Protocol of the Session on July 3, 2003

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne hiermit die 23. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der vierten Wahlperiode. Dazu begrüße ich Sie auf das Herzlichste.

Ich stelle zunächst die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Ich darf Ihnen die Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung bekannt geben. Herr Ministerpräsident Professor Dr. Böhmer ist am heutigen Tage bis 13.30 Uhr abwesend aufgrund der Teilnahme am Richtfest beim Umweltbundesamt in Dessau. Des Weiteren wird der Herr Ministerpräsident am Feitag bis 15 Uhr wegen eines Gesprächstermins in Berlin in seiner Eigenschaft als Präsident des Bundesrates nicht anwesend sein können.

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren! Ich bitte um etwas Ruhe.

Herr Minister Professor Dr. Olbertz lässt sich wegen der Unterzeichnung der Verwaltungsvereinbarung „Kulturelles Hilfsprogramm im Rahmen des Aufbaufonds Fluthilfe“ in Berlin am 4. Juli, also am morgigen Tag, ab 13 Uhr entschuldigen.

Herr Staatsminister Robra entschuldigt sich für die Sitzung am morgigen Tag bis 13 Uhr. Er hält ein Grußwort anlässlich einer Veranstaltung zum zehnjährigen Bestehen der juristischen Fakultät in Halle.

Herr Minister Kley entschuldigt sich für die heutige Plenarsitzung bis 16 Uhr wegen der Gesundheitsministerkonferenz in Chemnitz sowie ganztägig für die Sitzung des Landtages am Freitag aufgrund von Verhandlungen zum Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz in Berlin.

Herr Minister Becker entschuldigt sich am morgigen Tag ab 14 Uhr. Er wird im Auftrag des Ministerpräsidenten die Grußworte der Landesregierung anlässlich der gemeinsamen Tagung der Synoden der Evangelischlutherischen Kirche Thüringens und der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen überbringen.

Nun zur Tagesordnung. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tagesordnung für die 13. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor.

Bitte, Herr Gürth.

Herr Präsident, um sicherzustellen, dass zu den entsprechenden Tagesordnungspunkten die Fachminister auch anwesend sind und dazu sprechen können, haben sich die Fraktionen darauf verständigt, eine leichte Veränderung in der Tagesordnung vorzunehmen. Das würde die Tagesordnungspunkte 15, 12 und 16 betreffen. Wenn diese hinter den Tagesordnungspunkt 7 am heutigen Tag vorgezogen würden, wäre dies gewährleistet. Alle nachfolgenden Tagesordnungspunkte würden sich entsprechend verschieben mit Ausnahme der für eine bestimmte Zeit festgesetzten.

Herr Gürth, mir ist von Ihnen vorhin signalisiert worden, dass die Reihenfolge anders sein sollte, nämlich 15, 12 und 16.

Herr Dr. Püchel, bitte.

Von unserer Seite ist Einverständnis vorhanden. Es gibt nur ein Problem: Herr Bullerjahn müsste bei Punkt 11 anwesend sein. Er ist der Einbringer. Deshalb müsste dieser Tagesordnungspunkt noch heute behandelt werden. Es muss gewährleistet sein, dass das heute noch an die Reihe kommt.

Herr Dr. Püchel, Tagesordnungspunkt 11 würde ohnehin am morgigen Tag behandelt werden.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Wieso? - Frau Budde, SPD: 11 ist heute!)

Die Tagesordnungspunkte 8, 10 und 11 sollen morgen nach Tagesordnungspunkt 9 behandelt werden, weil die Tagesordnungspunkte 15, 12 und 16 heute in der vorgeschlagenen Reihenfolge vorgezogen werden sollen.

Herr Dr. Püchel, bitte noch einmal.

Herr Präsident, wenn das so ist, können wir das nicht mittragen.

Bitte, Herr Gürth, zu einem Vorschlag.

Es besteht ja die Möglichkeit, den Tagesordnungspunkt 11 unmittelbar nach der Fragestunde zu behandeln. Dann wäre dies auf jeden Fall sichergestellt.

Gibt es dagegen Widerspruch, den Tagesordnungspunkt 11 heute unmittelbar nach der Fragestunde zu behandeln? - Dagegen gibt es keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.

Wir würden also wie folgt verfahren: Heute verhandeln wir nach der Fragestunde zunächst den Tagesordnungspunkt 11, dann die Tagesordnungspunkte 6 und 7, danach die Tagesordnungspunkte 15, 12 und 16 und morgen nach Tagesordnungspunkt 9 die Tagesordnungspunkte 8 und 10. Gibt es darüber Einverständnis? - Ich stelle Einverständnis fest.

Nun könnte es allerdings passieren, dass der Tagesordnungspunkt 16 heute nicht mehr verhandelt werden kann. Dann müssten wir, wenn wir zeitlich nicht hinkommen, den Tagesordnungspunkt 7 auf den morgigen Tag verlegen und damit nach Tagesordnungspunkt 9 die Tagesordnungspunkte 7, 8 und 10 behandeln. Gibt es dazu Einverständnis? - Dann verfahren wir so.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktionen der PDS und der CDU haben fristgemäß für die Aktuelle Debatte zwei weitere Themen eingereicht, und zwar einen Antrag der Fraktion der PDS zum Thema „Vorziehen der dritten Steuerreformstufe nicht auf Kosten der Länder und Gemeinden“ in Drs. 4/874 und einen Antrag der Fraktion der CDU zum Thema „Hohe Kostenbelastungen in der chemischen Industrie - Gefährdung einer erfolgreichen Wachstumsbranche“ in der

Drs. 4/875. Diese beiden Themen werden heute als Tagesordnungspunkte 1 b und 1 c behandelt.

Im Ältestenrat wurde, wie gesagt, vereinbart, die Tagesordnungspunkte 5 und 9 am Freitag als erste Tagesordnungspunkte zu behandeln. Ansonsten verfahren wir so, wie es festgelegt wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Debatte

Es liegen, wie bereits erwähnt, drei Beratungsgegenstände vor. In der Aktuellen Debatte beträgt die Redezeit für jede Fraktion zehn Minuten. Auch die Landesregierung hat eine Redezeit von zehn Minuten.

Ich rufe das erste Thema auf:

Ein modernes Zuwanderungsrecht für Deutschland

Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 4/871

Für die Debatte wurde folgende Reihenfolge vorgeschlagen: Zunächst erteile ich der FDP-Fraktion als Antragsteller das Wort. Danach sprechen die Fraktionen der SPD, der CDU und der PDS. Ich bitte Sie, das Wort zu ergreifen, Herr Abgeordneter Kosmehl.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Ein neues Zuwanderungsrecht für Deutschland“ - unter dieser oder so ähnlich formulierten Überschriften begannen die Parteien vor ca. drei Jahren die öffentliche Diskussion über die Zuwanderung in Deutschland. Heute können wir feststellen: Was damals hoffnungsvoll mit Akt 1 begann, dem Bericht der Süssmuth-Kommission, hat insbesondere im Verlauf der letzten 18 Monate mehrere tragische Akte hinzubekommen, sodass heute zu befürchten ist, dass die Reform des Zuwendungsrechts im letzten Akt doch noch sterben könnte.

Vielen ist noch die Abstimmung im Bundesrat in Erinnerung, bei der in verfassungswidriger Weise eine Zustimmung zum rot-grünen Zuwanderungsgesetz erwirkt wurde. Zugegebenermaßen, dieser Akt war nicht nur tragisch, er hatte fast schon komische Sequenzen. Die rotgrüne Freude währte nur 273 Tage. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gab es viele Verlierer. Das Verfassungsorgan Bundesrat hat an Ansehen verloren, die Politik sicherlich an Glaubwürdigkeit. Vielleicht hat auch Deutschland verloren, weil kein homogenes Zuwanderungsrecht zustande gekommen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland ist ein Einwanderungsland, zumindest ein faktisches. Die Zuwanderung nach Deutschland findet statt. Dies ist eine Tatsache, die nicht länger wegdiskutiert werden kann und nicht länger wegdiskutiert werden darf. Gerade weil viele das wissen, müssen wir die Zuwanderung steuern und, wo es rechtlich möglich ist, auch begrenzen. Ist es nicht sinnvoller, die Zuwanderung dort, wo es möglich ist, nach unseren Vorstellungen, den Bedürfnissen und nationalen Interessen zu regeln und zu steuern?

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen endlich ein modernes Gesetz zur Steuerung der Zuwan

derung und zur Regelung der Integration. Aber - dies sage ich an dieser Stelle auch deutlich - die FDP-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt lehnt eine Aufsplitterung in einen Gesetzesteil Zuwanderung und einen Gesetzesteil Integration, wie es Niedersachsen vorgeschlagen hat, ab. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller sagte in einem Interview mit der Zeitung „Die Welt“ - ich zitiere -: „Zuwanderung und Integration gehören zusammen.“ Dem schließe ich mich an.

Die Zuwanderung und die Integration der Zugewanderten sind auch für Sachsen-Anhalt von Bedeutung. Auch wenn der Anteil der im Land lebenden Ausländer mit 1,8 % gering erscheint und Sachsen-Anhalt ein geringer Anteil der nach Deutschland Zugewanderten zugewiesen wird, sind die Folgen und die Auswirkungen eines Zuwanderungsgesetzes gleichwohl spürbar.

Es sollte Anspruch einer verantwortungsvollen Politik auch in diesem Land sein, so viele Migranten wie möglich voll in die hiesige Gesellschaft zu integrieren, auch weil es der Arbeitsmarkt erfordern wird, auf qualifizierte Zuwanderer zurückgreifen zu können. Zuwanderung bedeutet sowohl für diejenigen, die zuwandern wollen, als auch für die aufnehmende Gesellschaft eine Herausforderung, die beiden Seiten Anstrengungen abverlangt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade weil Vertreter aller Parteien die Notwendigkeit einer Reform nie infrage stellten, standen auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Chancen für einen parteiübergreifenden Kompromiss nicht schlecht - so hätte man meinen können.

Die Realität ist: Die Chance wurde bisher nicht ergriffen. Nach einem Schuldigen zu suchen ist müßig. Fakt ist aber: Die rot-grüne Bundesregierung hat das aufgehobene Zuwanderungsrecht in nahezu unveränderter Fassung in den Bundestag eingebracht und mit ihrer dortigen Stimmenmehrheit beschlossen, obwohl sie wusste, dass die im Bundesrat vorhandene Mehrheit von CDU- und FDP-regierten Ländern das Vorhaben inhaltlich nicht mittragen würde. Dem Bundesrat blieb also nichts anderes übrig, als den Gesetzentwurf am 20. Juni dieses Jahres zurückzuweisen.

Meine Damen und Herren! Musste es so kommen? Gab es keine anderen Alternativen? - Zeitgleich mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung hat die FDP-Bundestagsfraktion einen Gesetzentwurf zur Beratung im Bundestag vorgelegt, mit dem die FDP - als einzige Partei im Übrigen - die Chance für einen parteiübergreifenden Kompromiss in der festgefahrenen Diskussion suchte.

Kernpunkte des Zuwanderungssteuerungs- und Integrationsgesetzes sind Regelungen für mehr Steuerung der Zuwanderung, für mehr Integration und weniger Verwaltungsbürokratie bei der Zuwanderung. Lassen Sie mich an dieser Stelle auf je einen Vorschlag aus dem Bereich der Zuwanderung und aus dem Bereich der Integration genauer eingehen, bei denen sich die Vorschläge der FDP vom Gesetzentwurf der Bundesregierung unterscheiden.

Wir brauchen ein flexibles rechtliches Instrumentarium für die nach unseren Bedürfnissen gesteuerte Zuwanderung von ausländischen Fachkräften auf unseren Arbeitsmarkt. Dabei müssen deutsche und, ihnen gleichgestellt, EU-Arbeitnehmer stets Vorrang genießen.

Daher sind wir der Auffassung, dass auch für den Bereich der Arbeitsmarktmigration eine Jahreszuwanderungsquote gelten sollte. Diese trägt dem Umstand Rechnung,

dass nicht allein die wirtschaftliche Nachfrage die Höhe der Arbeitsmigration bestimmen kann, sondern auch die Integrations- und Aufnahmefähigkeit des Landes eine wichtige Rolle spielen muss. Die Jahreszuwanderungsquote würde jährlich durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung festgelegt werden, die der Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates bedürfte.

Mit dem von uns vorgeschlagenen Zwei-Türen-Modell soll zwischen der Zuwanderung als Flüchtling im Rahmen des Asylverfahrens und der Zuwanderung als Arbeitnehmer unterschieden werden. Der Migrant soll sich zukünftig entscheiden, welche Art er wählt, da sich beide Arten ausschließen müssen.

Im Bereich der Integration geht die FDP von der Notwendigkeit einer umfassenden Integrationsregelung durch eine flächendeckende Einführung von Orientierungssprachkursen aus, und zwar auch für diejenigen Zuwanderer, die schon heute bei uns leben. Dazu schlagen wir vor, einen Teilnahmeanspruch auf die Integrationskurse auch für die Ausländer einzuführen, die eine Aufenthaltsberechtigung oder eine Aufenthaltserlaubnis nach dem bisher geltenden Ausländerrecht für weniger als sechs Jahre haben.