Protocol of the Session on October 14, 2004

Meine Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 47. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der vierten Wahlperiode. Ich möchte Sie, verehrte Anwesende, dazu recht herzlich begrüßen.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Von der Landesregierung sind folgende Mitglieder entschuldigt: Herr Ministerpräsident Professor Dr. Böhmer bittet sein Fehlen an beiden Sitzungstagen zu entschuldigen. Am heutigen Tag nimmt er an der Kommissionssitzung des Bundesrates teil und am morgigen Freitag an der Bundesratssitzung in Berlin. Herr Minister Professor Dr. Olbertz entschuldigt sich für die heutige Sitzung wegen seiner Teilnahme an der Kultusministerkonferenz. Herr Minister Kley nimmt heute als Vorsitzender der Konferenz deutschen Sportminister an der Tagung der europäischen Sportminister in Budapest teil und bittet seine Abwesenheit deshalb zu entschuldigen. Herr Minister Professor Dr. Paqué nimmt am morgigen 15. Oktober an der Sitzung des Bundesrates teil. Minister Dr. Rehberger und Staatsminister Robra bitten ihre Abwesenheit an beiden Sitzungstagen wegen Urlaubs zu entschuldigen.

Nun zur Tagesordnung. Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung für die 25. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Im Ältestenrat ist vereinbart worden, die Tagesordnungspunkte 7 und 8 als erste Punkte am morgigen Beratungstag zu behandeln.

Die Fraktion der FDP hatte am Freitag, dem 8. Oktober 2004 einen Antrag auf Durchführung einer Aktuellen Debatte zum Thema „Föderalismusreform“ eingereicht, der als Drs. 4/1845 verteilt worden ist. Diesen Antrag hat die Fraktion der FDP mit Schreiben vom 12. Oktober 2004 zumindest für diese Sitzung zurückgezogen. Die Fraktionen wurden vom parlamentarischen Dienst hierüber unterrichtet. Das Thema der Aktuellen Debatte ist somit heute nicht relevant.

Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so verfahren.

Ich möchte noch eine Bemerkung zum zeitlichen Ablauf der 25. Sitzungsperiode machen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass heute um 20 Uhr im Palais am Fürstenwall eine parlamentarische Begegnung mit dem Landesverband für Gesundheit Sachsen-Anhalt e. V. stattfindet, und Sie dazu recht herzlich einladen. Die heutige Landtagssitzung werden wir spätestens gegen 19.45 Uhr beenden. Wie immer beginnt die morgige Sitzung um 9 Uhr.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1 a:

Regierungserklärung der Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt Frau Wernicke zum Thema: Lebenswertes Sachsen-Anhalt - Umweltschutz mit den Menschen - für die Menschen

Meine Damen und Herren! Ich erteile der Ministerin Frau Wernicke das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Umweltpolitik und damit die Bewahrung der Schöp

fung ist ein Kernanliegen der Landesregierung. Dies kommt insbesondere darin zum Ausdruck, dass die Landesregierung gerade die Umweltpolitik als eine der ersten Ressortpolitiken für eine Regierungserklärung angemeldet hat.

Umwelt- und Naturschutz ist Querschnittspolitik für den Menschen. Biologische Vielfalt, sichere und umweltfreundliche Energieversorgung, Schutz vor Schadstoffen in Luft, Boden und Wasser und sauberes Trinkwasser sind zentrale Bedingungen für sichere Lebensgrundlagen.

Sachsen-Anhalt bietet natürlichen Reichtum und landschaftliche Schönheit. Selbstverständlich wollen wir unsere Heimat für unsere Kinder und Enkel bewahren. Schutz des Naturreichtums und der Umwelt heißt deshalb für uns immer auch Bewahrung der Heimat. Dieses Leitprinzip der Umweltpolitik in Sachsen-Anhalt rückt die Verantwortung für die Schöpfung, für die Bewahrung des von unseren Vorfahren Erreichten und die Vorsorge für unsere Nachkommen ins Zentrum der Politik.

Historisch ist Sachsen-Anhalt zwar ein junges Land, aber der mitteldeutsche Raum war eines der wesentlichen Zentren der gesellschaftlichen Entwicklung im Mittelalter, war Ausgangspunkt und Motor der Aufklärungs- und Reformationsbewegung. Allein das sollte uns Tradition genug sein, die Werte unseres Landes, unserer Heimat zu erkennen, zu erhalten und zu entwickeln.

(Beifall bei der CDU)

Gerade in Zeiten leerer Kassen ist die Verantwortung für die Erhaltung unserer Umwelt vor besonderer Bedeutung, will man wirklich weg vom Image der Umwelt als Schönwetterthema der fetten Jahre. Um den Weg für den wirtschaftlichen Aufschwung unseres Landes zu ebnen, benötigen wir investitionserleichternde Regelungen. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass kein ungezügelter Landschaftsverbrauch erfolgt, erreichte Umweltstandards gesichert und irreversible Naturzerstörungen vermieden werden.

Wir brauchen intelligente Konzepte, um beides, konsequenten Umweltschutz und wirtschaftlichen Aufschwung, miteinander zu kombinieren. Dabei müssen wir immer wieder bewerten, wie sich die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen ändern und wie wir die Umweltpolitik neuen Herausforderungen anpassen können. Herzstück dieser kontinuierlichen Evaluierung ist die Neuausrichtung, weg von der regulativen, verbietenden Umweltpolitik hin zur kooperativen Umweltpolitik mit und für die Menschen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! SachsenAnhalt ist ein wichtiger Wirtschaftsstandort, aber unser Land ist mehr als das. Sachsen-Anhalt ist unsere Heimat und unser Lebensstandort. Hier haben wir Überraschendes und viel Erfreuliches zu bieten. Wer unsere Natur und Landschaft erkundet, entdeckt ein gut ausgeglichenes Mosaik aus Flussauen, naturbelassenen Wäldern, Kulturlandschaften, Siedlungen und wirtschaftlicher Entwicklung.

Seit 1990 hat die Luftverschmutzung stark abgenommen; es gibt kaum mehr einen Moment oder eine Situation, wo einem im wahrsten Sinne des Wortes die Luft weg bleibt. Die Gewässer sind viel sauberer geworden, vorbei die Zeiten, in denen Flüsse oder Bäche in Schaumbergen versanken. Gnadenlose Umweltzerstörung à la DDR haben wir in Sachsen-Anhalt durch einen

schonenden, nachhaltigen Umgang mit der Umwelt ersetzt.

(Beifall bei der CDU)

Das Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts gehörte bis 1990 zu den in Deutschland durch Umweltzerstörung mit am meisten betroffenen Regionen und hier waren es insbesondere die industriellen Ballungsgebiete Bitterfeld, Halle, Leuna und Merseburg aufgrund der dort angesiedelten chemischen und Braunkohle verarbeitenden Industrie.

Allein auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts sind im Jahr 1989 etwa ein Drittel mehr Schwefeldioxid und Staub emittiert worden als in der gesamten alten Bundesrepublik. Dies führte zu unglaublich hohen Luftbelastungen. Heute werden in Sachsen-Anhalt Schwefeldioxidkonzentrationen gemessen, die in ihrer Größenordnung denen in den alten Ländern entsprechen und nur etwa 0,5 bis 1 % der Belastungen zu DDR-Zeiten ausmachen.

Heute ist Sachsen-Anhalt europaweit eine der Regionen, in denen die klassischen Luftschadstoffe minimiert wurden und bis auf örtliche Feinstaubbelastungen den europäischen Anforderungen gerecht werden. Möglich gewesen ist dies nur durch einen Austausch veralteter Industrien durch modernste Anlagen. Dies hat einen erheblichen Schub nicht nur der industriellen Entwicklung, sondern auch für den Umweltschutz zur Folge gehabt - wirksam unterstützt durch zügige und kooperative Genehmigungsverfahren der Umweltverwaltung.

Sachsen-Anhalt war auch äußerst erfolgreich in der Senkung der CO2-Emissionen. Die Kohlendioxidemissionen wurden seit 1990 vor allem durch die Senkung des Energieverbrauchs um 55 % vermindert - eine Vorleistung, die die Bundesregierung im Zusammenhang mit den Regelungen für den Emissionsrechtehandel leider nicht ausreichend gewürdigt hat.

(Beifall bei der CDU)

Die Region des Chemiedreiecks mit den Großbetrieben Leuna, Buna, Chemie AG Bitterfeld und der Filmfabrik Wolfen, aber auch Überschwemmungsgebiete von Mulde und Elbe, das Mannsfelder Land und das Gelände um die ehemalige Kupferhütte Ilsenburg waren auch im Bereich der Altlasten besonders betroffen. Die Flächen wiesen eine massive Kontamination des Bodens und des Grundwassers mit zum Teil stark umweltgefährdenden Schadstoffen auf.

Gegenwärtig sind in Sachsen-Anhalt etwa 20 100 altlastverdächtigte Flächen und Altlasten registriert. In den zurückliegenden Jahren wurden umfangreiche Erhebungen und Untersuchungen durchgeführt, die dazu dienten, Art und Verteilung der wichtigsten Schadstoffe und die Bedingungen für eine weitere Nutzung der Flächen zu ermitteln. Insgesamt wurden seit 1990 etwa 580 Millionen € für die Sanierung von Altenlasten in SachsenAnhalt aufgewendet.

Auch im Bereich der Abfallentsorgung waren die hier vorgefundenen Hinterlassenschaften bedrückend. So gab es beispielsweise im Jahr 1990 für die Entsorgung von Siedlungsabfall in Sachsen-Anhalt 2 000 ungeschützte Ablagerungsstellen; im Jahr 2005 werden es höchstens noch vier Deponien nach dem Stand der Technik sein. Neben der kontinuierlichen Schließung der ungeschützten Deponien sind gleichzeitig die weiter zu

betreibenden Deponien aufgerüstet worden, um mit ihnen verbundene Gefährdungen auszuschließen.

Was den Grundsatz der Vermeidung angeht, so ist von 1992 bis 2002 das spezifische Aufkommen an Hausmüll und hausmüllähnlichem Gewerbeabfall und Sperrmüll um 60 % zurückgegangen. Das ist eine erfreuliche Bilanz.

In den Hochwasserschutz sind in den elf Jahren bis 2001 gut 240 Millionen € geflossen, seit dem Jahr 2002 unter der Ägide der neuen Landesregierung noch einmal fast dieselbe Summe. Bis Ende des Jahres 2004 werden gut 230 Millionen € zum Einsatz kommen, um unsere Bürger, Gebäude, Infrastruktur, Wirtschaft und Kulturgüter vor Hochwassermassen zu schützen. Bis 2010 planen wir eine weitere halbe Milliarde Euro für den Hochwasserschutz in Sachsen-Anhalt. Künftige Generationen werden es uns danken. Ich danke an dieser Stelle all denen, die diese gewaltige Aufgabe schultern müssen und bravourös meistern.

(Beifall bei der CDU)

Viel erreicht wurde auch in den Bereichen Wasserversorgung und Abwasser. So ist beispielsweise inzwischen fast jeder Haushalt an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen. Damit einher geht eine deutliche Verbesserung der Trinkwasserqualität, während sich der Wasserverbrauch seit Anfang der 90er-Jahre mehr als halbiert hat.

Durch den Anschluss von mittlerweile gut 85 % der Bevölkerung an öffentliche Kläranlagen, nach etwa 55 % zu DDR-Zeiten, konnten wir die Gewässergüte im Land deutlich verbessern. Nimmt man alle Investitionsfördermittel, Sanierungshilfen, Teilentschuldungen zusammen, hat das Land Sachsen-Anhalt seit Anfang der 90er-Jahre fast 1,5 Milliarden € eingesetzt - eine gewaltige Summe.

So weit diese kurze Bilanz. Viele Problemstellungen sind erkannt und zwischenzeitlich einer Lösung zugeführt worden oder befinden sich auf dem Weg zu einer Lösung. Doch, meine verehrten Damen und Herren, es bleibt noch viel zu tun.

Die Debatte über den Standort Deutschland wird oft auf wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Standortnachteile zurückgeführt. Neben den bekannten Ursachen wie hohe Lohnnebenkosten, hohe Steuern, ausufernde Bürokratie behindere auch die Umweltpolitik in Deutschland die Wirtschaftsentwicklung und sei damit ein entscheidender Standortnachteil, heißt es. Insbesondere das komplizierte, von nur noch ganz wenigen Experten überschaubare umweltrechtliche Regelwerk im Land - wenn wir ganz ehrlich sind, sitzt auch hier im Parlament höchstens eine Hand voll Experten, die alles noch überblicken können - wird kritisiert. Die Politik hat darauf zu reagieren. Sie muss sicherstellen, dass der notwendige Ordnungsrahmen auch überschaubar bleibt.

(Zustimmung bei der CDU)

Nicht nur die Wirtschaft ist damit überfordert, auch die Verwaltung kann kaum mehr einen effektiven Vollzug sicherstellen. Das müssen wir ändern und wir müssen die Menschen mitnehmen, die Wirtschaft für die Umweltziele einnehmen und nicht nur beauflagen. Ich unterstütze deshalb sehr die Bemühungen um die Entschlackung des Umweltrechts mit dem Ziel eines einheitlichen Umweltgesetzbuches. Ich setze auch auf die Föderalismus

kommission, die hoffentlich die komplizierten Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern entwirren wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Stehen sich Wirtschaft und Umwelt unversöhnlich gegenüber? Ich sage nein. Aber die gesellschaftliche Akzeptanz für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen müssen wir durch Kommunikation weiter ausbauen. Kooperative Umweltpolitik heißt für mich, dass wir zusammen mit der Wirtschaft, mit Verbänden und Betroffenen nach Lösungen suchen, wie die Umweltziele effektiv und effizient erreicht werden können.

Neben dem auch weiterhin benötigten Ordnungsrecht sind komplementäre Lösungen denkbar, die stärker auf Eigenverantwortung setzten, auf Anreize und auf marktwirtschaftliche Elemente. Wo immer sich Umweltschutz betriebswirtschaftlich rechnet, liegen Umweltziele und wirtschaftliche Ziele eng beieinander.

(Zustimmung von Herrn Scharf, CDU, und von Herrn Ruden, CDU)

Sparsamkeit im Umgang mit knappen Ressourcen ist auch ein Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft. Generell gilt: Die Gesellschaft muss sicherstellen, dass auch den nachfolgenden Generationen eine intakte und lebenswerte Umwelt erhalten bleibt. Umweltschutz muss dabei seine Instrumente so optimieren, dass die Kosten, die durch ihn erzeugt werden, und die Ziele, die erreicht werden sollen, in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

(Zustimmung bei der CDU)

Dabei ist keine Lösung tabu, die zum Abbau der Bürokratiekosten, der Wirtschaft und der Verwaltung beitragen kann, ohne dass die umweltpolitische Zielerreichung gefährdet wird. Ich setze dabei auf partnerschaftliche Zusammenarbeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Vergangenheit hat man oft die Erfahrung gemacht, dass Akzeptanzprobleme im Umwelt- und Naturschutz auf mangelnder Information und Kommunikation beruhen. Gleichzeitig hat sich aber auch die Nachfrage nach intakter Natur als Tourismuspotenzial stark entwickelt. Geschützte Natur wurde zur Attraktion. Hierbei stand zunächst die Schönheit der Gebiete im Vordergrund; ihr Naturschutzwert bleibt den Menschen meist unerklärt. Viele Naturschutzgebiete blieben den Menschen damit hinsichtlich ihres gesellschaftlichen Wertes verschlossen.

Die Landesregierung will diesbezüglich für mehr Transparenz bei naturschutzfachlichen Vorhaben und damit für mehr Akzeptanz sorgen. Die Menschen sollen in den Schutz der heimatlichen Natur mit einbezogen werden; denn schützen kann man nur das, was man auch kennt.

Großschutzgebiete wie Naturparke, Biosphärenreservate oder der Nationalpark bieten eine ausgezeichnete Chance für erlebbare Natur. Die Landesregierung will vor allem in den Großschutzgebieten eine gelenkte Besucherführung fördern, um die Schutzbemühungen anschaulich zu erklären. Wo immer dies möglich ist, soll das mit den wirtschaftlichen Aspekten des Tourismus, des Ökotourismus sowie des Landtourismus verknüpft werden.

Sachsen-Anhalt ist noch kein klassisches Reiseland. Bei relevanten Kennwerten besteht noch Aufholpotenzial ge