Protocol of the Session on May 26, 2005

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne hiermit die 59. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der vierten Wahlperiode. Dazu möchte ich Sie, sehr geehrte Anwesende, auf das Herzlichste begrüßen.

Ich stelle zunächst die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Mitglied des Landtages hat heute Geburtstag. Es ist Herr Qual von der FDP-Fraktion. Herr Qual, im Namen des Hohen Hauses und auch persönlich gratuliere ich Ihnen herzlich.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich wünsche Ihnen alles Gute, beste Gesundheit und Erfolg in Ihrem persönlichen Leben.

(Unruhe)

- Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, erst einmal die Unterhaltungen einzustellen.

Nachdem Herr Stefan Gebhardt mit Wirkung vom 12. Mai 2005 auf sein Mandat verzichtet hat - auf die Unterrichtung in Drs. 4/2147 sei hierzu verwiesen -, teilte der Landeswahlleiter mit Datum vom 13. Mai 2005 mit, dass Frau Angelika Hunger die nächstfolgende Ersatzperson auf der Landesliste der PDS ist, die die Wahl angenommen hat und somit in den Landtag nachgerückt ist. Diese Mitteilung ist Ihnen in der Drs. 4/2162 zugegangen.

Im Namen des Hohen Hauses begrüße ich Frau Angelika Hunger als neues Mitglied des Landtages.

(Beifall im ganzen Hause)

Herzlich willkommen, Frau Hunger! Da Frau Hunger innerhalb der Fraktion bereits als Referentin tätig war, ist sie sicherlich den meisten von Ihnen nicht unbekannt. Sehr geehrte Frau Hunger, ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Freude in Ihrer parlamentarischen Arbeit zum Wohl des Landes Sachsen-Anhalt. Dazu beste Gesundheit und Erfolg. Seien Sie herzlich willkommen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen nun die Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung vortragen:

Herr Minister Dr. Daehre kann an beiden Sitzungstagen nicht an der Plenarsitzung teilnehmen. Er befindet sich, wie Ihnen sicherlich bekannt ist, auf einer Dienstreise in Syrien.

Herr Ministerpräsident Professor Dr. Böhmer bittet, seine ganztägige Abwesenheit am morgigen 27. Mai 2005 aufgrund seiner Teilnahme an der Bundesratssitzung in Berlin zu entschuldigen.

Aus dem gleichen Grund bittet Herr Minister Becker, sein Fehlen am morgigen Tag zu entschuldigen.

Herr Minister Jeziorsky wird ab morgen an der Frühjahrstagung der Parlamentarischen Versammlung der Nato in Slowenien teilnehmen. Er lässt sich also ebenfalls für den Freitag entschuldigen.

Herr Minister Professor Dr. Olbertz nimmt an einer Podiumsdiskussion im Rahmen des in Hannover stattfindenden 30. Deutschen Evangelischen Kirchentages teil.

Er bittet daher, seine Abwesenheit am Freitag ab 13 Uhr zu entschuldigen.

Damit kommen wir zur Tagesordnung, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Tagesordnung für die 31. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Gibt es zu dieser Tagesordnung Bemerkungen, Hinweise oder Änderungswünsche? - Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir nach dieser Tagesordnung.

Nun noch ein Wort zum zeitlichen Ablauf der 31. Sitzungsperiode. Die heutige Landtagssitzung werden wir, wie vereinbart, pünktlich um 17.15 Uhr schließen, da bekanntlich die Veranstaltung zum zehnjährigen Bestehen der Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Landtages von Sachsen-Anhalt e. V. im Landtagsrestaurant stattfindet, zu der ich Sie nochmals herzlich einlade. Ich möchte Sie bitten, meine Damen und Herren, an dieser Veranstaltung zahlreich teilzunehmen. Es wäre unschön, wenn Damen und Herren ehemalige Abgeordnete aus Baden-Württemberg, Bayern oder Hannover hierher kämen und unsere eigenen Abgeordneten durch Abwesenheit glänzten.

Die morgige 60. Sitzung beginnt wie üblich um 9 Uhr und wird voraussichtlich gegen 17.45 Uhr beendet sein. - So weit zum zeitlichen Ablauf, meine Damen und Herren.

Wir können damit in den Tagesordnungspunkt 1 a eintreten:

Regierungserklärung des Ministers für Wirtschaft und Arbeit Herrn Dr. Rehberger zum Thema: „Sachsen-Anhalt holt auf - zur Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung“

Ich erteile nun Herrn Minister Dr. Rehberger das Wort zur Abgabe der Regierungserklärung. Bitte sehr, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen früher auf! Eine Forsa-Studie brachte es an den Tag: In keinem Bundesland sind die Menschen so früh auf den Beinen wie in Sachsen-Anhalt.

Bei der Bewältigung unserer ökonomischen und sozialen Probleme ist dies ein Vorteil. Frühaufsteher sind unternehmungslustig, sie sind leistungsbereit, sie wollen vorn mit dabei sein. Genau diese Einstellung brauchen wir.

Die ökonomische Ausgangslage Ostdeutschlands und damit auch unseres Landes war nach dem Zusammenbruch des SED-Regimes verheerend. Die Wirtschaftskraft erreichte gerade ein Drittel des westdeutschen Niveaus, die Infrastruktur war ebenso wie der Maschinenpark hoffnungslos veraltet und weitgehend verschlissen, der Umweltschutz spielte so gut wie keine Rolle, viele Wohnungsbauten befanden sich in einem menschenunwürdigen Zustand, die Lebenserwartung war deutlich niedriger als im Westen.

In keinem anderen ostdeutschen Bundesland waren im Übrigen die dringend gebotenen wirtschaftlichen Strukturveränderungen so einschneidend wie in SachsenAnhalt, nirgends war die Dominanz großer Kombinate so erdrückend und die Zahl der mittleren und kleineren Wirtschaftseinheiten so gering.

Meine Damen und Herren! Gemessen an dieser Ausgangslage ist in den zurückliegenden15 Jahren in Ostdeutschland und gerade in Sachsen-Anhalt - Frau Dr. Kuppe, auch dank Ihrer Arbeit - enorm viel erreicht worden.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Dazu hat vieles beigetragen: die Menschen in unserem Lande, die Investoren, die Europäische Union, der Bund - egal wer regierte - und die alten Bundesländer, auch die Gewerkschaften. Gewerkschaftsführer wie Hermann Rappe und Hubertus Schmoldt, aber auch der langjährige DGB-Vorsitzende von Sachsen-Anhalt, Dr. Jürgen Weißbach, um nur einige namentlich zu nennen, haben wesentlich zur Bewältigung des dramatischen Strukturwandels in unserem Lande beigetragen. Dafür ist die Landesregierung dankbar.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Dankbar sind wir auch dafür, dass sich bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen im Einzelnen die Gewerkschaften - zum Beispiel durch die Mitarbeit des DGB-Vorsitzenden Udo Gebhardt im Präsidium des Forums für Wirtschaft und Arbeit - bei der Bewältigung der nach wie vor großen Probleme unseres Landes konstruktiv einbringen.

Leider hat sich der wirtschaftliche Aufholprozess seit einer Reihe von Jahren stark verlangsamt. Zeitweise kam er sogar völlig zum Stillstand. Ursächlich dafür waren und sind freilich nicht regionale Faktoren; vielmehr steht die gesamte deutsche Volkswirtschaft angesichts der in einem atemberaubenden Tempo stattfindenden wirtschaftlichen Veränderungen in der Welt einerseits und des seit mehr als drei Jahrzehnten in der Bundesrepublik zu verzeichnenden Geburtendefizits andererseits vor Herausforderungen, die nur durch entschlossene und weitreichende Reformen, insbesondere im Bereich der sozialen Sicherungssysteme, bewältigt werden können.

Dieser Reformbedarf war übrigens schon vor der Wiederherstellung der deutschen Einheit vorhanden. Durch das massive Konjunkturprogramm für die Wirtschaft der alten Bundesländer, das mit der Wiedervereinigung verbunden war, wurde der Reformbedarf für einige Jahre in den Hintergrund gedrängt. Es ist aber, meine Damen und Herren, in der Sache falsch und gegenüber den Menschen in allen Teilen Deutschlands unverantwortlich, wenn einzelne Publizisten für die aktuelle Misere Deutschlands den Osten verantwortlich machen.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Wenn im Übrigen ein prominenter Journalist dieser Tage erklärte, er wolle - ich zitiere - „in die Wunden der Einheit stechen“, so sollte er bedenken, dass Wunden nicht verheilen können, wenn sie immer wieder aufgestochen werden.

Meine Damen und Herren! Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen die jetzige Landesregierung im Mai 2002 ihr Amt angetreten hat, waren alles andere als einfach. Heute, drei Jahre danach, ist festzustellen, dass wir zwar unser Ziel noch lange nicht erreicht haben; die Daten, Fakten und Trends zeigen aber, dass wir auf dem richtigen Wege sind.

Nimmt man das Wirtschaftswachstum als umfassenden Maßstab für die Entwicklung einer Volkswirtschaft, so er

reichten Deutschland in den Jahren 2002 bis 2004 insgesamt ein reales Wachstum von 1,6 %, die neuen Bundesländer eines von 2,3 % und Sachsen-Anhalt eines von 3,6 %. Bei allen Unterschieden zwischen den einzelnen Jahren - im Jahr 2004 lag der Wert in SachsenAnhalt bekanntlich leicht unter dem des Bundes und Ostdeutschlands - ist der Gesamttrend unserer regionalen Wirtschaft also ermutigend.

Zu diesem Trend haben mehrere Faktoren beigetragen. Meine Damen und Herren! Wir haben die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessert. Zu den Fehlern, die nach der Wiedervereinigung Deutschlands gemacht wurden, gehörte, dass das in Jahrzehnten gewachsene Normengeflecht der alten Bundesrepublik einschließlich der damit verbundenen Bürokratie kurzerhand auf die neuen Bundesländer übertragen worden ist.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Übersehen wurde dabei - übrigens auch von vielen in der damaligen Volkskammer, von vielen hier im Landtag von Sachsen-Anhalt und, ich sage ganz klar, auch von mir persönlich -, dass der Aufbau Ost größere Spielräume benötigte, um zügig voranzukommen. Das Wirtschaftswunder im Westen in den beiden ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik hätte es nicht gegeben, wenn damals alle Vorschriften gegolten hätten, die heute in Kraft sind, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Eine der wenigen Ausnahmen, mit denen den besonderen Bedingungen Ostdeutschlands Rechnung getragen wurde und wird, ist das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz. Ohne dieses Gesetz wäre die Autobahn A 14 zwischen Magdeburg und Halle auch heute noch nicht fertig. Mehr Freiräume hätten wir in den neuen Bundesländern aber auch in anderen Rechtsbereichen benötigt, zum Beispiel im Umwelt- und im Arbeitsrecht.

Bundeswirtschaftsminister Clement hatte die vortreffliche Idee, ostdeutschen Bundesländern die Möglichkeit einzuräumen, für eine Reihe von Jahren von bestimmten bundesrechtlichen Regelungen abzuweichen. Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat diese Idee damals umgehend aufgegriffen und Sachsen-Anhalt als Modellregion angeboten.

Bedauerlicherweise ist der Bundeswirtschaftsminister dann aber mit seiner Idee im Bereich des Umweltrechts an den Grünen und im Bereich des Arbeitsrechts an den Gewerkschaften gescheitert. Ich sage in aller Deutlichkeit: Dies ändert nichts daran, dass wir in SachsenAnhalt dazu bereit sind, den Weg einer Modellregion zu gehen; man muss uns nur die Chance dazu geben.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Heute Morgen war zu hören, dass Altbundeskanzler Helmut Schmidt gestern in Ilmenau genau diese Position vertreten hat und die Forderung erhoben hat, dass man dem Osten in bestimmten Teilbereichen unserer Rechtsordnung mehr Spielräume und mehr Flexibilität eröffnen solle. Ich kann nur sagen, hoffentlich haben wir im Herbst einen Bundestag, der diesen Weg dann auch beschreitet.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Auch in der Landesgesetzgebung, meine Damen und Herren, wurden zunächst Regelungen westdeutscher Länder unkritisch übernommen oder gar Vorgaben des Bundes und der EU in verschärfter Form in Landesrecht transformiert.