Protocol of the Session on September 8, 2005

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 63. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der vierten Wahlperiode. Dazu möchte ich Sie alle, verehrte Anwesende, auf das Herzlichste begrüßen.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Von Mitgliedern der Landesregierung liegen Entschuldigungen vor, die ich Ihnen zur Kenntnis geben möchte. Für den heutigen 8. September 2005 hat sich Herr Minister Professor Dr. Paqué bis 15 Uhr wegen der Teilnahme an der Sitzung des Finanzausschusses des Bundesrates in Berlin entschuldigt. Ab heute 17.30 Uhr entschuldigt sich Herr Minister Professor Dr. Olbertz wegen einer Veranstaltung in Halle.

Am morgigen Freitag hält sich Herr Minister Becker ganztägig beim Amtsgericht in Sangerhausen auf und bittet daher um Entschuldigung. Die Entschuldigung von Herrn Minister Dr. Daehre wurde zurückgezogen.

(Heiterkeit)

Nun zur Tagesordnung. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Tagesordnung für die 33. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Im Ältestenrat ist vereinbart worden, Tagesordnungspunkt 2 - Aktuelle Debatte - als ersten Punkt am morgigen Freitag zu behandeln.

Ihnen liegt nunmehr in der Drs. 4/2387 der Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt vor. Die Landesregierung bat, diesen Gesetzentwurf wegen besonderer Dringlichkeit noch auf die Tagesordnung der Landtagssitzung zu nehmen. Geschäftsordnungsrechtlich ist das, wie Sie wissen, möglich. Der Gesetzentwurf ist noch am Dienstag, dem 6. September bei mir eingegangen und ist sogleich als Drucksache in die Fächer der Mitglieder des Landtages verteilt worden.

Gegenstände, die nicht auf der Tagesordnung stehen, können gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 1 der Geschäftsordnung beraten werden, es sei denn, eine Fraktion oder acht Mitglieder des Landtages widersprechen.

Nun erwarte ich einen Antrag. Frau Dr. Hüskens.

Ich unterstütze den Begehr der Landesregierung und bitte, den Tagesordnungspunkt ohne Debatte zu behandeln.

Meine Damen und Herren! Mir ist bekannt, dass alle Fraktionen über die beabsichtigte zusätzliche Aufnahme des Gesetzentwurfes in die vorliegende Tagesordnung informiert sind und dass es Abstimmungen zwischen den Fraktionen gegeben hat. Ich frage dennoch: Gibt es eine Fraktion oder acht Abgeordnete, die der Aufnahme dieses zusätzlichen Tagesordnungspunktes widersprechen? - Das ist nicht der Fall.

Ich empfehle - auch das ist abgestimmt -, den Gesetzentwurf als Tagesordnungspunkt 16 aufzunehmen und als letzten Tagesordnungspunkt am Freitag zu behandeln. Gibt es dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann wird dieser Gesetzentwurf morgen als Tages

ordnungspunkt 16 behandelt werden. - Vielen herzlichen Dank.

Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir wie beschlossen verfahren.

Nun zum zeitlichen Ablauf der 33. Sitzungsperiode. Die heutige Landtagssitzung werden wir wegen der um 20 Uhr im Herrenkrug beginnenden parlamentarischen Begegnung mit dem Initiativkreis Erdgasfahrzeuge spätestens um 19.15 Uhr beenden. An diese parlamentarische Begegnung möchte ich Sie - auch wegen der Aktualität der Angelegenheit - nochmals erinnern. Ergänzend sei mitgeteilt, dass ein Bus vor dem Landtagesgebäude steht und pünktlich um 19.30 Uhr abfährt. Die Rückfahrt ist dem Vernehmen nach ebenfalls mittels Shuttle-Verkehr organisiert.

Die morgige 64. Sitzung beginnt dann um 9 Uhr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beginnen nun mit dem Tagesordnungspunkt 1 a:

Regierungserklärung der Ministerin für Landwirtschaft und Umwelt Frau Wernicke zum Thema: „Landwirtschaft - erfolgreiche Wirtschaftskraft für das Land“

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erteile nunmehr Frau Ministerin Petra Wernicke zur Abgabe der Regierungserklärung das Wort. Bitte sehr, Frau Ministerin.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Regierungsübernahme im Jahr 2002 hat die heutige Landesregierung ein schweres Erbe rot-rotgrüner Prägung der Landespolitik übernommen,

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Wi- derspruch bei der SPD)

und was Rot-Grün beim Bund hinterlässt, wird für die nachfolgende Regierung eine ebenso schwere Last werden.

(Zustimmung bei der CDU)

In landwirtschaftlichen Kreisen setzen viele Menschen große Erwartungen in einen Regierungswechsel auf Bundesebene. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Herr Sonnleitner spricht sogar von einer „Bauernbefreiung“.

(Zustimmung bei der CDU - Unruhe bei der SPD)

Meine neue Amtszeit im Jahr 2002 begann im Sommer 2002 mit heftigen Diskussionen um die Halbzeitbewertung der Agenda 2000.

(Zuruf von Herrn Kühn, SPD)

Schnell stellte sich heraus, dass es anstelle einer Halbzeitbewertung letztlich um eine weitere Agrarreform ging. Gemeinsam mit dem Berufsstand war es von Anfang an unser Ziel, aus dieser Situation das Beste zu machen. Die in der Europäischen Union im Jahr 2003 beschlossene Reform ist nun in der Schlussphase der Umsetzung.

Über die Finanzausstattung der EU für die Finanzperiode bis zum Jahr 2013 wird in den kommenden Monaten entschieden. Damit wird deutlich werden, welche Bedeutung man in Europa zukünftig der Entwicklung des ländlichen Raumes beimisst.

Die Landwirtschaft ist kein isolierter Wirtschaftszweig und die internationalen Verflechtungen der Wirtschaft insgesamt wirken sich auf die Landwirtschaft aus. Europa ist insbesondere durch die WTO-Verhandlungen gezwungen, im Agrarbereich Schutz- und Unterstützungsmechanismen abzubauen und Märkte zu öffnen. Nichtsdestotrotz wird auch bei globalisierten offenen Weltmärkten die Erzeugung von Nahrungsmitteln das Kerngeschäft unserer Landwirtschaft sein.

Durch den Bezug von Produktionsmitteln und den Verkauf landwirtschaftlicher Rohstoffe werden im ländlichen Raum in den vor- und nachgelagerten Bereichen wertvolle Arbeitsplätze geschaffen und gesichert, Handwerk und Dienstleistung profitieren davon. Dieses Potenzial im gesamten Agri-Business wird von Rot-Grün gefährdet, zum Beispiel durch die Belastung der deutschen Landwirte durch die hohen Steuern auf Agrardiesel. Während andere europäische Staaten zur Entlastung den Steuersatz gesenkt haben, wird der Rucksack für die einheimischen Landwirte, insbesondere für unsere größeren Betriebe im Osten, immer schwerer.

Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat dieser wirtschaftsfeindlichen Politik andere Schwerpunkte entgegengesetzt, und sie wird dies auch weiterhin tun. Wir sehen in der Umsetzung von EU-Vorschriften im Verhältnis 1 : 1, das heißt ohne Sonderbelastung für die hiesige Landwirtschaft, in einem Bürokratieabbau - ich will zum Beispiel den Vorschlag Sachsen-Anhalts zur deutlich einfacheren Umsetzung der GAP-Reform nennen, der leider nicht mehrheitsfähig war -, in der Offenheit für neue technische und technologische Entwicklungen, zum Beispiel in der Bio- und Gentechnologie, und in der Vorfahrt für Arbeit und Schutz unserer natürlichen Umwelt die Perspektiven und die Schwerpunkte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit der Wende haben die Landwirte in Sachsen-Anhalt bereits die dritte Agrarreform erlebt. Mit den Luxemburger Beschlüssen vom Sommer 2003 wird der bereits mit der McSharry-Reform aus dem Jahr 1992 und der Agenda 2000 eingeschlagene Weg konsequent fortgesetzt.

Die Landesregierung stand den Luxemburger Beschlüssen nach anfänglicher Zurückhaltung sehr zeitig positiv gegenüber. Von Anfang an waren wir sehr wach und haben uns früh in diesen Diskussionsprozess eingebracht. Durch diese aktuelle Agrarreform bieten sich neue Perspektiven und Innovationsmöglichkeiten mit der Orientierung auf den Weltmarkt.

Mit den Elementen: Entkopplung der Direktzahlungen von der Produktion, Bindung der Direktzahlungen an bestimmte Anforderungen des Umwelt- und Tierschutzes, der Tierkennzeichnung, aber auch der Lebensmittelsicherheit - der Begriff Cross-Compliance ist allen bekannt - und Einbehaltung eines Teils der Direktzahlungen für die Entwicklung im ländlichen Raum werden die Rahmenbedingungen für eine wettbewerbsfähige und gleichzeitig nachhaltige sowie natur- und landschaftsverträgliche, an den Ansprüchen der Gesellschaft orientierte Landwirtschaft gesetzt.

Im Rahmen der Umsetzung der GAP-Reform wurde das Antrags- und Bewertungsverfahren neu geregelt und auf

digitalisiertes Karten- und Datenmaterial umgestellt. Mit der Bereitstellung der Antragsdaten und Unterlagen in Form einer individuellen betriebsbezogenen CD hat Sachsen-Anhalt bundesweit einen richtungsweisenden Schritt der Verwaltungsvereinfachung getan. An dieser Stelle möchte ich mich bei den Landwirten, bei deren Beratern, aber auch bei den Mitarbeitern in den Ämtern und in den Berufsverbänden für die geleistete Arbeit und deren Einsatz bedanken.

(Zustimmung bei der CDU)

Es freut die Ressort-Chefin natürlich, wenn die eigene Verwaltung von den betroffenen Antragstellern und den Berufsverbänden auch einmal gelobt wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So mancher fragt sich aber, warum ist das alles so kompliziert, wenn man doch vereinfachen wollte? Das liegt im Wesentlichen daran, dass faktisch in diesem Jahr, dem Jahr der Einführung, vier verschiedene neue Verfahren nebeneinander laufen: der Antrag auf Zuteilung der Prämienansprüche, die Erhebung der Betriebsprofile für CrossCompliance, die Einführung des Feldblockkatasters einschließlich der Landschaftselemente und der Antrag auf Auszahlung der Direktzahlungsmittel.

Ich bin überzeugt, dass sich der beträchtliche Aufwand lohnen wird, da wir insgesamt zu einem effektiven und EU-konformen Verwaltungsverfahren gefunden haben. Für die landwirtschaftlichen Betriebe ist es natürlich eine wichtige Frage, wann die Gelder ausgezahlt werden. Wir arbeiten mit Nachdruck daran, dass die Zahlungen noch in diesem Jahr erfolgen können. Ich muss aber fairerweise sagen, dass das nicht ganz allein von uns abhängt; denn in der modernen Landwirtschaft haben wir eine ganze Reihe von Betriebsinhabern, die in mehreren Bundesländern tätig sind, und hier sind bundesweit erfolgreich abgeschlossene Abgleichverfahren Voraussetzung für die Zahlungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Entkopplung der Prämienzahlungen wird die Produktion deutlicher als bisher an den Märkten ausgerichtet werden. Internationale Produktpreise und die unternehmerische Reaktion auf Angebot und Nachfrage auf den Weltmärkten werden künftig anbaubestimmend sein.

Mit Förderprogrammen, die allein von Öko-Emotionen getragen werden, können unsere Unternehmen diese Herausforderungen nicht bestehen. Die Erfahrungen aus sieben Jahren Rot-Grün haben deutlich gemacht, dass die Versuche, das Konsumverhalten politisch zu lenken, zum Scheitern verurteilt sind.

(Beifall bei der CDU)

Bei aller positiven Entwicklung und Unterstützung im ökologischen Landbau habe ich immer wieder darauf hingewiesen, dass der Markt, das heißt das Verhalten der Verbraucher, das entscheidende Kriterium für das weitere Wachsen des Ökolandbaus ist. Das haben die Betriebe in Sachsen-Anhalt, die nach besonderen ökologischen Regeln erzeugen, erkannt, und sie nutzen die vorhandenen Marktsegmente hervorragend aus.

Politische Sonntagsreden der rot-grünen Bundesregierung, utopische Aussagen in den Wahlprogrammen oder Traumvorstellungen von Frau Künast von 20 % Marktanteil haben uns nicht weitergebracht. Das ist Fantasterei. Das Wachstum der Produktion in diesem Bereich über die Nachfrage hinaus hat auch zu einem Druck auf die Preise geführt. Das europaweite Öko-Siegel hat den in

Deutschland in dieser Branche tatsächlich vorhandenen Wettbewerbsvorteil der höheren deutschen Standards zunichte gemacht; denn der Discountverbraucher unterscheidet nicht zwischen schwach-öko und stark-öko.

Ich werde mich als Landwirtschaftsministerin weiterhin gleichermaßen für die Interessen der Landwirte einsetzen, und zwar unabhängig davon, ob sie ökologisch oder konventionell arbeiten oder ob sie GVO verwenden.

(Beifall bei der CDU)

Kaum eine andere moderne Technik steht heute so im Zwiespalt der Meinungen wie die Bio- oder Gentechnologie. Gerade gentechnisch veränderte Lebensmittel sind ein hochsensibles Thema, das vielen Menschen große Sorgen bereitet. Ich möchte ausdrücklich sagen: Ich nehme diese Sorgen sehr ernst, denn die Sicherheit von Mensch und Tier steht für die Landesregierung an erster Stelle.

Wir sehen aber auch die Chancen, die diese Technologie bietet, und treten deshalb für eine verantwortungsvolle Nutzung der Bio- und Gentechnik ein. Wir können es uns als Landesregierung nicht leisten, Biowissenschaften und Biotechnologie, die weltweit als Schlüsseltechnologie gelten, zu ignorieren.