Protocol of the Session on March 15, 2002

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie zur 60. Plenarsitzung des Thüringer Landtags heute am 15. März. Ich begrüße die Mitglieder der Landesregierung und ich begrüße die Besucher auf der Tribüne und wünsche Ihnen allen einen guten Morgen.

Als Schriftführer haben neben mir Platz genommen die Abgeordnete Frau Bechthum und der Abgeordnete Herr Heym. Frau Bechthum wird die Rednerliste führen.

Entschuldigt haben sich zur heutigen Sitzung Frau Landtagspräsidentin Lieberknecht - darf ich Sie bitten, doch ein bisschen ruhiger zu sein -, Frau Abgeordnete Fischer, Herr Abgeordneter Scheringer, Frau Abgeordnete Sedlacik, Frau Abgeordnete Stangner, Herr Abgeordneter Bonitz und Frau Abgeordnete Zitzmann.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zur "Halbzeitbilanz"

Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zweieinhalb Jahre nach der letzten und zweieinhalb Jahre vor der nächsten Landtagswahl haben die Thüringerinnen und Thüringer ein Anrecht darauf, dass wir Zwischenbilanz ziehen. Sie haben ein Anrecht zu erfahren, was wir uns für die zweite Halbzeit vorgenommen haben.

Die Bürgerinnen und Bürger haben 1999 eine klare Entscheidung getroffen, die mit einem klaren Regierungsauftrag verbunden war. Wir haben die Zeit genutzt; mehr als drei Viertel der Zusagen, die wir im Wahlprogramm der CDU und in der ersten Regierungserklärung gegeben haben, haben wir bis heute, bis zur Mitte der Legislaturperiode, erfüllt.

(Beifall bei der CDU)

Die neue Regierung hat neue Akzente gesetzt, Akzente, die wir in der großen Koalition nicht setzen konnten.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben angekündigt, bei der Arbeitsmarktpolitik umzusteuern. Wir haben die Arbeitsmarktpolitik dorthin verlagert, wo sie hingehört, in das Wirtschaftsministerium. Wir haben den zweiten Arbeitsmarkt auf den ersten Arbeits

markt mit Erfolg ausgerichtet; wir haben weniger ABMStellen und mehr Erwerbstätige im ersten Arbeitsmarkt.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben eine Kurskorrektur in der Haushaltspolitik angekündigt und wir haben Wort gehalten. Diese Landesregierung macht weniger Schulden als die große Koalition. Die Haushaltskonsolidierung kommt voran, trotz Nachtragshaushalt.

Wir haben zugesagt Handwerk und Mittelstand, die Säulen des Arbeitsmarkts, verstärkt zu unterstützen. Die Landesregierung hat mit den Handwerkskammern eine bundesweit einmalige Vereinbarung unterschrieben und nahezu alle ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Jugendlichen haben in den letzten Jahren und auch in diesem Jahr Ausbildungsplätze erhalten.

(Beifall bei der CDU)

Thüringen hat mit 78 Prozent betrieblicher Plätze mit Abstand den höchsten Anteil in den neuen Ländern. Der Durchschnitt der neuen Länder liegt bei 68 Prozent.

Wir haben angekündigt, unsere bundesstaatliche Verantwortung aktiv wahrzunehmen. Thüringen hat seine Handlungsfähigkeit im Bundesrat wiedererlangt, fast 40 Bundesratsinitiativen belegen das. Unsere erfolgreiche Initiative für die Renten der SED-Opfer ist dafür nur eines der Beispiele.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben angekündigt, die Polizei zu stärken und technisch besser auszustatten. Die Thüringer Polizei verfügt heute über fast 100 Planstellen mehr, sie verfügt über eine moderne Informationstechnik und die Polizeiorganisation wird von überflüssigen Aufgaben entlastet.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben angekündigt, die Kommunen zu stärken; die Novelle der Kommunalordnung hat der Landtag vor kurzem in erster Lesung behandelt.

Wir haben einen Bürgerbeauftragten angekündigt, im Dezember 2000 hat der Landtag ihn gewählt und allein von März bis Dezember letzten Jahres haben sich über 600 Thüringer an ihn gewandt.

Wir haben angekündigt, die Krankenhausversorgung weiter zu verbessern, von 1999 bis 2001 haben wir über 600 Mio.       von Krankenhäusern investiert.

Wir haben angekündigt, die Sanierung der Alten- und Pflegeheime zügig abzuschließen; seit 1999 haben wir

3.300 Pflegeplätze in 53 Heimen saniert oder neu geschaffen.

Wir haben angekündigt, an den Grundschulen Fremdsprachenunterricht ab der 3. Klasse einzuführen, Hauptschülern eine freiwillige 10. Klasse anzubieten und den rechtskundlichen Unterricht auszuweiten; dies ist umgesetzt.

Wir haben angekündigt, die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler zu stärken; in diesem Schuljahr wird ab Klasse 5 der Kurs "Medienkunde" eingeführt. Thüringen integriert damit als eines der ersten Länder Medienbildung frühzeitig in den Unterricht. Bei der Ausstattung der Schulen mit moderner Informationstechnik liegen wir inzwischen bundesweit mit an der Spitze.

(Beifall bei der CDU)

Ich würde Herrn Kollegen Krapp bitten, Herrn Späth einmal in die Schulen einzuladen, damit er sich davon überzeugt, bevor er sich wieder zu dieser Frage äußert.

Wir haben den Aufbau der Berufsakademien angekündigt; seit 1999 hat sich die Zahl der Studenten an den Berufsakademien verfünffacht.

Wir haben angekündigt, die Stiftung "Ettersberg" zur Erforschung der Diktaturen Europas im 20. Jahrhundert zu gründen. Stiftungsvorstand und Beirat sind bestellt. Der Vorstand hat seine Arbeit aufgenommen. Und lassen Sie mich aus gegebenem Anlass hinzufügen: Es ist bestimmt nicht an der Zeit, 12 Jahre nach Ende der zweiten Diktatur im 20. Jahrhundert einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen.

(Beifall bei der CDU)

So weit einige Beispiele, die zeigen, wir haben den Wählerauftrag angenommen, wir bringen Thüringen weiter voran. Auf Herausforderungen, die bei den letzten Landtagswahlen nicht vorhersehbar waren - und solche treten bedauerlicherweise immer ein - auf solche Herausforderungen haben wir zügig reagiert. Nach dem 11. September haben wir das Programm für mehr Sicherheit in Thüringen aufgelegt. Der Landtag hat uns dafür die notwendigen Mittel bewilligt.

Ergänzend zu den Aktivitäten des Bundes haben wir diesem Haus ein Gesetz zum besseren Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Kriminalität und Terrorismus vorgelegt. Der Bundesrat hat unserem "Trittbrettfahrergesetz", also der Bekämpfung von vorgetäuschten Straftaten im Zusammenhang mit den Milzbrandattacken, zugestimmt und den Entwurf dem Bundestag zugeleitet. Dort hat die erste Lesung vor wenigen Tagen stattgefunden.

Wir haben auf den verabscheuungswürdigen Anschlag auf die Erfurter Synagoge im April 2000 reagiert. Die

Zahl der rechtsradikalen Straftaten ist erfreulich stark zurückgegangen und wir geben jährlich einen Bericht zu Radikalismus und Extremismus ab. Die Koordinierungsstelle "Gewaltprävention" trägt dazu bei, Gewalt dort zu bekämpfen, wo sie entsteht. Und schließlich haben wir in Karlsruhe Klagen gegen die NPD erhoben und bei dieser Klage bleibt es, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben durch rasches und konsequentes Handeln die Probleme bewältigt, die BSE und Maul- und Klauenseuche verursacht haben. Wir haben den Verbraucherschutz gestärkt, indem wir die Zuständigkeiten im Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz zusammengeführt haben. Das sind drei Beispiele für Dinge, die nicht vorhersehbar gewesen sind.

Und jetzt, meine Damen und Herren: Wie ist die Lage, wo steht Thüringen heute unter den jungen Ländern? Wir haben gehandelt - keine Politik der ruhigen Hand, sondern eine Politik der zupackenden Hände.

(Beifall bei der CDU)

Die Erfolge sind sichtbar und sie sind messbar. Thüringen ist zum Zukunftsstandort unter den jungen Ländern geworden.

(Beifall bei der CDU)

Manches andere junge Land würde gern mit uns tauschen und hätte gern unsere Probleme, damit sie die ihren los wären.

(Beifall bei der CDU)

Das Bruttoinlandsprodukt ist in Thüringen von 1991 bis 2001 um 64 Prozent gestiegen; der Durchschnitt der jungen Länder liegt bei 53 Prozent. Beim Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner liegt Thüringen nach Sachsen unter den jungen Ländern an zweiter Stelle. Dieses, das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner, ist aussagekräftiger als Angaben zum Bruttoinlandsprodukt pro Erwerbstätigen, bei welchem wir in der Tat hinten liegen, aber doch deswegen, weil die Zahl der Erwerbstätigen in Thüringen überdurchschnittlich hoch ist und weil unsere Wirtschaftsstruktur traditionell arbeitsintensiv und kleinteilig ist, und das wird natürlich auch so bleiben.

Thüringen ist ein herausragender Industriestandort. Thüringen hat nach Baden-Württemberg bundesweit die höchste Dichte von Industriebetrieben.

Meine Damen und Herren, beim Industriebesatz liegt Thüringen an der Spitze der jungen Länder und seit Jahren liegt die Exportquote über dem Durchschnitt der jungen Länder. Das zeigt, die Thüringer Unternehmen sind wettbewerbsfähig, sie sind im Welthandel und in der interna

tionalen Arbeitsteilung eingebunden. Als Hochtechnologieland sind wir vor allem auf den Ideenreichtum angewiesen, hier sind wir vorn. Seit Jahren haben wir unter den jungen Ländern die meisten Patentanmeldungen pro Einwohner und überflügeln sogar einige der alten Länder. Unsere Innovationsfähigkeit, unsere Erfolge beim Ausbau der Wirtschaft und des Wirtschaftsstandorts zahlen sich aus. Wir haben traditionell seit Jahren die niedrigste Arbeitslosenquote aller jungen Länder.

(Beifall bei der CDU)