Protocol of the Session on October 11, 2000

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, Regierungsvertreter und verehrte Gäste auf der Besuchertribüne, ich darf die 27. Plenarsitzung des Thüringer Landtags am heutigen 11. Oktober 2000 eröffnen. Die Sitzung wurde gemäß Artikel 57 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen i.V.m. § 19 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags einberufen. Es liegt dazu die Unterrichtung der Präsidentin in Drucksache 3/993 vor.

Als Schriftführer haben Platz genommen Frau Abgeordnete Wackernagel und Herr Abgeordneter Huster. Die Rednerliste führt Frau Abgeordnete Wackernagel.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt der Abgeordnete Böck, die Abgeordnete Frau Dr. Fischer, die Abgeordnete Wolf, die Abgeordnete Zimmer, außerdem Herr Minister Köckert und Herr Staatssekretär Ströbel, dem wir nach einem schweren Unfall, denke ich, auch in diesem hohen Hause gute und baldige Genesung wünschen möchten.

(Beifall im Hause)

Ich korrigiere mich, was Frau Wolf betrifft, sie ist doch anwesend.

Dann habe ich noch Hinweise zur Tagesordnung, und zwar zunächst die Ergänzung: TOP 2, Enquetekommission "Wirtschaftsförderung in Thüringen", Antrag der Fraktion der CDU in Drucksache 3/989. Dazu wurde ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD in Drucksache 3/1039 verteilt. Wie wir dann damit verfahren, denke ich, sollten wir entscheiden beim Aufruf dieses Tagesordnungspunkts.

Die Landesregierung hat angekündigt, zu dem Tagesordnungspunkt 1 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.

Soweit die uns vorliegende Tagesordnung. Gibt es dagegen Widerspruch? Das ist nicht der Fall, dann gilt sie als so beschlossen und wir kommen zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 1

Behinderung der Justiz und Einflussnahme auf die Justiz in Thüringen Sicherung rechtsstaatlicher Prinzipien in Thüringen Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/998

Ich gehe davon aus, dass Begründung durch den Einreicher gewünscht wird. Das ist der Fall. Wer tut es? Frau Abgeordnete Pelke.

(Klingeln eines Handys)

Das war ein Handy. Moment mal, das gilt auch für die Presse, bitte die Handys ausschalten. Nein.

(Zwischenruf aus dem Hause: Der Herr Jus- tizminister.)

Herr Justizminister,

(Unruhe im Hause)

wenn Sie ein Abgeordneter wären, bekämen Sie einen Ordnungsruf. Jetzt darf ich aber um Ruhe bitten, damit Frau Pelke den Antrag begründen kann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, so fängt das schon an mit den Ausnahmegenehmigungen.

Nach Geschäftsordnung des Hauses kann ich die Regierung ermahnen, aber nicht alle Maßnahmen, die wir für Abgeordnete haben, gelten auch für Regierungsvertreter.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die SPDLandtagsfraktion hat die heutige Sondersitzung beantragt und auf der Tagesordnung steht der wichtige Punkt, nämlich die Frage "Behinderung der Justiz und Einflussnahme auf die Justiz in Thüringen - Sicherung rechtsstaatlicher Prinzipien in Thüringen".

Meine Damen und Herren, wir verlangen dringend Aufklärung in einer Affäre, die dem Ansehen Thüringens schon jetzt großen Schaden zugefügt hat. Wir verlangen Antworten auf alle offenen Fragen - Fragen, wie wir sie in unserem Antrag formuliert haben, und natürlich Fragen, die in den letzten Tagen und Wochen noch hinzugekommen sind. Und, meine Damen und Herren, wir verlangen, dass diejenigen, die damals Verantwortung getragen haben und auch heute noch Verantwortung tragen, für ihr Handeln einstehen. Es kann nicht angehen, meine Damen und Herren, dass in der Bevölkerung durch einzelne Politiker und deren Verhalten der Eindruck entsteht, es werde in dieser Republik mit zweierlei Rechtsmaß gemessen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass man die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt. Nein, meine Damen und Herren, der Rechtsstaat ist unteilbar; er gilt für alle. Er gilt auch und gerade für diese Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Jede Behinderung der Justiz muss daher unter allen Umständen aufgezeigt und unterbunden werden, denn nur so, meine Damen und Herren, ist es möglich, dass sich Bürgerinnen und Bürger mit dem Rechtsstaat identifizieren und diesem auch vertrauen. Es ist mittlerweile ein Punkt erreicht, wo wir hier, wo die Bürgerinnen und Bürger den Demokratiestandort und den Rechtsstaat Deutschland schützen und bewahren müssen. Denn Deutschland hatte bis zur Parteispendenaffäre, einem Artikel aus der "Wirtschaftswoche" im letzten Monat folgend, einen guten Ruf über die Grenzen hinweg. Dies hat sich seit dieser Parteispendenaffäre um Helmut Kohl und seine Mannen drastisch verändert. Das muss man zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

So bezieht und bezog die Christlich Demokratische Union bereits im Falle der Parteispendenaffäre in Berlin

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Zum Thema bitte.)

eine seltsame Position in puncto Recht und Justiz. Ich komme noch dazu. Herr Koch in Hessen wird bei immer neuen Unwahrheiten ertappt und nun, meine Damen und Herren, zieht sich der schwarze Faden bis nach Thüringen, denn auch hier widersprechen sich wesentliche Aussagen der handelnden Akteure und Antworten will man nicht geben.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU)

Dass das Recht in Deutschland - schreien Sie doch nicht so, Herr Schwäblein, Sie kommen doch auch noch einmal zu Wort - unteilbar ist, habe ich bereits angesprochen. Ich erwarte jedoch, und das kommt noch erschwerend hinzu, von ausgebildeten Juristen in dieser Landesregierung einen noch sorgfältigeren Umgang mit Rechtstatbeständen, mit Recht und Gesetz. Auch der persönliche Anspruch dieser Juristen sollte noch um ein nicht unwesentliches Maß höher liegen, als dies für jemanden gilt, der keine juristische Vorbildung hat. Ich fordere an dieser Stelle die Landesregierung auf, von dem hohen Ross herunterzukommen, wo sie nach dem Motto arbeitet: der Stärkere hat immer Recht. Denn - und ich zitiere: "Das Recht des Stärkeren ist das stärkste Unrecht.", meine Damen und Herren, so gesagt von Marie von Ebner-Eschenbach. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das war die Begründung durch den Antragsteller. Wir hören jetzt den Sofortbericht der Landesregierung, Herr Justizminister Birkmann.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, namens der Thüringer Landesregierung erstatte ich folgenden Bericht: Wir beraten heute über einen Antrag der SPD-Fraktion unter der Überschrift "Behinderung der Justiz und Einflussnahme auf die Justiz in Thüringen - Sicherung rechtsstaatlicher Prinzipien in Thüringen", der den unbefangenen Zuhörer bereits insoweit fehlleitet, als im ersten Teil keine Frage aufgeworfen, sondern eine Feststellung, und zwar eine unzutreffende Feststellung, getroffen wird.

(Beifall bei der CDU)

Ich erlaube mir daher, bevor ich auf die in der Drucksache 3/998 gestellten Einzelfragen eingehe, Ihnen den Kontext, in welchem die heutige Sondersitzung zu sehen ist, zu erläutern.

Ausgangspunkt ist ein Strafverfahren gegen den ehemaligen bayerischen Unternehmer Reiner Erich Pilz. Dieser wurde zwischenzeitlich durch das Landgericht Landshut wegen Betrugs in 28 Fällen sowie Untreue in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. In dem nunmehr vor dem Landgericht Mühlhausen anhängigen Strafverfahren wird Herrn Pilz und mehreren weiteren Angeklagten zur Last gelegt, zum Nachteil des Freistaats Thüringen in der Zeit von Dezember 1990 bis zum Jahre 1994 in zwei Fällen Subventionsbetrug im jeweils besonders schweren Falle begangen bzw. hierzu Beihilfe geleistet zu haben. Die Ermittlungen ziehen sich bereits über fünf Jahre hin, in denen durch die unterschiedlichsten Behörden - Finanzbehörden, Polizei, Bundeskriminalamt, Staatsanwaltschaft, Gericht und Justizministerium - eine große Menge an Unterlagen zusammengetragen wurde. Im Vorfeld des heute interessierenden Sachverhaltskomplexes hat die 8. Strafkammer des Landgerichts Mühlhausen am 27. März 2000 den Beschluss gefasst - und ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin: "Das Thüringer Wirtschaftsministerium wird um Herausgabe der das Investitionsvorhaben CD Albrechts/Pilz betreffenden Förderakte im Original mit sämtlichen Vermerken und internen Anweisungen ersucht." Dieser Beschluss wurde dem Wirtschaftsministerium mit Schreiben vom 3. April 2000 zugeleitet, welches wiederum dieses Schreiben an die Thüringer Aufbaubank weitergeleitet hat. Die Thüringer Aufbaubank antwortete dem Landgericht Mühlhausen unter dem 19. April 2000, dass die Akten nicht mehr im Original vorliegen würden, sondern bereits am 20. November 1995 an das Bundeskriminalamt weitergeleitet worden seien; übrigens auch vor dem Hintergrund eines bereits ausgefertigten Durchsuchungsbeschlusses, der auf Anweisung

beiden danach betroffenen Ministerien durch den damaligen stellvertretenden Abteilungsleiter des Justizministeriums, den Staatssekretären im Thüringer Finanzministerium und dem Thüringer Wirtschaftsministerium am Vortage der Durchsuchung vorher bekannt gegeben wurde und deswegen, da die Akten selbstverständlich freiwillig zur Verfügung gestellt wurden, am nächsten Tag nicht mehr vollstreckt werden musste. Ohne dass erkennbar auf das Schreiben der Aufbaubank eingegangen worden wäre, bat der Vorsitzende Richter der 8. Strafkammer das Wirtschaftsministerium in einem Schreiben vom 27. April 2000 erneut, die Förderakten und die Kabinettsvorlagen, die im Zusammenhang mit dieser Förderung stünden, dem Gericht vorzulegen. Das Schreiben schließt mit dem Hinweis - Frau Präsidentin, ich darf erneut zitieren: "Bevor die Kammer einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss gemäß §§ 103, 105, 94, 96, 98 der Strafprozessordnung erlässt, wird Gelegenheit zur Übersendung der Akten bis zum 11. Mai oder um Abgabe einer Sperrerklärung - § 96 Strafprozessordnung - bis zu diesem Termin gebeten."

Unter dem 8. Mai antwortete daraufhin das Wirtschaftsministerium wiederum, dass im Wirtschaftsministerium keine Originalakten mehr vorhanden seien. Gleichzeitig wurde auf den die Angelegenheit in den Jahren 1991, 1992 bearbeitenden Sachbearbeiter hingewiesen, der nunmehr in einer Zweigstelle der Thüringer Aufbaubank tätig sei und mit welchem sich das Gericht gerne in Verbindung setzen könne, um Weiteres zu erfahren. Diesem Hinweis ist das Gericht offenbar auch gefolgt. Am 23. Mai 2000 erließ die 8. Strafkammer des Landgerichts Mühlhausen u.a. den Beschluss zur Durchsuchung des Dienstgebäudes, der Diensträume und der Nebengebäude des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur. Der Beschluss wurde der Staatsanwaltschaft Mühlhausen mit Schreiben des Landgerichts Mühlhausen vom 26. Mai 2000 zugeleitet. Hinweise auf eine besondere Vertraulichkeit enthält weder der Beschluss vom 23. Mai noch das Anschreiben vom 26. Mai. Mit per Telefax am 14. Juni 2000 übermitteltem Schreiben der Staatsanwaltschaft Mühlhausen vom 13. Juni wurde dem Thüringer Justizministerium über den Generalstaatsanwalt mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, am 15. Juni das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur und die Thüringer Aufbaubank zu durchsuchen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte Ihnen nunmehr schildern, obwohl ich dies wiederholt, insbesondere im Justizausschuss, getan habe, wie sich der Vorgang am Vorabend des 14. Juni abgespielt hat. Der Beamte der damals amtierende Abteilungsleiter, weil der an sich zuständige Abteilungsleiter nicht im Hause war - passte mich ab, als ich mich gegen 18.00 Uhr zwischen zwei auswärtigen Terminen kurzfristig im Justizministerium aufhielt. Er berichtete mir, dass am nächsten Tag eine Durchsuchung im Thüringer Wirtschaftsministerium vorgesehen sei, der entsprechende Durchsuchungsbeschluss vorliege, und dies deswegen, weil das Wirtschaftsministerium sich weigere, Akten herauszugeben, obgleich der Vorsit

zende der Strafkammer des Landgerichts Mühlhausen das Wirtschaftsministerium wiederholt angeschrieben habe, zuletzt mit der erneuten Bitte um Herausgabe und der Androhung, wenn dies nicht geschehe, würde ein Durchsuchungsbeschluss ergehen. Insoweit kann ich hier auf das oben geschilderte Schreiben vom 27. April verweisen. Ich habe mich sogleich an das Telefon begeben und den Wirtschaftsminister persönlich gebeten, der Bitte des Gerichts zu entsprechen und die gewünschten Akten herauszugeben. Minister Schuster hat mir dies sofort zugesagt, so dass das Telefongespräch sehr schnell beendet war. Den bei dem Gespräch mit Minister Schuster anwesenden Beamten habe ich gebeten, die Staatsanwaltsschaft darüber zu unterrichten, dass es der Ausführung des Durchsuchungsbeschlusses nicht bedürfe, das Wirtschaftsministerium vielmehr bereit sei, die Akten bei dem anstehenden Besuch am Morgen ohne Weiteres zur Verfügung zu stellen. Demgemäß sind die Herren aus Mühlhausen am nächsten Morgen auch im Wirtschaftsministerium empfangen worden. Für meinen Anruf war maßgeblich, dass der Vorsitzende der Strafkammer die Akten beim Wirtschaftsministerium unter Inaussichtstellung eines Durchsuchungsbeschlusses eingefordert hatte und für mich gerade auch als Mitglied der Landesregierung alles zu unternehmen war, die Akten freiwillig zur Verfügung zu stellen; zum anderen aber auch, weil dieses Vorgehen auch der zuvor bereits in einem Fall geschilderten Praxis in der Vergangenheit entsprach, und zwar schon zu einer Zeit, als ich noch nicht Verantwortung im Justizministerium trug. So bin ich noch als Staatssekretär im Finanzministerium zweimal vor entsprechenden Aktionen, bei denen Durchsuchungsbeschlüsse vorlagen, am Vorabend vom Justizministerium auf die für den nächsten Tag anstehende Durchsuchung hingewiesen worden

(Unruhe bei der CDU)

mit der Eröffnung der Möglichkeit, diese durch freiwillige Zurverfügungstellung der Akten abzuwenden. Selbstverständlich bin ich dem jeweils gefolgt und habe erklärt, dass am nächsten Morgen die zuvor auf Arbeitsebene vorenthaltenen Akten zur Verfügung stehen. Entsprechend ist dann auch verfahren worden. Zur Normalität solchen Vorgehens will ich später noch ein weiteres Mal aus einem Schriftstück zitieren.

Es steht nunmehr der Vorwurf im Raum, es habe den Wunsch des Vorsitzenden der Strafkammer in Mühlhausen gegeben, das Wirtschaftsministerium über die bevorstehende Durchsuchung nicht zu unterrichten. Hierzu erkläre ich, was ich ebenfalls wiederholt ausgeführt habe: Diese Botschaft ist bei mir nicht angekommen. Wie diese Bitte an das Ministerium herangetragen worden ist, könnte allerdings auch eine Erklärung dafür abgeben, dass sie hinsichtlich des mit dem Wirtschaftsminister geführten Gesprächs keine Rolle gespielt hat, und zwar dies deswegen, weil sie viel zu wenig bestimmt war, um im maßgebenden Moment die volle Aufmerksamkeit zu erzeugen. Ich möchte dazu den entsprechenden Abschnitt aus dem

Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts vom 13. Juni, das offensichtlich am 14. Juni 2000 vom Generalstaatsanwalt an das Ministerium weitergeleitet worden ist, zitieren - Frau Präsidentin, mit Ihrer Genehmigung: "Abschließend erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass es der Vorsitzende der 8. Strafkammer am Landgericht Mühlhausen im vorliegenden Fall nicht für sachdienlich hält, in der sonst praktizierten Form bei entsprechenden Durchsuchungen das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur vorab von den beabsichtigten Maßnahmen zu unterrichten." Zunächst ist also auf die von mir immer bekundete Feststellung zu verweisen, dass auch nach diesem Bericht die von mir berichtete Verfahrensweise zutreffend ist, dass die vorherige Unterrichtung nach diesem Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts dahin formuliert "in der sonst praktizierten Form bei entsprechenden Untersuchungen" - der üblichen Praxis entsprach.

Ich darf an dieser Stelle in Erinnerung rufen - ich hatte es eben bereits referiert -, dass der Gerichtsbeschluss selbst vom 23. Mai 2000 und das Zuleitungsersuchen des Gerichts an die Staatsanwaltschaft vom 26. Mai 2000 den Wunsch um Vertraulichkeit nicht beinhalteten. Der dann vom Leitenden Oberstaatsanwalt nur schwach artikulierte Wunsch, mehr wohl eine Anregung des Vorsitzenden der Strafkammer - ich zitiere noch einmal - "Abschließend erlaube ich mir", lässt es nicht ausschließen, dass es bei der Art und Kürze des von mir geschilderten Ablaufs meiner Unterrichtung durch den Beamten und des Gesprächs mit dem Wirtschaftsminister in der Relevanz nicht erkannt wurde und dies insoweit zu einem Missverständnis geführt hat. In meiner Erinnerung hat der Beamte mich nicht in Kenntnis gesetzt. Dies lässt zwei mögliche Erklärungen zu: Zum einen, dass der Beamte in der Kürze des Vortrags mich auf den Passus im Schreiben des Leitenden Oberstaatsanwalts nicht hingewiesen hat, zum anderen, dass ich in der aktuellen Situation einen entsprechenden Hinweis nicht wahrgenommen habe.

(Zwischenruf Abg. Dr. Dewes, SPD: Was sagt denn der Beamte dazu?)

In jedem Fall bedauere ich,

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Waren Sie körperlich anwesend?)

der Bitte des Vorsitzenden der Strafkammer nicht entsprochen zu haben. Ich betone allerdings noch einmal, dass nach meiner Erinnerung der Beamte mich nicht in Kenntnis gesetzt hat. Hätte er das getan und hätte ich dennoch den Wirtschaftsminister warnen wollen, hätte ich mich nicht so verhalten, wie ich es getan habe, und sicherlich auch kaum den bei dem Telefonat anwesenden Beamten angewiesen, die Staatsanwaltschaft umgehend zu unterrichten. Diese Unterrichtung ist dann offenbar auch wenige Minuten später erfolgt. Im Ergebnis hat die Information des Wirtschaftsministeriums dazu geführt, dass oh

ne Vollziehung des Durchsuchungsbefehls den ermittelnden Beamten alle relevanten Unterlagen zur Verfügung gestellt bzw. Registraturen und Archive zugänglich gemacht wurden. Die Maßnahme wurde am 15. Juni 2000 fast während des gesamten Arbeitstages zunächst im Wirtschaftsministerium durch die Staatsanwaltschaft in Begleitung von Kriminalbeamten durchgeführt, wobei zwei Richter des Landgerichts Mühlhausen als erlaubte Zuschauer bzw. Besucher zugegen waren.

Im Verlauf des Besuchs im Wirtschaftsministerium ergab sich der Hinweis, dass auch in der Staatskanzlei betreffend das Investitionsvorhaben CD-Werk Pilz/Albrechts Unterlagen vorliegen könnten. Das Wirtschaftsministerium informierte die Staatskanzlei darüber, dass Ermittlungsbeamte in der Staatskanzlei um die Herausgabe von PilzAkten bitten würden. Daraufhin wurden in der Staatskanzlei Unterlagen gesichtet und mit dem Ziel zusammengeführt, den Ermittlungsbeamten Einsicht zu gewähren. Gewünscht war insbesondere die Einsichtnahme in Kabinettsunterlagen und Unterlagen in Sachen Förderentscheidung Pilz 1990 bis 1993. 15 Ordner, davon 12 Ordner "Koordinierungsgespräche", 2 Ordner "Koordinierungsausschuss" und 1 Ordner "Pilz CD Albrechts" wurden von Beamten des BKA gesichtet. Nach ca. 2 Stunden wurde keine Einsicht mehr gestattet. Den Ermittlungsbeamten ist im Verlauf der Einsichtnahme bekannt geworden, dass in den Koordinierungsunterlagen nur einige Passagen Pilz CD-Werk Albrechts betreffen und die Koordinierung erst in 1993 eingeführt worden ist. Eine Sperrerklärung nach § 96 Strafprozessordnung wurde nicht abgegeben.

Am 22. Juni 2000 bat das Landgericht Mühlhausen die Staatskanzlei um Herausgabe sämtlicher Unterlagen 1990/ 1991 und möglichst auch der Unterlagen bis einschließlich 1994. Am 21. Juli 2000 übersandte die Thüringer Staatskanzlei dem Landgericht Mühlhausen Kopien aller angeforderten Unterlagen 1990/91, aber auch 1992 bis einschließlich 1994. Darunter befinden sich auch alle Vermerke bezüglich Pilz aus den Koordinierungsgesprächen und -ausschüssen. Zugleich wurde hier erstmalig eine Sperrerklärung bezüglich der Kabinettsunterlagen abgegeben, um den Kernbereich der Exkutive und die freie Meinungsäußerung innerhalb der Landesregierung zu schützen. Im Beschluss vom 9. August 2000 hielt das Landgericht Mühlhausen die Sperrerklärung der Thüringer Staatskanzlei für nicht zulässig und erhob Gegenvorstellung. Unter Zurückstellung der Bedenken, dass die Herausgabe der Unterlagen dem Wohl des Landes Nachteile bereiten könnte, übergab die Staatskanzlei am 12. September 2000 dem Landgericht Mühlhausen selbst Kabinettsunterlagen. Am 15. September 2000 schrieb das Landgericht Mühlhausen die Staatskanzlei mit dem Inhalt an, dass die Kammer es für unumgänglich halte, dass die 15 Ordner komplett zur Verfügung gestellt würden, und bat um Übersendung der Teilnehmerlisten des Koordinierungsausschusses und der Koordinierungsgespräche. Die Staatskanzlei stellte dem Gericht am 22. September 2000 die Teilnehmerlisten der Koordinierungsrunden zur Verfügung. Die