Jens Bullerjahn
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Last Statements
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will es kurz machen. Eines muss ich Ihnen lassen, Herr Rehberger: Wenn so viel Dynamik wie heute in der gestrigen Debatte gewesen wäre, hätte ich mich gefreut.
Das erkenne ich sogar an. Das gehört zu einer Debatte. Man kann unterschiedlicher Auffassung sein. Dazu gehören auch Emotionen. Deswegen meinen Respekt dafür. Ich hätte mir gewünscht, dass ich gestern die Möglichkeit gehabt hätte, umfassend darauf einzugehen. Aber das hat gestern nicht stattgefunden.
Ich hätte mich nicht gemeldet, wenn Sie nicht den Begriff „Horrorszenario“ verwandt hätten. Herr Rehberger, man kann Dinge wirklich unterschiedlich angehen. Wir haben uns seit 1990 schon oft gestritten, aber in der Sache auch vieles zusammen gemacht. Aber das Begriffspaar Horrorszenario und Bullerjahn möchte ich so nicht stehen lassen.
- Ja, ja. Nun hören Sie doch erst einmal zu. - Sie können die Wissenschaft beschimpfen.
- Natürlich haben Sie die Wissenschaft beschimpft: Diese Wissenschaftler da - -
- Ich habe Ihnen auch zugehört, Herr Rehberger.
Sie können den Bullerjahn beschimpfen, Sie können die SPD beschimpfen.
Übrigens bedanke ich mich - das wollte ich auch noch los werden - wirklich für diese Bullerjahn-Debatte. Wer bekommt schon mitten im Wahlkampf von der Regierung eine Debatte, bei der er mindestens 40-mal genannt wird?
Das macht nicht einmal meine eigene Partei. Ich habe immer gesagt: Wo Sie auftreten, bin ich automatisch immer mit dabei.
Ich danke Ihnen wirklich. Ich hoffe, das hilft mir. Heute ist der letzte Tag und die letzte Debatte.
Zurück zu dem Thema „Horrorszenario“. Die Zahlen, die ich verwandt habe - Herr Daehre weiß genau, wie zuverlässig sie sind -, stammen von dem Bundesraumordnungsministerium.
- Hören Sie mir doch einfach zu. Herr Dr. Rehberger, hören Sie mir einfach zu, wie ich Ihnen auch zugehört habe.
Diese Zahlen sind öffentlich zugänglich und werden verwandt für alle Regierungsplanungen, egal welcher Couleur. Ich habe nichts weiter gemacht, als sie zur Basis einer zugegebenermaßen sehr persönlichen Projektion - das ist ein Unterschied zur Prognose; auch darauf bitte ich zu achten - in das Jahr 2020 fortzuschreiben mit dem Obertitel - auch das steht in der Broschüre - „Was passiert, wenn nichts passiert?“.
Ich sage es einmal so: Ich rechne es mir sogar an, dass sich sehr, sehr viele nach dem Erscheinen der Broschüren die Mühe gemacht haben, sie zu lesen und darauf abzuheben, sie zu kritisieren. Ich hätte mich auch gefreut, wenn diejenigen, die sie gelesen haben, halb so viel Energie hineingesteckt hätten, eigene Überlegungen anzustellen.
Insofern, Herr Dr. Rehberger, schätze ich das. Ich habe auch nie behauptet, dass es der einzige Weg ist, aber ich behaupte schon von mir, dass es ein Weg ist - ein Szenario -, der kommen könnte, wogegen wir alle arbeiten müssen. Aber ich wäre froh, wenn wir nicht so pauschal und mit Unterstellungen immer wieder eine solche Diskussion ins Gegenteil verkehren würden, weil man dem Land damit auch nicht hilft.
Ich saß acht Jahre lang in einem Kreistag. Wir haben die Ver- und Entsorgung, Wasser und Abwasser, am Bedarf vorbei geplant. Das Problem heute ist, dass sich diejenigen, die die Preise für die, die nicht mehr da sind oder nicht geboren wurden, mitzahlen müssen, sich langsam die Frage stellen: Was haben die vor Jahren geplant, hätten sie das nicht besser wissen müssen? Diesen Vorwurf möchte ich mir nicht noch einmal machen lassen. Ich denke, deshalb ist es nur richtig, sich mit den Entwicklungstendenzen eines Landes auseinander zu setzen.
Ich sage abschließend: Ich bin froh, dass die SPD diesen Weg gegangen ist, nämlich eine Analyse zu machen, eine Diskussion zu führen, bei der es unterschiedliche Meinungen in einer Partei gibt, und darauf aufbauend die Grundsätze einer möglichen Politik zu skizzieren und auch zu wissen, dass wir fehlbar sind, aber zumindest findet es in der SPD statt. Ich hoffe, sie erhält sich dies alles. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist guter parlamentarischer Brauch, dass die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten den Fraktionsvorsitzenden am Tage zuvor zugänglich gemacht wird. Vielen Dank noch einmal dafür. Das hat prima geklappt.
Herr Böhmer, ich muss gestehen, dass ich gestern bei der Lektüre sehr irritiert war. Ich frage mich heute, was Sie uns mit dieser Erklärung eigentlich sagen wollten. Sie haben Ihre Regierungserklärung nach Ihren eigenen Worten so angelegt, dass sie weder programmatischen Charakter noch den Anschein eines Bilanzberichtes haben soll. Aber heute ist doch eigentlich genau der Zeitpunkt der Auseinandersetzung der Fraktionen mit der Arbeit der Landesregierung und gleichzeitig des Austausches über die Konzepte für die kommenden Jahre.
Das hat mich schon verblüfft. Ich habe ja die Reden aus den vergangenen Wahlperioden gelesen.
Ich will gleichwohl auf das eingehen, was uns als SPDFraktion in dieser Auseinandersetzung wichtig ist. Ich habe viel über den Gestaltungsföderalismus sowie über die Schwierigkeiten mit der EU, über die kommenden Verhandlungen über die Finanzverfassung und über die
Frage gelernt, wie der Korb II des Solidarpaktes gestaltet werden soll. Wir reden über die Länderbeziehungen, wir reden über die Beziehungen zwischen Land und Kommunen. All das habe ich gehört.
Ich habe auch das Stichwort „Heimatgefühl“ im Zusammenhang mit Mitteldeutschland vernommen. Ohne diese Aussage wüsste ich fast nicht, was Sie heute gesagt haben. Ich möchte einmal die Thüringer FDP zitieren, und zwar deshalb, weil ich in dieser Frage auch persönlich stark engagiert bin.
Die Thüringer FDP hat gesagt, sie begrüße die Länderfusionsdebatte in Deutschland. Man dürfe dieses Thema nicht einfach aussparen, aus Machtkalkül vom Tisch wischen. Die Thüringer CDU, so spielt der Generalsekretär Kurth auf den Ministerpräsidenten an, müsse ihre diffuse Heimatsentimentalität aufbrechen. Wer gegen eine Länderfusion sei, müsse deutlich machen, wie sich gut neun Millionen Einwohner in Mitteldeutschland 325 Abgeordnete, drei Ministerpräsidenten und anderes leisten sollten.
Ich gehe darauf nicht ein, lasse mir aber von niemandem hier im Raum absprechen, dass ich Sachsen-Anhalt, was immer es darstellen mag, liebe.
Ich wohne hier mit meiner Familie, mit meinen Freunden und Verwandten. Ich habe, wie sicherlich viele andere in diesem Raum, den Anspruch, dieses Land voranzubringen. Aber ich nehme für mich in Anspruch, dass ich über den Tag hinaus denke und mir gerade für die Jüngeren Gedanken mache, wie sich Sachsen-Anhalt in einem Europa der großen Regionen aufstellen kann. Das ist mein Beweggrund.
Wenn Sie meinen, dass das in den nächsten fünf Wochen der einzige Punkt wäre, über den Sie sich mit mir auseinander setzen könnten, dann ist das sehr traurig.
Eines bleibt nach dieser Rede, Herr Böhmer: Sie weichen aus. Sie sprechen über die Strukturfragen, die für die Menschen weit weg sind. Sie bleiben allgemein und damit auch unpräzise. Sehr geehrter Herr Böhmer, auch wer Ihnen genau zuhört, wird nicht wissen, was im Land Sachsen-Anhalt in den nächsten Jahren konkret passieren soll, wo die Schwerpunkte der zukünftigen Arbeit liegen sollen und welche Strategien nötig sind, um das Land weiter aufzubauen.
Lassen Sie es mich klar sagen: Die SPD wird nicht ausweichen, nicht heute und nicht in den nächsten Wochen. Wir werden Klartext reden.
Herr Böhmer, das war nicht die Rede eines Mannes, der wie selbstverständlich den Anspruch anmeldet, dieses Land auch in den nächsten Jahren zu führen.
Ich hoffe, dass wir uns jetzt über Inhalte unterhalten können und nicht über Gefühle und solche Dinge sprechen,
wie Sie dieses anscheinend in das Zentrum der Debatte rücken wollen.
Ich möchte mich zunächst kurz zu den Ergebnissen aus vier Jahren CDU-FDP-Regierung äußern. Anschließend werde ich auf die Zukunftsfragen eingehen.
Ein Aspekt in der Regierungserklärung lautete: Weiter so! Das ist in Teilen sogar richtig, denn es gibt Erfolge. Ich bin der Letzte, der sich nicht darüber freut. Wir Sozialdemokraten reden unser Land selbst im Wahlkampf nicht schlecht.
Wir freuen uns über das Wachstum im verarbeitenden Gewerbe, über Exportsteigerungen in der Wirtschaft und über Erfolge bei Pisa. Das sind nicht alles Ergebnisse der jetzigen Politik, aber es ist egal, wer diese Erfolge für sich einstreicht. Hauptsache ist, es gelingt und bringt den Menschen im Land Sachsen-Anhalt etwas.
Aber in der Gesamtbetrachtung überwiegen doch eindeutig die Misserfolge. Schauen wir uns einmal an - das ist die Messlatte, Herr Böhmer -, was Sie sich im Jahr 2002 vorgenommen haben.
Darauf hat niemand von Ihnen Bezug genommen.
Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch daran, als Herr Böhmer als Fraktionsvorsitzender hier vorn stand und Herrn Höppner seine Rede um die Ohren gehauen hat. Ich habe in der Rede nachgelesen.
Sie wollten die Arbeitslosenquote deutlich reduzieren. Das war und ist ein richtiges Ziel. Sie, Herr Böhmer, und Ihr heutiger Koalitionspartner hatten die Messlatte sehr hoch gelegt: Wir werden das Kind schon schaukeln! Höppner geht, die Arbeit kommt! - Das waren die Slogans. Damit gewannen Sie die Wahl. Was aber haben Sie erreicht?
- Also, so viel Überheblichkeit kann doch nicht wahr sein.
Hierbei ist nicht maßgeblich, wie viel Arbeitsplätze Sie geschaffen haben. Herr Rehberger, ich weiß, dass Sie mit 20 000 Arbeitsplätzen argumentieren. Aber genau diese 20 000 Arbeitsplätze gab es schon in der Wahlperiode davor. Das möchte ich nur einmal sagen.
- Ja, ja.
Es geht vor allen Dingen um die Frage, wie sich Ihre Gesamtbilanz gestaltet. Dabei sollten wir klar festhalten:
Wir hatten im Jahr 2002 ca. 20 % Arbeitslosigkeit. Wir haben heute genau 20 % Arbeitslosigkeit.
Das kann doch keine Erfolgsbilanz sein, meine Damen und Herren.
Sie wollten eine Verbesserung der Bildung. Sie haben das 13. Schuljahr abgeschafft und damit eine Entscheidung, die in unserer Regierungszeit getroffen wurde, korrigiert. Dann sind Sie aber zur Hauptschule zurückgekehrt. Das und die verbindliche Empfehlung für das Gymnasium bringen eine wachsende Undurchlässigkeit des Gesamtsystems und damit mehr Ungerechtigkeit.
Der Hinweis auf Pisa reicht eben nicht. Die Pisa-Studie hatte zwei Haupterkenntnisse für Sachsen-Anhalt: einerseits verbesserte Leistungen bei Schülern, die auch die Förderstufe durchlaufen haben; das ist heute schon mehrfach angesprochen worden.
- Ich weiß, dass es Ihnen schwer fällt. Ich kenne das ja. Sie haben es schon oft propagiert: Alles, aber wirklich alles, was in diesem Land und in Deutschland gut läuft, geht auf das Konto der Schwarzen und manchmal auch der Gelben, und alles, was schlecht ist, auf das Konto der Roten. So einfach ist die Welt aber nicht.
Seitdem es eine große Koalition in Berlin gibt, wissen Sie aber auch zu schätzen, dass Sie es nicht alleine sind. Dabei will ich jetzt gar nicht auf Sie eingehen.
Um wieder zurückzukommen: Andererseits wurde klar, dass es im Land Sachsen-Anhalt die größte Abhängigkeit des Schulerfolges von der Herkunft gibt.
- Entschuldigung.
Das heißt also, auch bei der Bildung kann man nicht davon ausgehen, dass es eine reine Erfolgsbilanz ist.
Sie wollten die Neuverschuldung in der jetzigen Legislaturperiode auf null fahren. Das war Ihr Anspruch in Kenntnis der Rahmenbedingungen, Herr Scharf. Ergebnis aber ist: So viel Neuverschuldung gab es noch nie.
Dass es nicht zwangsläufig so sein muss - das ist schon angesprochen worden -, zeigt der Fortschrittsbericht. Die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg haben es geschafft - auch unter einer SPD-Führung; das werden auch Sie anerkennen müssen -, bei gleich bleibenden Steuereinnahmenproblemen die Neuverschuldung proportional weiter zurückzuführen.
Eine Konsolidierung ist also auch dann möglich, wenn die erwarteten Steuereinnahmen unterschritten werden.
Sie ist aber offenbar nicht möglich, wenn der Schwimmer - vielleicht erinnern Sie sich an das Bild des Schwimmers, der gegen die Elbströmung ankämpft - schlicht zu schwach ist.
Sie wollten keine Gebietsreform und keine weitere Reform. Sie wollten sich im Wahlkampf als Retter der kleinen Orte darstellen. Erinnern Sie sich bitte daran. In der Rolle des Retters der kleinen Kommunen - Herr Becker und andere werden das noch wissen - haben Sie zunächst alle Reformen von Manfred Püchel abgeblasen. Dann haben Sie immerhin erkannt, dass es ohne Reformen nicht geht. Was danach kam, war ein Lehrstück für verfehlte Reformpolitik. Sie haben reformiert: spät, zu wenig entschlossen und zu kurz gesprungen.
Ich sage sehr deutlich: Wenn man auf diese Weise reformiert, dann darf man sich nicht wundern, dass die Bürger kein Verständnis mehr für Verwaltungsreformen haben. Alles wird anders, aber kaum besser. Das kann man sich nicht leisten. Das meine ich durchaus auch im finanziellen Sinne, denn Ihr verfehltes Reformhandeln hat das Land viele Millionen gekostet.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Ergebnisse zusammenfassen. In den vier Jahren Ihrer Regierungszeit wächst die Wirtschaft insgesamt gesehen nur sehr bescheiden. Die Schwelle zur Schaffung neuer Arbeitsplätze wird per Saldo nicht überschritten. Im Gegenteil: Die Erwerbstätigenzahl ist um ca. 40 000 zurückgegangen und liegt inzwischen unter einer Million. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist um acht Prozentpunkte auf 45 % gestiegen.
Wir werden leider jährlich ca. 20 000 Menschen weniger im Land, egal was Herr Rehberger sagt und glaubt. Die Verschuldung des Landes wächst um täglich 2,5 Millionen €. Die Kommunen verfügen über so geringe Landeszuweisungen wie noch nie. Die Hochschulen haben statt der im Wahlkampf angekündigten Budgetaufstockung jetzt weniger Mittel zur Verfügung.
- Wissen Sie, Herr Olbertz, ich habe einmal zusammengerafft, was andere vor vier Jahren auf fünf Seiten geschrieben haben. Wenn Sie aber selbst Zahlen nicht mehr anerkennen, dann weiß ich es wirklich nicht mehr.
Ich werde trotzdem darauf eingehen.
Diese Ergebnispräsentation der etwas anderen Art, meine Damen und Herren, ließe sich fortsetzen. Ich will es Ihnen aber bewusst ersparen und nur darauf hinweisen, dass es nicht immer so gewesen ist, als wir noch regiert haben.
Ich will noch auf einige Aspekte der Regierungserklärung eingehen. Der Seufzer „Gott sei Dank sind wir die rote Laterne los!“ ist für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu wenig
und außerdem Teil eines fragwürdigen Wettbewerbs um ein Zehntelprozent.
Wichtig ist doch: Es gibt keine sich selbst tragende wirtschaftliche Entwicklung und kein Aufholen gegenüber anderen.
Wenn man in einer solchen Situation auf Kontinuität setzt, springt man um Längen zu kurz.
Sie, Herr Böhmer, haben erst kürzlich in einem Interview gesagt, dass auch einmal Schluss sein muss mit den Reformen. Bis zum Jahr 2010/2011 wollen Sie alles wirken lassen und auf Kontinuität setzen. So ähnlich haben Sie sich heute auch geäußert.
Darin könnte ich Ihnen durchaus zustimmen, wenn das Land Sachsen-Anhalt schon auf einem sicheren Wachstumspfad wäre. Dafür spricht aber keine einzige wirtschaftliche Kennziffer. Ihr Motto heißt: Weiter so! Ich sage aber sehr deutlich: Wer Zukunft für das Land haben will, muss mehr von sich und auch von seiner Partei verlangen. Wer Zukunft will, muss mutiger planen und entschlossener handeln.
So emotional ich das am Anfang eingebracht habe, so gehört für mich dazu ganz klar die Perspektive, über solche Strukturen wie Ländergrenzen nachzudenken, ob Sie es nun wahrhaben wollen oder nicht.
Gestatten Sie mir noch einige Worte zur Zusammenarbeit oder Nichtzusammenarbeit in der Regierung, Ihrer Regierung. Es vergeht kaum noch ein Tag ohne Zeitungsmeldung über Streite zwischen CDU und FDP in Sachsen-Anhalt.
- Nicht einmal lesen können Sie. Also wissen Sie!
- Dass die FDP an dieser Stelle lacht, wundert mich überhaupt nicht.
Der CDU-Fraktionschef nennt den FDP-Spitzenkandidaten und Finanzminister intellektuell unredlich und unehrlich. Wo er Recht hat, hat er Recht.
Da Sie hier „Gallerjahn“ für Gallert und Bullerjahn einführten, sage ich das nicht einmal mit den Worten eines Scharfmachers.
Die Zeitung mit den großen Buchstaben fragt: „Warum fällt er dem armen Böhmer wieder in den Rücken?“
Gemeint ist wieder der Finanzminister. Die Themen sind unter anderem Mehrwertsteuer und Mindestlohn.
- Getroffene Hunde bellen zuerst.
Mir zeigt das vor allem eines: Der Vorrat an Gemeinsamkeiten ist endgültig erschöpft. Das Trennende überwiegt das Gemeinsame. Der Kitt ist weg.
Diese Regierung hat sich verbraucht. Schwarz-Gelb hat keine Zukunft.
Meine Damen und Herren! Bis zum Jahr 2021 liegen drei Legislaturperioden vor uns, die für die Entwicklung Sachsen-Anhalts von entscheidender Bedeutung sein werden. In diesem Zeitraum werden sich die finanziellen Spielräume deutlich verringern. Die Bevölkerung wird weiter abnehmen. Der Standortwettbewerb wird härter. Mit dem Ende des Solidarpaktes II und dem Abschluss der vierten EU-Förderperiode wird der Aufbau Ost abgeschlossen sein müssen.
Um die Wegstrecke bis zum Jahr 2020 auch für unser Land so erfolgreich wie möglich zu bewältigen, müssen Landesregierung und Parlament ihre Politik konsequent auf dieses Datum ausrichten. Wir stellen uns dem.
Lassen Sie mich auf vier wichtige Zukunftsaufgaben hinweisen: Erstens. Wir müssen Investitionen und Beschäftigung mobilisieren - eine Aufgabe, die dauerhaft ist und nicht erst von uns erfunden wurde, aber bleibt, egal wer dieses Land regiert.
- Ich verstehe gar nicht, warum sich die FDP beim Anhören von Tatsachen so schwer tut.
Ohne Investitionen der Unternehmen entstehen keine neuen Arbeitsplätze.
Umso wichtiger ist es, die vorhandenen Fördermittel und Förderinstrumente so einzusetzen, dass sie aus volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Sicht den größtmöglichen Ertrag bringen, vor allem auch mit Blick darauf, dass jede Förderung die maximal mögliche Anzahl von Arbeitsplätzen bringt und dass die Unternehmen vor allem export- und technologieorientiert sind.
Es gilt weiterhin, möglichst alle Förderprogramme in der Investitionsbank zusammenzuführen und diese zu einer Investitions- und Innovationsbank umzugestalten, die auch gleichzeitig die zentrale Anlaufstelle für Unternehmen ist.
Die Zersplitterung bei unseren Landesgesellschaften und bei den Förderprogrammen muss aufhören.
Bei der Ausgestaltung der Förderprogramme gilt der folgende Grundsatz: bei abgesenkter Basisförderung - ja,
bei abgesenkter Basisförderung - Konzentration von Mitteln auf starke Branchen und Cluster in den Regionen. Dabei ist klar: Wachstumspotenziale - natürlich unterschiedliche - gibt es in allen Regionen. Damit ist auch klar - Sie können das Gegenteil hundertmal betonen -: Keine Region wird abgehängt. Es geht um Konzentration in den Regionen.
- Herr Rehberger, Sie üben schon einmal das Sitzen auf den Abgeordnetenbänken, was?
Was in Brandenburg richtig ist - dort übrigens von einer großen Koalition mit einem CDU-Wirtschaftsminister festgelegt -, kann doch bei uns nicht so falsch sein.
- Herr Scharf, es ist Ihr Minister.
Ich darf einmal feststellen, dass die Wirtschaft selbst und auch die Wissenschaft auf unserer Seite sind.
Lesen Sie doch einmal die Stellungnahmen der Industrie- und Handelskammern und aus der Wissenschaft. Dann wissen Sie, dass Ihre provinzielle Vorstellung von Wirtschaftsförderung keine Zukunft mehr hat.
Wir haben morgen eine Aktuelle Debatte über das Thema. Sie haben sie beantragt; dafür danke ich Ihnen. Dann wird es noch genügend Möglichkeiten geben, das ausführlich zu beschreiben.
Meine Damen und Herren! Zum Thema Arbeitsmarkt. Hierbei sehen wir das Land weiterhin in der Pflicht gegenüber denjenigen, die nur schwer eine Arbeit finden. Wir plädieren deshalb für Kombilohnmodelle in größerem Umfang, damit Arbeitgeber einen Anreiz zur Einstellung von Arbeitslosen haben. Da aber diese Modelle in ihrer Wirkung auf dem Arbeitsmarkt sämtlich umstritten sind
- das gibt die SPD doch zu -, müssen wir sie wissenschaftlich begleiten und auswerten.
Solange aber keinem etwas Besseres einfällt, sollte man solche Dinge trotzdem angehen.
Für die älteren Arbeitslosen muss es ein Sonderprogramm geben. Hierbei können wir auf das zurückgreifen, was unter der SPD-geführten Landesregierung eingeführt wurde: das Programm „Aktiv zur Rente“, aber nicht auf Ein-Euro-Basis, sondern als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis, um so einen vernünftigen Übergang in die Rente zu ermöglichen.
Bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit müssen wir stärker präventiv wirken. Dazu gehören vor allem eine bessere Vorbereitung auf die Berufsausbildung, eine
bessere Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe sowie Maßnahmen zur Überwindung der so genannten zweiten Schwelle. Das heißt, wir müssen noch intensiver darüber nachdenken, wie wir jungen Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung den Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt ermöglichen können.
In der Chemie und im Metallbereich gibt es gute Beispiele; daran müssen wir anknüpfen.
Meine Damen und Herren! Wer „Kombilohn“ sagt, kommt am Thema Mindestlohn nicht vorbei. Die SPD wird sich massiv für entsprechende Regelungen einsetzen. Wo es nicht zu speziellen Vereinbarungen innerhalb von Branchen kommt, muss konsequenterweise eine gesetzliche Regelung her.
Am Ende.
Wir setzen uns dafür ein, dass gute Arbeit auch gut bezahlt wird. Jeder Mensch hat das Recht, von seiner Arbeit leben zu können. Wir dürfen es nicht zulassen, dass auf Dauer Hungerlöhne gezahlt werden.
- Das mag ja Ihre Vorstellung vom Leben sein, aber daran sind die Liberalen auch immer erkennbar.
Hauptsache Arbeit, auch wenn ich davon nicht leben kann.
Zweitens. Bildungsland Sachsen-Anhalt und Kinderförderung. Ich beginne mit dem, was alle Parteien verbindet: der Anspruch, die frühkindliche Bildung zu verbessern. Das heißt: Sicherung altersgerechter Angebote schon in den Kindertagesstätten und verbesserte Ausbildung der Erzieherinnen.
Bei diesen und anderen Aufgaben werden wir in den nächsten Jahren hoffentlich ein ganzes Stück vorankommen.
Wie aber soll die Schule der Zukunft aussehen, meine Damen und Herren? - Auf diese Frage geben wir unterschiedliche Antworten. Die Sicht der SPD: Wir beobachten leider eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Bildungsverlierer und Bildungsgewinner. Das ist auf dem Arbeitsmarkt zu beobachten, wo schlecht ausgebildete Menschen de facto wenig Chancen haben. Das beobachten wir aber auch in der Schule, wo in SachsenAnhalt ein Achtel der Kinder nicht einmal einen Hauptschulabschluss erreicht. Es mangelt an den Grundquali
fikationen und die Wirtschaft stellt zu Recht die Frage nach der Ausbildungsfähigkeit vieler junger Menschen.
Die Frage ist also: Wie schafft es unser Bildungssystem, allen Kindern eine faire Chance zu geben? Wie schafft es die Schule, dass niemand zurückbleibt, dass kein Kind aufgegeben wird?
Aus meiner Sicht heißt das: ein Netz von Ganztagsschulen, gemeinsames Lernen bis zur Klasse 8, Erweiterung der Selbständigkeit der Schulen, Aufhebung der Eignungstests für die Gymnasien, wohnortnahe Schulangebote erhalten.
Ihre Antworten auf die Bildungsfragen, Herr Ministerpräsident, reichen aus meiner Sicht nicht aus. Die Dinge müssen noch einmal auf den Tisch und umfassend diskutiert werden. Dabei geht es nicht um schnelle Strukturveränderungen. Herr Scharf, wenn Sie die Programme gelesen haben, dann bin ich enttäuscht, dass Sie es bewusst falsch wiedergeben.
Wir wollen einen Bildungskonvent und die möglichst ideologiefreie Diskussion, wie Schule in Sachsen-Anhalt dauerhaft Bestand haben kann. Die SPD lädt alle Fraktionen dieses Hauses und auch alle Lehrer, Eltern, Schüler, Gewerkschaften und die Wirtschaft ausdrücklich ein, sich an dieser Debatte zu beteiligen.
Eine Partei, die, wie Sie, darauf hinweist und die sich heute nur auf eines kapriziert, auf die Verteufelung der Dinge, die die SPD gemacht hat oder machen will - wir hatten das schon einmal in einem Wahlkampf; deswegen stehe ich auch zu dem sehr emotionalen Anfang meiner Rede -, die aber nach dem Regierungswechsel nichts Eiligeres vorhatte, als die Förderstufe abzuschaffen, die stellt sich hier hin und warnt die Leute davor, dass, wenn die SPD kommt, diese alles wieder umkrempeln würde.
Ich sage Ihnen: Wenn Sie es gelesen haben, dann gehen Sie bewusst mit falschen Antworten umher. Wenn Sie es nicht gelesen haben, dann wäre es dringend an der Zeit, dies nachzuholen.
Meine Damen und Herren! Unsere Hochschulen sind Motor gesellschaftlicher und auch wirtschaftlicher Entwicklung. Wir müssen sie stärken. Das ist der dritte Baustein einer umfassenden Politik für bessere Bildung und Ausbildung. Wir wollen mehr Autonomie für die Hochschulen. Wir wollen die Qualität der Lehre und Forschung erhalten und vor allem die Kooperation mit der Wirtschaft verbessern. Ich denke, darin sind wir uns doch eigentlich alle einig.
Unsere Hochschulen, meine Damen und Herren, sind Magneten für junge Menschen aus aller Welt. Lassen wir sie also ihren Job machen. Befreien wir sie weiter vom Gängelband überflüssiger staatlicher Bürokratie. Ich denke, auch das dürfte nicht umstritten sein. Mehr Autonomie kann doch nur mehr Kreativität wecken.
Drittens. Die öffentliche Verwaltung und der Haushalt. Sachsen-Anhalt muss politisch handlungsfähig bleiben. Wir benötigen genügend Geld für die Lösung der wichtigen Zukunftsaufgaben.
Lassen Sie mich einmal kurz abschweifen. Ein Fraktionschef, der wie ich jahrelang im Finanzausschuss saß und heute nicht ein Wort dazu sagt, warum es seiner Regierung nicht gelungen ist, die Neuverschuldung zurückzuführen, und der stillschweigend hingenommen hat, dass der Finanzminister das Land hinsichtlich der Verschuldung vier Jahre zurückgeworfen hat, ist in meinen Augen einfach nur feige, Herr Scharf.
Ich habe bemerkt, welche Rollenverteilung Sie vereinbart haben. Herr Böhmer hat den Guten, den Ruhigen, den Staatsmann gemacht. Ich weiß, dass er jetzt eifrig schreibt, weil er noch einmal nach vorn gehen will. Ich werde es dann auch noch einmal tun. Sie waren der Wadenbeißer und haben sich heute mit uns beschäftigt. Auch das ist Ihr gutes Recht. Nun frage ich mich aber, wer von Ihnen eigentlich zur Wahl antritt.
- Herr Scharf ist also der auserkorene Kronprinz? Jetzt wissen wir es endlich.
- Es ist ja gut.
Also Sachsen-Anhalt muss handlungsfähig bleiben. Wir lassen uns - dazu stehe ich und dazu steht auch die SPD - zum Beispiel bei den Themen Verfassung und Kinderrechte nicht das Denken verbieten. Ich denke, es ist für Politiker immer wichtig, nach vorn zu denken und nicht immer gleich das Geld vorzuschieben. Herr Scharf, damit war die Politik noch nie produktiv.
Wir müssen weiterhin eine echte Partnerschaft zwischen dem Land und den Kommunen eingehen, die die Konsolidierung des Landeshaushalts und der kommunalen Haushalte begleitet. Dazu gehört ein neues Finanzausgleichsgesetz, das den zurückgehenden Einnahmen Rechnung tragen muss und das die raumordnerischen Entwicklungen in den Regionen berücksichtigt. Denn eines muss klar sein: Die Verwaltungsreform ist noch lange nicht abgeschlossen.
Wir wollen die Einheitsgemeinden bis zum Jahr 2009 flächendeckend einführen. Wir wollen perspektivisch fünf große Landkreise, starke Großstädte und Mittelzentren sowie ein aktives Landleben.
Ich lebe selbst auf dem Land. Ich wundere mich immer, wenn mir jemand aus der Stadt erklären will, was ich mit dem Dorf veranstalte. Wenn mir ein Magdeburger etwas über das Mansfelder Land erklären will, Herr Scharf, dann rate ich ihm zu mehr Ruhe. Ich habe dort gearbeitet. Ich habe gesehen, wie viele Menschen dort ihre Arbeit verloren haben. Deshalb traue ich mir schon zu, ein Wörtchen mitzureden.
Wir wollen perspektivisch ebenfalls die Zweistufigkeit der Verwaltung. Wir wollen Bürgerfreundlichkeit und Effizienz. Wir wollen darüber nachdenken, welche Aufgaben wegfallen können. Wir wollen die Verwaltung weiter umbauen hin zu einem Dienstleister für die Unternehmen und für die Bürger.
Das alles - das wissen wir auch - wird mit einem Stellenabbau im öffentlichen Dienst verbunden sein. Aber ich denke, die Gewerkschaften und die Personalräte sind bereit, diesen Weg mitzugehen, wenn es dabei gerecht zugeht und wenn sie einbezogen werden.
Lassen Sie mich zum letzten Punkt kommen. Viertens. Eine gemeinsame Strategie für die Bundes- und die Landespolitik. Während der nächsten dreieinhalb Jahre wird es in Berlin die Koalition aus CDU und SPD geben. Ich bin zuversichtlich, dass die von den beiden großen Parteien getragene Bundesregierung Erfolg haben wird. Vieles deutet darauf hin.
Sie wird aber nur dann erfolgreich sein können, wenn sie durch die Länder unterstützt wird. In der jetzigen Konstellation in Sachsen-Anhalt ist das nur schwer vorstellbar. Eine FDP, die sich zum Beispiel darauf festlegt, die Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht mitzutragen, ist nicht Motor, sondern Bremsklotz für diese Koalition. Das sollte man auch einmal aussprechen.
In Deutschland sind viele Probleme anzupacken. Es gilt, die Gesundheitsreform, die Rentenreform, die Haushaltskonsolidierung, Wachstum und soziale Gerechtigkeit gemeinsam voranzubringen. Fortschritte im Bildungsbereich, der Aufbau Ost und die Sicherung des Solidarpaktes II sind nur einige weitere Stichworte. Ich bin optimistisch, dass diese Aufgaben auf der Bundesebene gelöst werden und dass Sachsen-Anhalt davon profitieren wird. Das funktioniert aber nur, wenn sich das Land Sachsen-Anhalt klar und eindeutig einbringt.
Meine Damen und Herren! Heute ist der 16. Februar. Es sind noch 38 Tage bis zur Landtagswahl. In dieser Zusammensetzung kommen wir zum letzten Mal zusammen. Ich gehe auch davon aus, dass wir zum letzten Mal in dieser Rollenverteilung zusammen sind.
Ich will die Gelegenheit nutzen, allen Abgeordneten für die Zusammenarbeit zu danken. Sie haben zu einer Atmosphäre in diesem Hause beigetragen - das meine ich sehr ehrlich -, die ich als sachlich und fair empfinde. Ich schließe dabei ganz bewusst die heutige Debatte mit ein. Sie steht nämlich gleichsam stellvertretend für die gesamte Legislaturperiode, in der wir insgesamt ordentlich, sicherlich in der Sache hart, aber fair miteinander umgegangen sind. Das hat sicherlich auch daran gelegen, dass wir keine rechte Partei im Landtag hatten.
Wir konnten uns daher auf eine Auseinandersetzung in der Sache zwischen den Fraktionen der einzelnen demokratischen Parteien einlassen. Lassen Sie uns in den nächsten Wochen daran arbeiten, einen von Fakten und von Inhalten und weniger von Emotionen gegen andere geprägten Wahlkampf zu machen, sodass diese sachliche Argumentation auch in der nächsten Wahlperiode möglich ist. - Ich danke Ihnen.
Von Herrn Schröder besonders gern. Das macht schon allein der Name.
Herr Gürth, kann ich darauf reagieren?
Ich finde es Klasse, dass die FDP jetzt so lacht. Wir haben nach vier Jahren der Tolerierung sicherlich auch in der Partei heftig diskutiert. Trotzdem gab es eine Wahl, bei der der Wähler ein ziemlich eindeutiges Ergebnis abgegeben hat, nämlich dass die SPD als stärkste Fraktion weiterregieren sollte.
Die FDP hat es bei der letzten Wahl - warum auch immer, das habe ich nicht weiter zu bewerten; darauf kommen wir in den nächsten Wochen zurück - mit sehr überzogenen Überschriften erreicht, ein Ergebnis weit ab vom Durchschnitt hinzulegen, sodass Sie gezwungenermaßen mit ihr regieren mussten. Dass die FDP jetzt, bei diesen Umfragewerten, lacht, zeigt, dass sie wirklich mit dem Rücken hart zur Wand stehen muss.
Ich sage Ihnen eines: Wir werben für das, was wir am besten können, nämlich Konzepte erstellen, und wir werden Leute hinstellen, die für das werben, was die SPD
will. Wir gehen nicht in diesen Wahlkampf, indem wir eine rote Laterne hinhängen und das Land schlechtreden.
Mit der ersten Regierungserklärung, die von Ihnen kam, versuchten Sie, das Land wieder aus dem Loch zu buddeln und zu sagen: So schlimm ist es nicht. - Ich glaube, man kann der SPD wirklich nicht unterstellen, dass sie ihren Wahlkampf nicht fair führt, dass sie nicht zeigt, was sie nachher machen will, und dass sie nicht dafür steht, dies auch tun zu können. Alles andere, Herr Gürth, die Probleme, die Sie mit der FDP haben
- Sie haben angefangen, von Ihrem Partner zu sprechen -, klären Sie besser untereinander. Ich habe heute mehrere Hinweise bekommen, die wie das Pfeifen im Wald klangen. Ich weiß auch, dass das Miteinander manchmal, noch dazu bei solchen Umfragewerten, ganz schön schwer wird, vor allem wenn der kleinere Koalitionspartner dauernd erklärt, was er am besten kann. Das müssen Sie aber mit denen ausmachen.
Es ist immer wieder verblüffend für mich festzustellen, wie einfach sich die Welt für Sie so darstellt.
- Wollen Sie sich gleich selbst die Antwort darauf geben? - Ich habe doch in meiner Bewertung vorhin auf das abgehoben, was Sie in Ihren Wahlprogrammen im Jahr 2002 niedergeschrieben haben. Da steht - -
- Nein, Sie haben auf meine Rede abgehoben; deswegen möchte ich meine Rede auch erklären, Herr Schrader. Konkret ging es darum, ob ich nicht mitbekommen hätte, dass es soundso viele Arbeitslose weniger wären. Sie haben den Menschen vor der letzten Wahl versprochen, dass die Arbeitslosigkeit nachhaltig zurückgehen wird. Davon ist nichts zu spüren.
Ich möchte jetzt in der Sache antworten. Wir haben auf der einen Seite plus/minus 250 000 Arbeitslose. Dazu kommen noch viele Menschen, die sich in Arbeitsmarktmaßnahmen befinden. Da ist man in einigen Monaten einmal über, in anderen Monaten unter der Grenze von 250 000 Arbeitslosen. Glauben Sie allen Ernstes, dass es den Arbeitslosen - noch dazu zu einem Zeitpunkt, in dem die Langzeitarbeitslosigkeit zunimmt - wert ist, diesen Streit hier zu sehen?
- Herr Rehberger, ich habe sogar gesagt, dass ich das anerkenne, was gemacht wurde. Ich bin jedem Unternehmer dankbar, der sich in diesem Land neu angesiedelt hat - unabhängig davon, wer hier reagiert. Das ist denen zumeist auch egal. Sie wollen hier Geld verdienen und Arbeitsplätze schaffen.
Ich habe aber etwas dagegen, wenn sich gerade liberale Wirtschaftsminister das Leben so einfach vorstellen, wie es in Ihrer Ansicht zum Ausdruck kommt. Da haben wir 5 000 Arbeitslose weniger; es werden aber wieder mehr Menschen werden.
Gegen allen Sachverstand stellen Sie sich hin und erklären den Menschen etwas zu diesem Land. Ich sage Ihnen jetzt einmal persönlich: Ich habe die Befürchtung, dass Sie aus diesem Land schneller weg sind, als man gucken kann, während Sie mir erklären wollen, wie man hier leben muss. Das mache ich nicht mehr mit, Herr Rehberger.
Das ist wieder so etwas. Ich weiß nicht, was Sie mir hier reindrücken wollen. Wir alle sind uns doch einig - -
- Lassen Sie mich doch ausreden! Wissen Sie, im Gegensatz zu Ihnen habe ich mich monatelang hingesetzt und habe das ausgerechnet. Sie stehen da, gucken zu und bewerten, was andere machen.
Das ist die wesentlich einfachere Rolle; es ist zumeist auch die Rolle, die die FDP ausfüllt.
Noch einmal: Ich habe gesagt - Frau Hüskens, darin sind wir uns einig -, die Länderfinanzen werden um ein Drittel zurückgehen. Völlig klar ist auch, dass auch die Kommunalfinanzen zurückgehen werden. Ich habe es einmal ausgerechnet. Wenn die Pflichtaufgaben des Landes - Personal, Verschuldung - bezahlt werden müssten, würde es theoretisch zu einer Halbierung kommen; das kann niemand ernsthaft wollen.
Nun stellt sich die Frage, an welcher Stelle man vielleicht mehr sparen kann oder ob man sagen sollte: Leute, wenn wir uns darauf vorbereiten müssen, dass wir bei einem Rückgang des Mittelvolumens aus dem Solidarpakt und einer Rückführung der Neuverschuldung um rund 1 Milliarde € dauernd auch bei den Kommunalfinanzen sein werden, dann müssen wir auch über Strukturveränderungen wie die Einrichtung von Einheitsgemeinden oder die Veränderung der Landkreisstruktur die Frage klären, wie dieser Rückgang der Einnahmen zu steuern ist.
Das ist Partnerschaft und nicht das, was Sie machen, wenn Sie den Menschen vor den Wahlen versprechen: Wir geben euch mehr. Dann sagt man aber, man hat in die Bücher geguckt, es ist doch euer Pech, wenn ihr jetzt weniger bekommt. - Ich habe eine andere Vorstellung von Partnerschaft.
Oder wollen Sie allen Ernstes bestreiten, dass die Kommunalfinanzen zurückgehen werden, Frau Hüskens?
Ja, eine letzte. Bitte.
Das ist doch Quatsch. Das habe ich überhaupt nicht gesagt.
- Das stimmt doch gar nicht. Ich habe gesagt, beim Rückgang der SoBEZ - -
- Ich weiß doch, was ich geschrieben habe, Frau Dr. Hüskens.
Herr Schrader, ich weiß nicht, ob Sie es jemals gelesen haben.
Beim Rückgang dieser Mittel für das Land wird es zu einer Rückführung der Kommunalfinanzen kommen. Wir schlagen dazu Strukturveränderungen vor. Ich habe sogar angeregt, dann auch zu einer stärkeren Gewichtung der zentralen Funktion zu kommen, der Orte, die andere Räume mitnehmen.
Das bedeutet, dass wir dann bei dem Rückgang auch der Kommunalfinanzen schauen müssen, wie wir das verteilen. Das wird doch keine Proportion sein. Wie und in welchen Jahresschritten das in den nächsten fünf bis zehn Jahren erfolgen soll, darüber möchte ich heute mit den Kommunen reden, damit die nicht jedes Jahr Angst haben müssen, wenn hier über den Haushalt geredet wird. Das steckt dahinter. Ich denke, es ist doch relativ gut nachvollziehbar.
Bei einem Herrn Schröder immer.
Ich glaube, es waren jetzt sechs Punkte in einer Frage. Ich bin Ihnen nicht böse, weil Sie es vorhin so emotional gemacht haben. Ich mache das jetzt einmal emotionslos.
Erstens. Wenn Sie behaupten, dass es da wieder SPDLeute gibt, die sagen, die Regionalkreise seien vom Tisch, und wenn Sie mir jetzt wieder unterstellen, sie seien nicht vom Tisch, dann kann einen das wirklich nur noch nerven. Dass es richtig verstanden wird, hören Sie übrigens auch bei der PDS.
Da muss ich die Kritik zu Recht annehmen; denn wir haben gesagt, Ziel der SPD - ich habe es vorhin mit dem Begriff „perspektivisch“ zum Ausdruck gebracht und ich weiß, dass es in der CDU auch einige Abgeordnete gibt, die das hinter vorgehaltener Hand auch sagen - wird perspektivisch die Einführung dieser fünf Regionalkreise bleiben.
Wir sind uns sicher, dass es in der nächsten Legislaturperiode nicht kommen kann, weil Sie es in den letzten vier Jahren geschafft haben, beim Thema Verwaltungsreform alle auf die Palme zu bringen.
Es gibt einen Raum, den wir ganz bewusst angehen würden; das ist der Raum Anhalt. Alles andere wird in der übernächsten oder in der überübernächsten Wahlperiode entweder von allein oder gesetzgeberisch zusammenzuführen sein.
Dies noch einmal ganz klar, damit auch Sie, Herr Schröder, es mitnehmen können und nicht wieder in Sangerhausen eine Pressemitteilung dahin gehend abgeben, die SPD wolle die Kreise doch wieder aufreißen.
Zweitens. Gepaart mit den Einheitsgemeinden - die sind der Anlaufpartner für die Bürger; dort soll die Dienstleistung für den Bürger stattfinden und, wie der MP selbst gesagt hat, stärker rechnergestützt und stärker bezogen auf das, was im Ort noch gemacht werden muss - stellt sich dann die Frage, wie ein Land wie Sachsen-Anhalt mit zwei Millionen Einwohnern bei einer Wirtschaftskraft, die irgendwann nicht mehr wachsen kann, im Konzert mit Bayern und Baden-Württemberg mithalten soll. Aus diesem Grund diskutieren wir unter uns, ob es dann nicht sinnvoll wäre, in die nächste Stufe zu gehen und einen Wirtschaftsraum zu schaffen, der sich mit Bayern und Baden-Württemberg messen kann und nicht dauerhaft mit Schleswig-Holstein.
Da ich ja weiß, dass Sie sich mit Raumordnung befassen, finde ich es sehr schade, dass Sie aufgrund von Wahlkampf oder Heimattümeleien diese Perspektiven des Landes kaputt reden wollen. - So weit zu meiner Antwort. Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich zu Anfang sagen: Wir als Antragsteller glauben, dass unser Antrag auf diese Aktuelle Debatte im Sinne aller Fraktionen ist. Insofern war es verzichtbar, im Vorfeld längere Abstimmungsprozesse herbeizuführen. Ich will es gleich zu Beginn sagen: Mir geht es heute um das gemeinsame Zeichen, nicht um die Ausschöpfung der Redezeit und auch nicht darum, die Thematik noch einmal von Grund auf zu erläutern. Es geht mir um das gemeinsame Zeichen all derer, die hier im Landtag sit
zen. Ich hoffe, wir bekommen das hin. Deshalb haben wir versucht, diese Debatte zu initiieren.
Die Vorkommnisse in Pömmelte und anderswo im Land sind Anlass dafür, die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus erneut gemeinsam zu thematisieren. Gewiss, allein durch Reden und mit der Befassung im Landtag werden wir junge Menschen nicht zur Umkehr bewegen. Dazu müssen wir mehr tun, viel mehr.
Falsch wäre es aber auf jeden Fall, darüber gar nicht zu reden, zu schweigen; denn wir dürfen uns nicht dem Vorwurf der Gewöhnung aussetzen. Ich glaube, dass das, was wir machen oder wie wir reagieren, schon von außen beobachtet wird. Wenn wir es einmal unterlassen würden, darauf zu reagieren, würden andere dies als ein Zeichen werten.
Das Thema gehört auch deswegen in den Landtag, weil es ein zentrales Problem in Sachsen-Anhalt und in ganz Deutschland ist. Wir sollten das nicht verschweigen, uns aber auch nicht zu sehr Asche aufs Haupt streuen. Das ist ein Problem, das Deutschland schon lange hat, was es jetzt hat und mit dem es sich leider wahrscheinlich auch immer wird herumschlagen müssen. Deswegen ist die Auseinandersetzung so notwendig.
Die grausamen Handlungen an einem minderjährigen Kind in Pömmelte sind Ausdruck einer Menschen verachtenden Gesinnung und einer labilen inneren Haltung. Aber egal aus welcher Gesinnung heraus auch immer: Wer Menschen misshandelt und demütigt, muss mit aller Härte vom Rechtsstaat bestraft werden.
Die Misshandlung eines Zwölfjährigen macht uns zu Recht zornig und wütend, weil die gewalttätigen Aggressionen ein wehrloses Kind getroffen haben. Welche Langzeitschäden das Kind davontragen wird, kann man nur erahnen. Aber daraus ziehe ich immer wieder vor allem den Schluss: Es wird höchste Zeit - diesen Vorwurf müssen wir uns selbst machen -, dass wir uns mehr und mehr um die Opfer kümmern, statt immer nur über die Täter zu reden, dass wir die Schicksale der Opfer ernst nehmen und sie, falls nötig, auch noch länger begleiten.
Auslöser für diese brutale Gewaltorgie war offensichtlich die Hautfarbe des Jungen und die Tatsache, dass er deutscher Staatsbürger ist. Nach der Devise: Es ist keiner von uns; deshalb haben wir das Recht, ihn fertig zu machen; deshalb muss er leiden und sich unterwerfen.
Eine solche Haltung kann nicht toleriert werden und darf nicht toleriert werden. Sie beginnt dort, wo sich Menschen abfällig über ausländische Mitbürger äußern, wo Vorurteile gegenüber Schwachen und Fremden genährt werden, und auch dort, wo wir manchmal einfach wegschauen, wie es auch in Pömmelte leider geschehen ist. Wir wissen, dass dies allzu oft das Alltagshandeln vieler ist. Auch das sollten wir den Leuten sagen: Zivilcourage ist nicht nur etwas für wenige, sondern es geht alle in Deutschland an. Es wäre gut, wenn das immer mehr begreifen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen gerade im Umgang mit dem Rechtsextremismus mehr Zivilcourage.
Ich sprach es gerade an. Das ist nicht immer einfach, aber es gibt Beispiele von mutigen Menschen, die nicht wegsehen. Das verdient Respekt und Anerkennung, auch öffentlich, auch hier im Landtag und auch heute.
Zu begrüßen sind die deutlichen Worte von allen demokratischen Parteien, von der Landesregierung und von vielen Verbänden, die sich klar gegen Fremdenfeindlichkeit äußern und diesen Vorfall aufs Schärfste verurteilen. Dies ist das Mindeste, was auch von uns im Parlament erwartet wird. Wichtiger ist aber, dass die Ursachen solcher Handlungsweisen erkannt, immer wieder benannt und entsprechende Gegenstrategien entwickelt werden.
Die vielfältigen Initiativen im Land, wie der Verein „Miteinander“ oder das Netzwerk für Demokratie und Toleranz sind wichtige Bausteine einer wirksamen Gegenstrategie. Ich muss aber ehrlich sagen, beim Netzwerk für Demokratie und Toleranz dauert mir die Umsetzung zu lange. Bisher ist nicht erkennbar, wie das Netzwerk in der Praxis agieren soll. Ein abgestimmtes Vorgehen ist noch nicht zu erkennen. Nach einem solchen Vorfall wie in Pömmelte ist die sofortige Einberufung des Bündnisses notwendig.
- Sie ist ja inzwischen auch für den 30. Januar 2006 vorgesehen, Herr Tullner.
Lassen Sie mich skizzieren, in welche Richtung die Bündnispartner gehen sollten: Gefordert sind Maßnahmen gerade auch der Wirtschaft, die für ihre Betriebe und Unternehmen unmissverständlich erklären, dass Weltoffenheit eine Grundvoraussetzung für unternehmerisches Handeln ist und Arbeitsplätze insbesondere durch ausländische Investoren geschaffen werden.
Gefordert sind Sportvereine und der Landessportbund mit seinen Verbänden, die unmissverständlich erklären, dass der Sport vom internationalen Wettkampf lebt und dass deshalb in seinen Reihen ausländerfeindliche Parolen keinen Platz haben.
Gefordert sind Kultur- und Musikvereine und die Theater in unserem Land, die unmissverständlich erklären, dass der kulturelle Austausch zwischen den Völkern seit jeher zur Vielfalt des künstlerischen Schaffens gehört und Weltoffenheit ein wichtiges Markenzeichen unseres Kulturlebens ist.
Gefordert sind die Kirchen und Wohlfahrtseinrichtungen, die unmissverständlich erklären, dass die Würde jedes Menschen unantastbar ist, gerade in Bezug auf die Schwachen und Behinderten oder Ausländer und Asylbewerber.
Gefordert sind auch die Hochschulen und Bildungseinrichtungen, die unmissverständlich erklären, dass Forschung nur im internationalen Austausch erfolgreich ist und nationalistische Tendenzen konsequent abgelehnt werden.
Gefordert sind Verwaltung, Polizei und Staatsanwaltschaft, die unmissverständlich erklären, dass Gewalt gegenüber Menschen konsequent geahndet wird und aus
ländische Mitbürger dieselben Rechte haben und unter dem Schutz des Staates stehen.
Gefordert sind schließlich auch wir, die Politik, die klare Positionen beziehen muss und gerade jungen Menschen deutlich machen sollte, welchen Wert unsere freiheitliche Demokratie hat.
Meine Damen und Herren! Wir Demokraten müssen all unsere Möglichkeiten nutzen, um für Weltoffenheit und Toleranz zu werben und uns mit aller Kraft gegen Fremdenfeindlichkeit und nationalistisches Gedankengut einzusetzen. Alle Formen des extremistischen Handelns und alle Formen der Gewalt, insbesondere gegen Schwache, Behinderte und ausländische Mitbürger bekämpfen wir auf das Schärfste.
Ich weiß, dass dies nicht nur für die SPD gilt, sondern für alle demokratischen Parteien, und das ist gut so.
Aber ich betone noch einmal, dass die größte Gefahr für die Demokratie und für die Gesellschaft gegenwärtig vom Rechtsextremismus ausgeht.