Eva Kühne-Hörmann
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Last Statements
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe heute den Gesetzentwurf für ein Zwölftes Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer und Änderung befristeter Rechtsvorschriften – das sogenannte Sammelgesetz – in den Landtag ein. Der Gesetzentwurf folgt den Vorgaben des Leitfadens für das Vorschriftencontrolling, den die Landesregierung im Jahr 2010 eingeführt hat.
Im vergangenen Jahr hat die Landesregierung den Leitfaden einer umfassenden, an der Praxis orientierten Prüfung unterzogen und ihn Anfang 2018 neu gefasst. Dabei wurde die reguläre Befristungsdauer von Rechtsvorschriften moderat verlängert; denn die bisherigen Fristen haben sich in manchen Fällen als zu kurz erwiesen, um rechtzeitig vor ihrem Ablauf aussagekräftige Ergebnisse aus der Evaluierung erhalten zu können.
Für die Erstbefristung von Rechtsvorschriften sind nunmehr sieben statt fünf Jahre vorgesehen. Die Folgebefristungen sollen für zehn statt für acht Jahre erfolgen. Die Möglichkeit, in begründeten Einzelfällen abweichende Befristungsdauern vorzuschlagen, ist erhalten geblieben.
Wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs ist auch in diesem Jahr die Verlängerung der Geltungsdauer von Stammgesetzen aus den verschiedenen Ressorts. Es handelt sich um insgesamt acht Gesetze, davon drei aus dem Bereich des Justizministeriums, zwei aus dem Bereich des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst und drei aus dem Bereich des Umweltministeriums. Die im Einzelnen vorgeschlagenen Neubefristungen orientieren sich an dem neuen Stufenmodell.
Eine Ausnahme bildet zum einen das Allgemeine Berggesetz für das Land Hessen. Hier wird eine Befristung von nur fünf Jahren für angemessen erachtet, da in dieser Zeitspanne ein Überblick über in Hessen eventuell noch existierende bergrechtliche Gewerkschaften gewonnen werden soll. Die Gesellschaftsform der bergrechtlichen Gewerkschaft ist bereits vor längerer Zeit bundesgesetzlich aufgehoben worden. Gegebenenfalls noch existierende Gewerkschaften müssten ordnungsgemäß abgewickelt werden.
Zum anderen wird für die Weitergeltung des Hessischen Fischereigesetzes in seiner derzeitigen, inhaltlich unveränderten Form lediglich eine Verlängerung von drei Jahren vorgeschlagen. In dieser Zeit soll die Norm gründlich betrachtet und unter Einbindung aller Akteure gegebenenfalls neu ausgerichtet und novelliert werden.
Außerdem ist als Besonderheit zu erwähnen, dass zu dem Sozialberufeanerkennungsgesetz bisher noch keine umfassende Evaluation vorgenommen wurde, da dieses Gesetz eine eigenständige Erprobungsklausel enthält. Die Evaluationsberichte der Hochschulen sind in drei Jahren zu erwarten und können deshalb erst bei einer künftigen Gesetzesänderung berücksichtigt werden.
Bei keinem der im Sammelgesetz enthaltenen Gesetze wurden von den beteiligten Fachkreisen und Verbänden grundsätzliche Einwände gegen eine Verlängerung der Geltungsdauer erhoben. Wie es schon in den Vorjahren die gängige Praxis war, werde ich den Mitgliedern des Rechtspolitischen Ausschusses gern die Anhörungsunterlagen zu den evaluierten Gesetzen zur Verfügung stellen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine starke Justiz schafft Sicherheit. Das ist das Motto, unter dem wir in der ganzen Legislaturperiode arbeiten. Der Doppelhaushalt 2018/2019 belegt das ausdrücklich. Es gibt einen erheblichen Anstieg im Haushalt – so viel wie noch nie. Deswegen kann man stolz auf diesen Haushalt sein. Selbst Frau Hofmann und Herr Dr. Wilken haben das nicht bestritten. Frau Hofmann, so weit, so gut: Sie haben nur in die Vergangenheit geblickt. Mit der Zukunft sind Sie zufrieden.
Ich glaube, darauf kann man stolz sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Zahlen vorweg: Wenn man den Haushalt liest, kann keiner bestreiten, dass 44 Millionen € mehr im Haushalt für die Jahre 2018/2019 zur Verfügung stehen, der Stellenabbau gestoppt ist und in der Legislaturperiode – trotz Stellenabbaus am Anfang – insgesamt 550 neue Stellen geschaffen worden sind, und zwar in allen Bereichen.
Herr Kollege Dr. Wilken, ich will darauf eingehen. Sie haben gesagt, wir schaffen ausschließlich Stellen bei Richtern und Staatsanwälten. Da will ich Ihnen sagen: Das ist schlicht die Unwahrheit.
Sie haben gesagt, wir sorgen ausschließlich in dem Bereich Richter und Staatsanwälte für einen Aufwuchs und vernachlässigen den nachgeordneten Bereich. Das waren Ihre Worte.
Ja, vernachlässigen. Er hat gesagt: Es gibt gar keine. – Wir können ja das Protokoll nachlesen, Frau Kollegin Wissler.
Dann will ich Ihnen einmal vorlesen, was jeder erkennen kann, der den Haushalt liest und nicht nur darüber redet und allen den Eindruck vermittelt, da würde nichts getan. Wir haben so viele Rechtspflegeanwärterstellen wie noch nie, 37 Stellen; 47 Stellen für Serviceeinheiten, 8 Stellen für Gerichtsvollzieher, 10 Stellen im Justizwachtmeisterdienst, 39 Stellen im Justizvollzug, 2 Stellen im gehobenen Dienst für die ZIT, wo sonst Internetstaatsanwälte sind, 2 Stellen im Tarifbereich und 6 Stellen für schwerbehinderte Beschäftigte. Wir haben in Frankfurt so viele Auszubildende wie noch nie. Dann davon zu reden, dass der nachgeordnete Bereich keine Rolle spiele, ist schlicht eine Unverschämtheit.
Jetzt will ich noch etwas sagen: Zu Beginn der Legislaturperiode ist es uns gelungen, die befristeten Beschäftigungsverhältnisse im nachgeordneten Bereich, die 25 Jahre bestanden, aufzuheben, Poolstellen zu finden und dafür zu sorgen, dass junge Bedienstete im Tarif- und im Beamtenbereich des mittleren Dienstes Aufstiegschancen und Perspektiven haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das spricht dafür, dass es nicht nur um die Richter und Staatsanwälte geht, sondern es geht um die Teams, die in der Justiz in jedem einzelnen Bereich arbeiten. Ich will deutlich herausstellen, dass eine von CDU und GRÜNEN geführte Landesregierung das im Blick hat – und nicht nur die Richter und Staatsanwälte, aber die auch.
Ich will noch auf wenige Punkte zu sprechen kommen. Die Stellensituation habe ich eben genannt. Aber es geht natürlich auch um die großen Blöcke Digitalisierung, die Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus, den Brexit, die Asylverfahren, die Bekämpfung der Jugendkriminalität und auch den Opferschutz.
Frau Kollegin Hofmann, wenn ich über den Opferschutz spreche, dann weise ich darauf hin, wir haben in der letzten Plenardebatte über eine Große Anfrage geredet, bei der immer der Opferschutz im Vordergrund stand.
Beim Opferschutz haben wir in diesem Haushalt die Mittel für ganz konkrete Projekte erhöht. Das war schon immer ein Schwerpunkt in Hessen. Wir geben 100.000 € für eine wertvolle Arbeit vor Ort. Wir unterstützen die Täterarbeit bei häuslicher Gewalt. Wir unterstützen Prävention für extremistische Gefangene, und wir haben auch Strukturbeobachter eingesetzt. Der Opferschutz insgesamt – das sage ich für das Ministerium, das für die Prävention zuständig ist – hat bei uns in Hessen höchste Priorität.
Jetzt möchte ich noch auf den Justizvollzug eingehen. Die Stellen im Justizvollzug habe ich genannt. Davon zu reden, dass wir nicht in die Sanierung der Justizvollzugsanstalten investieren, ist glatt die Unwahrheit. Wir investieren in diesen Haushalten über 50 Millionen € konkret in die Sa
nierung der Anstalten. Über 100 Millionen € gehen in einzelne Justizvollzugsanstalten, wie die in Kassel und Butzbach, für viele weitere kleine Maßnahmen.
Was die bauliche Situation angeht, haben wir in den letzten Jahren eine Aufholjagd begonnen, die ihresgleichen sucht. Die großen Projekte laufen inzwischen.
Zum Schluss will ich noch das Thema IT erwähnen. In der IT haben wir für die Jahre 2018 und 2019 zusätzlich zu der Ausstattung, die wir bereits hatten,
insgesamt rund 11 Millionen € eingeplant. In den Länderverbünden liegen wir an der Spitze. Auf dem Weg, die elektronische Akte im Justizbereich einzuführen, sind wir unter den ersten drei der federführenden Länder in Deutschland mit einer eigenen IT-Stelle, die der Kollege Hahn unter seiner Verantwortung in Bad Vilbel eingerichtet hat – mit einer IT-Präsidentin und mit einem Support, den sich andere Länder wünschen würden. Deshalb kann man nicht davon reden, wir seien da schlecht, sondern wir sind im IT-Bereich besonders gut aufgestellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Justizhaushalt beschreibt, dass es in einem Land, in dem man sicher leben will, immer darum geht, die Justiz gut aufzustellen. Es reicht nicht, nur die Polizei aufzubauen, sondern das muss auch für die Justiz gelten. Deswegen sind in allen vorgeschlagenen Sicherheitspaketen immer Justiz und Polizei aufgeführt worden. Ich kann Ihnen nur sagen: Der Justizhaushalt für die Jahre 2018/2019 ist ein Erfolg.
Hessen ist gut aufgestellt. Ich werbe um Ihre Unterstützung und bedanke mich bei den Koalitionsfraktionen auch für die Änderungsanträge, die es uns ermöglichen, das erfolgreiche Modell der Häuser des Jugendrechts weiter voranzubringen. Ganz besonders freue ich mich über das neue Haus in Hanau, das schnell das größte sein wird. Der SPDOberbürgermeister, Herr Kaminsky, und der SPD-Landrat des Main-Kinzig-Kreises haben gute Arbeit geleistet, indem sie mit dem Land zusammen ein solches Haus des Jugendrechts im Interesse der Beschäftigten und der Kommunen auf den Weg bringen. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, alle Vorredner haben es gesagt: Der Opferschutz ist in unserem demokratischen Rechtsstaat eine der wichtigsten Aufgaben, um die wir uns kümmern. Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass jeder, der Opfer wird, erhebliche Auswirkungen zu ertragen hat und dass sich die meisten wenig damit beschäftigen, wie groß die Auswirkungen sind und vor allen Dingen wie langfristig diese Auswirkungen am Ende empfunden werden und wirken.
Herr Kollege Dr. Wilken, deshalb ist es richtig: Der Opferschutz hat heute zum Glück eine ganz andere Bedeutung als vor etlichen Jahrzehnten. Deshalb will ich darauf hinweisen, dass Opferschutz und Opferhilfe so wichtig sind und dass wir als Hessische Landesregierung ein breites Spektrum an Maßnahmen zum Opferschutz haben, das ständig erweitert und ausgebaut wird. Die Maßnahmen reichen von der konkreten Hilfestellung im Einzelfall bis hin zu Projekten mit langfristig ausgelegtem präventivem Charakter. Das ergibt sich – alle Vorredner haben es gesagt – auch aus dieser Anfrage, die umfangreich beantwortet wor
den ist. Der Opferschutz ist in Hessen gut aufgestellt. Trotzdem sollte man darin nicht nachlassen.
Es gibt immer wieder neue Phänomene – Herr Kollege Blechschmidt, auch Sie haben es gesagt –, auf die wir treffen. Ich will einen Bereich nennen, der heute noch nicht zur Sprache gekommen ist: die Straftaten im Internet. Wenn wir darüber reden, dass es in den sozialen Medien auch Straftaten gibt, die erhebliche Auswirkungen haben, beispielsweise das Verspotten von Personen im Internet, das zum Teil so „scharf“ war, dass sich Leute das Leben genommen haben, dann stellen wir fest, dass das im sozialen Netz eine neue Dimension ist. Darauf müssen wir neue Antworten finden. Dass heißt, auch in diesen Bereichen gibt es Handlungsbedarf.
Ich will darauf hinweisen, dass wir Prävention und Opferschutz haben und dass dies organisatorisch miteinander verbunden ist, etwa in den Häusern des Jugendrechts oder bei der Arbeit des Landespräventionsrats. Nebenbei will ich darauf hinweisen, dass wir das Land sind, das am längsten einen Präventionsrat hat. Dieser ist im Justizministerium angesiedelt. Einige Kollegen waren mit dabei, als wir das 25-jährige Jubiläum feiern konnten. Auch im Präventionsrat sind in den vielen Arbeitsgruppen hauptsächlich Ehrenamtliche engagiert; und jedes Mal kommt eine Arbeitsgruppe hinzu, die im Bereich der häuslichen Gewalt nach wie vor einen Schwerpunkt hat.
Die Opfer müssen im Vordergrund stehen, deswegen noch einmal die klare Betonung: Opferschutz geht vor Täterschutz. Darauf müssen wir besonders achten. Wir gewährleisten den Schutz, indem wir die Opferschutzrechte im Rechtsstaat gestärkt haben. Deswegen will ich darauf hinweisen, dass die Stellung der Opfer im Strafprozess gestärkt worden ist und dass es natürlich auch wichtig ist, die Betreuung von Opfern außerhalb des Strafprozesses, also während des gesamten Verfahrens, sicherzustellen.
Es ist schon darauf hingewiesen worden, deswegen will ich das nicht wiederholen, dass die Opferrechtsreformgesetze von Hessen immer begleitet worden sind, so auch das letzte Gesetz. Neu ist jetzt, dass wir in dem dritten Opferrechtsreformgesetz den Schutzstandard für Opfer von Straftaten noch einmal erhöht haben, indem in den Strafprozess die psychosoziale Prozessbegleitung eingeführt worden ist. Besonders schutzbedürftige Opfer können nun beantragen, vor, während und nach der Hauptverhandlung professionell begleitet zu werden.
Das halte ich für einen besonders wichtigen Schritt, deswegen haben wir im laufenden Haushaltsjahr 250.000 € für die psychosoziale Prozessbegleitung zur Verfügung gestellt. Allerdings waren wir in Hessen – das ist auch schon gesagt worden – immer schon dabei, die Zeugenbetreuung zu unterstützen.
Die Zeugenzimmer sind eben genannt worden. Die Zeugenzimmer an den Landgerichten werden alle von Vereinen oder ehrenamtlichen Initiativen betreut. Sie erklären, was in einem solchen Prozess passiert, wie man sich verhalten muss, und wissen, welche Ängste es gibt. Im Nachhinein wollen auch viele Opfer wissen, was aus dem Prozess herausgekommen ist. Auch das wird von den Zeugenberatungen und Initiativen übernommen. Sie erklären den Opfern das Ergebnis, und was mit dem Täter geschehen ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur im Prozessrecht, auch auf der Ebene des materiellen Strafrechts konnte die Landesregierung entscheidende Impulse setzen, um den Opferschutz zu verbessern. Frau Kollegin Hofmann, Sie haben vorhin das Stalking angesprochen. Im März 2017 ist eine Verschärfung in Kraft getreten, die auf einer Initiative aus Hessen beruht, die 1 : 1 übernommen worden ist.
Die neue Fassung der Strafvorschrift wird noch mehr zum Schutz von Nachstellungen beitragen und verhindern, dass vor allem Frauen zum Opfer werden. Es reicht für die Strafbarkeit jetzt endlich aus, dass die Nachstellung dazu geeignet ist, die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend zu beeinträchtigen. Es ist nicht mehr erforderlich, dass die Lebensgestaltung des Opfers auch tatsächlich beeinträchtigt wird. Insofern haben wir gerade im Bereich des Stalking mit den Initiativen, die wir aus Hessen gestartet haben, eine Verbesserung erreicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will noch darauf hinweisen – darüber freue ich mich sehr –, dass wir schon immer ein bundesweit vorbildliches Netz von professionellen Opferberatungsstellen haben und vor knapp zwei Wochen ein neuer Opferhilfeverein in Fulda gegründet worden ist, der die professionelle Betreuung von Opfern in Zusammenarbeit mit vielen lokalen Partnern weiter voranbringen wird.
Alle Opferhilfevereine erhalten aus dem Haushalt der Justiz jährliche Zuwendungen. Im Jahr 2016 waren das über 700.000 €. Darüber hinaus werben die Vereine Spenden ein und erhalten weitere Zuwendungen aus von den Staatsanwaltschaften und Gerichten verhängten Geldauflagen. Diese Mischfinanzierung hat sich bewährt. Gerade die Geldauflagen erfüllen eine wichtige Funktion im Strafverfahren, die zur Finanzierung der Opferhilfevereine hinzutritt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will noch darauf hinweisen, dass die Förderung der Opferhilfevereine im Doppelhaushalt erneut um 100.000 € erhöht worden ist. Ich will auch darauf hinweisen, dass die Beträge, um die es geht, insgesamt – das steht auch in der Beantwortung dieser Anfrage – einen Ansatz für die Kommunalisierung sozialer Hilfen von jährlich rund 19,2 Millionen € umfassen.
Dieser Gesamtbetrag, den wir gemeinsam mit dem Sozialministerium bereitstellen, steht für Hilfeleistungen zur Verfügung. Seit 2015 stehen jedes Jahr noch einmal 3,4 Millionen € zusätzlich für Frauenhäuser, Interventionsstellen, Frauenberatung, Notrufe und Schutzambulanzen gegen Kindesmissbrauch zur Verfügung.
Die Aussage, dass im Bereich der Frauenhäuser immer noch nicht der Betrag wieder erreicht wurde, der gekürzt wurde, ist schlicht die Unwahrheit. In diesem Bereich haben wir eine Steigerung um 40 %, sodass mehr zur Verfügung steht als früher. Ich finde, das ist ein Erfolg.
Jeder in diesen Bereich investierte Euro ist ein Euro, der am Ende dazu führt, dass weniger Straftaten passieren, wenn Prävention funktioniert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb möchte ich zum Schluss all denjenigen danken, die sich in den Opferberatungsstellen und allen Initiativen engagieren. Ich will den vielen Hauptamtlichen, aber auch den zahlreichen Ehrenamtlichen danken. Ich will hinzufügen, dass sich insbesondere aus der Justiz viele Staatsanwälte, Richter, Präsidenten und Rechtspfleger, die damit beruflich zu tun haben, auch ehrenamtlich in dem Opferschutz betätigen. Das ist auch keine Selbstverständlichkeit.
Mein herzlicher Dank gilt all denjenigen, die jeden Tag die praktische Arbeit leisten. Darauf können wir stolz sein. Ich wünsche allen weiterhin viel Erfolg im Sinne der betroffenen Opfer.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Argumente sind hier in erster und zweiter Lesung, im Rechtsausschuss sowie im Unterausschuss Justizvollzug ausgetauscht worden. Dem habe ich nichts hinzuzufügen und gebe meine Rede zu Protokoll.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befinden uns in der zweiten Lesung des Sammelgesetzes und des dazugehörigen Änderungsantrags. Deswegen will ich zunächst zum Änderungsantrag, der von den Regierungsfraktionen vorgelegt worden ist, insgesamt etwas sagen.
Der Antrag wurde unter allen Fachleuten mehrerer Fachausschüsse besprochen. Die Änderungen, die auch in dem Änderungsantrag stehen, betreffen nicht allein den Justizbereich, sondern in dem Rahmen ist jetzt noch das Hessische Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch aufgrund einer erst nach Einbringung des Sammelgesetzes verkündeten Neuregelung des Bundes geändert worden. Im Reiserecht ist es erforderlich, Art. 3 des Sammelgesetzes zu aktualisieren. Das ist der eine wichtige Punkt.
Der andere Punkt ist die Anpassung des Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetzes. Die mit dem neuen Art. 10a des Sammelgesetzes vorgesehenen Änderungen sind ebenfalls aufgrund bundesrechtlicher Novellierungen erforderlich geworden. Das Landesrecht muss im Bereich des Vergaberechts entsprechend angepasst werden.
Der letzte Punkt, der geändert wird – das habe ich mit den Obleuten besprochen –, betrifft das Hessische Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz. Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass mit der Änderung lediglich beabsichtigt war, auf Vorschlag der Fachabteilung eine Klarstellung im Gesetz vorzunehmen. Es sollte also nichts versteckt werden. Das will ich noch einmal ausdrücklich sagen. Herr
Blechschmidt, Sie haben es vorhin auch noch einmal angemerkt.
Hierzu gab es Rechtsprechung in einem Verfahren. Entsprechend dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers sollte im Gesetz verdeutlicht werden, dass eine elektronische Überwachung bei der Ausführung von Sicherungsverwahrten möglich ist. Die Ausführung von Sicherungsverwahrten mit der elektronische Überwachung ist das mildere Mittel, das alle wollen, sodass letztlich durch die Rechtsprechung eine Unklarheit im Gesetz entstanden ist, die dazu hätte führen können, dass am Ende zum Nachteil der Gefangenen und der Bediensteten ein Mittel hätte angewendet werden müssen, das weit mehr in die Grundrechte eingreift als das jetzige Verfahren.
Wenn man das so sieht, ist das eine Klarstellung. Man kann das aber auch anders auslegen. Deswegen bin ich sehr dankbar für die konstruktiven Gespräche mit den Obleuten. Außerdem bin ich dankbar dafür, dass wir heute Abend die Gelegenheit haben, im Rechtsausschuss und im Unterausschuss Justizvollzug alle Fragen zu beantworten, um dann in die dritte Lesung gehen zu können, damit sowohl die Sicherungsverwahrten als auch die Bediensteten mit dem jetzt geübten guten Verfahren weiter rechtssicher arbeiten können.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Anfrage – das haben einige Kollegen vorhin schon gesagt – enthielt 140 Fragen und umfasste 93 Seiten Antworten mit vielen Statistiken. Daher teile ich das, was der Kollege Honka und die Kollegin Müller gesagt haben: Frau Kollegin Özgüven, Sie sind als Fragestellerin in Ihrer gesamten Rede auf keinen einzigen Fall aus der Antwort eingegangen, und das bei 140 Fragen und 93 Seiten Antworten.
So etwas habe ich noch nie erlebt. Dass die Antworten auf Ihre Anfrage nicht dem entsprachen, was Sie versucht haben in Ihrer Rede aufzuzeigen, kann ich nicht ändern. Bei so vielen Fragen und so vielen Antworten aber keinen einzigen Satz konkret zu den Antworten zu sagen, das finde ich ziemlich ärmlich für einen Fragesteller. Das muss ich wirklich sagen.
Getroffene Hunde bellen, würde ich jetzt mal sagen.
So etwas habe ich hier im Plenum noch nie erlebt; das muss ich wirklich sagen, und ich bin schon eine ganze Weile dabei.
Die Frage nach der Dauer der Gerichtsverfahren ist völlig legitim, und die damit oftmals verbundene Vermutung, sie seien regelmäßig zu lang, ist nicht neu. Der Kollege Blechschmidt hat nicht nur aufgrund seiner Berufserfahrung, sondern auch aufgrund seiner Erfahrung als Abgeordneter darauf hingewiesen, dass das ein dauerhaftes Thema für uns alle sein muss. Wir müssen uns bei jeder Statistik genau die Hintergründe anschauen; immerhin handelt es sich um ein wichtiges Merkmal für den Rechtsstaat.
Unbestritten ist die Verfahrensdauer ein, aber nur ein Merkmal für die Qualität der Gerichtsverfahren. Die Verfahrensdauer – die Kollegin Müller hat das auch gesagt – muss Hand in Hand gehen mit der rechtlichen Güte einer Gerichtsentscheidung und dem rechtsstaatlichen Verfahren. Eines ist klar: Hinter jedem Verfahren stehen Lebensschicksale, und jeder Rechtsuchende hat den Anspruch auf ein ordentliches rechtsstaatliches Verfahren.
Gerichtsverfahren – das ist von meinen Vorrednern auch schon gesagt worden – verlängern sich immer dann, wenn unvorhergesehene Ereignisse eintreten. Hinzu kommt, dass Anwälte Verfahren verlängern, aus berechtigten oder unberechtigten Interessen. In manchen Fällen verlängern Krankheitsfälle das Verfahren. Natürlich ist aber auch die Personalausstattung ein Kriterium, das darüber entscheidet, ob Verfahren lang oder kurz sind.
Ich will zu den Asylverfahren kommen, weil viele Kollegen diese auch angesprochen haben. Ja, der Anstieg der Flüchtlingszahlen in den Jahren 2015 und 2016 hat die Verfahrenszahlen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit und in Kindschaftssachen der Familiengerichte ansteigen lassen. In den Kindschaftssachen haben sich im Vergleich der Jahre 2015 und 2016 die Eingangszahlen sogar verdoppelt, weil zu diesem Bereich auch die Vormundschaftsangelegenheiten der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge zählen.
Bei den Asylverfahren in der Verwaltungsgerichtsbarkeit erklärt sich der Anstieg der Eingangszahlen von selbst.
Von Januar bis Juli dieses Jahres sind allein in diesem Bereich 18.775 Verfahren zu verzeichnen. Da das absehbar war, haben wir sofort reagiert und – der Kollege Honka hat es erwähnt – nicht nur sofort Personal eingestellt, sondern auch einen Zehn-Punkte-Plan erstellt, um der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu helfen, diese Verfahren bei all den Schwierigkeiten, die es gibt, zu bewältigen. Deshalb will ich die Zahlen noch einmal darstellen.
Im Jahr 2016 haben wir in der Verwaltungsgerichtsbarkeit 32 Planstellen und in der ordentlichen Gerichtsbarkeit sieben Planstellen geschaffen, aber nicht nur für Richter, sondern auch für Rechtspfleger und nachgeordnetes Personal, weil es natürlich nicht nur auf den Anstieg der Zahl der Richter ankommt, sondern weil es letztlich um ein Gesamtpaket geht. Das heißt, wir haben also nicht einseitig, wie dies in der Vergangenheit passiert ist, vermehrt im nachgeordneten Bereich Stellen gestrichen. Nun sind wir dazu übergegangen, Teams zu beschäftigen, insbesondere bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit, damit man sich auf dem Weg befindet, den Sie beschrieben haben.
Durch weitere Personalmaßnahmen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit haben wir bis zum jetzigen Zeitpunkt insgesamt 45 Stellen verstärkt, die im Übrigen alle besetzt werden konnten, weil wir genügend Personal finden, mit dem wir die Stellen besetzen können. Das heißt, wir haben nicht nur die Stellen geschaffen und die erforderlichen Mittel bereitgestellt, sondern wir haben auch das Personal eingestellt. Das ist vor Ort in den allermeisten Gerichten schon angekommen, sodass damit auch schon gearbeitet werden kann.
Das zeigen auch die Zahlen zur Erledigung der Verfahren. Die Erledigungsquote ist bei nicht komplexen Sachverhalten sogar größer als im Jahr 2014. Bei den schwierigen Verfahren, die in der Statistik besonders zu Buche schlagen, ist das natürlich nicht der Fall.
Meine sehr geehrte Damen und Herren, wir haben eine Trendwende in der Justiz eingeleitet, indem wir den Stellenabbau gestoppt haben. Es hätten noch ca. 200 Stellen abgebaut werden müssen.
Außerdem haben wir 250 neue Stellen im Haushalt 2017 umgesetzt, 140 Stellen für die ordentliche Gerichtsbarkeit, 52 Stellen für die Staatsanwaltschaften. Frau Kollegin Müller hat gesagt, nach jeder Sitzung des Richterwahlausschusses, in der wir die Berufung neuer Richter beschließen, werden diese umgehend in der Justiz eingestellt, um die Stellen zu besetzen.
Besonders interessant in der Antwort auf die Großen Anfrage ist der Besetzungsgrad im richterlichen Dienst. Der Besetzungsgrad ist so hoch wie nie zuvor. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit beläuft sich der Besetzungsgrad auf 99 %, in der Sozialgerichtsbarkeit und beim Hessischen Finanzgericht liegt er kontinuierlich zwischen 96 % und 97 %. Das trotz der Quote derer, die in Mutterschutz gehen, weil wir nämlich in den letzten Haushalten Vorsorge getroffen haben durch eine Taskforce Mutterschutz, mithilfe derer diese Zeiten aufgefangen werden und mithilfe derer dafür gesorgt wird, dass in den Gerichten, in denen es zu Ausfallzeiten durch Mutterschutz und Väterzeiten kommt, diese aufgefangen werden können durch Richter, die die Verfahren bearbeiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, einige Kollegen haben das wichtige Thema der Jugendkriminalität und die damit zusammenhängenden Verfahren angesprochen. Ja, diese müssen insbesondere im Fokus stehen, weil all diejenigen, die wir in den Jugendgerichtsverfahren erreichen und die wir auf den rechten Weg bringen, nicht rückfällig werden. Sie werden auf Dauer auch keine Opfer produzieren. Daran wird deutlich, dass infolge von Bemühungen in den Jugendstrafverfahren viel passiert ist und die Quote relativ gut ist. Sie ist zwar immer noch nicht gut genug, aber gut. Deshalb will ich die Häuser des Jugendrechts erwähnen. Bei den Häusern des Jugendrechts sind Erfolge zu verzeichnen mit Blick auf den Rückgang der Jugendkriminalität in den Stadtteilen. Das ist wirklich einen Applaus wert.
Staatsanwaltschaft, Polizei und Kommune arbeiten so gut zusammen, dass die Strafe auf dem Fuße folgt und dass am Ende die Jugendlichen ein so großes Vertrauen in Staatsanwaltschaft, Polizei und Jugendgerichtshilfe haben, dass sie, schon bevor etwas passiert, präventiv dorthin kommen.
Ich freue mich darüber, dass es einzelne Initiativen aus Städten gibt, die sich jetzt auch auf den Weg machen und sich für ein Haus des Jugendrechts interessieren. Die Erfolge in diesen Häusern sind groß. Wenn wir damit die Jugendkriminalität in den Städten eindämmen können, dann ist das sicher der richtige Weg.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine starke Justiz schafft Sicherheit. Wir werden weiterhin, wenn die Anstiege so sind, Stellen beantragen und Präventionsmaßnahmen durchführen und hoffentlich noch mehr Häuser des Jugendrechts haben. Deswegen ist die Justiz in Hessen gut aufgestellt.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bringe heute das Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer und Änderung von Rechtsvorschriften, das sogenannte Sammelgesetz, ein.
Wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs ist auch in diesem Jahr die Verlängerung der Geltungsdauer von Stammgesetzen aus den verschiedenen Ressorts. Es handelt sich dabei um insgesamt zehn Rechtsvorschriften, die nach dem etablierten Stufenmodell um jeweils fünf oder acht Jahre fortgeschrieben werden sollen.
Lediglich im Fall des Hessischen Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes soll die Befristung nur um vier Jahre verlängert werden, da die Regelungen in dieser Norm nach vier Jahren im Vergleich der Bundesländer überprüft werden sollen.
Zusätzlich zu diesen Verlängerungen werden geringfügige Änderungen von vier Gesetzen aus dem Bereich der Justiz aufgenommen. Es handelt sich hierbei um das Hessische Dolmetscher- und Übersetzergesetz. In diesem Gesetz muss eine spezielle Vorgabe einer EU-Richtlinie zu den Voraussetzungen für eine vorübergehende Tätigkeit von Dolmetschern und Übersetzern aus anderen Mitgliedstaaten umgesetzt werden.
Das Hessische Untersuchungshaftvollzugsgesetz und das Hessische Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz bedürfen beide jeweils einer geringfügigen redaktionellen Anpassung.
Außerdem wurde noch eine Anpassung des Gesetzes über die hessische Rechtsanwaltsversorgung in das Sammelgesetz aufgenommen. Dabei geht es zum einen um die Aufhebung der Altersgrenze für eine Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Hessen, zum anderen soll das Quorum bei der Wahl der Mitglieder des Vorstands des Versorgungswerkes abgesenkt werden. Die Änderungen sind auf Wunsch des Versorgungswerkes vorgesehen und werden von den Rechtsanwaltskammern uneingeschränkt begrüßt. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe diesen Gesetzentwurf in erster Lesung eingebracht. Herr Kollege Blechschmidt, es ist gute Übung, alle Anhörungsunterlagen und alle Unterlagen dem Ausschuss umgehend zur Verfügung zu stellen. Wir haben Gelegenheit, im Ausschuss über das zu reden, was Sie zuletzt angesprochen haben, ob das den Umfang aus Ihrer Sicht noch umfasst oder nicht. Deswegen schlage ich Ihnen vor, dass wir im Ausschuss diese Debatte im Detail zu den einzelnen Vorschriften führen. Dazu wird Gelegenheit sein. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussionskultur in sozialen Netzwerken ist respektloser und diffamierender denn je.
Das haben wir hier übrigens nicht zum ersten Mal diskutiert. Auch wichtig ist: Die Löschung rechtswidriger Beiträge zu erreichen ist kaum möglich. Wir alle nehmen wahr, dass die dauerhafte und schnelle Verbreitung rechtswidriger Inhalte in den sozialen Netzwerken zu untragbaren Zuständen in unserem Rechtsstaat führt. Es ist auch bekannt, dass da Handlungsbedarf besteht – und das seit Längerem.
Darüber besteht also Einigkeit, und das haben eben auch meine Vorredner gesagt. Ich will es trotzdem noch einmal wiederholen.
Das Grundanliegen des Gesetzes – damit will ich beginnen – bleibt richtig: Das Recht gilt auch im Internet und auch – das will ich betonen – für amerikanische Großkonzerne, die sich an deutsches Recht halten müssen, wenn sie hier unternehmerisch tätig werden. Das ist bisher nicht der Fall.
Es kann nicht sein, dass unsere innovativen deutschen Unternehmen, von denen wir in Hessen übrigens viele im ITBereich haben, ganz besonders im Raum Darmstadt, dadurch ausgebremst werden, dass sie sich an Recht und Gesetz halten müssen, und Facebook und Co. meinen, für sie würden nur die eigenen Regeln gelten. Das kann nicht richtig sein.
Deshalb muss man sich Gedanken darüber machen, wie man mit diesem Thema umgeht.
Dieses Gesetz hat eine lange Vorgeschichte. Der Bundesjustizminister hat im Jahr 2015 eine Taskforce eingerichtet, zusammengesetzt aus den Betreibern der Netzwerke und Vertretern der Zivilgesellschaft. Ich räume ganz offen ein, dass ich schon damals kritisch war und gesagt habe: Ich habe große Sorge, dass das nicht funktioniert. – Ich war nicht allein. Herr Maas hat damals gesagt: Wir brauchen keine Gesetze. – Er hat sich ausschließlich auf die Freiwilligkeit von Facebook und Co. bezogen. Was ist heute das Ergebnis? – Man kann nur sagen: Seit 2015 ist das grandios gescheitert.
Das ist bitter genug für jedes Opfer, das im Internet in der Zwischenzeit diffamiert und verleumdet worden ist und keine Hilfe erfahren konnte, weil die Freiwilligkeit nicht funktioniert hat.
Wir haben viel Zeit verloren. Im November 2016 hat die Justizministerkonferenz beschlossen, Herr Maas möge nun Lösungsvorschläge vorlegen. Das ist nun auch schon eine Weile her. In der Zwischenzeit ist auf der Justizministerkonferenz – darüber habe ich hier im Plenum oft geredet – endlich beschlossen worden, dass wir eine digitale Agenda für das Recht brauchen. Es hat mich zwei Jahre gekostet, um eine Mehrheit dafür mit anderen Ländern zu finden. Jetzt gibt es die Arbeitsgruppen, die eingerichtet worden sind, und zwar im Bereich des Strafrechts und des Zivilrechts. Das hat Herr Maas auch zwei Jahre lang nicht so ernst genommen, dass er am Anfang da mitgemacht hätte.
Alle 16 Länder, Frau Kollegin, auch die SPD-geführten Justizministerien, an der Spitze unter anderem Herr Kutschaty, haben mit mir dafür gesorgt, dass die Arbeitsgruppen bestehen konnten.
Bei einem solchen Vorhaben hätte man auf die Idee kommen können, die Länder im Vorhinein intensiv einzubeziehen, was nicht passiert ist. Wir haben im März 2017 den Entwurf bekommen – mit einer Frist zur Stellungnahme
bis 30. März. Während der Entwurf uns zur Stellungnahme vorlag, hat Herr Maas selbst seinen ersten eigenen schlechten Entwurf geändert,
ihn uns noch nicht einmal zur Stellungnahme zugesandt und am Ende dafür gesorgt, dass die Frist zur Änderung des neuen Entwurfs für die Länder drei Tage betrug, um Stellung zu einem so komplizierten Gesetz zu nehmen.
Ich habe in diesem Bereich schon viel erlebt, aber nicht so ein Verfahren. Das kann man auch in der Debatte des Deutschen Bundestages nachlesen. Das betrifft auch die beteiligten Koalitionsfraktionen. Da gibt es auch viel Kritik in der SPD.
Ich will an dieser Stelle hinzufügen, dass dieser Gesetzentwurf so viele Mängel hat, dass sogar Herr Maas selbst im Moment an einem neuen Änderungsantrag arbeitet, den die Länder aber noch nicht kennen.
37 Änderungsanträge morgen im Bundesratsplenum sind jedenfalls ein Wort. Sie sind von allen Ländern eingereicht worden, da das, was dort vorgeschlagen worden ist – so gut es gemeint ist –, in der Praxis nicht umsetzbar ist.
Es ist zu unkonkret, nicht spezifisch genug, und ich war noch nie so einig mit Herrn Wilken, was die Kritik anging.
Das habe ich nicht verstanden, tut mir leid.
Jedenfalls hat der Gesetzentwurf so viele Unklarheiten, dass am Ende eine Umsetzung wirklich schwierig ist. Deshalb will ich ein paar Dinge noch einmal nennen: Natürlich muss der Schutz der Meinungsfreiheit, der von besonderer Bedeutung ist, ein diskriminierungsfreier Zugang zu sozialen Netzwerken, gewährleistet bleiben.
Der Kollege Utter hat das sehr ausdrücklich noch einmal vorgeführt. Aber gleichzeitig muss einer vorsorglichen Löschung von rechtmäßigen Inhalten wirksam entgegengetreten werden, und es kommt auch darauf an, dass man jemanden erreicht. Es muss eine Clearingstelle geben. Es muss auffällig sein, es muss aber auch schnell gehen. Deshalb gibt es einen hohen handwerklichen Überarbeitungsbedarf.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Gruppe zum digitalen Neustart hat 400 Seiten vorgelegt, die in zwei Wochen auf der Justizministerkonferenz veröffentlicht werden, und Hessen war das Bundesland, das eine eigene Arbeitsgruppe über die Persönlichkeitsrechte mit begleitet hat. Diese Erkenntnisse, die aus dieser Arbeitsgruppe, woran sich übrigens alle Länder beteiligt haben, zustande gekommen sind, müssen jetzt einfließen in all das, was in dem Gesetzentwurf von Herrn Maas nicht vorliegt.
Ich komme zum Schluss. – Deswegen wird es morgen darauf ankommen, bei den 37 Anträgen die Interessen Hessen so zu vertreten, dass wir einen Weg sehen, dieses Gesetz doch noch einigermaßen auf den Weg zu bringen. Es muss schnell kommen; denn eine gesetzliche Regelung sind wir den Opfern schuldig, die es im Internet bereits gegeben hat, die diffamiert und verunglimpft worden sind. Deshalb muss es eine schnelle Regelung geben, aber nicht wie vorgelegt. Daran werden wir intensiv mitarbeiten.
Sehr geehrter Herr Abg. Tipi, wie Sie wissen, ist das Programm „Fit für den Rechtsstaat – Fit für Hessen!“ ein Programm der hessischen Justiz, um Flüchtlingen den Rechtsstaat näherzubringen. Das Programm wird sehr gut angenommen; das sieht man schon an der Zahl der Kursteilnehmer. In zehn Monaten haben über 10.000 Flüchtlinge an diesem Programm teilgenommen. Die Teilnahme ist selbstverständlich freiwillig. Der Erfolg des Programms beruht wesentlich darauf, dass das Programm als Dialogveranstaltung konzipiert ist. Die Kursteilnehmer und ihre Bedürfnisse werden in das Programm eingebaut.
Die Rückmeldungen aus unseren Rechtsstaatsklassen sind vielversprechend. Die Kursteilnehmer stellen viele Fragen und zeigen, dass sie die Themen reflektieren. Die beteiligten Einrichtungen berichten, dass auch lange nach den Kursen über die behandelten Themen gesprochen wird. Die Inhalte helfen den Flüchtlingen ganz konkret in ihrem Alltag.
Das Programm lebt vom freiwilligen Engagement der über 300 Dozenten aus der Justiz, dem Einsatz der Projektkoordinatoren und der Ehrenamtlichen, die die Durchführung der Rechtsstaatsklassen vor Ort unterstützen, und vom Engagement der vielen Projektpartner in den Einrichtungen, in den Kommunen und bei den freien Trägern. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, um allen, die sich in diesem Projekt engagieren, ganz herzlich zu danken.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute wird in Berlin der verstorbene ehemalige Bundespräsident Roman Herzog mit einem Staatsakt geehrt. Er ist uns als ganz große Persönlichkeit in Erinnerung. Er hat sich in vielen Funktionen um unser Land und unsere Gesellschaft über alle Maßen verdient gemacht.
Dabei erinnern wir uns natürlich besonders gut an seine Zeit als Bundespräsident mit der berühmten „Ruck“-Rede oder an seine Zeit an der Spitze des Bundesverfassungsgerichts. Ich denke aber auch an Roman Herzog als Innenminister Baden-Württembergs in den Jahren 1980 bis 1983. Damals terrorisierte die Rote Armee Fraktion unser Land.
Auch die damalige Generation der Politiker stand vor großen Herausforderungen. Sie war aufgerufen, den Rechtsstaat gegen Angriffe zu verteidigen. Damals wie heute gilt es, den freiheitlichen Rechtsstaat zu verteidigen.
Damals wie heute gewährleistet nur Sicherheit die Freiheit. Wenn wir heute z. B. auf Silvester 2016 blicken, können wir erfreulicherweise sagen, dass es überwiegend ruhig geblieben ist. Deshalb gilt an erster Stelle mein Dank den Sicherheitskräften und der Polizei, die mit ihrem Einsatz für die Sicherheit der Frauen und aller friedlich Feiernden und für Ruhe gesorgt haben.
Diesen Dank heute hier zu erwähnen, ist auch deshalb ganz besonders wichtig, weil die Sicherheitskräfte zunehmend von einer enormen Respektlosigkeit und einer unglaublichen Aggressivität betroffen sind. Beispielsweise sind Gerichtsvollzieher eine der Berufsgruppen, die von den sogenannten „Reichsbürgern“ besonders bedroht werden.
Polizisten und Rettungskräfte werden angespuckt und übel beschimpft. Sie werden körperlich angegangen, geschlagen oder sogar mit Waffen angegriffen. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Polizei, die Rettungskräfte und die Vollzugsbediensteten strafrechtlich besser geschützt werden, als es bisher notwendig war. Dazu hat Hessen eine Bundesratsinitiative eingebracht.
Welche Schlüsse können wir nun aus den erfolgreichen Einsätzen in der Silvesternacht 2016 für die gesamte Diskussion zur inneren Sicherheit ziehen? – In erster Linie kann man den Schluss ziehen, dass der Staat und seine Institutionen nicht wehrlos, sondern gut vorbereitet sind.
In diesem Kontext ist auch die aktuelle Diskussion um die innere Sicherheit zu führen. Es geht um die Frage, wie wir in Deutschland sicher in Freiheit leben können. Dabei ist Sicherheit mehr als der Schutz der persönlichen Integrität des Einzelnen. Es geht darum, unsere Art zu leben zu ver
teidigen und unsere weltoffene Gesellschaft zu bewahren. Es geht darum, als Frau abends allein auf einen Platz gehen zu können. Es geht darum, dass wir Volksfeste, Konzerte und Fußballspiele ohne Angst besuchen können. Es geht darum, dass wir zu jeder Zeit, ob Tag oder Nacht, sicher und ohne Angst U-Bahn oder Bus fahren können. Wir alle wollen unsere Freiheit schützen und unsere Demokratie bewahren.
Die Hessische Landesregierung hat viel unternommen, um unser Land sicherer zu machen. Ich will ausdrücklich betonen: In diesen Anstrengungen dürfen und werden wir nicht nachlassen.
Bei der Verteidigung unserer Freiheit müssen manchmal sehr klare Antworten gefunden werden. Der Staat muss dann seine vornehme Zurückhaltung aufgeben und alle Möglichkeiten nutzen, um seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen.
Bundespräsident Joachim Gauck hat letzte Woche ganz richtig gesagt – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –:
… der Rechtsstaat verliert, wenn er sich im Kampf gegen Gewalt und Terror als zu schwach oder gar hilflos erweist.
Genau das ist es, was uns bewegen muss.
Im letzten Jahr waren bei den hessischen Staatsanwaltschaften über 1.000 Staatsschutzdelikte neu anhängig. Fast 100 dieser Verfahren betrafen schwere staatsgefährdende Gewalttaten. Bei schweren staatsgefährdenden Gewalttaten denke ich z. B. ganz konkret an die islamistischen Terrorangriffe auf die Besucher eines Fußballspiels und des Bataclan-Theaters in Paris oder auch an die Terroranschläge auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar 2015.
Ich denke dabei auch an den Spähangriff auf das IT-Netz des deutschen Bundestages im Jahr 2015. In einer bis dahin beispiellosen Attacke war es gelungen, in das gesamte Bundestags-Netzwerk einzudringen und sensible Daten auszuspähen. Nachrichtendienste, Bundeskriminalamt, Bundeswahlleiter und viele andere Institutionen warnen davor, dass über Meinungsmanipulationen im Internet Einfluss auf Wahlen genommen werden kann. Das bedroht unsere Demokratie in Deutschland ganz konkret.
Ich bin mir sicher: Was wir in diesem Zusammenhang bei den Präsidentschaftswahlen in den USA erlebt haben, waren allenfalls die ersten Gehversuche einer neuen Technologie, deren missbräuchliche Nutzung wir national, europäisch und international ächten müssen. Die Gefahr, die von solchen Meinungsmanipulationen für unsere Demokratie und Stabilität ausgeht, ist nicht weniger schwerwiegend als die terroristische Bedrohung.
Ja, ich halte diese Art der Bedrohung für eine Form des Terrorismus, des Cyberterrorismus. Wir sind alle gut beraten, uns dieser Herausforderung aktiv und schnell zu stellen.
Um es ganz deutlich zu sagen: Das Argument, diese Täter säßen sowieso im Ausland, und deshalb seien Initiativen wie z. B. die hessische Botnetzinitiative überflüssig, halte ich für absolut an der Sache vorbei. Es käme auch niemand auf die Idee, zu behaupten, wir müssten in Deutschland aufhören, den Impfschutz gegen Grippe zu verbessern, weil aus dem Ausland andere Grippeformen eingeschleppt werden können.
Vielmehr ist es umgekehrt richtig: Wir müssen so gut wie möglich versuchen, auch im Ausland ansässige Cyberkriminelle zu fassen. Wir dürfen gleichzeitig nicht nachlassen, den strafrechtlichen Schutz zu optimieren.
Deshalb beschränken sich unsere Aktivitäten nicht nur auf Hessen und Deutschland. Wir arbeiten an Lösungen auf allen Ebenen, auch im europäischen und internationalen Bereich. Das Argument, wir bräuchten keine weiteren Sicherheitsgesetze, weil man außerhalb von deren Anwendungsbereichen immer noch Gefahren ausgesetzt sei, grenzt deshalb an blanken Zynismus.
Es ist ganz sicher die Aufgabe des Staates, demokratisch legitimiert zu bestimmen, was strafbar sein soll und was nicht. Natürlich ist klar, dass es bei jeder neuen technischen Entwicklung immer auch diejenigen gibt, die diese neuen Technologien zum Schaden anderer ausnutzen wollen. Es ist also nicht die Fixierung auf das Strafrecht, die immer wieder strafrechtliche Sanktionen erforderlich macht. Vielmehr sind es immer die neuen Phänomene und die damit verbundenen Gefahren, die einer rechtsstaatlichen Antwort bedürfen.
Es ist schlicht ignorant, Strafbarkeitslücken zu bemerken und sie nicht zu schließen und damit automatisch unsere Sicherheit zu gefährden.
Wer von Ihnen hätte denn vor Monaten gedacht, dass bei einer Wahl der Begriff „Social Bot“ überhaupt eine Rolle spielen könnte, geschweige denn, die Gefahren, die damit verbunden sind? Die Technologien entwickeln sich rasant, und genauso rasant müssen wir Lösungen entwickeln. Wir dürfen uns nicht in ritualisierten Grabenkämpfen verlieren. Es ist mitnichten so, als wäre jede Maßnahme, die mehr Sicherheit bringt, automatisch ein Angriff auf den Datenschutz. Vielmehr ist jede Maßnahme, die mehr Sicherheit bringt, Opferschutz, und sie gewährt natürlich auch unsere Freiheit.
Im Kampf gegen Botnetze und Social Bots ist Deutschland nicht gut aufgestellt. Die verfügbaren Rechtsnormen, die zur Bekämpfung der Botnetzkriminalität herangezogen werden können, sind im Kern fast 30 Jahre alt.
Es ist die rasante internationale und technische Entwicklung, die uns den Takt in der Debatte um die innere Sicherheit vorgibt. Deshalb gibt es nur einen einzigen Weg: schnelles, entschlossenes Handeln. Hierzu besteht keine Alternative. Es geht darum, den Rechtsstaat und seine Grundfesten zu sichern, zu verteidigen, zu stärken und fortzuentwickeln. Es muss allen in unserer Gesellschaft klar werden, dass wir nicht bereit sind, diese Bedrohungen und Respektlosigkeiten zu dulden. Wir kämpfen vielmehr um unsere Freiheit und unsere weltoffene Gesellschaft. Für
mich gibt es keinen Widerspruch zwischen Freiheit und Sicherheit. Es sind beides Seiten ein und derselben Medaille.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Mitte und Maß sind deshalb auch in der Debatte um die innere Sicherheit die vernünftige Richtschnur, damit wir unsere Gesellschaft weiterhin schützen und Deutschland weiter voranbringen können. Die Landesregierung hat mit zahlreichen Initiativen gezeigt, dass sie auf dem Feld der inneren Sicherheit geschlossen und in der Sache einhellig und schnell vorgeht.
Dazu will ich beispielhaft folgende Initiativen nennen, die wir unter anderem auch in den vergangenen Debatten diskutiert haben: zur Reform des § 89a Strafgesetzbuch – der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat –, zur Etablierung von Deradikalisierungsmaßnahmen wie das Netzwerk Deradikalisierung im Strafvollzug – kurz NeDiS genannt –, zu Hate Speech in sozialen Medien, zur Reform des Sexualstrafrechts unter dem Motto „Nein heißt Nein“, zu Kinderehen, zu Botnetzen unter dem Stichwort „Digitaler Hausfriedensbruch“, zu den Sicherheitsmaßnahmen in den Gerichten. Hinzu kommen Sicherheitspakete zu weiteren personellen Maßnahmen und zur Stärkung der Polizei- und Justizstrukturen, die wir ebenfalls erst vor wenigen Wochen hier im Landtag diskutiert haben und deren Dimension in den letzten Jahrzehnten einmalig ist.
In diese Anstrengungen fiel der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt – ein Anschlag, der in seiner Kaltblütigkeit und Brutalität daran erinnert, dass es Menschen gibt, die bereit sind, jede denkbare Bedrohung in die Realität umzusetzen. Unsere Gedanken sind bei den Opfern dieses Anschlags, die wir nicht vor blindem Hass und menschenverachtendem Handeln schützen konnten.
Der Berliner Anschlag war eine Zäsur. Er war ein TippingPoint. Ich bin stolz darauf, dass die Stimmung im Land nicht gekippt ist. Die Bürgerinnen und Bürger sind den hasserfüllten Tweets der AfD nicht gefolgt. Sie haben den Anschlag als das gesehen, was er war, nämlich ein feiger Mord an unschuldigen Menschen.
Ihn wie die AfD als Anlass zu nehmen, um Ängste zu schüren und Hass zu verbreiten, ihn also populistisch auszuschlachten – meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ebenso durchsichtig wie schamlos. Dem müssen wir uns mit aller Macht entgegenstellen.
Nicht der Anschlag, sondern der Täter hat uns allen gezeigt, dass wir die Zusammenarbeit im föderalen System weiter verbessern müssen. Ein identifizierter ausreisepflichtiger Gefährder darf nicht abtauchen und die Behörden an der Nase herumführen. Die Initiative des Bundesministers des Innern und des Bundesjustizministers, Gefährder auch mit der elektronischen Fußfessel zu überwachen, ist deshalb ausdrücklich zu begrüßen.
Ich fordere schon seit Längerem: Wenn ein extremistischer Straftäter vom Gericht Weisungen erhält, wo er sich aufhalten muss oder wo er sich nicht aufhalten darf, dann müssen wir die Einhaltung dieser Weisungen auch elektronisch überwachen können. Bei Gewalt- und Sexualstraftätern praktizieren wir dies bereits mit großem Erfolg. So gewährleisten wir, dass ein Vergewaltiger nicht erneut in den Nahbereich eines Opfers eindringen kann.
Es war die Initiative Hessens zur Justizministerkonferenz im Juni 2015, die die Erweiterungsmöglichkeiten des Einsatzes dieser Überwachungstechnik bereits gefordert hat. Dabei will ich nicht den Eindruck erwecken, als sei das Instrument der elektronischen Fußfessel ein Allheilmittel der Sicherheitspolitik. Aber eingebettet in die vielen weiteren Maßnahmen ist sie ein Werkzeug im Baukasten der Sicherheitsbehörden, das wir als Gesetzgeber zur Verfügung stellen können, um die Sicherheit in Deutschland weiter zu erhöhen.
Meine Damen und Herren, wenn wir den Behörden zur Erfüllung dieser schwierigen Aufgabe besseres und präziseres Werkzeug an die Hand geben können, dann sollten wir es auch machen – und das dann richtig.
Der Einsatz der elektronischen Aufenthaltsüberwachung sollte für verurteilte Extremisten erweitert und für ausreisepflichtige und andere Gefährder geöffnet werden. Das ist keine neue Überwachungsorgie – so wie es viele sehen –, sondern der Gedanke der Überwachung ist längst in vielen Gesetzen normiert.
Deswegen will ich einen Blick darauf werfen, welche Auflagen und Weisungen die Führungsaufsicht für verurteilte Straftäter verhängen kann. In § 68b des Strafgesetzbuchs finden sich heute schon die Grundlagen dafür, dass bestimmte Personengruppen den Wohn- oder Aufenthaltsort nicht verlassen dürfen, dass bestimmte Personengruppen sich nicht an bestimmten Orten aufhalten dürfen, dass bestimmte Personengruppen Fahrzeuge nicht halten oder führen dürfen, sowie Grundlagen für Kontaktverbote, für Tätigkeitsverbote, für das Verbot, bestimmte Gegenstände zu besitzen, für Residenz- und Meldepflichten, für Alkoholund Suchtmittelverbote oder für die Weisung, sich in eine Behandlung zu begeben. – Das ist die aktuelle Rechtslage zu dem, was heute schon festgelegt werden kann.
Sie wissen, dass die Führungsaufsicht nur für verurteilte Straftäter gilt. Ausschließlich bei Sexual- und Gewalttätern kann nach einer vollständigen Haftverbüßung aufgrund von Erkenntnissen im Strafvollzug zusätzlich eine Fußfessel angeordnet werden, um diese Maßnahmen zu kontrollieren. Eine spezielle Personengruppe der Sexual- und Gewalttäter wird also aufgrund von behördlichen Erkenntnissen anders behandelt als andere Sexual- und Gewalttäter, die aufgrund ihres Verhaltens und der darauf basierenden Prognose vorzeitig entlassen werden.
Warum erzähle ich das so ausführlich? Weil es wichtig ist, zu verstehen, dass es schon heute und allein auf Basis von Erkenntnissen über die Person Gefahreneinschätzungen gibt, die das Tragen einer Fußfessel begründen. Inwiefern sind die Gefährder denn anders als die Personen, die ich eben beschrieben habe? Sie sind klassische Gefährder, weil zu befürchten ist, dass sie schlimmste Straftaten begehen. Sie sind Gefährder im Sinne der aktuellen Diskussion, und es wird wohl kaum einen geben, der die Führungsaufsicht
oder die Prognosefähigkeit aufgrund von Erkenntnissen im Strafvollzug infrage stellt.
Solche Überwachungsanordnungen gibt es auch in anderen Bereichen, z. B. im Bereich des Aufenthaltsrechts. Schon heute existiert in § 56 Aufenthaltsgesetz eine strenge Residenz- und Meldepflicht für ausreisepflichtige Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit.
Wir diskutieren also weniger über die Ausweitung der Überwachung als über eine effiziente Vollstreckung der Überwachung, und das macht einen entscheidenden Unterschied. Denn wenn ein ausreisepflichtiger Gefährder die Auflage hat, sich in einer bestimmten Gemeinde oder einem bestimmten Landkreis aufzuhalten, dann ist es den Behörden heute kaum möglich, dies effektiv zu überwachen. Die elektronische Fußfessel kann in solchen Fällen sehr effizient helfen. Davon bin ich überzeugt, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Bei Extremisten wäre eine Überwachung gerade zum Schutz von kritischen Infrastrukturen wie Bahnhöfen, Flughäfen, Internetknotenpunkten, Atomkraftwerken, aber auch Medienanstalten oder größeren Events sinnvoll. Man könnte zudem verhindern, dass Extremisten sich an Orten aufhalten, an denen der Radikalisierung Vorschub geleistet wird. Das gilt im Übrigen für religiös motivierte Personengruppen ebenso wie für politisch motivierte Täter. Denn auch der Umkreis einer Flüchtlingseinrichtung kann so zur Verbotszone für Rechtsextreme ausgestaltet werden.
Es wird jetzt abzuwarten sein, auf welche konkreten Vorschläge sich die Bundesregierung einigen wird. Insbesondere bei den noch nicht strafrechtlich verurteilten Personen wird es auf eine vernünftige und rechtssichere Lösung ankommen.
Der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus widmet sich der Bund auch, wie Sie wissen, durch das Bundeskriminalamt. Es ist beispielsweise dann für die Gefahrenabwehr zuständig, wenn eine länderübergreifende Gefahr vorliegt. Vor diesem Hintergrund könnte die elektronische Aufenthaltsüberwachung auch im Bundeskriminalamtgesetz vorgesehen werden.
Ja. – Herr Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat in der Aktuellen Stunde des Bundestages letzte Woche ganz zutreffend gesagt – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten –:
Die Gefährlichkeit von Menschen einzuschätzen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben der Sicherheitsbehörden und der Justiz.
Hier ist es wichtig, so effektiv wie möglich vorzugehen und bundesweit geltende einheitliche Maßstäbe zu schaffen.
Die elektronische Aufenthaltsüberwachung wird deutschlandweit von der Gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder im hessischen Bad Vilbel durchgeführt. Meine sehr
geehrten Damen und Herren, es wäre ein Leichtes, mit der jetzigen Infrastruktur die doppelte Anzahl derer, die eine solche Fußfessel tragen würden, auch von dort zu überwachen.
Ich komme zum Schluss. Sicherheit und Freiheit sind für Demokratie existenzielle Grundvoraussetzungen. Die Sicherheit zu bewahren heißt, die Freiheit zu schützen. Wie seinerzeit die Generation Roman Herzogs den Rechtsstaat verteidigt hat, gilt auch für uns: Wir müssen gemeinsam unseren Rechtsstaat gegen die heutigen Gefahren verteidigen. Wir müssen die Sicherheit erhalten, und das nicht nur für uns, sondern auch für unsere Kinder und Enkelkinder. Wir sind es ihnen schuldig, dass sie morgen, in einem Jahr, in zehn Jahren, in 50 Jahren genauso sicher und frei leben können wie wir heute. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mich zunächst bei den Fraktionen, namentlich bei Herrn Klein und Frau Müller, bedanken, dass dieser Antrag eingebracht worden ist, nicht nur im Kampf um den Haushalt, die Gitterzulage endlich auf das Niveau der Zulage bei der Polizei anzuheben. Mit dem heute zu beratenden Gesetzentwurf wird dafür Sorge getragen, dass zeitnah mit der Auszahlung begonnen werden kann. Deswegen herzlichen Dank für diese Initiative. Das ist ein wichtiger Schritt, um im Vollzug ein Stück Gleichstand mit der Polizei herzustellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, an dieser Stelle will ich mich auch bei den Justizvollzugsbediensteten bedanken. Wir dürfen nicht vergessen, dass 365 Tage im Jahr und rund um die Uhr im Schichtdienst die innere Sicherheit des Landes gewährleistet wird.
Herr Kollege Klein, Frau Kollegin Müller, aber auch die anderen Kollegen haben angesprochen, dass die Erfüllung der Aufgaben nicht leicht ist und auch nicht leichter wird aufgrund der Klientel, die dort zu betreuen ist. Jeden Tag sind sie einer steigenden Gefährdung und unberechenbaren Situationen ausgesetzt. Das will ich an dieser Stelle auch erwähnen, weil das am Ende nicht immer sichtbar wird.
Herr Kollege Schaus, es gehört nicht nur die Gitterzulage dazu, sondern ich will wenigstens erwähnt haben, neben
den vielen anderen Maßnahmen im Vollzug, die mit dem Haushalt 2017 beschlossen worden sind, dass auch die Schaffung von 56 neuen Stellen im Justizvollzug beschlossen worden ist. Zudem befinden wir uns in der Situation, dass wir genügend gute Bewerber haben, die sich für den Vollzug interessieren und mit Blick auf die Einstellungsvoraussetzungen so weit sind, dass die 56 Stellen bald besetzt sein werden und der Vollzug in diesen Bereichen verstärkt werden kann. Das will ich an dieser Stelle wenigstens auch erwähnen.
Seitens der Opposition kann man vieles kritisieren. Die Wertschätzung auch kleiner Maßnahmen, den Vollzug betreffend, ist äußerst wichtig. In diesem Bereich ist aber jahrelang nichts passiert.
Herr Kollege Schaus, mit dem Aufschlag, der jetzt gemacht wird, wird eine Erhöhung um mehr als 30 % erreicht. Ich finde, das kann sich sehen lassen.
In diesem Sinne hätte ich mir gewünscht, dass es Einigkeit im Parlament gibt – bei einem so unstreitigen Anliegen, für das auch manch andere Fraktion gekämpft hat –, ohne Ausschussberatung gleich die zweite Lesung vorzunehmen, damit das Vorhaben auch schnell umgesetzt werden kann. Insofern gibt es noch eine kleine Hürde, die wir überwinden müssen. Wenn es aber nur das ist, tun wir das auch noch.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird versucht, mit kriminellen Botnetzen unsere Gesellschaft in einem Maße zu verändern, wie man es nicht für möglich gehalten hätte. Ich bin dafür dankbar, dass sich alle in diesem Haus wenigstens bei dem Thema einig sind.
Das Phänomen, das wir haben, will ich mit einigen Beispielen unterstreichen. Es ist noch nicht lange her – nämlich Ende November 2016 –, da hatten fast 1 Million Bürger in Deutschland von einer Sekunde auf die andere keinen Zugang mehr zum Internet. Lahmgelegt waren auch alle Telefone, die an einen Internet-Router angeschlossen waren. Es hat bis zu zwei Tage gedauert, bis man wieder über das Festnetz telefonieren konnte. Das ist das erste Beispiel.
Dann gibt es das zweite Beispiel – Frau Kollegin Müller hat es eben gesagt –: die sogenannten Social Bots. Social Bots sind Softwareroboter, die sich als echte Menschen ausgeben. Sie verbreiten unter Fakeprofilen zehntausendfach potenziert radikale Meinungen oder andere Informationen, je nach Belieben der Administratoren dieser Bots.
Wir wissen inzwischen auch, dass andere Staaten und Geheimdienste diese Social Bots benutzen. Diese sind deshalb besonders gefährlich – wir sitzen im Hessischen Landtag, im Parlament –, weil sie die Meinungsbildung beeinflussen. Dafür gibt es schon Beispiele. Jeder dritte Tweet zur Unterstützung des Wahlkampfs von Donald Trump in den Vereinigten Staaten kam von solch einem Bot.
Es ist auffällig, dass man heute sagen kann, dass der Wahlkampf in den Vereinigten Staaten von den Bots beeinflusst worden ist. Das ist ein Angriff auf unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat. Es ist ein Phänomen, das es in dieser Form, Breite und Masse bisher nicht gegeben hat. Dagegen müssen wir vorgehen, um unsere Demokratie zu schützen.
Deshalb gibt es bei uns zwar Strafbarkeitsnormen – das haben die Kollegen schon gesagt, dies sind die §§ 202a, 303a und 303b des Strafgesetzbuchs –, aber diese Strafbarkeitsnormen reichen nicht, weil wir eine enorme Zahl von Lücken haben. Herr Kollege Eckert, die Lücken, die vorhanden sind, haben wir uns nicht einfach ausgedacht, sondern diese hat die Praxis aufgezeigt, die Ermittlungen, die geführt worden sind. Die Praktiker, d. h. die Internetstaatsanwälte, die diese Phänomene untersuchen und versuchen, sie unter diese Normen zu bringen, haben bei den Phänomenen, die wir heute haben, mindestens zehn Strafbarkeitslücken gefunden.
Jetzt will ich Ihnen einmal vorlesen, wie in Deutschland im Jahr 2014, selbst wenn man den Sachverhalt kennt, die Zahlen in Bezug auf die Verurteilungen aussahen – 2014, 2015, 2016 gab es dies auch schon, das haben Sie gesagt –: Nur 84 Personen wurden wegen des Ausspähens von Daten, 46 Personen wegen Datenveränderungen und nur 22 Personen wegen Computersabotage verurteilt. Warum? – Weil es Strafbarkeitslücken gibt.
Daher muss man unterscheiden, ob es um den Vollzug geht oder um die gesetzliche Lücke.
In Deutschland und in vielen anderen Staaten kann man nur zur Rechenschaft gezogen werden, wenn es einen Straftatbestand gibt. Für viele Phänomene in diesen Bereichen gibt es keinen Straftatbestand.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer also bisher ein solches Botnetz nutzt, um damit Schadsoftware einzuspielen und andere Dinge zu machen, kann derzeit – jetzt hören Sie gut zu, Herr Kollege von der SPD – nicht bestraft werden. Der Kollege Kutschaty in dem großen Bundesland Nordrhein-Westfalen als einer der wichtigsten Partner hat das im Übrigen auch erkannt und sich an die Spitze der Bewegung gestellt. Viele der SPD-Justizminister haben dieser Initiative im Bundesrat zugestimmt, weil sie wissen, dass in der Praxis die Gefahr für die Länder sehr groß ist.
Sie haben daher von der Theorie, aber nicht von der Praxis geredet. Einen Vorschlag, wie man dagegen vorgeht, habe ich von Ihnen nicht gehört, außer der Vorsicht in bestimmten Bereichen. Wir sind in einem Prozess; alles ist ausgelotet worden. Der Gesetzentwurf, den wir in den Bundesrat eingebracht haben, hat den Vorteil, dass in den AGBs, z. B. bei Facebook, steht, dass keine Botnetze benutzt werden sollen. Wenn das am Ende in den AGBs steht, kann es unter Strafe gestellt werden, wenn jemand Botnetze einspeist. Die Social Bots haben auch die Brexit-Debatte, den US-Wahlkampf, die Börsenkurse und viele Dinge mehr beeinflusst. Wir stehen vor einer Bundestagswahl – ich habe
eben beschrieben, was beim amerikanischen Wahlkampf passiert ist –: Alle Parteien, bis auf die AfD, haben sich davon distanziert, den Einsatz von Social Bots im anstehenden Bundestagswahlkampf zu nutzen.
Herr Kollege Rentsch, wenn diese Vorschrift nicht schnell beschlossen wird, dann gibt es für den Bundestagswahlkampf keine gesetzliche Regelung, um auch den Parteien zu verbieten – so wie es die AfD macht –, im Wahlkampf Social Bots zu benutzen.
Bei diesem Phänomen, das unter diesen Tatbestand fallen würde – jetzt rede ich gar nicht von den ganzen anderen Strafbarkeitslücken, die davon auch noch betroffen sind –, lohnt es sich, dafür zu kämpfen und mit aller Macht dafür zu sorgen, dass im Deutschen Bundestag schnell die Entscheidung fällt, dass dieses Gesetz beschlossen wird, damit die Meinungsbildung in Deutschland durch Social Bots nicht so beeinflusst werden kann, dass Computer und wenige Einzelne die Meinung beeinflussen und nicht die Masse der Wählerinnen und Wähler sowie die Bevölkerung. In diesem Sinne lassen Sie uns zusammen dafür kämpfen, dass dieser Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag möglichst schnell beschlossen wird und ganz schnell in Kraft treten kann.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mich zunächst dafür bedanken, dass die CDU-Fraktion diesen außerordentlich wichtigen Setzpunkt gewählt hat und dass die Koalitionsfraktionen in dem Haushalt – und das ist neu – Geld für zwei neue Häuser des Jugendrechts zur Verfügung stellen, und zwar noch eines in Frankfurt und eines in Offenbach. Ich will mich herzlich dafür bedanken, dass Sie die Kraft dafür haben, das weiter zu begleiten und das bei der Haushaltslage auch zu unterstützen.
Ja, Herr Kollege Rentsch, die Schwerpunkte bei der Haushaltslage so zu setzen, dass die vernünftigen Projekte, die auch Sie befürworten, so weitergeführt werden können.
Dafür ist es dann auch richtig, an dem heutigen Tag einen solchen Setzpunkt zu besprechen.
Es geht um ein wichtiges Thema. Es geht darum, dass Jugendliche, die eine Straftat begehen, schnell erreicht werden können und am Ende die Strafe schnell auf dem Fuße folgt. Das schnelle Erreichen gelingt uns in normalen Verfahren relativ schlecht. Das heißt, die Häuser des Jugendrechts erreichen Jugendliche vonseiten der Staatsanwaltschaft, der Polizei und vor allem der Jugendgerichtshilfe. Herr Kollege Dr. Wilken, ich glaube, Sie haben es bis heute nicht verstanden, wie die Häuser des Jugendrechts organisiert sind. Der Sozialminister ist überhaupt nicht der Entscheidende, der an den Häusern des Jugendrechts mitwirkt. Das sind vielmehr die Kommunen, und das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Wenn man aus Frankfurt kommt, hätte man darauf kommen können, dass die Stadt Frankfurt und die Jugendgerichtshilfe – und nicht das Sozialministerium – diejenigen sind, die am Ende die Federführung haben. Aber das nur als kleiner Hinweis – Lesen bildet an der Stelle.
Meine Damen und Herren, die Häuser des Jugendrechts – –
Getroffene Hunde bellen bei Ihnen, nicht wahr?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Jugendkriminalität ist dort, wo die Häuser des Jugendrechts arbeiten und entstanden sind, zurückgegangen – das hat Kollegin Müller eben schon gesagt. Es ist sogar gelungen – Herr Serke hat es auch erwähnt –, dass Jugendliche in den Wohnorten, in denen es ein Haus des Jugendrechts gibt, zu den Mitarbeitern der Häuser des Jugendrechts gehen, bevor eine gefährliche Situation entsteht, und sagen: Da bahnt sich etwas an. Können Sie nicht im Vorfeld einmal schauen, ehe etwas passiert? – Diesen präventiven Ansatz hätten wir kaum für möglich gehalten, als die Häuser des Jugendrechts gegründet wurden. Das ist das Entscheidende, was am Ende den Erfolg ausmacht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will mich an dieser Stelle auch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken – Frau Hofmann hat das auch gesagt –, nicht nur bei denen, die in den Kommunen mit Kraft daran arbeiten, sondern auch bei den Staatsanwälten und den Polizeibeamten, die sich einer besonderen Aufgabe widmen. Das müssen alles Personen sein, die mit Herzblut an der Sache arbeiten, viel Vertrauen bei den Jugendlichen erzeugen und als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Es gelingt auch, so wie wir das jetzt sehen. Wir haben das natürlich auch wissenschaftlich begleiten lassen. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung sind so positiv, dass wir auch Anfragen aus anderen Bundesländern haben, es genau nach diesem Modell weiterzuführen.
Deshalb will ich auch noch darauf hinweisen, dass ich dankbar bin, dass die Kommunen als Partner zur Verfügung stehen. Da sind die Frankfurter mit drei Häusern dabei; aber auch Wiesbaden und Offenbach haben jetzt eine Vorbildfunktion, denn auch die Kommunalparlamente mussten eine Entscheidung treffen, damit die Finanzierung steht. Das ist also ein Projekt, bei dem nicht nur inhaltlich eng zusammengearbeitet wird, sondern die Zusammenarbeit zwischen dem Land und den Kommunen ist auch außerordentlich erfolgreich. Wenn es uns gelingt, dieses Projekt so weiterzuführen, dann muss es in Zukunft unser aller Ziel sein, jugendliche Straftäter schnell zu erreichen und zu bestrafen – für die Sicherheit, aber auch deswegen, weil das der beste Opferschutz ist, den man sich denken kann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorredner haben schon viele Beispiele genannt; eines will ich noch hinzufügen, um deutlich zu machen, dass wir uns heute aus verschiedenen Richtungen hier im Parlament mit einem Thema beschäftigen, das so wichtig ist, dass man diese Beispiele vor Augen haben muss, um Entscheidungen zu treffen.
Als sich die Schauspielerin Jennifer Ulrich im Frühjahr über Facebook kritisch zu fremdenfeindlichen Demonstrationen geäußert hatte, wurde sie im sozialen Netzwerk zum Ziel menschenverachtender verbaler Angriffe. So drohte man ihr in völlig verrohter Sprache an, sie mit Messer und Kettensäge zu töten und sie „in möglichst blutiger Weise hinzumetzeln“. Als Frau Ulrich das bei Facebook meldete, erhielt sie zwei Tage später die Nachricht, dass die entsprechenden Kommentare nicht gegen Regeln von Facebook verstießen.
Dieser Fall zeigt: Darüber kann man nicht diskutieren, hier ist strafrechtliche Relevanz vorhanden. Das fällt nicht in den Bereich von Meinungsäußerung, die man aushalten muss, sondern ist ganz klar strafrechtlich relevant.
Wenn Facebook bei solchen Geschehnissen – und Ähnliches haben meine Vorredner auch schon berichtet – erst nach zwei Tagen reagiert und dann noch mit einer derartigen Aussage, muss man am Ende sagen: Das kann in unserem Rechtsstaat nicht wahr sein. So etwas lassen wir weder als Staat zu, noch können wir akzeptieren, dass ein großer Anbieter in Deutschland so agieren kann, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Dieser Fall ist nur einer von vielen aus der jüngsten Berichterstattung. Deshalb will ich noch einmal die Zahlen nennen. Jeden Tag teilen Millionen Menschen auf sozialen Netzwerken mit, was sie bewegt, erfreut oder auch ärgert. Allein in Deutschland hat Facebook rund 29 Millionen Nutzer. Das Recht der freien Meinungsäußerung wird durch unsere Verfassung geschützt. Herr Kollege Rentsch, Sie haben zu Recht gesagt, auf dieses Spannungsfeld müss
ten wir achten und müssten es bewahren. Dabei müssen wir auch Äußerungen hinnehmen, die wir nicht teilen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, darum geht es im Kern dieser Debatte. Es geht keineswegs nur um die Opfer von Hasskommentaren im Netz, sondern hier geht es im Wesentlichen darum, unsere Werte, unsere Freiheit und unsere Offenheit im Netz zu verteidigen, und zwar gegenüber jenen, die unsere Art zu leben, unsere Vielfalt und Toleranz ablehnen und sogar zum Kampf dagegen aufrufen.
Sie greifen uns dort an, wo wir als demokratische und offene Gesellschaft besonders empfindlich sind, nämlich im Bereich der Meinungsfreiheit. Tatsache ist, dass Hasskommentare und Hetze im Netz hierzulande derart zugenommen haben, dass beispielsweise selbst große deutsche Nachrichtenportale unter Beiträgen zum Thema Flüchtlinge keine Diskussionsforen mehr zulassen. Frau Kollegin Wolff hat darauf hingewiesen, dass Onlineforen bei vielen Medien inzwischen ein echtes Problem darstellen.
Wenn Onlineforen herausgenommen werden müssen, dann wurde der freien Gesellschaft durch die Extremisten bereits ein Stück Raum abgenommen: ein Kommunikationsraum, den sich der Rechtsstaat und die demokratische Gesellschaft schleunigst zurückerobern müssen. Denn es kann nicht wahr sein, dass aufgrund dieses Drucks – Herr Kollege Rentsch hat es ausgeführt – kritische Kommentare nicht mehr möglich sind.
Solche müssen möglich sein, und es muss auch eine Debatte stattfinden können.
Zu Meinungsäußerungen haben wir im Rechtsstaat ganz klare Regeln. Sie finden ihre Grenzen in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, in den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und im Recht der persönlichen Ehre – das wurde erwähnt. Klar ist: Andere zu beleidigen steht unter Strafe, und zwar auch im Netz – das ist kein Unterschied.
Wenn wir Meinungsvielfalt und freien Diskurs erhalten wollen, dürfen wir keine Hetze dulden, gleich gegen wen sie gerichtet ist. Hass gegen einzelne gesellschaftliche Gruppen, gegen Schutzsuchende und Migranten, Andersdenkende, Journalisten, Medien oder gegen die Polizei und Sicherheitsbehörden, das Verächtlichmachen des Staates und seiner Repräsentanten dürfen wir nicht widerspruchslos hinnehmen. Wir alle müssen unsere Wertegesellschaft schützen. Dabei ist Respekt das zentrale Wort. Alle diese Personen und Gruppen verdienen Respekt.