Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, verehrte Vertreter der Landesregierung, meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Besuchertribüne, ich eröffne unsere heutige 83. Plenarsitzung am 4. April 2003 und begrüße Sie dazu sehr herzlich. Als Schriftführer haben neben mir Frau Abgeordnete Bechthum und Frau Abgeordnete Wackernagel Platz genommen. Frau Abgeordnete Wackernagel wird die Rednerliste führen. Für die heutige Sitzung haben sich Herr Abgeordneter Bergemann, Herr Abgeordneter Böck, Frau Abgeordnete Katja Wolf entschuldigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, bevor wir in die heutige Tagesordnung eintreten, möchte ich unsere 62. Plenarsitzung des vergangenen April und die Ereignisse dieses Tages, des 26. April 2002, in Erinnerung rufen.
An diesem Tag haben wir um die Mittagsstunde unter dem Eindruck der ersten, für uns unfassbaren Nachrichten des mörderischen Verbrechens am Gutenberg-Gymnasium unsere laufende Sitzung abgebrochen. Viele von uns sind unmittelbar vor Ort zur Schule gefahren, haben die langen Stunden mit den Menschen gebangt, haben sich selbst um Angehörige, Freunde und Bekannte gesorgt und haben anderen und auch einander beigestanden.
Das ganze Ausmaß des fürchterlichen Verbrechens ahnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Erst im Laufe des Tages, eigentlich erst an den darauf folgenden Tagen wurde uns die ganze Tragweite der Geschehnisse bewusst, die in unserer unmittelbaren Nähe und Umgebung stattgefunden hatten.
Das Leben in Erfurt, ja in Thüringen schien über Tage und Wochen wie gelähmt - es war gelähmt. In doppelter Weise hat Thüringen, hat Erfurt die Herzen der Menschen bewegt: durch die schreckliche Tat, aber auch durch die Botschaft der Mitmenschlichkeit, der Solidarität, der Anteilnahme in der ganzen Stadt, in Thüringen und in ganz Deutschland.
Auch die Politik befand sich in einer ganz außergewöhnlichen Situation. Auch wir waren an unsere Grenzen gewiesen und spürten unsere Ohnmacht. Uns allen waren in diesen Tagen die Grenzen menschlichen Handelns und Redens aufgezeigt worden. Doch mussten wir lernen, über das Erlebte zu sprechen, mussten wir vor dem Hintergrund der gemachten Erfahrung neue Kraft und neuen Mut zur politischen Gestaltung schöpfen.
Natürlich standen die Fragen im Raum: Hätte - und wie hätte das Verbrechen verhindert werden können? Welche
Möglichkeiten hätten wir gehabt entgegenzuwirken? Welche Konsequenzen ergeben sich für uns aus dieser Bluttat?
Welche Konsequenzen für die ganz praktische und konkrete Politik, für die Gesetzgebung, für das Handeln in Regierung und Parlament?
Welche Konsequenzen aber auch für unser tägliches Leben, für den Umgang miteinander - ganz allgemein in der Gesellschaft, aber natürlich genauso auch in der Politik.
Im Landtag haben die Geschehnisse dieses Tages unsere Debatten im zurückliegenden Jahr bei unseren Sitzungen, vor allem aber auch in den Ausschüssen, inzwischen auch in unserer Enquetekommission "Bildung und Erziehung" immer wieder geprägt. Das gilt nicht nur für Fragen der Bildungspolitik, des Waffenrechts, der Jugendpolitik.
Die Worte des Bundespräsidenten am 3. Mai 2002 auf dem Domplatz: "Wir müssen einander achten. Wir müssen aber auch aufeinander achten." haben in vielen Debatten ihren oft unausgesprochenen, aber dennoch spürbaren Nachhall gehabt.
Niemand hätte vor dem 26. April 2002 für denkbar gehalten, was an diesem Tag Wirklichkeit wurde, und doch ist es geschehen. Auch künftig können wir eine Wiederholung, in welcher Form auch immer, nicht völlig ausschließen.
Das aber darf uns den Mut nicht nehmen - im Gegenteil: Es gilt auch in diesem Zusammenhang, alle Hoffnung gegen lähmende Angst zu stellen, Vertrauen und Zuversicht gegen alle Skepsis.
Vor allem müssen wir über den Tag und über das Jahr hinaus in praktizierter Mitmenschlichkeit zusammenstehen. Dabei gilt auch ein Jahr nach der schrecklichen Bluttat unser Mitgefühl den Hinterbliebenen, den Angehörigen und Freunden der toten Schülerin und des toten Schülers, der toten Lehrerinnen und Lehrer, der toten Schulsekretärin und des ermordeten Polizisten. Ihnen selbst, den Toten, gilt unser dauerhaftes ehrendes und dankbares Gedenken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Eröffnung der Ausstellung des Gutenberg-Gymnasiums im Bundesarbeitsgericht mit den Kondolenzen aus aller Welt haben wir gerade in dieser Woche noch einmal das weltweite Mitgefühl, das tatsächliche Zusammenstehen in den Tagen der unmittelbaren Trauer spüren können. Die Ausstellung bleibt auch in den nächsten Wochen zu sehen.
Sie haben in den letzten Tagen vielen Meldungen entnehmen können, in welcher Weise die Landeshauptstadt Erfurt den bevorstehenden Jahrestag des Verbrechens begehen wird - gemeinsam mit den Hinterbliebenen der
Toten, mit der Schulgemeinschaft des Johannes-Gutenberg-Gymnasiums, mit der Polizei, mit den Angehörigen der zahlreichen und so verdienstvollen Hilfskräfte, nicht zuletzt auch der Kirchen und in Absprache mit der Landesregierung.
Uns allen ist dabei gegenwärtig, was der Oberbürgermeister dieser Stadt so ausgedrückt hat: Für Erfurt wird der 26. April auch in diesem Jahr ein ganz schwerer Tag. Ich bin sicher, die Menschen in Thüringen werden ihre Sympathie und ihr Mitgefühl auch an diesem traurigen ersten Jahrestag den Menschen hier in Erfurt entgegenbringen.
Ich schließe mich daher von dieser Stelle aus dem Aufruf und der Einladung an: Nehmen wir, nehmen auch wir, Mitglieder und Mitarbeiter von Parlament und Landesregierung, an den Gedenkveranstaltungen dieses Tages in Erfurt teil!
Um 10.00 Uhr wird auf dem Platz vor der Schule, auf dem Gutenbergplatz, eine Kranzniederlegung für die Opfer des 26. April stattfinden. Auch der Thüringer Landtag wird sich daran beteiligen.
Die Kirchen und viele öffentliche Räume werden geöffnet sein; dort wird in unterschiedlicher Weise Gelegenheit zu individuellen Formen des Gedenkens sein.
Um 10.55 Uhr wird auf dem Domplatz die zentrale Gedenkfeier beginnen. Die Kirchenglocken der Stadt werden läuten - für die Toten und für die Lebenden. Eine Minute des Schweigens und des Innehaltens im Verkehr des Alltags wird um 11.00 Uhr die Menschen auf dem Domplatz mit den Menschen überall in der Stadt zusammenführen.
Ich wäre sehr dankbar, wenn auch unsere Präsenz an diesem Tag in unserer Landeshauptstadt die Solidarität der Menschen in Thüringen spürbar machen kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist unsere letzte Plenarsitzung vor diesem Jahrestag, des schlimmsten Tages in der friedlichen Geschichte unseres Freistaats Thüringen. Ich bitte Sie daher, sich von Ihren Plätzen zu erheben und der Toten des 26. April 2002 in einer Minute der Stille zu gedenken.
Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen wir zum Einstieg in die Tagesordnung für heute, die wir ja bereits gestern beschlossen haben. Es sind zwei Punkte, die wir heute noch abarbeiten müssen, zum Ersten den Tagesordnungspunkt 2
Regierungserklärung des Ministers für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chefs der Staatskanzlei "Landesentwicklung gestalten - den Zukunftsstandort Thüringen sichern" dazu: Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/3216
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, im Dezember 2001 hat dieses hohe Haus mit dem Thüringer Landesplanungsgesetz eine neue Grundlage für Raumordnung und Landesplanung beschlossen. Wir haben uns damit zu einer modernen Landesplanung bekannt, die auf Subsidiarität und Beteiligung, die auf die Mitwirkung der Kommunen und der Bürgerinnen und Bürger setzt, eine Landesplanung, die den Notwendigkeiten dieses Landes gerecht wird, indem sie auf einer breiten Basis fundiert diskutiert wird. Das haben wir bei der Entstehung des Landesplanungsgesetzes beachtet und das wollen wir auch bei der Diskussion um den neuen Landesentwicklungsplan so halten. Diese Regierungserklärung soll eine breite öffentliche Debatte über die Ziele der Raumordnung in unserem Land in Gang bringen und damit einen Beitrag zur Debatte über die Zukunft Thüringens leisten. Es geht mir dabei darum, die Lage darzustellen, gegenwärtige und künftige Probleme und Herausforderungen zu analysieren und Eckpunkte des künftigen Landesentwicklungsplans zu benennen.
Landesplanung und Raumordnung sind zentrale Aufgaben der Landespolitik. Beinahe alle Politikbereiche werden davon berührt. Aber - damit wir uns nicht missverstehen - ein Landesentwicklungsplan ist kein detailliertes Zukunftsprogramm. Seine Aufgabe liegt darin, den Fachplanungen in unserem Land eine gemeinsame Grundlage zu geben. Er gibt Impulse für eine gemeinsame Entwicklung und öffnet zugleich Spielräume, damit sich die Regionen ihren spezifischen Möglichkeiten und Bedürfnissen entsprechend entfalten können; Spielräume, die die Regionalen Planungsgemeinschaften als Träger der Regionalplanung nutzen können; Spielräume, die auch den Kommunen zu Gute kommen. Der Landesentwicklungsplan darf kein starres Instrument sein, aber er setzt Leitplanken für die Entwicklung und gibt eine Richtung vor. Dazu gehört, dass die übergeordneten Probleme, die es zu lösen gilt, präzise erfasst werden. Dazu ist eine Bestandsauf
nahme erforderlich und insofern ist diese Regierungserklärung auch ein Stück weit Zwischenbilanz über die Entwicklung des Landes.
Thüringen hat seit seiner Wiedergründung eine dynamische Entwicklung, insbesondere auf den Gebieten des Siedlungswesens und der Infrastruktur, sowie tief greifende Transformationsprozesse der Wirtschaft erfahren. Besonders deutlich sichtbar für die Bürgerinnen und Bürger sind die Verbesserungen der Verkehrsinfrastruktur. Verkehrswege sind notwendige Lebensadern, ohne die eine gute wirtschaftliche Entwicklung nicht vorstellbar ist. Die tief greifenden Infrastrukturverbesserungen, insbesondere die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit, haben zu einer neuen Qualität des Verkehrsnetzes geführt. Die Autobahnen A 4 und A 9 sind bereits auf 50 Prozent ihrer Gesamtlänge in Thüringen sechsspurig ausgebaut. Die Autobahnneubauten A 38, A 71/A 73 sind auf einem guten Drittel ihrer Gesamtlänge in Thüringen unter Verkehr. Dagegen bestehen im Bereich der Bundes- und Landesstraßen noch erhebliche Defizite, die besonders die Regionalentwicklung in der Rhön, im Raum Altenburg, im Raum Rudolstadt/Saalfeld und im Raum Nordhausen behindern. Bei der Schieneninfrastruktur wurden große Fortschritte erzielt, insbesondere durch den Ausbau der Hauptstrecken Bebra-Erfurt-Weimar, Kassel-Nordhausen-Halle sowie der Saalebahn zwischen Camburg und Probstzella. Im Regionalnetz haben wir in den vergangenen Jahren deutliche Verbesserungen erreicht, denken Sie nur an die Strecken Gotha-Leinefelde und Pößneck-Jena. Wer im letzten Jahr den Thüringentag besucht hat, weiß, dass das so genannte "Sonneberger Netz" wieder funktionsfähig ist,
auch die Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn fährt wieder. Für Schiene und Straße gilt: Die vordringlichen Entwicklungsziele des Landesentwicklungsprogramms 1993 haben wir zu einem großen Teil erreicht. Aber wir dürfen nicht nachlassen die Defizite zu beseitigen, die die deutsche Teilung mit sich gebracht hat. Ich nenne nur die Stichworte ICE-Strecke und Mitte-Deutschland-Verbindung, zu denen ich noch kommen werde.
Die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur bleibt eines der wichtigsten Ziele der Landesplanung in Thüringen. Die Entwicklungsziele des Landesentwicklungsprogramms von 1993 auf den Gebieten Kommunikationsinfrastruktur und Energieinfrastruktur sind im Großen und Ganzen erfüllt. Es ist zum Glück Selbstverständlichkeit geworden, dass praktisch alle Haushalte über einen oder mehrere Telefonanschlüsse verfügen. Thüringen hat ein vollständig digitalisiertes Telekommunikationsnetz - auch das ist eine wichtige Voraussetzung für einen modernen Wirtschaftsstandort. Drei große Erdgasfernleitungen, zwei neue Höchstspannungsleitungen und das leistungsstärkste europäische Pumpspeicherwerk in Goldisthal sichern eine
eine Energieversorgung, die auf die Schonung von Ressourcen setzt. Bis 2010 soll die Deckung des Primärenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien von gegenwärtig 3,5 auf 5 bis 7 Prozent steigen. Dies soll vorrangig durch die Nutzung der Biomasse geschehen. Die Entwicklung der Infrastruktur war eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass der wirtschaftliche Strukturwandel im Freistaat gute Fortschritte gemacht hat. Thüringen belegt bei wesentlichen Kennzahlen der Wirtschaftsentwicklung im Vergleich der neuen Länder erste Plätze. Die Thüringer Wirtschaft ist heute von einer Vielzahl leistungsund wettbewerbsfähiger, überwiegend mittelständischer Unternehmen geprägt. Dass dabei viele Unternehmen auf Innovation und Hochtechnologie setzen, ist ein wichtiger Zukunftsfaktor für unser Land. Wichtige Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land geben die Großunternehmen, die sich in den vergangenen 10 Jahren weiterentwickelt bzw. neu angesiedelt haben, von Opel Eisenach über Mitsubishi-Daimler-Chrysler in Kölleda bis hin zur jüngsten Großinvestition von Merck in Jena.
Voraussetzung für die Entwicklung einer leistungsfähigen gewerblichen Wirtschaft ist ein angemessenes Angebot an Industrie- und Gewerbeflächen. Das Landesentwicklungsprogramm von 1993 hatte sich zum Ziel gesetzt, dazu auch Konversions- und Brachflächen zu nutzen. Die Landesentwicklungsgesellschaft hat seitdem von 20 prioritären Projekten mit 1.800 ha über die Hälfte saniert. Ein Drittel wurde bereits einer neuen Nutzung zugeführt. Thüringen verfügt zurzeit nicht über große zusammenhängende Industrieflächen für die Ansiedlung von Großunternehmen - Flächen, die nicht selten entscheidend für Investitionsentscheidungen sind. Ein Defizit, das wir deshalb dringend beheben müssen.
Besondere Bedeutung für die räumliche Entwicklung hat neben Flächen für Industrie und Gewerbe auch die Landund Forstwirtschaft. Der Strukturwandel ist weit gehend erfolgreich abgeschlossen. Er war mit einem erheblichen Rückgang der Beschäftigtenzahlen verbunden; ein Wandel, der aber für die Entstehung überlebensfähiger Strukturen in Kauf genommen werden musste. Es ist ein Erfolg einer abgestimmten Politik für den ländlichen Raum, dass überall wettbewerbsfähige Betriebe entstanden sind. Ein Erfolg, zu dem vor allem die einzelbetriebliche Förderung, die Wirtschaftsförderung, die Maßnahmen der Dorferneuerung und die Flurneuordnung beigetragen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein attraktives Land ist nicht nur auf attraktive Wirtschaftsbedingungen für Investoren angewiesen. Auch eine Landschaft, die Lebensqualität bietet, die Touristen aus aller Welt anzieht, ist ein wichtiger Vorteil für den internationalen Wettbewerb. Dies setzt auch eine ausgeglichene Siedlungsentwicklung voraus. Der wirtschaftliche Strukturwandel war in Thüringen von einer äußerst dynamischen Siedlungsentwicklung begleitet. Dies betrifft Industrie und Gewerbe, den großflächigen Einzelhandel und den Wohnungsbau gleichermaßen. Wie Sie wissen, erforderte der Strukturwandel der Wirtschaft die kurzfristige Bereitstellung von Flächen für Gewerbe und Industrie. Solche Flächen standen in den Zentren und den Innenlagen aufgrund ungeklärter Eigentumsfragen und fehlender Planungen zunächst in vielen Fällen nicht zur Verfügung. Häufig forderte deshalb die Wirtschaft, insbesondere der großflächige Einzelhandel, verkehrsgünstige Standorte auf der grünen Wiese.
Der große Nachholbedarf auf dem Wohnungsbausektor, der verständliche Drang nach dem Eigenheim im Grünen, der durch großzügige Förderung und positive Eigentumsentwicklung ermöglicht wurde, führte zu einer intensiven Wohnungsbauentwicklung im Umland der größeren Zentren, also zu einer Suburbanisierung. Diese Bevölkerungsbewegung von der Stadt ins Umland hat erst Ende der 90er-Jahre abgenommen. Zunehmend können jetzt auch innerhalb der Siedlungskerne attraktive Wohnungsbaugebiete oder Wohnanlagen zu zumutbaren Preisen angeboten werden. Durch die Stadt-Umland-Wanderung wurden die zentralen Orte in ihrer Finanz- und Leistungskraft geschwächt. Auch die gesamtgesellschaftlichen Kosten für die Infrastruktur steigen dadurch. Es muss deshalb unser Ziel sein, mehr als bisher die Siedlungstätigkeit auf die zentralen Orte zu konzentrieren und der Innenentwicklung den Vorrang vor der Außenentwicklung zu geben, weil nur so die zentralen Orte ihre Aufgaben aus eigener Kraft wahrnehmen können und weil wir die Ressource Fläche schonen müssen. Dass wir im Landesentwicklungsprogramm von 1993 das Ziel formuliert haben ausreichend Wohnraum bereitzustellen, war richtig. Es war ein großer Erfolg, dass es uns in wenigen Jahren gelungen ist, die Wohnungssituation mit staatlicher Förderung grundlegend zu verbessern. In wenigen Jahren sind 115.000 Neubauwohnungen, davon 50.000 Eigentumswohnungen und Eigenheime, entstanden. Es wurden 150.000 Modernisierungen und 200.000 Teilmodernisierungen vorgenommen.
Wer, meine sehr verehrten Damen und Herren, heute kritisiert, diese Förderung habe zu den inzwischen 120.000 leer stehenden Wohnungen in Thüringen geführt, der verkennt die Verhältnisse. Noch 1993 fehlten 80.000 bis 100.000 Wohnungen. Vorhandene Wohnungen waren häufig in einem Zustand, der kaum zumutbar war. Dazu kam das angestaute Bedürfnis nach Eigentum und Eigenheim. Diese Situation hat eine schnelle und effektive Abhilfe erforderlich gemacht. Wir haben im Jahr 2001 auf die Probleme des strukturellen Leerstandes mit dem Wohnungs
marktstabilisierungsprogramm reagiert. Damit wurde in Thüringen als erstem jungen Land der Stadtumbau eingeleitet und als Aufgabe mindestens der nächsten 10 bis 15 Jahre definiert.
Für die Lebensqualität der Menschen in Thüringen ist neben guten Wohnbedingungen eine saubere und intakte Umwelt entscheidend. Auch hier mussten enorme Defizite überwunden werden. Denken Sie nur an die Beseitigung der Folgen des Uranbergbaus in Ostthüringen. Im Bereich von Natur und Umwelt sind die Ziele des Landesentwicklungsprogramms 1993 zum großen Teil verwirklicht worden. Die Versorgung mit Trinkwasser in guter Qualität ist gewährleistet. Die Gewässerqualität hat sich entscheidend verbessert. Lag 1993 der Anteil der Gewässer mit einer guten bis sehr guten Qualität noch bei 26 Prozent, erreichte der Wert im Jahre 2001 bereits 66 Prozent.
Die Zahl der Hausmülldeponien konnte drastisch reduziert werden. Das Aufkommen an festem Siedlungsabfall hat sich in den letzten acht Jahren um zwei Drittel verringert. Die Luftqualität ist deutlich verbessert worden. Insbesondere hat die nachhaltige Reduzierung von Schwefeldioxid dazu geführt, dass Smogsituationen, wie sie vor einigen Jahren noch gang und gäbe waren, nicht mehr zu erwarten sind.