Meine Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 26. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der vierten Wahlperiode. Dazu begrüße ich Sie, verehrte Anwesende, auf das Herzlichste.
Wir setzen nunmehr die 14. Sitzungsperiode fort. Wir beraten heute vereinbarungsgemäß Tagesordnungspunkt 1:
b) Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2004 (Haus- haltsgesetz 2004 - HG 2004)
Meine Damen und Herren! Beide Gesetzentwürfe werden zunächst vom Minister der Finanzen eingebracht. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von 255 Minuten vereinbart, also Redezeitstruktur G. Zur Reihenfolge der Fraktionen und zu den einzelnen Redezeiten werde ich mich vor der Eröffnung der Debatte äußern.
Ich erteile nun Herrn Minister Professor Dr. Paqué das Wort zur Begründung des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 sowie des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 2004. Herr Finanzminister, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Vor Ihnen liegen der Entwurf der Landesregierung für den Haushaltsplan 2004 und die mittelfristige Finanzplanung der Landesregierung für die Jahre 2003 bis 2007. Beide Dokumente, Haushaltsplan und mittelfristige Finanzplanung, sind unter schwierigsten Rahmenbedingungen aufgestellt worden. Mit beiden setzt die Landesregierung ihren Kurs der finanzpolitischen Konsolidierung konsequent fort. Allerdings muss an dieser Stelle auch klar gesagt werden, dass die wirtschaftliche Lage in Deutschland dramatisch ist und was dies für uns in Sachsen-Anhalt bedeutet.
Seit nunmehr beinahe drei Jahren befindet sich Deutschland in einer Rezession. Die Wachstumsraten bewegen sich nahe Null. In der ersten Hälfte dieses Jahres gab es sogar eine negative Wachstumsrate; die deutsche Wirtschaft schrumpfte. Dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nicht nur den konjunkturellen Widrigkeiten geschuldet, die jede Volkswirtschaft von Zeit zu Zeit treffen. Nein, die Wachstumsmisere ist vor allem das Ergebnis jahrelang verschleppter Reformen, wie alle externen Beobachter, bis hin zur OECD, einstimmig feststellen. Dafür trägt in erster Linie die Bundesregierung die Verantwortung, meine Damen und Herren.
Die Folge dieser bundesweiten Entwicklung waren und sind verheerende Einbrüche bei den Steuereinnahmen. Dem konnte sich auch das Land Sachsen-Anhalt nicht
entziehen. Die Steuerschätzer mussten inzwischen ihre Prognosen zum fünften Mal in Folge nach unten korrigieren. Das hat es in dieser Form noch nie gegeben. Die Steuerschätzung im Mai 2003 korrigierte die Vorhersage für das Steueraufkommen für das Jahr 2004 um ganze 470 Millionen €. Das sind fast 5 % des gesamten Haushaltsvolumens.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um die Dramatik der Situation bei den Steuereinnahmen zu verdeutlichen, möchte ich einige Zahlen nennen. Im Haushaltsplanentwurf 2004 sind Einnahmen aus Steuern, aus dem Länderfinanzausgleich und aus so genannten Fehlbetrags-Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von 5,31 Milliarden € eingestellt. Das sind jene Einnahmen, die von der deutschlandweiten Entwicklung des Steueraufkommens maßgeblich beeinflusst werden. Diese Einnahmen liefern das steuerliche Fundament, auf dem der Landeshaushalt stehen muss.
5,31 Milliarden € im Jahr 2004 - dies entspricht ziemlich genau dem, was im Jahr 1995, also neun Jahre zuvor, wenn man es aufgrund der Haushaltspläne berechnet, eingestellt werden konnte. Damals waren es 5,28 Milliarden €. Wir sind also, was das Steueraufkommen betrifft, bei einer Größenordnung angelangt, die wir Mitte der 90er-Jahre hatten, und dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei einem Anstieg des Preisniveaus und damit natürlich des allgemeinen Kostenniveaus seit 1995 um 12 %, bei einem linearen Anstieg der Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst in Deutschland insgesamt von 14,3 % und bei einer zusätzlichen Steigerung der Löhne und Gehälter von 12,8 % in den neuen Ländern aufgrund der Ost-West-Angleichung.
Meine Damen und Herren! Mir wird gelegentlich von der Opposition vorgehalten: Herr Paqué, stellen Sie sich doch nicht so an. Steuerausfälle hat es immer gegeben. Auch wir - die frühere Regierung - mussten schließlich damit fertig werden. Das gehört doch zum normalen Regierungsgeschäft. Das ist doch halb so schlimm. Das ist ganz normal.
Dazu kann ich, an die Opposition gerichtet, nur sagen: Vom Jahr 1995 - dem ersten Jahr Ihrer Regierungszeit - bis zum Jahr 2000 sind mit einer kleinen Ausnahme im Jahr 1997 die kassenmäßigen Einnahmen aus Steuern, aus dem Länderfinanzausgleich und aus FehlbetragsBundesergänzungszuweisungen in jedem Jahr gestiegen. Im Jahr 2000 waren sie um rund 500 Millionen € höher als im Jahr 1995. Erst im Jahr 2001 kam es zu einem geringen Rückgang um 50 Millionen € und erst im Jahr 2002 - als es den Regierungswechsel gab - folgte dann der völlige Absturz deutschlandweit. In unserem Haushalt bedeutete das 660 Millionen € weniger als im Jahr 2001.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen derartigen Einbruch der Einnahmen hat es nie zuvor gegeben. Die Erholung seither - seit dem Jahr 2002 - ist minimal. Sie liegt weit unter den Erwartungen. Das zeigt sich auch in den Steuerschätzungen.
Es ist also völlig klar und darüber kann man eigentlich vernünftigerweise gar nicht diskutieren, dass wir insoweit eine besondere Situation haben, in der wir uns seit zwei bis drei Jahren befinden. Ich empfinde es gelegentlich als ein wenig zynisch, wenn die Opposition hier so tut, als seien das ganz normale Entwicklungen. Das, was wir in den letzten zwei Jahren erlebt haben, sind keine normalen Entwicklungen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Zahlen belegen, dass die Landesregierung die Entwicklung nicht dramatisiert. Die Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung natürlich bewusst und mit dem Haushaltsplanentwurf 2004 hat die Landesregierung das Nötige getan, um auch unter diesen widrigsten Umständen die Konsolidierung der Finanzen in unserem Land voranzutreiben. Aus dieser katastrophalen finanziellen Ausgangssituation heraus war schon ein großer, ein enormer Kraftakt nötig, um die Nettokreditaufnahme im Haushaltsplanentwurf 2004 auf 949 Millionen € zu begrenzen.
Meine Damen und Herren! Es ist übrigens nicht nur das Wegbrechen der Einnahmen, was die Haushaltsaufstellung erschwert hat. Es ist vor allem auch die Unsicherheit über die weitere Einnahmeentwicklung. Diese steht im Zusammenhang mit der steuerpolitischen Diskussion auf Bundesebene. Dabei geht es um das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform und um deren Gegenfinanzierung. Würde die Bundesregierung - was sie offenbar plant - das Vorziehen zum Großteil durch eine zusätzliche Kreditaufnahme finanzieren, so würde wahrscheinlich auch Sachsen-Anhalt zu einer verstärkten Kreditaufnahme gezwungen.
Die Landesregierung konnte in ihrem Haushaltsplanentwurf 2004 diese steuerpolitischen Vorhaben noch nicht berücksichtigen. Es wäre ein Vorgreifen auf allzu ungewisse Entwicklungen gewesen, da hierzu noch die Behandlung im Bundesrat und gegebenenfalls im Vermittlungsausschuss folgen wird. Ich sage hier für die Landesregierung, dass das, was die Bundesregierung bisher plant, nicht akzeptabel ist, weil es dieses Land in noch größere finanzielle Schwierigkeiten als die stürzen würde, die wir ohnehin schon haben.
Ähnliches gilt für die Gemeindefinanzreform, wie sie von der Bundesregierung geplant ist, einschließlich der Neuordnung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe. Die Bundesregierung will die Gemeinden entlasten, was im Grundsatz, in der Richtung gut und richtig ist, wobei das Projekt, wie es jetzt auf dem Tisch liegt - die Gemeindefinanzreform -, aus ordnungspolitischen Gesichtspunkten nicht akzeptabel ist. Die Bundesregierung will aber die Finanzierung dieser Entlastung auf die Länder schieben. Eine Gemeindefinanzreform, an deren Ende die finanzielle Entlastung der Gemeinden durch die finanzielle Belastung der Länder finanziert wird, das ist keine wirkliche Reform, das ist eine reine Umverteilung, ein Hin- und Hergeschiebe. Das werden wir nicht mitmachen.
Die Bundesregierung versucht offenbar, einen Keil zwischen Länder und Kommunen zu treiben. Wir werden uns im Bundesrat dafür einsetzen, dass dies nicht geschieht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einbrüche auf der Einnahmenseite, Unsicherheiten auf der Einnahmenseite, das ist die eine Seite. Die andere sind die zusätzlichen Belastungen auf der Ausgabenseite, die wir im Jahr 2004 zu schultern haben.
Die Landesregierung muss im Jahr 2004 eine Altlast der früheren Landesregierung abtragen, und zwar den Großteil der aufgelaufenen Arbeitszeitkonten der Lehrer. Die alte Landesregierung hatte in großem Stil die Bezahlung
erbrachter Leistungen der Lehrer durch die Bildung von Zeitkonten in die Zukunft verschoben. Das war eine Form der versteckten Kreditaufnahme, die so nicht weitergehen durfte.
Das haben wir immer gesagt und wir haben danach gehandelt. Im neuen Lehrertarifvertrag, der im Frühjahr 2003 in Kraft getreten ist, sind die Modalitäten der Auszahlung der Arbeitszeitkonten geregelt. Inzwischen hat sich die Mehrzahl der Lehrer in freier Entscheidung für eine vollständige Auszahlung im Jahr 2004 entschieden. Dadurch kommt es zu einmaligen Mehrausgaben von 260 Millionen €, denen wir nicht ausweichen können und denen wir nicht ausweichen wollen, weil wir es für richtig halten, dass dieses üble Kapitel zu einem Ende kommt.
Ich bitte aber zu bedenken, dass ohne diese einmaligen Mehrausgaben die Nettoneuverschuldung deutlich niedriger läge, bei unter 700 Millionen €.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Berücksichtigt man diese miserablen Rahmenbedingungen, so werte ich es als einen Erfolg der Landesregierung, dass wir einen Haushaltsplanentwurf vorlegen können, der die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Höhe der Nettoneuverschuldung wahrt. Die Nettoneuverschuldung des Landes Sachsen-Anhalt wird im Jahr 2004 949 Millionen € betragen.
Wir sind nicht glücklich über die absolute Höhe dieser Nettoneuverschuldung. Das will ich hier noch einmal ganz klar sagen. Wir hätten uns natürlich eine niedrigere Nettoneuverschuldung gewünscht, aber unter den gegebenen Umständen haben wir die Grenzen des Möglichen erreicht.
An dieser Stelle sei der Hinweis gestattet, dass nicht alle Länder Haushaltsplanentwürfe vorgelegt haben, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Ich wage auch die Vorhersage, dass neben dem Bund bis auf ganz wenige Ausnahmen alle Bundesländer erhebliche Schwierigkeiten haben werden, die Verfassungsgrenze bei der Nettokreditaufnahme einzuhalten. Einige Länder haben sogar bereits in diesem Jahr die Verfassungsgrenze bei der Nettokreditaufnahme überschritten. Dies dokumentieren die jeweils vorgelegten Nachtragshaushalte.
Erlauben Sie mir auch, darauf hinzuweisen, dass der Regierungsentwurf einen Rückgang des Haushaltsvolumens um 1,7 % enthält. Die Summe aller Ausgaben nimmt also um 1,7 % ab, und zwar schon bereinigt um die Hochwasserhilfen, die im Jahr 2003 besonders stark zu Buche geschlagen sind. Wenn man diese noch mit in Rechnung stellte, dann wäre es natürlich dem Betrage nach ein nach oben verzerrter Rückgang um 5 %.
Auch wenn ich mir bewusst bin, dass das Haushaltsvolumen aus eher technischen Gründen Schwankungen unterworfen ist und deswegen die Aussagekraft dieser Maßzahl natürlich relativiert werden muss, so bleibt doch festzuhalten: Eine Abnahme der Ausgaben um 1,7 % ist ein klarer Konsolidierungskurs. Der Finanzplanungsrat hat den Ländern eine Ausgabensteigerung von höchstens 1 % als Beitrag zur Erfüllung der Vorgaben des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes vorge
Dass wir in Sachsen-Anhalt weiterhin einen konsequenten Konsolidierungskurs verfolgen, zeigt sich im Übrigen auch an dem Anteil der Ausgaben, die rechtlich verpflichtend gebunden sind. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. 1995 betrug er rund 91 %. Für 2004 liegt er bei 99,1 %. Das heißt, weniger als 1 % dieses Haushalts oder nur rund 90 Millionen € sind rechtlich noch nicht gebunden.
Wir sind bei unseren Einsparbemühungen damit an eine Grenze gestoßen, die nur durch Eingriffe in Rechtsverpflichtungen verändert werden kann. Das zeigt übrigens auch, wie abwegig jene argumentieren, die der Meinung sind, Sparmaßnahmen von fast 0,5 % des gesamten Haushaltsvolumens bewegten sich in Größenordnungen, die man getrost vernachlässigen könne.
Ich denke da an die Initiatoren des Volksbegehrens gegen das Kinderförderungsgesetz. Einer von ihnen hat in der Presse sinngemäß verlauten lassen, dass Einsparungen in Höhe von 45 Millionen € - darum geht es in der Größenordnung bei dem Kinderförderungsgesetz - bei einem Haushaltsvolumen von 10 Milliarden € eigentlich nicht der Rede wert seien.
Ich stelle fest: 45 Millionen € sind die Hälfte dessen, was wir im Haushalt 2004 noch an freien Mitteln zur Verfügung haben. Müssten wir diese 45 Millionen € an anderer Stelle zusätzlich einsparen, dann könnte dies alternativ bedeuten, dass es keinerlei Landesfinanzierung für Theater und Orchester mehr geben würde oder dass die Hochschulen des Landes künftig nicht mehr auf 10 %, sondern 25 % ihrer Mittel verzichten müssten oder dass alle freiwilligen Programme des Sozialministeriums gestrichen werden müssten, und zwar nicht zuletzt auch Mittel für Investitionen in Kindertagesstätten, Zuschüsse für die Verbraucherberatung, für die Förderung von Beratungsstellen usw. usf. Wer das will, muss das offen sagen; denn 45 Millionen € sind eben doch eine Menge Geld.
Hinter solchen Rechenbeispielen steht eine ganz einfache Grundsatzfrage, der wir nicht ausweichen können und die wir öffentlich diskutieren müssen. Wir können nicht weiter auf Kosten zukünftiger Generationen leben. Wir können das schon gar nicht in Sachsen-Anhalt, dem Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Schuldenstand aller neuen Länder.
Deshalb bedeutet jeder Vorschlag, an einer Stelle des Haushalts nicht zu sparen, den Verzicht auf Ausgaben an einer anderen Stelle. Dies muss dann auch konkret benannt werden und darüber müssen wir öffentlich diskutieren. Es geht hierbei um politische Prioritäten, um das Abwägen von Zielen und nicht um einseitiges Genörgel über Kürzungen.
Der Haushaltsplanentwurf 2004 ist von Schwerpunkten geprägt, die ich mit folgenden drei Schlagworten umschreiben will: erstens Konsolidierung, und zwar vorrangig durch das Absenken konsumtiver Ausgaben, insbesondere im Personalbereich, zweitens Schonung investiver Ausgaben und drittens Stabilisierung der Landeszuweisungen an die Kommunen.
Zum Personal. Die Personalausgaben stellen mit Abstand den größten Ausgabenblock unseres Haushalts dar. Sie sind daher mittel- und langfristig die entschei
dende Stellschraube für das Gesunden der Landesfinanzen und für das Erreichen unserer Konsolidierungsziele.