des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses verzichten müssten.
Die Sicherheitslage Deutschlands, auch die Sicherheitslage unseres Landes, hängt langfristig davon ab, dass die Menschen die Gefahren und die Ursachen der Gefahren kennen, die uns drohen, dass sie die Sicherheitsinteressen unseres Landes kennen und dass sie bereit sind, die freiheitlich-demokratische Ordnung ihres Landes gegen Bedrohungen zu verteidigen. Die Sorgen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger aufzunehmen, sich intensiv mit der durch den Krieg entstandenen Lage zu befassen, das ist keine Aufgabe, die von der Politik allein bewältigt werden kann. Darum bitte ich alle Bildungseinrichtungen, die Schulen, die Hochschulen, die Landeszentrale für politische Bildung, die Bildungswerke, die politischen Stiftungen, sich ebenfalls dieses Themas anzunehmen, weil wir alle gemeinsam hier eine große Verantwortung tragen; eine Verantwortung, die natürlich in hohem Maße auch die Medien trifft. Zu keiner Zeit, meine Damen und Herren, ist eine ausgewogene, eine differenzierende und eine fundierte Berichterstattung wichtiger als in Krisenzeiten.
Wir erleben es jeden Tag und jede Nacht, in keiner Zeit ist die Macht der Bilder größer und die Gefahr einseitiger Informationen deutlicher, eine sorgfältige Auswahl des Fernseh- und Fotomaterials stärker geboten als jetzt. Viele Journalisten nehmen ihre Aufgaben mit hohem Ethos und mit großer Kraftanstrengung wahr. Ich appelliere an sie, ihr Engagement für eine angemessene Behandlung des Themas verantwortungsbewusst fortzusetzen. Ich appelliere an die Eltern, mit ihren Kinder über das Geschehen zu sprechen und ihre Ängste und Besorgnisse ernst zu nehmen.
Meine Damen und Herren, es ist nicht verwunderlich, dass die Menschen, die hier in diesem Haus und in ganz Deutschland politische Verantwortung tragen, zu vielen Aspekten des Irak-Kriegs unterschiedlicher Meinung sind. Es ist bei einer so existenziellen Frage ebenso wenig verwunderlich, dass auch innerhalb der Parteien verschiedene Ansichten existieren. Ich erinnere nur an die Äußerungen des saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller und an die Auffassung des SPD-Politikers und stellvertretenden Ausschussvorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses Hans-Ulrich Klose innerhalb der SPD. Unterschiedliche Meinungen müssen erlaubt sein, meine Damen und Herren, und sind erlaubt.
Ohne die Auseinandersetzung über den richtigen politischen Weg ist Demokratie nicht denkbar, aber es kommt darauf an, wie wir den Streit führen. Ich danke deswegen auch von diesem Pult dem Bundespräsidenten, dass er darauf hingewiesen hat, welchen Eindruck allzu scharfe und polemische Auseinandersetzungen in dieser Sache bei den Bürgerinnen und Bürgern hinterlassen können. Er sagt: "Wenn es um die Sicherheit unseres Landes und seiner Bürger geht, dann erwarten die Menschen von der Politik möglichst viel Gemeinsamkeit." Gerade jetzt ist es entscheidend, die Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung unter Beweis zu stellen. Das bedeutet auch, dass wir uns nicht in der Betroffenheit über diesen Krieg auseinander dividieren lassen. Niemand von uns hat den Krieg gewollt und gerade meine Generation, die den Krieg noch selbst erlebt hat, weiß aus eigener Erfahrung, was Krieg bedeutet: Blut und Tränen, Not und Verzweiflung, Tod und Elend. Wir sind, so denke ich, einig in der Hoffnung, dass die bewaffnete Auseinandersetzung im Irak so zügig wie möglich beendet wird und dass ihr nicht noch mehr Menschen zum Opfer fallen. Allen Hilfsorganisationen, die die irakische Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln, Medikamenten und Wasser versorgen, gilt unser Dank. Ich danke allen, die hier im Lande zu Spenden aufrufen, und natürlich erst recht denen, die diesen Aufrufen folgen. Es geht darum, sich auch bei uns rechtzeitig mit dem Irak nach dem Krieg zu beschäftigen. Saddam Hussein hat mit seinen Verbrechen Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie seit Jahren in seinem Lande brutal unterdrückt und es wird doch hoffentlich in Deutschland niemand hoffen, dass Herr Hussein siegreich aus diesem Krieg hervorgeht.
Die Notwendigkeit, Solidarität mit den Opfern zu zeigen und die Auseinandersetzung in einem angemessenen Ton zu führen, schließt auch ein, dass wir mit unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern islamischen Glaubens in einem engen Dialog bleiben; sie schließt ein, dass wir niemanden unter einen Generalverdacht stellen, und sie schließt ein, dass wir den 760 irakischen Asylbewerbern beistehen, die in Thüringen leben und die sich um ihre Angehörigen und die Zukunft ihres Heimatlandes Sorgen machen.
Meine Damen und Herren, harte Auseinandersetzung ist notwendig, denn die Standpunkte sind unterschiedlich und es muss gelingen, der Bevölkerung die unterschiedlichen Standpunkte klar zu machen, aber gemeinsame Verantwortung für unsere innere und äußere Sicherheit ist ebenfalls notwendig. Wilhelm von Humboldt hat einmal gesagt: "Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine Kräfte auszubilden noch die Frucht derselben zu genießen, denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit." Wir müssen darauf achten, dass wir nicht heute die Sicherheit unseres Landes im Bündnissystem gefährden, weil wir
die Bündnissysteme gefährden. Wir wollen das Ende des Kriegs, wir wollen Sicherheit und Freiheit für die Menschen im Irak, weil wir wissen, dass, wo es Terror gibt, niemals Frieden herrscht. Unsere erste Aufgabe aber bleibt es, die Sicherheit der Menschen in unserem eigenen Land zu schützen und sie vor Bedrohungen zu bewahren. Wir hoffen, in Thüringen dafür die notwendigen Voraussetzungen geschaffen zu haben. Dies Ihnen und über Sie der Bevölkerung des Landes deutlich zu machen, war die Absicht meiner Worte.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe vorhin ausdrücklich gesagt, wir sollen unterschiedliche Standpunkte deutlich machen und von diesem Recht möchte ich auch Gebrauch machen. Ich widerspreche den Ausführungen von Herrn Döring von diesem Pult. Herr Döring, so einfach kann man sich die Auseinandersetzung nicht machen.
Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, was ich zum Krieg gesagt habe. Wir beklagen, dass dieser Krieg nicht verhindert worden ist. Wir haben den Krieg nicht gewollt, die Politik hat versagt und die Diplomatie hat versagt. Dieser Krieg wäre vermeidbar gewesen. Ich wiederhole diese Sätze und bekenne mich dazu. Die Politik hat versagt in der ganzen
Welt, aber auch bei uns in Deutschland.
Dass dieser Krieg nicht verhindert worden ist, liegt auch daran, dass die deutsche Politik zum ersten Mal seit 50 Jahren sich jeder Mitwirkung an der Friedenssicherung versagt hat.
Natürlich ist jeder Krieg eine Niederlage der Politik. Natürlich hat Bischof Marx Recht. Es hätte andere Mittel gegeben, aber dann hätte sich beispielsweise die stärkste europäische Macht nicht seit dem ersten Tag jeder Bereitschaft zur Diskussion, wie ein Krieg verhindert werden könnte, entziehen dürfen, meine Damen und Herren.
Natürlich hat Frau Zimmer Recht, wenn sie sagt, die Stimmung, die Zeichen der Zeit stehen auf dem Willen der Menschen zum Frieden, aber den Frieden wird man nicht sichern, indem man zu feige ist, sich einem Terroristen zu stellen und einem Diktator zu stellen.
Wie Sie gesprochen haben, Herr Döring, so haben die Parlamentarier in der französischen Nationalversammlung 1938 gesprochen.
Genau so.
Ich habe mich nur zu Wort gemeldet, um wenigstens deutlich zu machen, dass es im Gegensatz zu 1938 in der französischen Nationalversammlung heute in deutschen Parlamenten Menschen gibt, die wissen, dass der Frieden nur gesichert werden kann, wenn man vor Diktatoren, die vor nichts zurückschrecken, auf der Hut ist, und zwar rechtzeitig.
Meine Damen und Herren, natürlich - da hat Herr Döring doch völlig Recht - ist Bush nicht Amerika. Aber, meine Damen und Herren, es ist auch richtig, dass nicht Herr Bush, sondern eine ebenso überwältigende Mehrheit
in Amerika anders denkt, wie sie hier anders denkt. Das liegt ein bisschen daran, dass wir es sehr verlernt haben, aufeinander zu hören. Für mich ist Krieg verbunden mit dem Erlebnis von Stalingrad und Dresden. Für die amerikanische Öffentlichkeit von heute ist dieser Krieg verbunden mit dem Terroranschlag vom 11. September. Ich frage Sie einmal: Was würde in Deutschland sein, wenn vier Lufthansa-Maschinen auf das Brandenburger Tor, auf den Deutschen Reichstag und auf die Banktürme in Frankfurt gestürzt wären? Es wäre uns angemessen, auf allen Seiten ein bisschen mehr aufeinander zu hören und nicht,
weil man sich nicht mit Herrn Hussein auseinander setzt, ersatzweise mit dem amerikanischen Präsidenten auseinander zu setzen.
Ich habe nicht die Absicht, die Handlungen des amerikanischen Präsidenten zu verteidigen. Ich habe nicht den geringsten Grund dafür. Aber ich habe die Absicht, es mir nicht so leicht zu machen. Wenn große Mächte mit überwältigender Zustimmung in beiden Häusern, was Amerika betrifft, und auch mit der Zustimmung beispielsweise des englischen Unterhauses gehandelt haben,
dann kann man es sich nicht so einfach machen und hier, unwidersprochen jedenfalls, kann man dann nicht ertragen, eine solche Rede zu hören, Herr Döring, wie Sie sie gerade gehalten haben. Ich mache mir Sorgen um das Ende dieses Kriegs und um die Schrecken im Irak, aber ich habe vorhin deutlich gemacht und möchte das noch einmal tun, mehr Sorge mache ich mir um die Sicherheit Deutschlands in den nächsten Jahrzehnten. Es ist eine Politik eingeleitet worden, die uns aus allen Bündnissystemen vertreibt. Es hat guten Grund, warum die Bundesregierung und der deutsche Bundeskanzler nicht von Völkerrechtsbruch sprechen. Ich bin hier nicht dafür da, den Bundeskanzler zu verteidigen, aber jeder in diesem Saal weiß, dass er sich auf das Glatteis des Streits um Völkerrecht nicht begeben hat, weil die Konsequenzen für Deutschland katastrophal wären.
Die Zeichen der Zeit stehen in der Tat auf Friedenssehnsucht, aber die Zeichen der Zeit stehen auch darauf, dass man den Frieden verteidigen muss.
Meine Damen und Herren,
ich habe dieses Zitat Ihrer Vorgängerpartei nicht zitiert und ich werde es auch nicht zitieren.
Ich erinnere auch nicht, Frau Zimmer, was Ihre Vorgänger in Sachen "Platz des Himmlischen Friedens" gesagt haben. Das weiß jeder hier im Saal, daran braucht man nicht zu erinnern.
Sie, Frau Zimmer, brauchen uns keine Lektion in Friedfertigkeit erteilen.
Meine Damen und Herren, aber ich will mich selbst an das, was ich vorhin gesagt habe, halten. Ich bin fundamental anderer Meinung als Sie, Herr Döring. Ich erlaube mir das eindeutig zu sagen. Dies gefährdet Frieden und sichert nicht Frieden, was hier gesagt worden ist.
Trotzdem bin ich nicht der Meinung, dass man es sich so leicht machen darf, eine Erklärung, die nicht die Hintergründe und die nicht die Ursachen benennt, zu fassen, nur damit man eine gemeinsame Erklärung gefasst hat. Ich bin dafür, dass man nicht übertüncht, was besser nicht übertüncht wird. Trotzdem bedanke ich mich dafür, dass wir in einem Parlament sind, wo widersprochen wird und unterschiedliche Meinungen gesagt werden können. Auch das ist eine Voraussetzung für Zukunftssicherung.
Verehrte Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren, Sofortbericht sofort oder Sofortbericht später, Anträge: Thomas Kretschmer hat das Entscheidende gesagt, das Thema, das wir hier besprechen, schreit danach, dass es in den Landtagen besprochen wird. Ich bin beiden Antragstellern dafür dankbar, dass sie den Antrag eingebracht haben. Wir haben weiß Gott in den letzten Tagen, gestern und heute, weltpolitische Themen behandelt. Jetzt wird es auch einmal Zeit, dass wir über das drängendste Problem reden, das gegenwärtig die Bevölkerung in Deutschland hat. Verehrte Kollegen von der PDS, ich mache Ihnen zum Vorwurf, dass Sie nichts dazu zu sagen haben. Da ist ja auch ein Antrag, den ich ablehne, noch eine Bereicherung gegenüber der Schweigsamkeit und der Stummheit, gegenüber den Problemen, die uns gegenwärtig beschäftigen.
Ja, Herr Kollege Lippmann, wir müssen eine ernsthafte Debatte führen und wir sollten ernst nehmen, was dabei gesagt wird, und Sie wissen, was Sie sagen, pflege ich immer ernst zu nehmen, übrigens auch deswegen, weil gelegentlich auch ein Schuss Ironie aus Ihren Augen blitzt. Was Sie beispielsweise zu den IHKs gesagt haben, war nicht ganz frei von einem Schuss Ironie, aber hat trotzdem Geist gehabt. Dass der Masterplan nicht dann erfüllt wird, wenn jedes Ministerium drei Vorschläge macht, da sind wir uns einig, und dass bei Herrn Clement das Problem nicht ist, dass er keine Vorschläge machte, sondern das Problem ist, dass nächste Woche ein neuer Vorschlag kommt und der von der letzten Woche wieder vergessen wird. Wir brauchen endlich Taten und nicht nur Vorschläge.
Ich habe gehört, von Ihnen und anderen, dass die Debatte im sachsen-anhaltinischen Landtag gut gewesen sei. Es freut mich immer, wenn aus der Nachbarschaft etwas Gutes kommt, nicht nur aus Niedersachsen, sondern auch aus Sachsen-Anhalt können gute Nachrichten kommen. Nur mit der Sache, Anmeldung zur Modellregion, da möchte ich zurückrufen: Eile mit Weile, lieber Freund. Denn, meine Damen und Herren, hier haben sich Leute für etwas angemeldet, ohne zu wissen, was überhaupt ausgeschrieben ist. Ich habe deswegen mit der Vorstellung, wenn man sich nicht sofort meldet, dann bekommt man das nicht, ein bisschen Schwierigkeiten. Ich komme gleich noch darauf zurück.
Herr Gerstenberger, beide folgen dem Zeitgeist, haben Sie gesagt. Also, das hat mich in der Tat aus meiner Erstarrung aufwachen lassen. Ich habe mich mühsam hier an das Pult geschleppt, um dazu etwas zu sagen.
Meine Damen und Herren, wir folgen dem Zeitgeist. Was muss eigentlich noch geschehen, um zu erkennen, dass es Zeit zum Handeln ist?
Außer Ihnen weiß ich eigentlich wenige in der Bundesrepublik, die nicht sagen, es müsse gehandelt werden.
Jetzt hat der Herr Bundeskanzler zum Datum des Handelns den 14. März erklärt und es ist eine gewisse PRMeisterleistung, was jetzt alles, damit wir nicht über anderes reden, vorher gesagt wird, das am 14. März gesagt wird. Ich möchte mich an diesen Spekulationen nicht beteiligen. Ich habe einen Wunsch, dass der Herr Bundeskanzler am 14. März das tut, was er seit dem 20. September hätte tun müssen, nämlich die Richtlinien der Politik be
stimmen.
Wenn das in der Regierungserklärung geschieht, dann will ich ausdrücklich auch vor dem Landtag sagen, dann ist unsere Hand zur Unterstützung ausgestreckt. Dann werden wir bereit sein mitzumachen, allerdings auch bereit sein mitzureden. Wir stehen nicht als fünftes Rad am Wagen zur Verfügung, wenn eines der vier anderen platt ist, sondern wir stehen zur Verfügung mitzuhelfen, dass wir aus der gegenwärtigen Misere herauskommen. Wenn dazu Vorschläge kommen am 14. März, dann werden wir darauf auch positiv eingehen und bereit sein, darüber zu sprechen. Wir werden es nicht blockieren, sondern wir werden dort, wo wir können, mitmachen und dort, wo wir müssen, widersprechen. Wir werden jede Steuererhöhung ablehnen, aber wir sind bereit, beispielsweise über die sozialen Sicherungssysteme gemeinsam zu vernünftigen Lösungen zu kommen.
Meine Damen und Herren, wo ist da etwas Substanzielles, hat Herr Gerstenberger gesagt. Über der Universität von Salamanca steht der Satz: "Was Gott nicht gegeben hat, kann Salamanca auch nicht geben."
Meine Damen und Herren, Sie müssten es eben lesen, wenn Sie etwas Substanzielles suchen. Ich will einmal einen substanziellen Bereich herausgreifen, der von Herrn Lippmann, der von Herrn Kollegen Schuster, der von Herrn Kretschmer, der von Herrn Kallenbach angesprochen worden ist - diese Diskussion um die Sonderwirtschaftsbereiche. Erst war tiefer Nebel, jetzt beginnt sich die Landschaft so langsam etwas zu lichten. Zunächst einmal, der Begriff "Sonderwirtschaftsbereiche" kommt aus dem kommunistischen China und scheint mir nicht gerade ein Importartikel für uns zu sein, was damit nämlich ursprünglich gemeint war, nämlich die Demokratie in kleinen Dosen in einem kleinen Teil eines Riesenreichs zuzulassen - also Vorsicht mit dem Begriff. Was wir brauchen, ist die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen Bundesgesetze in bestimmten Bereichen der Bundesrepublik nicht anwenden zu müssen. Was wir brauchen, ist die Chance, unter bestimmten Bedingungen, befristet für bestimmte Tatbestände, Dinge in Ländern anders regeln zu können, als sie insgesamt für den Bund geregelt sind, oder auch befristet nicht zu regeln. Daraus die Idee zu entwickeln, dass wir jetzt Sonderzonen haben, wo in Kleinschmalkalden gilt, was in Ilmenau nicht gilt, oder in Jena gilt, was in Weimar nicht gilt, und dann setzen wir eine große Behörde ein, die kontrolliert, was wo gelten darf, das ist doch Unsinn, meine Damen und Herren.
Das mit der Modellregion, glauben Sie denn, dass ein einziges Land der neuen Länder im Bundesrat zustimmt, dass eines der neuen Länder Modellregion und bevorzugt wird? Was würden Sie mir hier für Szenen machen, wenn ich auf eine so törichte Idee käme, dem, dass es in Mecklenburg-Vorpommern Erleichterungen gibt, aber bei uns nicht, auch noch zustimmen würde. Ohne unsere Zustimmung ist das ja nicht möglich. Der Ansatz von Sachsen in dem Gesetzentwurf, den sie erarbeitet haben, ist völlig richtig. Wir brauchen objektive Tatbestände, an denen man das Vorgehen messen kann. Objektive Tatbestände müssen wir haben, an denen man das messen kann. Wie beispielsweise in den Gesetzentwürfen dort vorgesehen, wenn die Arbeitslosigkeit in einem deutschen Land um 50 Prozent über dem Schnitt der Bundesrepublik liegt, dann treten bestimmte Erleichterungen in Kraft. Dann ist erreicht, dass das keine Ost-West-Geschichte wird. Sie haben ja die Arbeitslosigkeit von gestern gesehen. Die Schlusslichter des Westens nähern sich ja den Spitzenreitern des Ostens immer mehr an und wenn notwendig, dann gilt das genauso in Bremen, wie es bei uns gilt oder in Sachsen gelten kann. Oder man kann es, Herr Kretschmer hat das vorhin gesagt, auf das Bruttosozialprodukt beziehen. Aber man braucht doch objektivierbare Kriterien, man kann doch nicht sagen, weil die Sonne an der Ostsee besser scheint, machen wir es an der Ostsee in Mecklenburg-Vorpommern, aber nicht bei uns.
Der sächsische Antrag, Herr Schuster hat es gesagt, entspricht nicht in jedem Detail unserer Vorstellung, darum werden wir ihn unterstützen, aber haben ihn nicht mit unterschrieben. Sogar Herr Holter - meine Damen und Herren, ich berufe mich selten auf PDS-Minister, aber wenn was Vernünftiges gesagt wird, darf man sie auch mal erinnern
hat gesagt, die Initiative von Sachsen verdient grundsätzlich Unterstützung - der Arbeits- und Bauminister von Mecklenburg-Vorpommern. Wir brauchen objektive Maßstäbe, wenn bestimmte Beschränkungen und wenn bestimmte Sonderbestimmungen gelten sollen und das ist für uns ein Hoffnungsanker. Wobei auch die 21 Punkte des deutschen Handwerks ein interessantes Papier sind, da bin ich Ihrer Meinung, ernsthaft. Es verdient, sich damit zu befassen, Herr Lippmann, da haben Sie Recht, nur zielen sie alle mehr oder weniger auf die Bundespolitik und nicht auf die Landespolitik. Hier im Land brauchen wir das ja auch nicht, weil wir ja ein Bündnis mit den Handwerkskammern seit Jahren haben und sich dieses Bündnis außerordentlich bewährt.
Verwaltungsreform: Meine Damen und Herren, es ist vorhin schon angeklungen bei Herrn Kallenbach, wir haben nicht vor, zu irgendeinem Datum noch einmal das ganze Land auf den Kopf zu stellen, aber die Verwaltungsreform geht natürlich weiter. Der Tagesordnungspunkt "Katasterämter" ist ein Beispiel dafür, dass immer weitere Din
ge geklärt und entwickelt werden müssen. Wenn wir im Zusammenhang der Initiative "Mitte Deutschland" entsprechende Initiativen ergreifen werden, ist das auch ein Stück Verwaltungsreform. Verwaltungsreform ist nicht eine Angelegenheit, die man einmal macht und dann ist es abgehakt. Das kann man bei Gebietsreformen sagen, aber nicht bei der Verwaltungsreform. Sie haben Recht, Herr Lippmann, zu stark ist die Lobby, das haben wir ja gerade bei Katasterämtern wieder gemerkt, der Tagesordnungspunkt hieß "Unruhe im Katasterwesen",
die Lobby versucht so etwas immer wieder zu verhindern. Darum gestatten Sie mir mal zu der Lobby ein klares und eindeutiges Wort. Meine Damen und Herren, es gibt in Deutschland Interessenverbände, weil es Interessen gibt. Es ist gut, dass es Interessenverbände gibt und es ist gut, wenn die ihre Interessen tatsächlich nachdrücklich - ich würde ohne Gleichstellung sagen "mannhaft", aber ich kann auch sagen "frauhaft" - vertreten, beispielsweise die Interessen der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber, aber es ist unerträglich, wenn Interessen und allgemeines Wohl nicht auseinander gehalten werden.
Die Verbände haben für ihre Interessen einzustehen und die Parlamente und die Regierungen haben das allgemeine Wohl, das Gemeinwohl, im Auge zu haben. Es muss Schluss sein, dass man aus Angst vor eigenen Entscheidungen Kommissionen bildet, die dann Vorschläge machen, die entweder nicht umsetzbar sind oder - wie wir es jetzt bei der Hartz-Kommission erleben - wenn sie umgesetzt sind, nicht wirken, sondern die Kommission heißt Landtag, die Kommission heißt Bundestag, die Kommission heißt Landeskabinett, die Kommission heißt Bundeskabinett. Interessen sollen Interessenvertreter vertreten, aber wir haben das allgemeine Wohl aller zu vertreten und nicht nur der jeweils gebündelten Interessen.
Meine Damen und Herren, noch ein Wort zur Erstarrung. Wissen Sie, Herr Gerstenberger, wenn Sie ja was zur Diskussion, durch einen eigenen Antrag beispielsweise, beigetragen hätten, wäre das ja, auch wenn es mir nicht geschmeckt hätte, okay. Aber dass wir jetzt - weil diese Themen, wie es weitergeht mit der Wirtschaft, wie es weitergeht mit der Arbeitslosigkeit, wie es weitergeht mit der Deregulierung, wie wir wegkommen von dieser mickrigen Position in Europa, anstehen - darüber jede andere Entwicklung übersehen und gar nicht mehr darüber sprechen, das ist nicht richtig. Wir sind inzwischen zum interessantesten Investitionsstandort in Deutschland geworden. Wir haben im letzten Jahr nicht weniger als 16 große neue Investitionen nach Thüringen gezogen. Eine Bilanz, wie sie kein anderes deutsches Land - auch nicht im
Westen - aufweisen kann. Wir haben in der letzten Woche mit der Bereitschaft, nur noch den Standort Jena zu verfolgen, bei einer Weltfirma, bei der Firma Merck, einen Erfolg verbucht. Herr Schuster hat in diesen Tagen mit der Ansiedlung von Hutchinson hier in Erfurt einen Erfolg verbucht. Ich lege Wert darauf, dass die Bevölkerung sieht, dass wir in großen Schwierigkeiten stecken, dass wir aber gleichzeitig ein hochinteressanter Investitionsstandort in Europa geworden sind und dass man dafür dem Verantwortlichen, dem Kollegen Schuster, den Organisationen, die daran beteiligt waren und auch seinen Mitarbeitern einmal Dankeschön sagt.
Es ist ein Lichtblick in dieser Situation.
Meine Damen und Herren, das kann heute - ich hoffe das jedenfalls - nur der Auftakt einer notwendigen, umfassenden und breiten Diskussion sein, Deutschland, ich rede jetzt einmal nur über den Wirtschafts- und Arbeitsbereich, im Wirtschafts- und Arbeitsbereich zukunftsfähig zu machen. Hätten wir 1990 nicht alle Gesetze übernommen,
hätte es geheißen, die machen Unterschiede zwischen West und Ost. Heute wären wir froh, wir hätten nur jedes zweite Gesetz übernommen. Aber jetzt ist nicht die Zeit, wo wir allein daran denken, wie kriegen wir die Hälfte wieder los, sondern wie kriegt die Bundesrepublik die Hälfte wieder los. Sanierungsfall ist Deutschland, meine Damen und Herren, und nicht Nordthüringen
oder der Bezirk Erfurt.
Das ist in der Tat eine Aufgabe, das ist ja auch so gewollt, die nicht die einen gegen die anderen - jedenfalls die großen politischen Kräfte - durchsetzen können. Es soll sich niemand verrechnen; wenn uns das nicht gelingt, die notwendigen Reformen durchzuführen, dann hat davon keiner einen Erfolg
und dann hat davon keiner einen Nutzen. Darum lassen Sie uns über die guten Lösungen streiten und lassen Sie uns heute schon sagen, dieses Thema muss weiter auf der Tagesordnung auch des Landtags bleiben.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich melde mich zu Wort, weil ich glaube, wenn dieses Parlament über dieses Thema diskutiert, dann dürfte der Ministerpräsident dazu nicht schweigen. Ich lege allerdings Wert darauf, dass nach meiner Ansicht für diese Debatte keine Zuständigkeit im Thüringer Landtag gegeben ist. Ich glaube auch nicht, dass es zielführend ist, ständig von Entmischung der Zuständigkeiten zu sprechen und dann andererseits jede Verantwortlichkeit durcheinander zu mischen.
Dennoch, niemand soll über die Position des Kabinetts und über meine Position im Unklaren sein. Was Herr Trautvetter vorhin vorgetragen hat, hat er im Namen des Kabinetts vorgetragen und das, was ich jetzt sage, ergänzt dieses.
Ich möchte einige Bemerkungen machen: 1. Niemand will Krieg; jeder Krieg bringt Leid und Tod.
Meine Damen und Herren, durch Deutschland ist im letzten Jahrhundert viel Krieg und unsagbares Leid ausgegangen und die Deutschen haben durch Krieg im 20. Jahrhundert unsagbares Leid erlitten. Niemand will Krieg, in Thüringen nicht, in Deutschland nicht und, ich denke, weit darüber hinaus nicht. Darum schmerzt es mich, wenn einige für sich in Anspruch nehmen, nur sie wollten keinen Krieg - als ob die anderen ihn wollten. Meine Damen und Herren, das darf nicht sein. Eine solche Unterscheidung ist unangebracht und meiner Ansicht nach auch unzulässig. Wir sollten einander mehr achten.
Deswegen füge ich hinzu: Wenn man eine gemeinsame Erklärung will, darf man nicht zunächst Entwürfe einreichen und dann fragen, könnten wir nicht zusammenkommen.
Meine Damen und Herren, die Anträge sind für die heutige Sitzung gestellt worden und dann können Sie, Frau Kollegin Zimmer, Herrn Althaus nicht vorwerfen, dass er zwei Tage vor der Landtagswahl in zwei Ländern sich dazu äußert. Sie haben nicht darauf geachtet, an welchem Termin das stattfindet. Wenn Sie aber die Sache für so wichtig hielten, das heute zu debattieren, dann haben Sie nicht das Recht, anderen vorzuwerfen, dass sie sich heute zu diesem Thema auch äußern.
Herr Kollege Schemmel, es ist wiederholt zum Ausdruck gekommen, dass im Antrag Ihrer Fraktion manches enthalten ist, was fraktionsübergreifend Zustimmung findet, aber ein Antrag besteht nicht nur aus dem, was er enthält, sondern auch aus dem, was er weglässt. Sie müssen uns bitte das Recht einräumen zu kritisieren - ich komme noch darauf -, dass entscheidende Punkte in Ihrem Antrag fehlen und deswegen können wir nicht zustimmen, auch als Regierung nicht empfehlen zuzustimmen.
Im Übrigen schätze ich das Bemühen um Gemeinsamkeit, aber ich kritisiere, wenn man der Gemeinsamkeit die Profilierung opfert. Lieber, die Bevölkerung weiß, was wir denken, als ein Text zustande kommt, der niemandem etwas aussagt. Es ist besser, sich der Öffentlichkeit gegenüber klar auszudrücken, als um einen zu hohen Preis eine Gemeinsamkeit zu erzwingen.
Zweite Bemerkung, meine Damen und Herren: Saddam Hussein ist der Schuldige.
Das hat Herr Althaus gesagt, das hat Herr Gentzel, ich glaube, fast als ersten Satz gesagt, das möchte ich ausdrücklich noch einmal wiederholen. Er ist ein Diktator, er ist ein Verbrecher, er ist ein Massenmörder.
Saddam Hussein hat den Tod von 1 Million Menschen auf dem Gewissen. Saddam Hussein hat auf dem Gewissen, sein eigenes Volk gequält, gefoltert, systematisch und grausam gefoltert, verfolgt, vertrieben, getötet zu haben. Er hat Chemiewaffen eingesetzt und er hat auf Israel Raketen abgeschossen, meine Damen und Herren, das ist Faktum.
Ihm muss das Handwerk gelegt werden, das ist das Hauptthema der gesamten Diskussion.
Dritte Bemerkung, die ich machen möchte: Die Welt bietet ein diffuses Bild. Jeder redet, wie es ihm gerade passt. Das ist nicht der Weg, um einem Diktator das Handwerk zu legen, meine Damen und Herren, sondern genau das Falsche.
Was der amerikanische Außenminister vor einigen Tagen geäußert hat, war wenig hilfreich. Was der deutsche Bundeskanzler geäußert hat, war wenig hilfreich, weil er nach dem September 2001 zu viel versprochen hat und im September 2002 das Falsche gesagt hat.
Das wäre Konrad Adenauer, Willi Brand, Helmut Schmidt und Helmut Kohl nicht passiert, meine Damen und Herren.
Wir erwarten von der Bundesregierung nicht nur ein Nein, sondern weiter gehende Anstrengungen, mehr Einsatz, mehr Initiative. Deutschland droht doch nun offenkundig und für jeden nachvollziehbar die Isolation. Wenn Herr Schröder bei seiner Aussage bleibt, dann werden in der nächsten oder übernächsten Woche im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Deutschland und Syrien sich als Einzige nicht an der Lösung der Probleme beteiligen.
Meine Damen und Herren, allein dieser Satz zeigt doch, auf welchem gefährlichen Weg wir sind. Die EU, die Europäische Union, ist in dieser Frage gespalten. Acht Regierungschefs haben mit ihrem Aufruf von gestern eindeutig sich an die Seite der USA gestellt und Sie können sicher sein, Paris taktiert. Deutschland ist isoliert und, meine Damen und Herren, das ist die unglücklichste Position der deutschen Außenpolitik in den letzten 50 Jahren. Das muss
man aussprechen dürfen.
Vierte Bemerkung: Die Welt muss gegenüber einem Diktator, gegenüber einem Massenmörder mit einer Stimme sprechen. Ich wollte, die Welt hätte 1938 gegen den Diktator Adolf Hitler mit einer Stimme gesprochen, 1938, meine Damen und Herren. Ich bin dankbar dafür, dass die befreundeten Nationen Frankreich, England und Amerika beispielsweise in der Stunde der höchsten Bedrohung der Freiheit Westberlins mit einer Stimme gesprochen und den Frieden gesichert haben, weil sie auch vor der Drohung eines Krieges nicht zurückgeschreckt sind. Meine Damen und Herren, das sollten wir Deutsche bitte nicht so schnell vergessen, denn wir haben am meisten Gewinn davon.
Um mit einer Stimme zu sprechen, dafür verfügen wir über das notwendige Instrumentarium und das sind die Vereinten Nationen.
Da ich allerdings, Herr Gentzel, ein bisschen vorsichtiger mit der Gleichsetzung aller etwa 190 Mitglieder wäre; es war eine kluge Entscheidung der Vorkonferenz der Gründung der Vereinten Nationen von Dumbarton Oaks, den Weltsicherheitsrat zu schaffen, denn, Entschuldigung, die Stimme der Vereinigten Staaten hat ein anderes Gewicht für mich in der Vollversammlung der Vereinten Nationen als die Stimme Ugandas oder anderer nicht demokratischer Staaten der Welt. Es ist nicht richtig, hier jeden gleich zu zählen. Der Weltsicherheitsrat und das Vetorecht einiger Staaten, ob das noch die sind, die es heute mit Recht beanspruchen, lasse ich dahingestellt, aber die Einrichtung des Weltsicherheitsrats als einem besonderen Verantwortungsträger der Vereinten Nationen ist richtig und bewährt sich bis zum heutigen Tag.
Die Vereinten Nationen, der Weltsicherheitsrat - es darf nach meiner Überzeugung keinen Alleingang eines einzelnen Landes geben, auch nicht eines sehr mächtigen, aber es darf auch niemanden geben, der sich ausklinkt und abseits stellt, meine Damen und Herren. Vor allem darf er Alleingänge nicht kritisieren, der den Alleingang begonnen hat, indem er sich in die Ecke gestellt hat, und gesagt hat, ich mache nicht mehr mit.
Letztens: Ich hoffe, der Sicherheitsrat wird zu einer Übereinstimmung kommen, ich hoffe, er wird zur Übereinstimmung kommen, den Inspekteuren mehr Zeit einzuräumen, und ich hoffe, die vom amerikanischen Präsidenten angekündigten Beweise werden tatsächlich in den nächsten
Tagen vorgelegt werden. Wir wollen keinen Krieg, ich glaube, er ist zu verhindern; aber ich bin überzeugt, er ist nur zu verhindern, wenn die Welt sich einig ist und wenn die Verantwortlichen der Welt mit einer Stimme sprechen. Geschieht das nicht, dann ist die Sorge groß. Wir wollen keinen Krieg, er ist zu verhindern, wenn Hussein erfährt, dass die ganze Welt gegen ihn steht. Denn, meine Damen und Herren, die Frage ist in Wahrheit nicht Krieg, die Frage ist, wie geht man mit einem Diktator um. Die Frage ist letztlich: Sind wir im Beginn des 21. Jahrhundert, anders als im 20. Jahrhundert, in der Welt in der Lage, einen Diktator in die Schranken zu weisen, solange es noch möglich ist. Ich glaube, es tut für alle Zukunft gut, wenn die Welt erfährt, dass das möglich ist. Deswegen ist nicht die Flucht in die Unverantwortlichkeit, sondern die Wahrnehmung der Verantwortung jetzt die Aufgabe der zuständigen Staatsmänner der Welt. Wir wollen keinen Krieg und weil wir ihn nicht wollen, muss Herrn Hussein das Handwerk gelegt werden.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Frau Zimmer hat zu Recht gesagt, das Thema ist wichtig, darum möchte ich es auch so behandelt sehen, dass wir nicht in gegenseitigen Vorwürfen und Diffamierungen untergehen.
Aber auch, Frau Zimmer, wir haben uns nicht mit der Frage eines bevorstehenden Krieges zu befassen. Wir haben uns mit der Beseitigung eines Verbrechers zu befassen und damit, wie wir einen Krieg verhindern können, nicht mit der Vorbereitung eines Krieges.
Im Übrigen, wenn Demokratie nicht gelegentlich auch mit Gewalt eingeführt werden müsste, hätten wir in Deutschland keine Demokratie, sondern würde heute der Nationalsozialismus über ganz Europa herrschen.
Sagen Sie doch nicht einen solchen Unsinn. Entschuldigung.
Als Nächstes steht ein Diktator und ein Verbrecher, der Unglück über die Welt bringen will, auf der Tagesordnung. Die Weltordnung muss so geregelt werden und so gefügt sein, dass dies einem Diktator ein zu gefährliches Unterfangen ist. Das ist unsere Zielsetzung.
Dann lassen Sie mich in aller Ruhe hinzufügen: Ich wiederhole, die SED war eine verbrecherische Partei.
Gerade weil das so war, Herr Ramelow, widerspreche ich Ihrem Satz von der Fortsetzung mit anderen Mitteln. Das ist keine demokratische Bekämpfung einer demokratischen Partei, das ist Diffamierung und Verleumdung.
Münchener Abkommen, Herr Ramelow. Das war es ja, dass das kein Abkommen, sondern eine Kapitulation vor Hitler war, wie Sie genau wissen und worin sich nahezu alle Historiker der Welt einig sind. Natürlich wäre es besser gewesen, die Deutschen hätten mit einer einheitlichen Stimme gesprochen, aber Sie wissen doch, dass zum Charakteristikum einer Diktatur gehört, dass das Volk keine Stimme mehr hat. Das Volk konnte 1938 nicht mehr mit einheitlicher Stimme sprechen.
Wir können uns gern über 1933 unterhalten, Frau Abgeordnete, aber wir können uns nicht über 1938 unterhalten. Hier ist einem Diktator eine Kapitulationsurkunde überreicht worden im 20. Jahrhundert und das darf sich jetzt im 21. Jahrhundert nicht wiederholen.
Wissen Sie, Herr Ramelow, ein gewisses Gewicht sollte ernsthafte Argumentation doch noch haben. Ich kenne Herrn Todenhöfer nun wirklich sehr gut, ich habe mitgeholfen, dass er im Wahlkreis Kaiserslautern nominiert worden ist, dass er auf die Landesliste kam. Er hat vor - ich schätze etwa - 20 Jahren für eine Weile dem Deutschen Bundestag angehört und es ist sein gutes Recht jetzt ein
Buch zu schreiben, selbstverständlich, und er kann seine Thesen selbstverständlich vertreten. Aber wohin sind wir gekommen, wenn die Politik der CDU Deutschlands durch das Buch eines der Partei angehörenden Mitbürgers bestimmt wird. Das ist doch Unsinn. Sie wissen, was von den außenpolitischen Ansichten des Herrn Todenhöfer Herr Wehner gehalten hat. Das ist in jedem Buch über die damalige Zeit nachzulesen. Überlegen Sie sich doch bitte etwas durchschlagendere Argumente, wenn Sie mit Ihrer Argumentation ernst genommen werden wollen.
Schließlich wollen Sie eine einmütige Aussage, dass wir keinen Krieg wollen. Man kann ja über den Entschließungsantrag abschnittsweise abstimmen. Der Punkt 1 des Entschließungsantrags der Union lautet: "Der Thüringer Landtag teilt die tiefe Sorge der Thüringerinnen und Thüringer vor einem Krieg im Irak. Wir wollen keinen Krieg. Es muss alles getan werden, um einen Krieg zu vermeiden." Wenn Sie das auch wollen, dann können Sie diesem Satz ohne jede Schwierigkeit zustimmen.
Nur beschränken wir uns nicht auf diesen Satz, sondern wir sagen auch, wie wir glauben, dass Krieg vermieden werden kann, weil mit schönen Sprüchen die Verantwortlichkeit nicht wahrgenommen werden kann, um die es uns hier in diesem Haus geht.
Verehrte Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren Kollegen!
Ja, ich weiß, die Zeit ist weit fortgeschritten und wir sind heute alle erheblich in Anspruch genommen worden. Mancher Parlamentarierkritiker müsste seine Kritik ändern, wenn er die Belastung eines Tages wie heute tatsächlich miterleben würde. Aber, meine Damen und Herren, es geht heute um ein Thema und es geht heute um Fragen für dieses Land, die wichtiger sind als die Frage, wie viel Uhr es ist. Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, wir können vor dem, was durch diesen Haushalt entschieden wird, nicht verantworten zu sagen, die Landesregierung hat sich zum Schluss nicht mehr geäußert, nur weil es auf 10:00 Uhr zuging.
Wir stehen vor einer ungewöhnlich schwierigen Aufgabe. Wir stehen vor dem schwierigsten Gesetz, soweit ich sehe, das wir in dieser Legislaturperiode zu verabschieden haben. Ich habe nicht den Eindruck, als ob alle Beiträge dieses Tages diesem Umstand Rechnung getragen haben.
Meine Damen und Herren, von Taschenspielertricks war die Rede. Es war davon die Rede, dass die Öffentlichkeit bewusst irregeführt wird. Es war von ideologischer Kleinkariertheit die Rede. Die beiden Presseberichte über heute lauten: "SPD spricht von Haushalt der Täuschung", "PDS wirft Regierung Verschleierung der Finanzlage vor". Meine Damen und Herren, diese Überschriften und das, was dazu gesagt wird, wird dem tatsächlichen Zustand der Haushaltslage des Landes nicht gerecht.
Wir haben nicht die Absicht, irgendetwas zu verschleiern, und wer etwas Derartiges behauptet, der muss sich sagen lassen, dass er die letzten Monate nicht zugehört hat und nicht zur Kenntnis genommen hat, was die Landesregierung hier von diesem Pult und was die Landesregierung in den Beratungen im Haushaltsausschuss dargelegt hat. Von Verschleiern kann keine Rede sein.
Wer will, weiß, wie die Lage ist. Meine Damen und Herren, von Täuschung kann nicht die geringste Rede sein. Gerade das macht man uns ja zum Vorwurf, dass wir sagen, was ist, und dass wir darauf reagieren, was ist, und dass wir keine Luftschlösser in die Zukunft bauen, indem wir uns Einnahmen einreden, die nächstes Jahr mit absoluter Sicherheit nicht kommen werden, schon deswegen, Herr Höhn,
weil noch nie in der Finanzgeschichte beschlossene Steuern, selbst wenn sie beschlossen worden sind, in dem Jahr, wo sie beschlossen werden, bereits Erträgnisse abwerfen. Wer das nicht begriffen hat, der soll bitte erst einmal Nachhilfeunterricht nehmen, bevor er sich in dieser Weise äußert.
Nein, ich wehre mich gegen den Vorwurf, wir täuschten oder verschleierten. Im Gegensatz zu anderen in dieser Republik halten wir klaren Kurs, meine Damen und Herren. Herr Stolpe hat dieser Tage gesagt, ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: "Die Genossen müssen aus der Phase des Sprücheklopfens raus in die Phase des konkreten Handelns." Recht hat Herr Stolpe, meine Damen und Herren.