Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne hiermit die 54. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der vierten Wahlperiode, begrüße Sie alle herzlich und stelle zugleich die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.
Ich erinnere Sie daran, dass sich für die heutige Sitzung Herr Minister Professor Dr. Olbertz ganztägig entschuldigt hat und Frau Ministerin Wernicke ab 12 Uhr abwesend sein wird.
Wir setzen nun die 28. Sitzungsperiode fort. Vereinbarungsgemäß beginnen wir heute mit dem Tagesordnungspunkt 4, der Aktuellen Debatte. Da der Punkt 5 zurückgezogen worden ist, geht es dann mit dem Tagesordnungspunkt 6, der Fragestunde, weiter.
Sie wissen, dass in der Aktuellen Debatte die Redezeit je Fraktion zehn Minuten beträgt und auch die Landesregierung zehn Minuten Redezeit hat.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Hohen Hause ist in den vergangenen Jahren und in den vergangenen Legislaturperioden schon viel über die lebenswichtige Bedeutung des Waldes gesprochen worden. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns über alle Fraktionen und Parteien hinweg darin einig sind, dass die Existenz eines gesunden Waldes die Garantie für die Existenz des Lebens auf dieser Erde überhaupt ist, abgesehen davon dass der Wald, der Baum, selbst Leben ist. Er ist vor allem auch ein gigantisches und zugleich sensibles Ökosystem und spielt eine entscheidende Vermittlerrolle in den Austauschprozessen zwischen unserer Erdoberfläche und der Atmosphäre.
In diesem Sinne ist der Wald auch Regulator des lokalen und weltweiten Klimas auf diesem Planeten. Diese Rolle spielt er inzwischen schon seit gut 300 Millionen Jahren und er spielt sie, wie ich finde, sehr gut. In dieser Zeit hat er aufgrund natürlicher Umstände, wie Eiszeit, Hitze- und Trockenperioden, viele Anpassungs- und Wandlungsprozesse durchlaufen müssen, bis er die heutige Vielfalt erreicht hat. Während dieser stetige natürliche Klimawechsel dem Wald die nötige Zeit und damit auch
die Möglichkeit eingeräumt hat, sich in andere Lebensräume zurückzuziehen bzw. sich auf die neuen Bedingungen einzustellen, wird ihm diese Chance heute kaum oder nicht mehr gegeben.
Ich wollte diesen Zusammenhang deshalb so herausgestellt wissen, weil verschiedentlich immer noch die Meinung vertreten wird, die „Natur regelt das schon allein“ oder „der Wald soll sich selbst überlassen bleiben“. Wir können dem Wald nicht tiefste Wunden schlagen und dann auf seine Selbstheilungskraft bauen. Heute muss er schwerste, vom Menschen verursachte Belastungen ertragen und mit ihnen in kürzester Zeit fertig werden.
Es sind vor allem die Immissionen, die Belastungen mit Schwefeldioxid, Stickoxiden, Kohlenwasserstoffen, Ozon, Fotooxidantien oder Fluor, um nur einige zu nennen. Jeder Schadstoff für sich hat schon eine spezifische Wirkung; bei gleichzeitigem Auftreten dieser Schadkomponenten ist die Wirkung auf den Wald überproportional.
Starke Trockenheit und hohe Temperaturen wie von Juli bis Mitte August letzten Jahres verschärfen die Situation noch zusätzlich, wobei diese Witterungsverhältnisse zu einem großen Teil wiederum Ergebnis eines Raubbaus des Menschen an der Umwelt sind. Trockenheit stört das Wachstum, Wärme befördert die Schadinsektenpopulation - darauf werde ich nachher noch zurückkommen -; es kommt eines zum anderen. Sind die Bäume erst einmal in einem labilen Zustand, können sie anderen Einflüssen kaum noch Widerstand leisten. Das ist der Teufelskreis, aus dem nur der Mensch den Wald befreien kann.
Wie sieht es nun aber mit diesem mehr oder weniger gesunden Wald in Sachsen-Anhalt aus? - 23 % der Landesfläche - das sind knapp 473 900 ha - Sachsen-Anhalts sind mit Wald bedeckt. 69 % der Wälder sind Nadelbaumbestände. Den übrigen Anteil teilen sich Eichen mit 10 %, Buchen mit 8 % und sonstige Laubbäume mit 13 % der Fläche.
Nach der jüngsten Waldschadenserhebung hat die Landesregierung verlauten lassen, dass zwar mehr als 40 % des Waldbestandes in einem tadellosen Zustand sind. Das kann aber insofern nicht beruhigen, als sich auf der anderen Seite der Anteil der Bäume mit deutlichen Schäden gegenüber dem Jahr 2003 um 4 % auf insgesamt 25 % erhöht hat, ein Viertel aller Bäume! Die Abnahme der Anzahl gesunder Bäume setzt sich demnach im vierten Jahr nacheinander fort.
Die wohl größten Probleme bereitet uns die Buche oder, ehrlicher ausgedrückt, bereiten wir der Buche. Zwei von drei Bäumen müssen als unübersehbar krank eingeschätzt werden. Die Dramatik besteht darin, dass der Anteil deutlich geschädigter Buchen von 11 % im Jahr 1991 auf 66 % im Jahr 2004 gestiegen ist.
Auch wenn die Regierung in ihrer Presseerklärung vom Dezember vergangenen Jahres zu berichten wusste, dass die Kiefer die am weitesten verbreitete und gesündeste Baumart in Sachsen-Anhalt ist, gibt es genügend Gründe, sie trotzdem im Auge zu behalten.
Im Gegenteil, es gibt ausreichend Veranlassung, beunruhigt zu sein. Neueste Untersuchungen gehen davon aus, dass die Fläche, auf der die Nonne, das im Moment gefährlichste Schadinsekt im Kiefernwald, neben dem Prachtkäfer und neben dem Eichenprozessionsspinner für die Eiche, bekämpft werden muss, weitaus größer sein wird als bisher angenommen. Geplant waren für
das Jahr 2005 etwa 5 800 ha Fläche, auf der dieser Schädling bekämpft werden müsste. Diese Fläche wird jetzt schon in nur einem Forstamt, in Letzlingen, mit 6 200 ha überschritten. Der Schadbefall soll dort das Hundertfache des Normalfalles betragen, der notwendig ist, um einen Kahlfraß zu verursachen. Das ist die Situation. Darauf müssen wir uns einstellen.
Wie ich nachzuweisen versucht habe, sind die Waldschäden und demzufolge die erforderlichen Forstschutzmaßnahmen ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es wird durch die Wirtschaft und die Lebensgewohnheiten der Gesellschaft verursacht und es kann demzufolge auch nur gesamtgesellschaftlich gelöst werden.
Damit komme ich zu den forstwirtschaftlichen Belangen. Forstschutz ist immer ein Wettlauf mit der Zeit. Um diesen zu gewinnen, brauchen wir a) die nötigen finanziellen Mittel, b) eine effiziente Struktur in der Forstverwaltung bzw. Forstwirtschaft und c) - das wird in der gesamten Personaldebatte immer unterschätzt - die erforderliche Zahl gut ausgebildeter, qualifizierter Forstleute sowie die Sicherung des Nachwuchses.
An dieser Stelle möchte ich den Bestand und den Erhalt der Ausbildungsstätte Magdeburgerforth ganz klar einfordern und auch an die Bedeutung der Jugendwaldheime erinnern.
Mit der Gründung des Landesforstbetriebes im Jahr 2002 wurden Mittel in einer zweistelligen Millionenhöhe erzielt. Im Jahr 2004 ist ein gutes Betriebsergebnis erreicht worden, auch wenn das in absehbarer Zeit so nicht wieder erreicht werden wird, da mit einem Preisverfall zu rechnen sein wird. Ich möchte nur auf die Bedeutung von Arneburg verweisen. Arneburg ist zwar noch im Anfahren der Produktion und man „buhlt“ noch um die Holzmengen, aber warum sollte nachher der Standort mehr bezahlen, als er zum Beispiel für Holz aus dem Baltikum bezahlen muss? Das wäre dann die Frage.
Dennoch sollte diese Rechtsform des Landesbetriebes nicht schon wieder um-, sondern eher ausgebaut werden. Der positive Weg des Forstwirtschaftsbetriebes ist durch entsprechende Rahmenbedingungen zu unterstützen.
In mehreren Forststrukturreformen seit 1990 ist die Anzahl der in der Forstwirtschaft Beschäftigten rapide heruntergefahren worden. Ich verweise auf eines der bittersten Kapitel: Unter Herrn Minister Keller, Mitglied der SPD, wurden erste betriebsbedingte Kündigungen gegenüber Waldarbeitern ausgesprochen, obwohl sich der Landtag mehrheitlich gegen diese Kündigungen ausgesprochen hatte.
Wir meinen, es ist Zeit, auf diesem Weg nicht weiter fortzufahren. Jedem weiteren Versuch, Landeswald, aber auch die Forstwirtschaft selbst zu privatisieren, muss widerstanden werden.
Der Landesforstbetrieb hat gegen den Trend in der Bundesrepublik im Jahr 2004 den Holzeinschlag gesteigert, um finanziell über die Runden zu kommen. Diese Tendenz dürfte sich in einem privaten Forstbetrieb verstärkt durchsetzen. Immerhin wird im Bundesagrarbericht festgestellt, dass „Betriebe mit überdurchschnittlichen Einschlägen und hohem Stammholzanteil die besten Betriebsergebnisse auswiesen“. Das ist ebenso logisch, wie es verheerende Auswirkungen haben kann. Eine
Auch die von mir bereits erläuterten Maßnahmen des Forstschutzes sind in ihrer Vielfalt und Komplexität durch einen schlagkräftigen Landesforstbetrieb am besten zu realisieren. Außerdem wirken sich ständige Struktur- und Zuständigkeitsänderungen äußerst negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung und das Engagement der Beschäftigten aus.
Darüber hinaus haben wir bisher noch nicht zur Kenntnis genommen, dass eine wirkliche Analyse der bisherigen Entwicklung vorgelegt worden ist. Ich hoffe nur, dass das Gutachten, das bei Frau Ministerin Wernicke auf dem Tisch liegen soll, uns alsbald zugänglich gemacht wird und dass es sich dabei um mehr als nur um ein aneinander gereihtes statistisches Material, das für teures Geld erstellt worden ist, handelt.
Bei Bundeswaldinventuren muss die Aufnahme der tatsächlich vorhandenen Daten erfolgen. Es darf nicht sein, dass Erfahrungen aus den alten Bundesländern im Verhältnis 1 : 1 auf die Flächen zum Beispiel in SachsenAnhalt übertragen werden.
Sofern sich dieses Gutachten mit dem Gedanken einer neuen Struktur befasst, die einen weiteren Schritt in Richtung Privatisierung ins Auge fasst, kann ich nur hoffen, dass eine tiefgründige Abschätzung der Folgen für die ökologische, soziale, betriebliche und verwaltungstechnische Entwicklung aller forstlichen Bereiche erfolgt ist. In diesem Zusammenhang verweise ich wiederum auf den Bundesagrarbericht, der als Ergebnis feststellt, dass die Forstwirtschaft zurzeit weder in staatlicher/halbstaatlicher noch in privater Regie schwarze Zahlen schreibt.
Einflüsse zeigt auch das Landeswassergesetz, das derzeit novelliert wird, weil auch hierbei Großwaldbesitzer um die Reduzierung ihrer Beiträge ringen, um die entsprechenden Mittel anders einzusetzen.
Dem Ministerium kann ich bescheinigen, dass es auf diesem Gebiet fleißig tätig ist, zeigt uns doch die Mitteilung aus der Pressestelle des Ministeriums vom 29. Dezember 2004 die Ergebnisse der Bundeswaldinventur, die besagen, dass der Wald in Sachsen-Anhalt überwiegend zu den jungen Wäldern gehört. Um das festzustellen, bedarf es garantiert nicht der Bundeswaldinventur.
Das Einheitsforstamt hat sich aus unserer Sicht mit seiner effektiven Struktur für die umfassende Bewirtschaftung und Betreuung der Wälder aller Eigentumsformen bewährt. Insbesondere vor dem Hintergrund der regionalen und strukturellen Besonderheiten hat sich die Bündelung forstlicher Aufgaben auf Ortsebene als erfolgreiches Modell herausgestellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es war gut, dass wir zu diesem Thema die Aktuelle Debatte nutzen konnten. Ich möchte abschließend all jenen Zeitgenossen, die den Wald nur als Geschäft betrachten und immer noch nicht verstehen, dass der Wert des Waldes nicht allein und nicht in erster Linie in Holz und Geld zu messen ist, folgende abschließende Rechnung aufmachen:
Ein einziger gesunder Baum produziert im Laufe von 50 Jahren für rund 15 000 € Sauerstoff, für rund 31 000 € entgiftet er die Luft, er vermindert die Erosion und verbessert die Bodenstruktur für weitere rund 15 000 €.
Außerdem speist für fast 17 000 € Wasser wieder in den Kreislauf ein. Wenn man das zusammenrechnet, kommen Leistungen von rund 1 500 € pro Jahr und Baum heraus. Diese Leistungen müssten ansonsten durch technische Prozesse erbracht werden.
Ein abschließender Satz: Ich hoffe nicht, dass wir in Sachsen-Anhalt mit dem Wald und mit unserem Personal nach dem, wie ich denke, zynischen Motto verfahren: „Der Schädling kommt und der Forstmann geht“. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Czeke. - Nun erteile ich für die FDPFraktion Herrn Hauser das Wort. Zugleich haben wir die Freude, auf der Südtribüne Schülerinnen und Schüler der Müntzer-Sekundarschule Magdeburg begrüßen zu können.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So sehr ich den Vorredner und Kollegen Harry Czeke schätze: In der fachlichen Akzeptanz gibt es zwischen uns fast keine Unterschiede; in der politischen Anschauung ist es total anders. Darin trennen sich bei uns die Wege. Das hat man in der Debatte so richtig gemerkt. Ich gehe jetzt genauer darauf ein.
Der Waldschadensbericht 2004 hat die Öffentlichkeit wieder einmal bewegt. Der Ausgangspunkt Ihres Antrages war der so genannte Info-Brief „Optimierung der Landesforstverwaltung Sachsen-Anhalt“. Das ist ja nicht schlecht; das ist gut. Wir müssen darüber debattieren.