Joachim Schuster

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Last Statements

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich persönlich sehr, auch wenn aus Kommunikationsproblemen wir die Anfrage nicht mit unterschrieben hatten, weil wir sie eigentlich noch etwas ausweiten wollten, dass wir dieses wichtige Thema hier auf Initiative der CDU diskutieren.
Gleichwohl muss man, ohne hier jetzt eine besondere Schärfe hineinbringen zu wollen, noch einmal einige Sachen ein bisschen anders diskutieren, glaube ich. Dass keine Daten vorhanden beziehungsweise nicht vernünftig aufbereitet sind, das liegt nicht unbedingt nur am Senat. Es gab in der vorigen Legislaturperiode ausgehend von einer Großen Anfrage, die damals Mario Käse und Uta Kummer formuliert und eingebracht hatten, eine Debatte darüber, ob wir nicht einen Armuts- und Reichtumsbericht für diese Stadt erstellen sollten, differenziert nach unterschiedlichen Sachthemen. Die Grünen hatten das dann aufgegriffen, wie sie das immer schnell machen, wenn wir gute Initiativen bringen. Dass die Grünen hinterher einen entsprechenden Antrag stellten, dass man das einmal einrichten sollte, war ja gar nicht falsch. Er wurde allerdings nicht beschlossen. Es ist nicht an den Stimmen der SPD gescheitert, dass wir das nicht hatten.
Wir müssen aufpassen, dass wir den Worten, die wir hier sprechen, versuchen möglichst Taten folgen zu lassen. Ich gebe Ihnen in vielen Punkten, Herr Bartels, auch wirklich recht.
Warten Sie ab, Herr Imhoff, wir kommen noch zu weiteren Themen!
Kinderarmut ist ein sehr bedrückendes Problem. Es hat gravierende Auswirkungen auf das Zusammenleben hier in der Stadt, wenn man sich die Dimensionen anschaut. Hinter Kinderarmut stecken ja nicht nur Kinder, sondern es gibt ja auch noch Erwachsene, die arm sind. Es ist sozusagen ein abgeleitetes Problem. Wir haben es inzwischen mit Spaltungsprozessen in dieser Stadt zu tun. Wir merken es immer deutlicher in einzelnen Stadtteilen, dass da mehr zusammenbricht, und das kann keiner von uns hier wollen. Ich unterstelle jedem hier, dass keiner das will, dass solche Prozesse zunehmen. Wir müssen uns in der Tat ganz ernsthaft fragen, wie wir dagegen angehen können.
Es ist schon dargelegt worden, das will ich jetzt gar nicht weiter ausführen, dass Armut nicht eindeutig definierbar ist, aber sehr mit der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zusammenhängt,
und dass sie sich keineswegs nur auf materielle Aspekte beschränkt. Man kann nicht alles nur mit Geld heilen, da muss man vorsichtig sein, obwohl Geld auch immer dabei ist.
Obwohl wir keine exakten Daten im Moment haben, wissen wir, dass die Dimensionen inzwischen richtig erschreckend sind. Es gibt Stadtteile in dieser Stadt, in denen 50 Prozent aller Schulkinder von ALG-II-Bezug abhängig sind, nur um einmal die Dimension aufzuzeigen. Da merkt man schon, dass es auch mit Geld zusammenhängt. Es geht um einen Regelsatz von 207 Euro für ein dreizehnjähriges Kind, und davon müssen alle, aber restlos alle Ausgaben für dieses Kind bestritten werden. Rechnet man 207 Euro auf den Tag um, dann sind es keine 7 Euro, die ein Kind am Tag für Essen, Trinken, Kleidung, Schuhe, Freizeit und so weiter zur Verfügung hat. Jeder, der Kinder hat, weiß, wie schnell Geld in diesem Zusammenhang ausgegeben ist, allein, weil die Kinder wachsen und die Kleidung passen muss.
Insofern ist es, glaube ich, so, dass wir, dazu komme ich gleich noch einmal, auch die Ursachen etwas genauer benennen müssen und dann uns selbstkritisch hinterfragen – das machen nicht wir hier in Bremen, dafür sind wir Gott sei Dank nicht zuständig –, wie in Berlin teilweise über die Frage ALG-IIBezug diskutiert wird und wer da immer wieder neu auf irgendwelche Sparorgien kommt, weil die alle ja angeblich faul wären. Manche meinten, man könne den Bezug weiter kürzen, denn die haben es sowieso nicht verdient, so in diese Richtung.
Ich will hier jetzt versuchen, weil ich glaube, dass es in der Tat ein vielschichtiges Problem ist, Ursachen noch einmal zu benennen, an die man herangehen muss. Es gibt meines Erachtens drei große Ursachen: Das ist Arbeitslosigkeit, das ist ganz häufig der Beginn von Armutsprozessen. Eine zweite Ursache sind familiäre Probleme im weitesten Sinne, häufig Scheidung der Eltern. Der Vater setzt sich ab, die Mutter steht allein mit den Kindern da. Wenn die Kinder noch klein sind, ist es schwierig zu arbeiten, und schon ist man im ALG-II-Bezug.
Eine weitere Ursache will ich hier auch nicht verschweigen. Wir müssen da im Übrigen aufpassen, dass wir nicht zu heucheln anfangen. Es ist in der Zwischenzeit so, dass Menschen, obwohl sie acht Stunden arbeiten, keine Löhne mehr nach Hause bringen, die armutsfest sind, von denen man ohne Armut leben kann.
Die Zahl derjenigen, die zusätzlich, obwohl sie acht Stunden am Tag arbeiten, ALG II beziehen, wächst ständig. Vor diesem Hintergrund habe ich überhaupt kein Verständnis dafür, wie man auf Bundesebene
dazu kommen kann zu sagen: Mindestlöhne führen wir nicht ein, das halten wir für wirtschaftsschädlich.
Wir müssen uns auch dazu bekennen: Jeder, der acht Stunden arbeitet, muss davon leben können. Wenn er freiwillig meint, er muss nur vier Stunden arbeiten und kann davon nicht leben, dann ist das ein anderes Problem. Wer aber acht Stunden arbeitet, der muss davon leben können, und zwar auch mit seiner Familie. Für solche Löhne müssen wir sorgen.
Ich glaube, wir müssen sehr vielschichtig in den Reaktionen sein, und man kann jetzt keineswegs, obwohl das eine wichtige Voraussetzung ist, alles nur auf die Bundesebene schieben. Aber wie der DPWV es sagt, wir brauchen eine Anhebung der Regelleistung für ALG II. Wir haben es hier nicht mit Armutsresistenz zu tun. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband schlägt eine zwanzigprozentige Erhöhung vor. Das finde ich vollkommen richtig, denn nur dann schafft man grundlegende materielle Voraussetzungen, um so etwas wie Teilhabe wirklich zu gewährleisten, insbesondere auch für Kinder.
Es ist wichtig, dass wir stärker an das Arbeitslosenproblem herangehen. Wir haben in Bremen dazu vielfältige Maßnahmen ergriffen, aber die Möglichkeiten einer Kommune und eines Landes sind leider begrenzt. Das hängt in vielen Bereichen natürlich von der Bundeskonjunktur und von konjunkturellen Entwicklungen ab, die man, wenn man sie beeinflussen kann, eher auf Bundesebene oder gar auf europäischer Ebene beeinflussen kann. Das sind zwei Aspekte, zu denen man sagen muss, das ist eine ganz klare Bundesaufgabe.
Allerdings, und da hat Herr Bartels, finde ich, viel Gutes gesagt, beispielsweise zur Kinderbetreuung, dass man versucht, Kintertagesstätten auf Familienzentren auszuweiten, zumindest in einzelnen Bereichen. Wir müssen uns die Frage stellen: Was können wir in Bremen leisten? Auch da, das kann man nicht hinten herunterfallen lassen, müssen wir uns aufgrund unserer eigenen Widersprüche – ich will jetzt nicht das Schwarzer-Peter-Spiel machen, die CDU ist böse, und die SPD hätte alles gut gemacht und die Grünen schon gar, nicht, dass es noch kommt, dass sie es noch besser gemacht hätten – der Frage stellen: Was können wir hier tun?
Ein ganz wesentlicher Punkt ist Kinderbetreuung, und zwar im umfassenderen Sinn von Bildungsprozessen, darauf will ich aber hier gar nicht hinaus, ich will aber darauf hinweisen, dass wir im Moment ein Kinderbetreuungssystem haben, das sehr stark Familie und Beruf in den Mittelpunkt stellt. Armutsprozesse finden sich häufig bei Personen, die leider nicht im Beruf stehen, das ist ja der Grund, warum sie arm
sind. Wir müssen hier entsprechend umschichten, und jeder, der sich damit beschäftigt, weiß, wie viel Geld das kostet.
Wir müssen dazu kommen, nicht nur davon zu reden, sondern auch die Gelder bereitzustellen! Das ist ein ganz wesentlicher Teil, und ich erinnere nur an Debatten, an denen auch unsere Politiker teilweise beteiligt waren, die wir vor anderthalb Jahren hatten, als es ganz locker hieß, auch die Handelskammer hatte sich da hervorgetan, im Sozialhaushalt können wir auf jeden Fall 90 Millionen einsparen.
Genau, locker! Dann ging das Feilschen los, sind es nun 45 Millionen oder weniger, am Ende hat man sich über den Daumen auf 20 Millionen geeinigt und ein Jahr später, Gott sei Dank, realisiert, dass das doch wohl alles unrealistisch war.
Genau, aber die Stimmung wurde gemacht! Da müssen wir herankommen, wir müssen auch die Konsequenz ziehen, dass es Geld kostet, wenn man Armut wirklich bekämpfen will.
Oder die WiN-Programme! Sie zeigen, weil Sie gerade in den Stadtteilen die Menschen mobilisieren und damit auch soziale Problemlagen in den Stadtteilen richtig beheben, dass man diese weniger abbauen und kürzen darf, sondern dass man sie eher ausbauen muss und schauen muss, mit welchen Maßnahmen man da noch Weiteres machen kann.
Es ist doch ein richtiger Skandal, dass es in einer Stadt wie Bremen möglich ist, dass es in Gebieten, die wir problematische Wohngebiete nennen, Eigeninitiativen gibt, die Kindern, die kein Geld haben, Fahrradtouren anbieten, dass aber die Fahrradtouren letztlich daran scheitern, dass die paar Groschen nicht da sind, um die Fahrräder zu leihen, weil diese Kinder häufig kein Fahrrad haben!
Dass es dann nirgendwo in dieser Stadt Gelder gibt, dass man so etwas machen kann, Selbsthilfe in diese Richtung zu unterstützen, um eben eine Teilhabe zu gewährleisten, daran müssen wir kräftig arbeiten.
Das ist eine richtige Aufforderung für die kommenden Haushaltsaufstellungen, die Haushaltsstruktur so zu verändern, dass diese Prozesse auch möglich sind.
Ähnlich geht es im Bereich Bildung zu. Da sind wir gemeinsam auf dem Weg, Ganztagsschulen, die eine ganz wesentliche Funktion in diesem Bereich erfüllen können, auszubauen. Dies muss verstärkt fortgesetzt werden. Wir wissen alle, wie viel Geld das kostet und wie schwierig es ist, aber wir müssen diesen Weg fortführen, wir müssen ihn trotz der Haushaltsnotlage, in der wir uns befinden, verstärkt fortführen und dafür entsprechend Gelder freisetzen.
Ich bin hoffnungsvoll, dass diese Debatte – Herr Perschau hatte ja auch gestern betont, dass Sie das C in Ihrem Parteinamen sehr ernst nehmen – ein Ausgangspunkt ist für eine sicherlich in vielen Punkten noch zu differenzierende Debatte über dieses Thema. Der Debatte müssen dann allerdings auch sehr schnell weitere Handlungen folgen, weil wir, wenn wir dieses Problem nicht aufgreifen, als Stadt insgesamt verlieren. Das ist keineswegs nur ein Problem der sogenannten Armen, sondern ein Problem der gesamten Stadt, und wir wollen alles dafür tun, dass diese beiden Städte weiter lebenswert bleiben, und wir werden weiter dafür kämpfen! – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich in vielen Bereichen den Ausführungen von Herrn Oppermann anschließen. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass die Antwort des Senats auf die Große Anfrage zunächst die Dimensionen der Gestaltungsaufgabe aufzeigt. Anhand relativ weniger Zahlen wird doch sehr schnell deutlich, dass das mehr ist als eine Kleinigkeit, die wir bewältigen müssen, und es ist auch eine Sache, die uns ganz direkt selbst betrifft.
Wenn man sich nämlich die eine Zahl näher betrachtet, dass im Jahr 2030, dann sind viele von uns
erstens noch am Leben, hoffe ich, und zweitens relativ betagt, 14 Prozent, also jeder siebte der Gesamtbevölkerung höchstwahrscheinlich eine Schwerbehinderung haben wird: Da die Schwerbehinderungen im Alter richtig zunehmen und wir nun einmal hoffen, dass wenigstens die erwerbstätige Bevölkerung nicht eine so hohe Zahl aufweist, bedeutet das, dass unter den Älteren wahrscheinlich etwa jeder Dritte eine Schwerbehinderung aufweisen wird. Dann können wir ja ungefähr einmal hier im Saal durchzählen, wie viele das sind.
Mir geht es darum, deutlich zu machen, dass das, worüber wir heute hier reden, eine Zukunftsaufgabe ist, die uns alle betrifft. Wir werden zumindest in unserem Bekanntenkreis Leute treffen, die eben aufgrund von Behinderungen oder Altersgebrechen besondere Anforderungen an den Wohnraum und auch an den Stadtteil und das Wohnumfeld stellen müssen. Da die zahlenmäßige Dimension so zunimmt, ist es dringend erforderlich, dass man sich auf den Weg macht, diese Anforderungen anzugehen.
Die Senatsantwort tut es, und das ist auch sehr sinnvoll. Man muss differenzieren. Wir haben es im Grundsatz mit zwei großen Personengruppen zu tun, zum einen die älteren Menschen, die später Behinderungen haben werden, die besondere Wohnanforderungen stellen, und dann die Behinderten im engeren Sinne, die also aufgrund von Krankheiten oder von Geburt an schwer mehrfach behindert oder seelisch behindert sind. Ich will das auch in meiner Rede versuchen, dies etwas auseinanderzuhalten.
Das eine Phänomen ist ein Ausdruck des demografischen Wandels. Die Zahl der älteren Menschen steigt an, insbesondere auch die Zahl der Hochbetagten, die es dann besonders betrifft, dass sie eben nicht mehr so fit sind wie Zwanzigjährige. Das bedeutet, wir müssen ein umfangreiches System von anderen Wohnverhältnissen, sozialen Dienstleistungen, Begegnungsmöglichkeiten schaffen. Ein wesentlicher Punkt ist, die Angebote besser miteinander zu vernetzen, als das heute schon der Fall ist. Das führt für mich zu Folgendem: Die Senatsantwort listet schon sehr viele positive bestehende Ansätze, sehr viele Dienstleistungen, die angeboten worden sind, auf. Auch Wohnungsbaugenossenschaften machen sich schon auf den Weg.
Es ist jetzt langsam an der Zeit, dass wir uns einmal Stadtteil für Stadtteil systematisch anschauen: Welche Bedarfe gibt es jeweils noch? Wo muss man noch Ausbauplanungen für die eine oder andere Sache, sei es für soziale Dienstleistungen oder für barrierefreies Wohnen und barrierefreie Stadtteile, hinbekommen? Wo muss man ansetzen, um dies systematisch weiter zu bearbeiten? Der Vorteil der demografischen Entwicklung ist, dass er nicht von heute auf morgen hereinbricht, sondern ein andauernder Prozess ist. Insofern kann man, wenn man dies frühzeitig systematisch plant, verschiedene Maßnahmen ergreifen, die dann eben auch über den Zeitverlauf
finanzierbar bleiben. Das ist eine ganz wesentliche Sache.
Bezogen auf die zweite Gruppe von Betroffenen ist festzuhalten, dass die Zahl der Menschen mit Behinderungen weiter steigen wird. Das sind auch relativ drastische Steigerungen. In den letzten zehn Jahren sind die Ausgaben für diese Gruppe um zirka 85 Prozent gestiegen. Die Kostenausgaben dafür sind so gestiegen, die Fallzahlen wahrscheinlich nicht ganz so stark. Daran zeigen sich die Dimensionen, die wir da vor uns haben.
Es wurde bereits gesagt, aber ich möchte noch einmal auf die Debatte vom Dienstag verweisen, als wir über den Sonderfahrdienst für Behinderte geredet haben: Im Moment ist es so, dass wir durch die Absenkung von Standards im Bereich der Eingliederungshilfe Kosten sparen. Dadurch wird es voraussichtlich keinen oder wenn, dann nur einen begrenzten Kostenanstieg in dem Bereich geben wird. Da aber vieles darauf hindeutet, dass sich die Entwicklung, wie wir sie in den letzten Jahren hatten, fortsetzen wird und man nicht sagen kann, es gibt zwar immer mehr Behinderte, aber die Kosten dürfen nicht steigen, ist in der Tat, was ich da schon gesagt habe, gefordert: Wir müssen wieder eine behindertenpolitische Debatte führen, um zu schauen, wie eigentlich mit welchen Maßnahmen behinderte Menschen in diesen beiden Städten leben und betreut werden sollen, um daraus dann auch abzuleiten, welche haushaltspolitischen Anforderungen zu erfüllen sind.
Schließlich möchte ich noch auf die Versorgungsangebote im Umland oder in Bremen eingehen. Es ist ein Punkt hier in der Senatsantwort, der mich ein bisschen stört, denn es wurde auch schon einmal anders in dieser Stadt darüber diskutiert. Es ist sicherlich richtig, dass manche Unterbringungs- oder Betreuungsangebote im Umland preiswerter oder preisgünstiger sind als in der Stadt Bremen. Ich halte es allerdings für eine zu ressortzentrierte Betrachtung, und das ist dann an den Gesamtsenat gerichtet, wenn man sagt, das muss zur Folge haben, dass dann eben die Umlandangebote genutzt werden. Erstens wollen die Menschen sehr häufig in ihrem normalen Umfeld bleiben, wenn das möglich ist. Das bedeutet, wir müssen, wenn es geht, sie bremennah betreuen. Zum zweiten trifft es auch nach wie vor zu, dass insbesondere soziale Dienstleistungen sehr arbeitsplatzintensiv sind und es sich auch unter diesem Gesichtspunkt für Bremen und Bremerhaven rentiert, wenn die Betreuung innerhalb der Stadtgrenzen oder Landesgrenzen angeboten werden und nicht nach außen vergeben werden müssen.
Insgesamt ist es für die heutige Diskussion wichtig festzuhalten: Wir sehen immer klarer, welche Dimensionen die Gestaltungsaufgabe Wohnen im Alter und Wohnen mit Behinderung hat. Diese Aufga
ben müssen wir auch in den nächsten Monaten und Jahren konsequent anpacken. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In vielem kann ich mich Herrn Oppermann anschließen, deswegen will ich versuchen, es auch relativ kurz zu machen. Ich glaube, der Bericht unterstreicht in der Tat sehr prägnant die Bedeutung von Selbsthilfe für verschiedene Prozesse, gerade auch im Bereich chronisch kranker und behinderter Menschen. Das Wichtige daran ist, und da unterscheide ich mich dann ein bisschen von Herrn Oppermann, dass das staatliche Interesse daran weniger daher rührt, dass wir dadurch sogar noch Geld sparen. Das ist ein positives Abfallprodukt dieser ganzen Sache. Ein anderer Gedanke ist aber viel wichtiger: Selbsthilfe fördert richtig Heilungsprozesse, sie verbessert die Lebenslagen der Betroffenen richtig und schafft gegenseitige Unterstützung und Gemeinschaft.
Das sind Effekte, die man allein staatlich nicht erzielen könnte. Nur wenn es gelingt, die Menschen selbst zu aktivieren, werden diese Effekte eintreten. Das ist das Positive an Selbsthilfe, und deswegen müssen wir auch sehen, dass dies weiter gewahrt bleibt, weil es einfach eine bessere Problemlösung zur Folge hat. Darin begründet sich meines Erachtens auch die Notwendigkeit und die Sinnhaftigkeit, dass diese Selbsthilfe auch staatlich gefördert wird.
Auch da gibt es eine natürliche Grenze, denn Selbsthilfe kann nicht staatlich durchorganisiert werden. Es geht aber darum, die Rahmenbedingungen für Selbsthilfe so zu schaffen, dass sie effektiv erfolgen kann, und da müssen wir sehen, dass wir das in Zukunft auch weiter gewährleisten.
Das zweite Element der Selbsthilfe hat Herr Oppermann auch angesprochen. Selbsthilfe ist gleichzeitig auch ein Element bürgerschaftlichen Engagements. Weil häufig bekannt wird, dass so etwas gut funktioniert und hilft, hat sie eben nicht nur für die direkt schon Betroffenen eine hohe Bedeutung. Sie wird häufig auch zu einer Anlaufstation für Beratung, weil man ganz einfach Vertrauen hat, wenn man Problemlagen hat, die andere auch haben und versuchen, selbst zu bewältigen. Auch das ist ein Faktor, weswegen es sinnvoll ist, dass organisierte Selbsthilfe staatlich gefördert und unterstützt wird. Dies tun wir
auch. Das zeigt die Antwort. Ich bin auch sehr gespannt auf den angekündigten Bericht.
Es zeigt sich auch, die Selbsthilfe wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten verändern müssen. Ein wesentlicher Punkt ist, dass sich Problemlagen schlicht verschieben, dass in neuen Bereichen Selbsthilfegruppen entstehen werden. Das ist zumindest zu erwarten. Wir müssen fördern, dass diese Selbsthilfe entsteht.
Ich möchte hier aber noch abschließend unterstreichen, dass organisierte Selbsthilfe von staatlicher Seite nie als Ersatz für staatliche Leistungen angesehen werden darf, sondern immer nur als Ergänzung.
Wir dürfen nicht dazu kommen zu meinen, unsere Haushalte sind knapp, wir bekommen das sonst nicht hin, deswegen müssen wir Selbsthilfe initiieren. Selbsthilfe ist deswegen notwendig, weil sie bessere Ergebnisse bringt, aber es ist eben wie gesagt eine Ergänzung und kein Ersatz von staatlichen Leistungen. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Kürze der Zeit will ich nicht versuchen, auf alle Aspekte des Sozial- und des Jugendhaushalts einzugehen. Allerdings will ich an zwei Punkten doch deutlich machen, dass es in dieser schwierigen Finanzsituation durchaus auch gelungen ist, sozialdemokratische Schwerpunkte zu setzen. Ich glaube, dass wir auf diesem Weg gut weitermachen können.
Der eine Bereich, den ich hervorheben will, ist die Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung. Es ist erstens gelungen, die Maßnahmen, die infolge der Pisa-Ergebnisse eingerichtet wurden, zu verstetigen. Sie stehen weiter im Haushalt, sie werden weiter durchgeführt. Ich nenne hier vor allen Dingen die Sprachförderung, aber auch die Qualifizierungsoffensive für die Erzieherinnen.
Der zweite Bereich, den wir ausbauen, weil wir da Defizite sehen, ist der Bereich der Ferienbetreuung. In den Haushaltsverhandlungen hatten wir als Fraktion durchsetzen können, dass wir diesen Bereich etwas besser ausstatten, um dafür Sorge zu tragen,
dass Ferienbetreuung im Kindergarten nicht nur für diejenigen da ist, die berufstätig sind, sondern dass es ein Regelangebot für alle Kinder wird, unabhängig davon, ob die Eltern erwerbstätig sind oder nicht.
Der dritte Bereich, den hat Herr Oppermann auch schon angesprochen, den ich auch hervorheben möchte, ist der Ausbau der Betreuung unter Dreijähriger. Wir werden dieses Jahr 183 Plätze in Einrichtungen schaffen, 70 Plätze bei Tagesmüttern. Das Ganze ist in ein Programm eingebettet, das in den Jahren 2007 bis 2010 einen Ausbau in der gleichen Dimension vorsieht. Für 2007 ist die Finanzierung im Haushalt sichergestellt. Jetzt kann man sicherlich noch – und da fallen mir persönlich viele Sachen ein – an manchen Stellen im Bereich der Betreuungssituation Kritik üben und sagen, das System ist da noch nicht optimal. Aber das Wichtige, das ich hervorheben will, ist, dass wir trotz der schwierigen Haushaltssituation auf dem Weg sind, dies schrittweise zu beheben und zu verbessern und damit auch wichtige Schwerpunkte im Interesse der Stadt und der Kinder zu setzen.
Der nächste Punkt, den ich ansprechen möchte, ist mir nicht minder wichtig. Ich glaube, er ist allerdings vor allem in Bezug auf die Perspektive über das Jahr 2007 hinaus von großer Bedeutung. Es gibt in der Stadt leider immer noch Parolen, die herumgeistern, im Sozialbereich könne man sehr viel sparen. Die Dimensionen, Millionenbeträge, die da teilweise genannt werden, sind abenteuerlich, nie konkret unterlegt. Wenn man sich den Haushalt anschaut, Herr Oppermann hat es hier sehr deutlich gemacht, dann müssen wir Glück haben, wenn wir den Haushalt so fahren können, wie er verabschiedet ist, und zwar nicht, weil da irgendjemand meint, er könne eine Sparmaßnahme nicht verantworten, obwohl wir da manches Mal an die Grenzen gehen. Ich bin mir manchmal auch nicht sicher, ob wir nicht vielleicht sogar Grenzen überschreiten, die wir nicht überschreiten sollten. Es ist aber schlicht so, dass Fallzahlen steigen, da wird sich keiner herausreden können. Die Bevölkerung wird älter. Das hat sozialpolitische Folgen, und es wird haushaltspolitische Folgen haben. Da kann man sich auf den Kopf stellen und mit den Ohren wackeln, daran wird man dadurch nichts ändern können.
Das gilt auch für Behinderte. Auch Behinderte werden älter. Gott sei Dank sind die Nazi-Zeiten lange vorbei, in denen Behinderte erschossen oder sonst wie ermordet wurden. Das bedeutet aber natürlich auch, dass in diesem Bereich Fallzahlen einfach steigen werden. Das wird bedeuten, dass wir für diesen Bereich mehr Geld benötigen werden, selbst wenn wir, was wir müssen, so effizient wie möglich das Geld dort einsetzen. Insofern bin ich dankbar, dass sich auch in diesem Haushalt diese Entwicklung schon widerspiegelt.
Das ist ja der Kern der Erhöhung der Anschläge, die im Dezember vorgenommen wurde. Damals wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass die Haushaltsanschläge für Soziales um 18 Millionen Euro objektiv zu niedrig waren. Ich gehe davon aus, und das wird sich in der realen Entwicklung zeigen, dass das auch in den nächsten Jahren fortgesetzt werden muss, auch wenn wir den Finanzrahmen Bremens insgesamt nicht ausweiten können. Das ist die Vorgabe, die wir gegenüber Karlsruhe einzuhalten haben. Wir werden uns sehr genau überlegen müssen, wie wir in der Haushaltsstruktur zu Veränderungen kommen, damit wir diese Notwendigkeiten, nicht weil da sozialpolitische Blütenträume gemacht werden, sondern weil es um schlichte Notwendigkeiten geht, erfüllen können.
Zuletzt will ich nur betonen: Das ist in dem Sinne auch keine Sache von Wohltätigkeit. Bremen und Bremerhaven sind lebenswerte Städte. Sie sind es aber vor allen Dingen deshalb, weil sozialer Ausgleich bisher Gott sei Dank von allen Kräften in dieser Stadt nicht klein geschrieben, sondern ernst genommen wird. Wir werden als Sozialdemokraten dafür sorgen, dass das so bleibt. – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Herr Schmidtmann hat alles Wesentliche dazu gesagt, was dazu zu sagen ist. Ich möchte das jetzt wirklich nicht wiederholen. Auch der Bericht der Deputation spricht für sich. Es geht darum, eine unerwünschte Nebenwirkung eines Bundesgesetzes zu beseitigen, was wir hiermit tun. Ich gehe davon aus, dass alle dieser Gesetzesänderung zustimmen. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begrüßen die Initiative der Grünen ausdrücklich. Wir werden ihr sicherlich auch insgesamt in diesem Hause zustimmen, weil sie letztendlich ein sehr tiefgehendes gesellschaftliches Problem anspricht. Deswegen würde ich aus Ihrer Rede, Herr Crueger, ein bisschen zurückweisen, dass das Durchwursteln eine Ursache ist. Damit wird man der Tiefe des Problems nicht gerecht.
Es gibt nach wie vor das weit verbreitete Vorurteil, dass Erziehung von Kindern im Wesentlichen Frauensache ist, insbesondere je kleiner die Kinder sind, desto mehr ist sie Frauensache. Das ist der Grund. Wenn man ganz ehrlich zu sich selbst ist, wenn ich morgens beim Einkaufen – ich mache mit meinen Kindern relativ viel, auch verschiedene Sachen – einen Mann mit kleinen Kindern sehe und offensichtlich ist, das ist ein Hausmann, kommen bei mir im ersten Moment auch komische Gedanken, warum es eigentlich so ist. Solange das in den Köpfen ist, haben wir damit ein riesiges Problem.
Die Folgen, die daraus entstehen – das hatten Sie richtigerweise schon angedeutet –, sind: Kinder erleben es erst einmal so, dass Frauen für sie zuständig sind, und die Väter oder die Männer sind diejenigen, die irgendwie arbeiten gehen, abends kommen, zu besonderen Zeiten da sind. Das muss nicht sein, dass sie deswegen weniger liebevoll sind, aber es ist eine Erfahrungswelt, die sich damit immer weiter fortsetzt. Das ist das Grundproblem, dieses geschlechtsspezifische Rollenverhalten und das Bewusstsein, das damit einhergeht, das man letztendlich aufbrechen muss.
Dieses Bewusstsein pflanzt sich in den öffentlich organisierten Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungseinrichtungen fort und nicht nur im Kindergarten. Ich bekomme es inzwischen bei meinem Sohn mit, in unserer Grundschule ist gar kein Mann. Die Berichte, die ich von anderen höre, bestätigen diese Erfahrung. In den Grundschulen geht es offensichtlich noch um Grundbildung und nicht um das richtige Wissen. Männer sind erst für das richtige Wissen zuständig. Vorher ist es einfach unter der Würde der Herren der Schöpfung. Genau das ist ein Punkt, den man angreifen müsste. Das muss man angehen.
Ihr Antrag geht da in eine völlig richtige Richtung, dass man sagt, wir müssen gezielter versuchen, gesellschaftlich gegenzusteuern. Die Ansatzpunkte, die Sie gebracht haben, ich will sie jetzt nicht wiederholen, sind auch richtig und möglich. Man muss darüber nachdenken, ob man darüber Verbesserungen erreichen kann. Deswegen unterstützen wir auch, dass Sie diesen Bericht und ein Konzept in dieser Richtung anfordern, wobei ich auch ausdrücklich darauf hinweisen muss – auch wenn es immer wieder kommt, aber wir müssen es letztendlich doch lernen –, dass wir einen Weg finden müssen, wie wir es unter schwierigen Finanzbedingungen hinbekommen können.
Eine Erhöhung der Gehälter ist nicht nur nötig, um es für Männer attraktiv zu machen, sondern wenn wir es ernst meinen, im Kindergarten einen Bildungsauftrag zu realisieren, bedarf es dazu einer entsprechenden Qualifikation derjenigen, die dort arbeiten, bis hin zu dem Ziel, dass man eigentlich ein Fachhochschulstudium benötigen müsste. Wenn man aber solche Ausbildungsgänge erwartet, gilt es, auch über die Bezahlung nachzudenken.
Das widerspricht natürlich der finanziellen Enge, denn der allergrößte Anteil in dem ganzen Bereich sind erst einmal Personalkosten. Das, was wir für die Häuser, für den Strom und für Heizung brauchen, ist gering. Auch unter den Bedingungen der schwierigen Sachlage – und das hatten wir gestern oder vorgestern schon einmal in der Debatte – müssen wir in dem Bereich dazu kommen, wie wir diese Finanzmittel bereitstellen, denn das ist gerade auch unter wirtschafts- oder standortpolitischen Gesichtspunkten oder ganz allgemein unter menschlichen Gesichtspunkten nach wie vor eine der Zukunftsaufgaben. Wir werden Ihren Antrag unterstützen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch in dem Bereich unterstützen wir die Initiative der Grünen, weil sie in der Tat wieder ein wachsendes Problem aufgreift. Verschuldung und Überschuldung nehmen stark zu in der Gesellschaft, im Erwachsenenbereich wie auch bei Jugendlichen. Es ist auch wiederum ein vielschichtiges Problem. Insofern sehe ich dem Bericht, den der Senat später geben wird, mit großem Interesse entgegen.
Zum einen hängt es sehr stark mit Armutsprozessen zusammen. Diese Zusammenhänge können hier nicht geleugnet werden, und wir wissen, wie schwierig es ist, diese Probleme kommunal- und landespolitisch wirklich in den Griff zu bekommen.
Eine zweite Sache ist, das hat Herr Crueger in seinen Ausführungen gesagt, dass es ansonsten darunter sehr viele Problemebenen gibt. Es ist in der Tat eine Frage von individuellem Fehlverhalten, sich so zu verschulden, und wir müssen darüber nachdenken, welche Möglichkeiten wir nutzen können und verstärkt nutzen können, um dieses Fehlverhalten zu reduzieren und, wenn es geht, ganz zu beseitigen. Dazu haben Sie viele Ausführungen gemacht.
Eine andere Ebene, die ich aber auch noch einmal erwähnen möchte, die Sie nicht so erwähnt haben, ist die Frage, inwiefern man viel stärker das Konsumverhalten in dieser Gesellschaft thematisieren muss und welche Bedeutung Konsum für die Anerkennung der Individuen in der Gesellschaft hat. Es ist in der Tat auch eine gewisse Wertedebatte, die wir brauchen und die geführt werden muss. Häufig gilt nur derjenige etwas, der bestimmte Statussymbole hat, die dann in den verschiedenen Altersgruppen sehr stark wechseln. Diese Statussymbole dominieren dann das gesamte Bewusstsein, und die Folgen, die so ein Verhalten hat, werden wenig betrachtet.
Die dritte Ebene, die ich ansprechen möchte, hat auch Herr Crueger angesprochen. Ich möchte diese Ebene aber noch einmal deutlich verschärfen, weil ich glaube, wenn man sich da manche Geschäftspraktiken einiger Unternehmen und Branchen anschaut, dann muss man sehr viel weiter gehen und überlegen, inwieweit man dies manchmal schlicht unterbinden muss. Nicht alles, was sich wirtschaftlich rechnet und was Unternehmen entwickeln, um ihre Umsätze zu steigern, ist aus meiner Sicht mit den guten Sitten des Geschäftslebens zu vereinbaren, und auch da muss man einmal heran.
Es darf nicht sein, dass über aggressive Werbung teilweise Bedürfnisse geweckt werden und Leuten
suggeriert wird, dass das Leben nur lebenswert ist, wenn sie so etwas haben. Da werden teilweise Grenzen überschritten, so dass man auch mit gesetzlichen Regelungen herangehen muss. Das ist ein sehr schwieriges Feld, weil Grenzen zu normalen Geschäftspraktiken, die auch keiner unterbinden will, manchmal sehr fließend sind. Es ist auch ein Feld, wo wir landespolitisch relativ wenig machen können, aber unter Umständen kann man über bundespolitische Initiativen nachdenken. Auch das müsste in so einem Konzept des Senats bedacht und dann diskutiert werden. Inwieweit man dann wirklich praktikable Schritte findet, muss man schauen.
Aus diesen Gründen unterstützen wir die Initiative der Grünen und gehen davon aus, dass der Bericht des Senats, der dann kommen wird, sicherlich viele interessante Anregungen zur Diskussion und gegebenenfalls zur Einleitung von Maßnahmen geben wird. – Danke!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der demographische Wandel ist in aller Munde. Allerdings heißt das nicht unbedingt, dass darüber immer in sehr sinnvoller Art und Weise geredet wird. Es gibt Deutungsmuster, die ich für äußerst problematisch halte. Ich überspitze es jetzt ein bisschen, aber ein Deutungsmuster, das sehr gängig ist, sagt: Vor uns liegen dramatische Zeiten. Die Deutschen sterben aus. Wir können unser Rentensystem und unser Sozialsystem, so wie es ist, auf keinen Fall mehr finanzieren, weil es einfach nicht hinhaut. Daraus werden dann Maßnahmen abgeleitet wie beispielsweise, man muss auf jeden Fall das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre hinaufsetzen, man muss dies oder jenes im Sozialsystem kürzen, und man meint, damit das Problem in den Griff zu bekommen.
Ich glaube, das ist eine falsche Herangehensweise, weil man rationaler mit dem demographischen Wandel umgehen muss. Zunächst muss man immer einkalkulieren, dass Prognosen mit großen Unsicherheiten behaftet sind. Wir hatten Mitte der achtziger Jahre schon einmal die Diskussion über den demographischen Wandel und das Aussterben der in Deutschland Lebenden. Die Diskussion ist dann abrupt gestoppt, als Anfang der neunziger Jahre enorme Zuwanderungen nach Deutschland kamen. Da war der demographische Wandel plötzlich nicht mehr so relevant.
Jenseits dieser Unsicherheiten von Prognosen kann man wahrscheinlich davon ausgehen, dass sich die Bevölkerungsstruktur erheblich verändern wird in den nächsten Jahren. Man macht das immer fest an der Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter im Verhältnis zu Rentnern und Senioren. Während heute
etwa vier Personen, die im erwerbsfähigen Alter sind, auf einen Rentner kommen, wird es wahrscheinlich im Jahr 2040 so sein, dass nur noch zwei Personen im erwerbsfähigen Alter sind im Verhältnis zu einem Rentner. Daraus wird dann hier der Schluss gezogen, dass deswegen unsere Belastung so drastisch steigt. Wenn man genauer und ernsthaft hinschaut, ist es nichts weiter als die Fortsetzung eines sehr langfristigen Trends in der Bundesrepublik.
Wenn wir die Zahlen von 1950 und 1990 einmal vergleichen, hatten wir 1950 knapp neun Personen im erwerbsfähigen Alter, die auf einen Rentner kamen, im Jahr 1990 kamen knapp 4,5 Personen im erwerbsfähigen Alter auf einen Rentner. Es gab eine ähnlich dramatische Verhältnisänderung. Die Zahl derjenigen, die die Rentner versorgen müssen, hat sich halbiert. Gleichwohl ist mir kein Hinweis bekannt, dass die Bundesrepublik in dieser Zeit ärmer geworden ist. Ich hatte eher den Eindruck, dass die Zeit manchmal als goldene Wirtschaftswunderjahre bezeichnet wurde. Auf jeden Fall ist der Reichtum in dieser Zeit drastisch gestiegen, und wir hatten überhaupt keine Probleme, die Rentner zu versorgen. Deswegen sollte man vorsichtig sein, wenn man gleich dramatische Verarmungsszenarien im Hinterkopf hat, wenn man über den demographischen Wandel spricht.
Ich glaube, das zeigt auch – und das ist das Entscheidende, das wir für unsere heutigen Aufgaben lernen müssen –, dass die Entwicklung gestaltbar ist. Ein langfristiger Trend, je nachdem, wie damit umgegangen wird, kann sich sehr wohl zu einem großen Nutzen für alle entwickeln und muss nicht das haben, was einige befürchten, dass wir bestimmte Sachen einfach nicht mehr machen können.
Jetzt gibt es allerdings auch – das spiegelt sich zum Teil in der Antwort des Senats wider, deswegen sage ich es hier auch – eine aus meiner Sicht ähnlich problematische Neigung, dass man jetzt alles, was man macht, damit begründet, dass dies für den demographischen Wandel notwendig sei. Ich glaube, wenn wir damit anfangen, kommen wir zu dem Ziel, dass alles demographischer Wandel ist und wir damit nicht zur notwendigen Prioritätensetzung kommen. Ich mache das einmal an zwei kleinen Passagen aus der Anfrage fest.
Auf Seite acht, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten, heißt es: „Auf Märkten, in denen die Binnennachfrage aufgrund des demographischen Wandels sinkt, sollte im Rahmen einer Internationalisierungsstrategie das vorhandene Instrumentarium der Außenwirtschaftsförderung gezielt und differenziert eingesetzt werden, um den Unternehmen bei der Erschließung neuer Märkte Hilfestellung zu geben.“
Ich glaube nicht, dass man wirklich ernsthaft der Meinung sein kann, über den demographischen Wandel die Außenwirtschaftsförderung begründen zu müssen.
Es gibt viele gute Gründe für Außenwirtschaftsförderung, aber nicht den demographischen Wandel.
Ähnlich ist es auf Seite 18 in Bezug auf die Polizei. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: „Auch aufgrund der demographischen Entwicklung ist zudem damit zu rechnen, dass qualifizierter Nachwuchs nicht unbeschränkt zur Verfügung steht.“ Das ist auch heute schon zu befürchten, dass nicht unbeschränkt Nachwuchs für die Polizei da ist, weil es einfach nicht unbeschränkt Menschen gibt. Dementsprechend gibt es auch nicht unbeschränkten Nachwuchs.
Diese Beispiele ließen sich fortsetzen. Wenn man genau hinschaut, findet man viele Nullsätze. Ein bisschen herausgefordert war dies durch die Breite der Fragen. Wir hatten sehr breit gefragt, und ich will es jetzt nicht einseitig dem Senat zuschieben. Aber es zeigt sich, dass wir da doch noch ein bisschen genauer hinschauen müssen.
Wenn wir die Herausforderung demographischer Wandel ernst nehmen wollen, müssen wir uns der Mühe unterziehen, genauer hinzuschauen, welche Auswirkungen dieser wirklich hat und welche Möglichkeiten dementsprechend dann zur Gestaltung bestehen. Gerade als Bundesland mit begrenzten Handlungsmöglichkeiten müssen wir das tun. Begrenzte Handlungsmöglichkeiten bestehen in zweierlei Hinsicht: Es gibt einfach Entwicklungen, die zwar notwendig sind, den demographischen Wandel zu beeinflussen, wozu wir aber nicht die Kompetenzen haben. Wir müssen auch prüfen, und das ist der Grund, weswegen wir sehr genau schauen müssen, was wirklich demographisch verursacht ist und was nicht. Wir haben zudem begrenzte Handlungsmöglichkeiten aufgrund unserer Finanzausstattung, die sich ja nicht verändern wird, wenn wir jetzt sagen, wir müssen mehr tun.
Ich will versuchen, aus sozialdemokratischer Sicht einige Eckpunkte zu benennen. Das Erste ist, glaube ich, im Gegensatz zu den Aspekten, die ich am Anfang aufgeführt habe, dass der demographische Wandel aus sozialdemokratischer Sicht eine richtig positive Entwicklung ist, weil es gut ist, dass die Menschen älter werden, dass sie länger leben können, dass die Lebenserwartung steigt. Ich finde, es ist überhaupt nicht schlimm, ob da die Kinderzahl im Grundsatz gleich bleibt oder sinkt. Wer so an den demographischen Wandel herangeht und fordert, wir müssen auf jeden Fall mehr Kinder bekommen, und das ist eine durchaus gar nicht so wenig parteiübergreifend verbreitete Strategie, der wird dem Problem nicht gerecht. Ich glaube nicht, dass wir durch Appelle an Frauen, dass sie jetzt doch bitte mehr Kinder bekommen müssen –
wenn wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, dann müssen sie jetzt aber wenigstens Kinder bekommen –, das Problem beheben.
Ich will nicht missverstanden werden, ich bin nicht dagegen, wenn jemand Kinder bekommt, das ist nicht die Sache. Ich finde es allerdings falsch, staatliche Politik an einer bestimmten Geburtenrate auszurichten. Das soll den Menschen durchaus noch selbst überlassen bleiben, ob sie Kinder bekommen. Wir müssen als Politiker dafür sorgen, dass die Bedingungen, Kinder zu bekommen, möglichst gut sind, aber es ist nicht mein Ziel, alle Frauen dazu anzuhalten, doch gefälligst ihre Gebärfähigkeit auch in Babys umzusetzen.
Der zweite Punkt, den man sich, wenn man strategisch da herangehen will, sehr genau vor Augen führen muss, und da bietet die Antwort des Senats in vielen Punkten, die ich nicht alle aufführen kann, wichtige Hinweise, wie man voranschreiten könnte, ist, dass wir realisieren müssen, dass der demographische Wandel sehr unterschiedlich auf bestimmte Bevölkerungsgruppen wirkt und ganz unterschiedliche Gestaltungsaufgaben auch nach sich zieht. Auch hier möchte ich das wieder betonen, es gibt zum Teil Möglichkeiten, die Anforderungen auf kommunaler und Landesebene zu bewältigen, allerdings müssen wir auch sehen, dass bei einigen Sachen der Bund oder gar die Europäische Union gefordert ist. Man muss zu einer Politik kommen, die alle Ebenen gleichmäßig fordert und nicht versucht, Illusionen als Bremer aufzubauen, was wir wie alles schaffen könnten.
Es wird mehr und vor allem immer ältere Seniorinnen und Senioren geben. Insbesondere, und das ist die größte Verschiebung, wird es demnächst sehr viele Menschen geben, die über 85 Jahre alt sind. Im Moment ist es ja so, dass der Präsident der Bremischen Bürgerschaft oder auch der Präsident des Senats bei hundertsten Geburtstagen persönlich gratuliert. Das wird in Zukunft so häufig sein, dass man wahrscheinlich irgendwann auf 110 Jahre hinaufgehen muss, wenn man das bewältigen will.
Jedenfalls wird es nicht mehr so selten sein, wie es vorher war.
Ich finde, das ist eine sehr gute Sache. Aber das heißt natürlich, dass wir uns darauf einstellen müssen. Das hat viele Implikationen, die ich an dieser Stelle nicht alle nennen möchte, weil Frau Kummer nachher noch sehr viel zur Frage der Stadtentwicklung und in diesem Zusammenhang auch zur Seniorenpolitik sagen wird. Wir müssen davon ausgehen, dass sich diese Senioren, wie es aussieht, zum großen Teil sehr lange einer guten Gesundheit erfreu
en, also durchaus sehr aktiv sein und ihr Leben gestalten können.
Es ist nicht so, dass plötzlich, weil die Leute älter werden, der Pflegebedarf von heute auf morgen dramatisch in die Höhe geht. Allerdings gibt es auch deutliche Anzeichen, dass durch diese Entwicklung der Bedarf an Pflegeheimplätzen in der Tat steigt. Wenn wir dies finanziell und auch pflegerisch wirklich in den Griff bekommen wollen, müssen wir unsere Rahmenbedingungen überprüfen, damit es möglich wird, dass die Menschen, solange sie das wollen, die Möglichkeit erhalten, in ihrer gewohnten Lebensumgebung zu bleiben.
Dazu gibt es vielfältige Möglichkeiten, die sich vor allem darauf richten, niedrigschwelligere Beratungsangebote und Tageskurzzeitpflegemöglichkeiten zu schaffen. Wie gesagt, das wird am Ende nicht die Pflegeheime ersetzen. Es wird sie aber in der Zahl deutlich reduzieren, und es wird dadurch für die Menschen ein Mehr an Lebensqualität geben können. Es ist ein Bereich, der bisher zwar schon in Ansätzen bearbeitet wird, dessen Dimensionen wir aber noch gar nicht völlig durchschaut haben.
Mit zunehmendem Alter ist zudem die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass die Demenzerkrankungen in relevantem Maße zunehmen werden. Demenz ist eine Krankheit, die gesellschaftlich relativ schwierig in den Griff zu bekommen ist. Das wird eine weitere Herausforderung sein, die zu bewältigen sein wird. Ansätze sind da allerdings auch in vielfältiger Weise zu sehen.
Der zweite Bereich – das ist sozusagen die Gegenseite des demographischen Wandels –ist, dass die Zahl der Kinder abnehmen wird, jedenfalls wie es im Moment aussieht. Es ist immer sehr schwierig zu sagen, wie sich die Frauen in der Frage, Kinder zu bekommen, in 20 oder 30 Jahren entscheiden werden. Das ist immer mit sehr hohen Unsicherheiten belastet.
Aber nehmen wir einmal an, die Zahl nimmt ab, dann heißt das zweierlei. Einerseits können wir Kosten sparen, und das muss man auch offensiv machen. Ich glaube schon, dass der demographische Wandel nicht heißt, dass alles teurer wird, sondern wir müssen dann auch sehen, dass wir Teile der sozialen Infrastruktur, die wir jetzt vorhalten müssen, im Rahmen reduzieren können. Andererseits heißt es aus verschiedenen Gründen, dass wir die Entwicklungsbedingungen für die Kinder, das, was der Staat dazu beitragen kann – er kann ja nicht alles machen –, verbessern und ausbauen müssen, und zwar unter zwei Aspekten.
Zum einen wollen wir damit eine möglichst optimale Entwicklung für die Kinder gewährleisten. Zum
anderen macht es Sinn, die Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, weil es weder den Wünschen der Frauen – es sind meistens Frauen davon betroffen – noch einer ökonomischen Rationalität entspricht, dass Frauen, sobald sie Kinder bekommen, erst einmal systematisch aus dem Erwerbsleben hinausgedrängt und zur Unterbrechung gezwungen werden. Das ist gesellschaftspolitisch nicht sinnvoll, vor allen Dingen in Bezug auf die Frage, wie man eigentlich die Versorgung nicht erwerbstätiger Menschen – das sind ja auch Kinder und nicht nur Rentner – möglichst gleich verteilen kann. Das heißt natürlich, dass ich die Möglichkeit schaffen muss, dass diejenigen, die im erwerbsfähigen Alter sind, auch arbeiten können und nicht dadurch gehindert werden, dass sie Familienarbeit wahrnehmen müssen.
Ein dritter Bereich, der im demographischen Wandel sehr wichtig sein wird, ist die Tatsache, dass die Zahl der Migranten oder Personen mit Migrationshintergrund zunehmen wird, weil bei ihnen die Geburtenrate normalerweise – wenigstens zurzeit noch – deutlich höher ist als bei Deutschen. Das heißt eben, dass der Anteil der Migranten zunimmt, und das stellt erweiterte Anforderungen an unsere Integrationspolitik, die wir im wohlverstandenen Eigeninteresse sehr gut nutzen und entwickeln sollten.
Schließlich will ich jetzt noch kurz auf einen vierten Bereich eingehen, der aus meiner Sicht von hoher Bedeutung ist. Die Frage, ob etwas am Ende des Tages finanzierbar wird – dass also weniger Erwerbstätige dafür sorgen müssen, insgesamt mehr Menschen zu versorgen –, hängt vor allem damit zusammen, wie es gelingt, die Produktivität zu steigern. Ich glaube, das ist ein Feld, das nicht vernachlässigt werden darf. Dies ist aber in weiten Teilen abhängig von der Bundespolitik und der Politik der Europäischen Union. Da werden die zentralen wirtschafts- und forschungspolitischen Weichen gestellt. Da sollte man nicht die Illusion haben, dass man das in Bremen allein beeinflussen kann, wobei ich nicht negieren will, dass unsere Aufgabe ist, den Strukturwandel unter den gegebenen Rahmenbedingungen der Bundesrepublik und von Europa optimal zu gestalten. Das ist sehr wohl eine bremische Aufgabe.
Es gibt aber einen anderen Bereich, der explizit in der Landeskompetenz liegt und da eine ganz zentrale Rolle spielt – vielleicht sogar nach der Föderalismusreform noch mehr als heute –, und zwar ist das die Frage der Lern- und Bildungspolitik. Lebenslanges Lernen ist nach wie vor in weiten Teilen ein Schlagwort. Wir müssen dafür sorgen, dass lebenslanges Lernen gerade auch unter demographischen Gesichtspunkten zu einer Selbstverständlichkeit wird, dazu müssten die Bedingungen dafür geschaffen werden und dass die Menschen motiviert sind, diese Angebote auch wahrzunehmen. Das trifft die gesamte Bildungspolitik, angefangen beim Elementarbereich in den Kindergärten, die Grundschule, die Sekundarstufe, die Berufsausbildung, die Hochschule, aber auch
den gesamten Weiterbildungsmarkt. In dem Bereich müssen wir auch sehr stark auf Chancengerechtigkeit achten.
Noch zwei Minuten, wenn Sie gestatten!
Wir müssen sehen – das ist auch ein weiterer positiver Punkt in der Senatsantwort –, dass wir die verschiedenen Maßnahmen in eine Gesamtstrategie gießen, die sehr wohl auf die Frage der Einwohnerzahlen achten muss. Der demographische Wandel in der Bundesrepublik gestaltet sich regional sehr unterschiedlich. Es ist nicht so, dass wir überall gleich betroffen sind.
Für Bremen wird prognostiziert, dass die Einwohnerzahlen nur leicht abnehmen werden. Bremerhaven scheint, wenn es bei einem Fortschreiben des heutigen Trends bleibt, größere Probleme zu haben. Das bedeutet für eine Gesamtstrategie – da ist mir das zu wenig, das einfach Wachstumsstrategie zu nennen, um dann viele Punkte zu benennen, die wir schon dauernd besprochen haben –, dass wir zum einen eine Priorität auf die Politikfelder legen müssen, die ich gerade erwähnt habe.
Zum anderen müssen wir aber auch sehen, dass wir eine durchaus sehr differenzierte Strategie für Bremen und Bremerhaven brauchen. In Bremerhaven steht es noch an, den Trend zum Einwohnerrückgang zu stoppen und umzukehren. Das kann ich jetzt leider nicht sehr viel weiter ausführen, als es schlagwortartig zu benennen. Vor allem heißt dies, Arbeitsplätze zu schaffen, und zwar jeglicher Qualifikationsstufe. Das hat in Bremerhaven eine viel höhere Bedeutung. Solange die Arbeitslosenquote bei etwa 20 Prozent liegt, wird es so sein, dass Menschen gezwungen sein werden, aus den Städten wegzuziehen. Genau da muss man vor allen Dingen in Bremerhaven ansetzen, da haben wir in Bremen etwas anders gelagerte Problematiken.
Deswegen plädiere ich dafür, die Debatte jetzt hier zum Ausgangspunkt zu nehmen, um eine Strategie zu entwickeln, die diese Probleme, wie ich sie skizziert habe, in den Blick nimmt. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Rede von Herrn Oppermann kann ich jetzt vieles kürzer machen, weil ich nicht alle Punkte wiederholen muss. Ich will auf die aus meiner Sicht ganz zentralen Punkte eingehen.
Ausgangspunkt für die schrittweise Streichung der Investitionsförderung ist die haushaltspolitische Notlage, also nicht die sozialpolitische Überzeugung, dass das völlig überflüssig wäre. Die haushaltspolitische Notlage hat zur Folge, dass wir im Investitionsbereich einfach kürzen müssen. Wir werden nicht darum herumkommen. Dieses Kürzen gilt im Prinzip für alle Bereiche, also kann sich auch der Sozialbereich dem nicht grundsätzlich entziehen. Dementsprechend hat der Senat eine entsprechende Vorlage vorgelegt, die Herr Oppermann schon erläutert hat.
Wir können als Sozialdemokraten diesem Vorschlag zur Änderung des Gesetzes im Grundsatz aus drei Gründen zustimmen: Zum einen ist der Ausbau der Pflegeplätze in den letzten Jahren schneller vonstatten gegangen, als der Bedarf an Pflegeplätzen gestiegen ist. Das hat zur Folge, dass es erste Leerstände gibt. Das wiederum hat zur Folge, dass sich der Staat in so einer Situation in der Tat ein bisschen zurückziehen kann. Staatliche Investitionsförderung dient dazu, einen Anreiz für ein bestimmtes Verhalten zu schaffen. Das ist der Sinn von Investitionsförderung, sonst würden wir die Pflegeheime selbst bauen, wenn wir nicht nur einen Anreiz schaffen wollten. Dementsprechend besteht die Möglichkeit, da das Ziel erreicht ist, eine Reduzierung beziehungsweise eine Abschaffung vorzunehmen.
Zweitens liegen wir ganz klar im Bundestrend. Da kann man lange darüber streiten, ob der Bundestrend richtig oder falsch ist, er ist so. Angesichts der Tatsache, dass wir von anderen Ländern und vom Bund Geld erwarten, werden wir schwerlich begründen können, eine Förderung beizubehalten, bei der man uns fachlich vorwerfen kann, es sei ja gar nicht hundertprozentig nötig, denn die Pflegeplätze kämen ja doch, und dass wir dann selbst mehr Kosten produzierten als andere Länder, die uns das Geld dafür geben müssen. Das ist in der Tat eine schwierige Begründung.
Die dritte Sache ist, die hat Herr Oppermann auch ausführlich angesprochen, es besteht das Risiko, dass es eine Abwanderung von Pflegebedürftigen in das Umland gibt. Das ist nicht von der Hand zu weisen, weil die Plätze – das hat Herr Oppermann ausgeführt –
im Umland kostengünstiger sind. Der Preis ist jedoch nur ein Faktor, nach dem man sich Pflegeheime aussucht. Verfügbarkeit, Nähe zum bisherigen Wohnumfeld und so weiter sind natürlich weitere Faktoren. Wir haben durchaus die begründete Hoffnung, dass „unsere Pflegeheime“ beziehungsweise die bremischen Pflegeheime diese Herausforderung annehmen und bestehen werden und ihre Kapazitäten auch entsprechend ausschöpfen können.
Dennoch haben wir einen Änderungsantrag eingebracht. Die Absenkung beziehungsweise Streichung der Investitionskostenzuschüsse hat zur Folge, dass die Belastung der Heimbewohner, die jetzt in den Pflegeheimen sind oder zukünftig hineinkommen, zum Teil erheblich steigen wird. Am Ende, wenn die Investitionskostenförderung ganz abgeschafft ist, geht es um bis zu 340 Euro pro Monat. Das ist ein nicht unerheblicher Betrag, wobei man wissen muss, dass es erstens sehr unterschiedliche Pflegeheime gibt, die unterschiedliche Belastungen haben. Zum Zweiten ist auch der Kreis der Betroffenen durch die Einkommensstruktur begrenzt. Viele der Bewohner von Pflegeheimen werden auch heute schon über Sozialhilfe finanziert, weil sie keine entsprechenden Renten haben, um teure Pflegeheime zu bezahlen. Es ist aber dennoch eine sehr hohe Belastung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass derjenige, der einmal im Pflegeheim ist, ganz selten noch in der Lage ist, das Pflegeheim zu wechseln. Wenn man erst einmal in einem Pflegeheim ist, ist es normalerweise so, dass man in diesem Pflegeheim bleibt. Deswegen haben wir einen Änderungsvorschlag vorgelegt, der den Anpassungszeitraum der Reduzierung der Förderung streckt und mit geringeren Sprüngen ausstattet als in der bisherigen Vorlage des Senats.
Ich möchte zum Schluss noch einmal auf einen Punkt hinweisen, der auch wichtig ist und der Klarheit dient. Natürlich mussten wir auch dafür sorgen – und darauf haben wir Koalitionsfraktionen uns auch geeinigt –, dass diese Veränderung des Senatsvorschlags finanziert wird. Dieser Schritt hat zur Folge, dass die Förderung des Ausbaus der Tages- und Kurzzeitpflege in den nächsten zwei Jahren nicht so umfangreich sein wird, wie sie ursprünglich einmal geplant war. Ich will auch nicht verhehlen, dass uns unter Umständen in den nächsten zwei Jahren die Finanzierung dieser Frage noch einmal beschäftigen wird, weil immer noch mögliche Rechtsstreitigkeiten über Anspruchsvoraussetzungen und Ansprüche im Raum stehen. Auch da ist uns Koalitionsfraktionen klar, wenn das wirklich in negativem Sinne der Haushaltslage auslaufen sollte, dass wir uns auch gemeinsam diesem Risiko noch einmal widmen müssen oder dies dann vom Gesamthaushalt getragen werden müsste.
Insgesamt ist es keine leichte, aber eine vertretbare Sache, und dementsprechend bitte ich Sie um Zustimmung. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Anlass dieser Debatte halte ich eigentlich für problematisch, denn wir diskutieren hier leider nicht über die Fragen: Gibt es Fehlentwicklungen im System der Eingliederungshilfe? Was müssen wir aus fachlichen Gründen verbessern und auch aus Gründen der Tatsache, dass die Fallzahlen in Zukunft erheblich steigen werden? Vielmehr ist es eine Spardebatte, die den Anlass bietet, heute über das Thema zu sprechen.
So sympathisch mir alle Ihre Äußerungen waren – und ich kann sie fast alle unterschreiben, Herr Oppermann –, ein Ausgangspunkt, und das muss man dann auch noch dazu sagen, ist die Tatsache, dass immer wieder kolportiert wird, im Sozialbereich wäre es beliebig möglich zu sparen, der Etat umfasse ja 500 bis 600 Millionen Euro, da könne es doch gar kein Problem sein. Das war ja die Debatte im März und April letzten Jahres, die über die Presse ausgetragen wurde, 90 Millionen Euro zu sparen. Plötzlich kam man auf die Idee, 90 Millionen Euro könnten vielleicht doch ein bisschen viel sein, weil 500 von diesen 600 Millionen Euro ja schon bundesgesetzlich verpflichtet sind. Dann kam die Idee auf, 45 Millionen Euro müssten es doch mindestens sein, bis man sich am Ende auf 25 Millionen Euro über zwei Jahre geeinigt hat. Das sind alles Zahlen, die völlig aus der Luft gegriffen waren. Kein Mensch konnte fachlich auch nur annähernd begründen, wie sie eigentlich genau zustande kommen. Sie verweisen aber auf ein politisches Handling, welches aufhören muss, wenn man sich den Problemen im Sozialbereich wirklich ernsthaft stellen will.
Ich will mich diesen Problemen ernsthaft stellen, denn der Grund, weswegen wir finanzpolitisch vor allem darauf achten müssen, ist, dass die Fallzahlen bei der Eingliederungshilfe in die Höhe gehen. Wir haben entweder das Problem, dass uns allein dieser Bereich finanziell richtig aus dem Ruder laufen kann, oder wir können prüfen, ob wir nicht das System optimieren können. Das heißt aber auch zu prüfen, ob wir die Leistungen für die behinderten Menschen besser machen können und sie trotzdem preiswerter werden. Das ist ja die Aufgabe, über die wir nachdenken müssen. Allerdings sollten wir uns keine Illusionen über die Summen machen, die dabei herauskommen. In der Tat wurden 15 Prozent Einsparvo
lumen ins Gespräch gebracht. So eine Prozentzahl ist der Ausdruck einer Debatte, die völlig losgelöst von Fachfragen stattfand, wie viel man angeblich einsparen muss. Je mehr Bereiche wir dort im Detail durchgehen, desto mehr zeigt sich, dass die Einsparmöglichkeiten in vielen Bereichen eigentlich gering sind, was nicht heißt, dass man sie nicht anheben muss.
Das, finde ich, ist dann wieder das Gute an der Antwort des Senats und gerade auch bei der Benchmark. Schaut man sich nämlich die Benchmark an, sind wir in den meisten Bereichen preiswerter als Berlin und Hamburg. Stadtstaaten haben auch in dem Bereich immer Besonderheiten. Teilweise sind wir sogar preiswerter als einige Flächenländer, weil unser System in einigen Kategorien vernünftiger als das mancher Flächenländer ist. Das ist sehr bemerkenswert und auch ein Erfolg einer fachlich bisher weitgehend gelobten Behindertenpolitik, wie wir sie hier in Bremen haben. Ein wesentlicher Ausgangspunkt dieser Politik war ja die Auflösung des Klosters Blankenburg. Dieses System, das dort entwickelt wurde, wird allgemein als günstig und fachlich gut angesehen, was nicht heißt, dass man an der einen oder anderen Stelle nicht etwas verbessern kann.
Es gibt einen Bereich, wo die Kosten in Bremen höher sind als anderswo. Das ist im Bereich der Tagesförderstätten der Fall. Aber auch hier darf man sich keine Illusionen machen, wenn man dann über Einsparmöglichkeiten nachdenkt. Das ist sicherlich auch für die kommenden Haushaltsverhandlungen wichtig. Die Zahlen, die bisher im Haushalt stehen, überzeugen mich keineswegs. Die Einsparmöglichkeiten darf man sich nicht zu hoch rechnen oder sich zu hoch vorstellen, denn der Unterschied zwischen Tagesbetreuung und dem Besuch von Werkstätten für Behinderte ist ja, dass in den Tagesförderstätten Personen sind, die einen erhöhten Förderbedarf haben und nicht einfach umgesteuert werden können nach dem Motto: Die können ja auch in die billigere Werkstatt für Behinderte gehen.
Der Personenkreis, der wirklich umgesteuert werden kann, ist relativ begrenzt, und das sind in den Tagesförderstätten, laut Antwort des Senats, ohnehin nur 313 Personen. Das würde zwangsläufig, weil sie wirklich einen höheren Förderbedarf haben, natürlich auch die Kosten der Werkstatt für Behinderte in die Höhe treiben. Man kann sie dort ja nicht so behandeln, als hätten sie den Förderbedarf nicht. Auch dort sehen wir, dass man sicherlich überlegen muss, ob ein Umsteuern sinnvoll ist, denn ich kann mir gut vorstellen, dass es auch für die behinderten Menschen durchaus attraktiv sein kann, in spezielle Gruppen der Werkstatt für Behinderte in diesem Bereich zu gehen. Man darf das aber nicht in der Erwartung tun, dass man dadurch finanziell sehr viel umsteuern kann.
Wie gesagt, die Rationalisierungsmöglichkeiten – ich benutze diesen harten Begriff auch in diesem Bereich, denn Rationalisierung heißt für mich immer auch Optimierung, und zwar nicht nur finanzielle, sondern
auch fachliche Optimierung – sind geboten, weil die Fallzahlen steigen. Ich möchte aber noch einmal ausdrücklich unterstreichen: Es ist kein Problem, dass die Fallzahlen steigen. Es ist gut so, dass die Fallzahlen steigen, denn es ist gut, dass wir keine behinderten Menschen mehr wegen ihrer Behinderung erschießen oder töten, wie es in der Nazizeit hier in Deutschland der Fall war. Es ist gut, dass der medizinische Fortschritt auch bei behinderten Menschen dazu führt, dass sie länger leben, und es ist auch gut, dass insgesamt die Lebenserwartung von behinderten Menschen steigt. Das ist kein Problem eines Staates, sondern ein positives Zeichen einer Gesellschaft, dass auch diese Menschen hier ihren Platz finden, und das müssen wir auch weiter garantieren.
Deswegen finde ich es auch unabdingbar, dass Optimierungsmöglichkeiten in finanzieller Hinsicht – die gibt es auch hier in Bremen, das ist im Grundsatz unbestritten – immer im möglichst weit gehenden Konsens, natürlich sind das auch teilweise sehr schwierige Verhandlungen, mit den Trägern der Eingliederungshilfe geführt werden. Ich glaube nach allem, was ich bisher sowohl von Seiten des Ressorts als auch von Seiten der Träger gehört habe, dass man hier auf einem guten Weg ist. Es ist, glaube ich, nicht mehr eine Frage sehr langer Zeit, bis man zu einer tragfähigen Konsenslösung kommen wird, die sicherlich auch gewisse Einsparungen ermöglichen wird, die aber die hohe Qualität dieses Systems auch weiterhin gewährleisten kann.
Deshalb möchte ich noch einmal zum Schluss sagen, denn wir sind kurz vor den Haushaltsverhandlungen, und es gibt mehrere Punkte im Sozialbereich, die im Prinzip analog sind: Wir müssen uns davon lösen, Illusionen darüber zu verbreiten, aus welchen Gründen auch immer, dass es hier angebliche Einsparbeträge von Millionen gebe. Wir müssen dahin kommen, dass wir die Systeme, die wir im Sozialbereich haben, fachlich hinterfragen und natürlich auch versuchen, finanzpolitisch zu optimieren. Dann muss man allerdings im Umkehrschluss und im Ergebnis die Konsequenz daraus ziehen, dass sich das, was man fachlich und auch unter Controllinggesichtspunkten herausbekommen hat, auch im Haushalt widerspiegelt und man nicht Zahlen einstellen muss, die unter Umständen nicht der Realität entsprechen. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielem aus der Rede von Herrn Bartels kann ich zustimmen. Das alles will ich jetzt nicht wiederholen, weil die Debatte dadurch nicht besser wird.
Als Erstes möchte ich noch einmal dem Eindruck entgegentreten, der entstehen könnte, dass man Eltern ein grundsätzliches Misstrauen von staatlicher Seite entgegenzubringen hat. Ich glaube, die große Mehrzahl der Eltern sorgt vernünftig entsprechend ihrer Möglichkeiten für ihre Kinder, und das ist auch gut so. Nur weil das so ist, haben wir überhaupt die Möglichkeit, das zu schaffen. Welche Arbeit das macht, das sollte man auch nicht unterschätzen, da muss man den Eltern für diese Arbeit dankbar sein, die gesellschaftlich höchst wichtig ist.
Der zweite Punkt: Das kann natürlich nicht dazu führen, dass wir vor den Problemfeldern die Augen verschließen, sondern wir wissen – und das ist dramatisch, aber es ist erst einmal so –, dass trotz der überwiegenden Mehrzahl der Eltern, die vernünftig handeln und sehr gut für ihre Kinder sorgen, trotz vielfältiger staatlicher Hilfen es bisher nicht verhindert werden konnte, auch wirklich schwere Fälle von Vernachlässigung, Verwahrlosung und Missbrauch bis hin zur Todesfolge von einzelnen Kindern auszuschließen. Das ist höchst dramatisch, und da muss man Verbesserungen bringen.
Dies betrifft sicherlich unser System verschiedener Hilfen. Hier müssen wir prüfen, ob wir da auch wirklich optimal arbeiten: Wir haben ein breites Hilfesystem der Erziehungshilfe, der Familienhilfe und auch der Jugendhilfe. Ich glaube, das hat auch Herr Bartels gesagt, es ist eine wichtige Sache, ständig zu überprüfen, ob das, was wir da anbieten, wirklich so angemessen ist, ob einzelne Maßnahmen optimiert werden können. Da muss man aber – und das ist sicherlich so eingedenk der Debatte, die wir heute Morgen hatten, noch einmal wichtig – daran denken, dass es auch finanzielle Prioritäten erfordert. Das setzt Grenzen beim Personalabbau in einzelnen Bereichen,
denn irgendjemand muss die aufsuchende Familienhilfe leisten und hingehen. Das sind keine Maschinen oder Computer, die das machen, sondern konkrete Personen. Deswegen bedeutet das: Wir müssen bei unseren haushaltspolitischen Prioritäten gerade angesichts solcher wichtigen Problemfelder immer auch darüber nachdenken, ob dieser Bereich so ausgestattet ist, wie er sein muss. Ohne Zweifel müssen wir umgekehrt darüber nachdenken, ob der Bereich auch unter Kostengesichtspunkten optimal aufgestellt ist.
In der Vergangenheit hat sich gezeigt, es gibt Lücken, denn sonst wären diese Fälle nicht vorgekommen. Der Antrag der Koalitionsfraktionen zielt darauf, einen Teilbereich unter die Lupe zu nehmen und dort für Verbesserungen zu sorgen, wo wir meinen, dass ein entsprechendes Schutzniveau im Moment nicht gewährleistet ist, wohl wissend, dass es gegen eine hinreichende kriminelle Energie und Skrupellosigkeit so mancher Eltern nicht ausreichen wird. Das heißt aber nicht, dass man nicht alle Schritte unternehmen muss, um die Situation zu verbessern. Der Antrag zielt darauf, die Vorsorgeuntersuchungen zu nutzen, um Vernachlässigungen und Missbrauch zu erkennen, das heißt, die Vorsorgeuntersuchungen verbindlicher zu gestalten und vor allen Dingen – und das ist eigentlich die schwierigere Sache – auch Konsequenzen aus den Ergebnissen der Vorsorgeuntersuchungen beziehungsweise nicht stattgefundener Vorsorgeuntersuchungen zu ziehen.
Die Punkte hatte Herr Bartels im Einzelnen hinreichend erläutert, das will ich hier jetzt nicht wiederholen. Ich will nur noch einmal sagen, dass man auch im Blick haben muss, dass die Vorsorgeuntersuchungen bisher rein freiwillig sind. Dafür gibt es auch viele gute Gründe. Das hat etwas mit dem Vertrauensverhältnis zum Arzt zu tun und auch mit der ärztlichen Schweigepflicht. Nicht jedes Untersuchungsergebnis darf gleich ohne weiteres staatlichen Behörden weitergegeben werden. Das ist gut und richtig, das setzt der Möglichkeit, die Untersuchungen zu nutzen, Grenzen. Gleichzeitig gibt es aber Verbesserungsmöglichkeiten, wie man das optimieren kann.
Ausgehend von dem schlimmen Fall Jessica, der in Hamburg stattgefunden hat, hat sich die Hamburgische Bürgerschaft intensiver mit dem Thema befasst. Die Fraktionen in der Hamburgischen Bürgerschaft haben ein gemeinsames Papier entwickelt, welche Konsequenzen sie ziehen wollen. Ein Punkt dabei ist auch die Frage, wie man Vorsorgeuntersuchungen verbessern und besser nutzen kann. Die Hamburger wollen dazu eine Bundesratsinitiative einbringen, und ich gehe davon aus, dass wir das in dieser Intention unterstützen und prüfen, ob es notwendig ist, dies durch bundesgesetzliche Regelungen zu flankieren, damit Vorsorgeuntersuchungen ein Element sein können, um Verwahrlosung, Vernachlässigung, Missbrauch von Kindern aufzudecken und entsprechend dagegen arbeiten zu können.
Ich möchte abschließend noch einmal betonen: Wir betrachten den Antrag jetzt als einen Schritt, um der Verwahrlosung, Vernachlässigung und dem Missbrauch von Kindern entgegenzuwirken. Ich habe betont, wir müssen zudem unser Hilfesystem ständig weiterentwickeln. Das werden wir in der Zukunft weiter tun, und wir werden gerade unter Haushaltsge
sichtspunkten versuchen, diesem Bereich auch ein besonderes Gewicht zu geben. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt kann ich es ganz kurz machen, weil alle wesentlichen Punkte gesagt sind. Ausgangspunkt ist in der Tat, dass der Bund bei der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe nicht alle unsere bremischen Besonderheiten berücksichtigt hat. Das hatte eben zur Folge, dass Arbeitslosenhilfeempfänger, die zuvor das Recht hatten, die KammerCard auch zu erhalten und diese Leistungen in Anspruch zu nehmen, nicht mehr berücksichtigt werden können. Das wiederum hat den Hintergrund, dass die Leistungen der Arbeitnehmerkammer nur für Arbeitnehmer zugänglich sind, und das wird durch diese neue Arbeitslosengeld-II-Regelung, wie sie bisher ist, eben teilweise erschwert.
Wir versuchen mit dem Gesetz, diesen alten Rechtszustand wiederherzustellen, weil wir es natürlich für richtig halten, dass Arbeitnehmer auch dann Arbeitnehmer sind, wenn sie vorübergehend arbeitslos sind, und dementsprechend auch als Mitglieder der Arbeitnehmerkammer behandelt werden müssen. Insofern haben wir diesen Antrag der Grünen gern unterstützt, und die Überweisung erfolgt vor allen Dingen deswegen, weil auch eine mündliche Anhörung der Arbeitnehmerkammer noch vorgesehen ist, die dann in der entsprechenden Deputation vorgenommen wird. – Soweit, ich danke Ihnen! Tschüs!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass der Klimawandel in vollem Gang ist und in Dimensionen, die man sich nicht vorstellen kann, hat man spätestens in diesem Jahr gemerkt mit den schrecklichen Flutkatastrophen in den USA, aber auch mit heftigen Überschwemmungen in Süddeutschland, in Österreich und der Schweiz. Man merkt deutlich, Klimawandel ist nicht irgendetwas, das in den Köpfen von Wissenschaftlern stattfindet, sondern ist real.
Vor diesem Hintergrund war ich doch etwas verwundert, als ich die Antwort des Senats auf diese Große Anfrage gelesen hatte. Es beginnt damit, dass man erst einmal sagt, ja, es wird einen entsprechenden Klimawandel geben, und es wird auch zu einer entsprechenden Veränderung des Meeresspiegels kommen. Allerdings könnte man das nicht ganz so genau abschätzen, wie viel es hundertprozentig werde. Wenn man sich diese Argumentation anschaut, fühlt man sich entweder in die Argumentation der USA vor zwei oder drei Jahren zurückversetzt, als gerade Bush gesagt hat, das wisse man eigentlich gar nicht, wie das alles genau komme, deswegen müsse man auch nicht so viel tun, oder man erinnert sich an die Diskussion, wie sie Ende der neunziger Jahre teilweise auch hier noch war. Das dient letztendlich häufig dazu, Untätigkeit zu rechtfertigen.
Das will ich dem Senat nicht unterstellen, aber man kann sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, dass innerhalb des Senats die Dimensionen noch nicht begriffen worden sind, was in dieser Welt passiert. Wie kann man sonst verstehen, dass es Schwierigkeiten bereitet, notwendige Investitionen in die Deichsicherheit im normalen Haushalt ganz regulär einzustellen? Der Umweltsenator hat diese Investitionen nicht in den Haushalten 2006/2007 eingestellt, wenigstens ausweislich des Entwurfs, den wir im Mai/ Juni in der Diskussion hatten. Es geht auch um gestundete Beiträge, die eigentlich in den Jahren 2002 bis 2005 hätten alle schon gezahlt werden müssen. Erst jetzt sind die Gelder in den Nachtragshaushalten aufgenommen worden! Ich glaube, wir müssen uns daran gewöhnen, dass es eine ganz reguläre Aufgabe des Grundinvestitionsprogramms ist. Es muss eine Selbstverständlichkeit sein, solche Investitionen auch abzusichern, im Zweifelsfall vor allen anderen Investitionen.
Ein zweiter Punkt, der mir in dem Zusammenhang wichtig ist: Wir müssen von einem Szenario ausgehen, was hier eigentlich passieren könnte und die Grundlage für unser Handeln wird. Das kann man immer noch korrigieren, wenn es nicht ganz so eintritt, wie man es denkt, aber man sollte nicht so tun, als wäre die Welt völlig offen und man wüsste nicht, in welche Richtung es gehen könnte.
Es ist vor kurzem eine Studie abgeschlossen worden zu dem Thema „Klima und Unterweser“, die relativ klar deutlich gemacht hat, was hier zu erwarten sein wird. Danach kommt man zu dem Schluss, dass der Meeresspiegel bis zum Jahr 2050 – also zirka in den nächsten 50 Jahren – beim mittleren Hochwasser um zirka 55 Zentimeter ansteigen wird. Bei Sturmfluten muss man aufgrund veränderter Windverhältnisse damit rechnen, dass das Wasser bis zu 70 Zentimeter höher auflaufen wird. Mögen es am Ende bei Sturmfluten statt der 70 Zentimeter 60 sein oder vielleicht 80 Zentimeter, das ist, glaube ich, beim jetzigen Stand völlig uninteressant. Es zeigt aber die Dimensionen auf, in denen gehandelt werden muss.
Da braucht man jetzt keine Panik zu machen. In der Tat sind unsere Deiche im Moment sehr gut in Schuss und haben auch ein Niveau erreicht, bei dem wir durchaus sagen können, wir sind in Bremen so sicher vor Hochwasser, soweit man sich überhaupt vor Naturereignissen schützen kann. Nach menschlichem Ermessen kann man im Moment sagen, unsere Deiche sind sicher. Wir müssen aber kontinuierliche Anstrengungen unternehmen, um dies auch aufrechtzuerhalten. Hier haben wir Handlungsbedarf, auch bezogen auf die Anfrage, und das spüre ich bei einigen Sachen in der Antwort, die sich vornehmlich auf die Überschwemmungsgebiete bezogen hat, nicht.
Ich denke, wir müssen als Überschwemmungsgebiete sinnvollerweise alle Gebiete ansehen, die jenseits der Winterdeiche liegen. Der Senat hat in seiner Antwort auch deutlich gemacht, dass er das wahrscheinlich auch gesetzlich verankern wird. Wenn das allerdings so ist, muss man auch daraus die Konsequenzen ziehen. Ich will an drei Punkten deutlich machen, bei denen ich glaube, dass hier durchaus mancher Nachholbedarf vorhanden ist beziehungsweise bei denen wir uns in Zukunft überlegen müssen, ob wir nicht unser Verhalten der Vergangenheit korrigieren sollten.
Erster Punkt: Zu den planungsrechtlichen Maßnahmen sagt der Senat selbst in seiner Antwort, dass in den neueren Bauleitplänen Schutzmaßnahmen für Menschen verankert sind, falls Hochwasserereignisse eintreten. Er sagt gleichzeitig, bei älteren Bauleitplänen oder in Gebieten und Überschwemmungsgebieten mit älteren Bauleitplänen ist das häufig nicht der Fall. Da wäre die Frage zu stellen: Wäre es nicht sinnvoll, in diesen Gebieten auch entsprechende Hochwasserschutzbestimmungen zu verankern? Dazu wird überhaupt nichts gesagt, sondern es wird einfach nur festgestellt, dass dies so ist.
Zweiter Punkt: Ich hatte extra nachgefragt, ob wassergefährdende Stoffe abgesichert sind. Es wird in der Antwort des Senats darauf verwiesen, dass es dazu umfangreiche Bestimmungen gibt und es im Wesentlichen verboten ist, in Überschwemmungsgebieten derartige Stoffe zu lagern beziehungsweise entsprechende Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden müssen, falls dort wassergefährdende Stoffe gelagert werden.
Meine Recherchen haben aber leider ergeben, dass eine Überprüfung, ob diese Bestimmungen – und dazu steht auch in der Antwort nichts – eigentlich eingehalten werden, so gut wie nicht stattfindet. Ich habe keinen getroffen, der mir sagen konnte, welche Überprüfungen wann in welchen Gebieten gemacht werden. Es gibt mehrere Gebiete, das zeigt die Antwort des Senats, die intensiv von den Menschen genuzt werden, wo durchaus auch menschliche Tätigkeiten erforderlich sind. Es ist eine wesentliche Aufgabe, sich darum zu kümmern, ob die bestehenden Vorschriften wirklich eingehalten werden.
Dritter Punkt, den ich für gravierender halte, weil er auch leider mit zusätzlichem Geld verbunden ist: Wir müssen davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren – wir wissen nicht, in welchen Abständen, aber dass es kommen wird, ist fast so sicher wie das Amen in der Kirche – unsere Überschwemmungsgebiete auch wirklich überschwemmt werden. Das bedeutet, man muss entsprechende Vorkehrungen treffen. Bezogen auf die Wümmewiesen hat sich gezeigt, dass rein bremische Maßnahmen ganz geringe Linderungen bringen. Wir hatten das Hochwasser im Jahr 2002, so dass man sich die Frage stellen muss: Wie kann man damit eigentlich umgehen?
Ich glaube, wir haben alle ein Interesse daran, dass landwirtschaftliche Nutzung da stattfindet, weil sie aus naturschutzfachlichen Gesichtspunkten sehr sinnvoll ist und Landwirten Existenzmöglichkeiten bietet. Allerdings müssen wir uns auch die Frage stellen: Wie gehen wir eigentlich damit um, wenn es wieder Überschwemmungsereignisse gibt? Es ist unsinnig, die Landwirte mit dem Problem allein zu lassen nach dem Motto, „die wissen ja, dass es irgendwann überschwemmt werden kann“. Da muss man Regelungen finden, die jenseits unsinniger Maßnahmen sind. Die Wümmeausbaggerung erweist sich als nicht machbar. Aber wäre es stattdessen nicht sinnvoll, Entschädigungsleistungen zu verankern, damit da keiner um seine ökonomische Existenz bangen muss?
Ein anderes Überschwemmungsgebiet wird häufig vergessen, weil es häufig, alle zwei Wochen, sehr stark frequentiert wird, die Pauliner Marsch. Der Winterdeich ist der Osterdeich. Alles, was auf der anderen Seite des Osterdeichs liegt, ist Überschwemmungsgebiet. Die Sommerdeiche sind sehr niedrig dimensioniert. Sie werden stärkere Hochwasser nicht aushalten. Das ist auch nicht beabsichtigt. Es wird nicht die Möglichkeit bestehen, einfach den Deich direkt an die Weser zu verlegen, weil das Auswirkun
gen auf die Hochwasserintensität hätte und dann andere Stadtbereiche entsprechend gefährdet wären. Da müsste man sich doch jetzt einfach einmal die Frage stellen: Ist das Weserstadion eigentlich hochwassersicher gebaut?
Hochwasser würde dort bedeuten, dass mindestens das Erdgeschoss, eventuell auch der erste Stock des Stadionanbaus vollständig unter Wasser stünden. Ich glaube, dass wir hier in Bremen in diesem Bereich bisher nicht das angemessene Problembewusstsein haben und nach wie vor relativ leichtfertig in Gebieten bauen, die in Zukunft in Abständen überschwemmt sein werden. Wenn man in solchen Gebieten baut, sollte man dann dort für den Hochwasserschutz an den entsprechenden Gebäuden sorgen.
Das, was der Senat geschrieben hat, ist zwar richtig, dass wir als Bremen an Private keine Entschädigungsleistungen zu zahlen haben, weil wir dafür nicht verantwortlich sind, das Weserstadion gehört uns aber zu 50 Prozent. Insofern hätten wir dort auch die entsprechenden Schäden zu tragen, die dort eintreten.
Das sind nur drei Schlaglichter, bei denen wir noch über Konsequenzen aus dem Klimawandel diskutieren müssen. Ich denke, dass wir uns damit in der Umweltdeputation noch ausführlich befassen und dann auch versuchen werden, entsprechende Änderungen, soweit sie notwendig sind, durchzusetzen. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Frank Imhoff, wir können gern gemeinsam irgendwo einkehren gehen, dagegen hätte ich nichts. Allerdings würde ich Ihnen ansonsten empfehlen, diskutieren Sie noch einmal kräftig in der CDU, dann könnten Sie in dem Bereich noch kompetenter werden! In dem Zusammenhang würde ich der Stimme des Umweltsenators an Ihrer Stelle stärker lauschen. Er ist, glaube ich, in manchen Bereichen deutlich besser.
Ich muss sagen, ich habe mich über die Antwort des Senats auf die Anfrage sehr gefreut, weil sie deutlich macht, und ich glaube, das ist das Zentrale, auch wenn Sie in Ihrem Beitrag deutlich gemacht haben, Herr Imhoff, dass Sie das überhaupt nicht begriffen haben, dass dieses Erneuerbare-Energien-Gesetz erstens eine sehr gute Sache war, zweitens die Grundvoraussetzung war, damit sich Windkraft hier so etablieren konnte, und drittens auch die Beibehaltung dieses Erneuerbare-Energien-Gesetzes, und zwar im Wesentlichen in dieser Form, wie es besteht, die Voraussetzung ist, dass sich diese Industrie hier weiterentwickeln kann.
Gerade weil die Zukunft im Offshore-Markt liegt, sind hier große Chancen für eine Hafenstadt wie Bremerhaven und auch eine Hafenstadt wie Bremen, aber dazu bedarf es einer entsprechenden Förderung. Ich habe nicht erwartet, das muss ich gestehen, dass wir hier große Einigkeit haben. Nicht umsonst ist die Anfrage in dem Zeitraum gestellt worden. Sie hat aber insofern noch eine große Aktualität, weil es wahrscheinlich eine große Koalition auf Bundesebene geben wird. Ob das aber ein Erfolg wird, liegt immer noch daran, welche Fachpolitiken da am Ende vereinbart werden, und da hoffe ich, dass Sie auch im Interesse Bremens darauf hinwirken, dass sich in der Energiepolitik die SPD voll durchsetzt, weil wir ansonsten in Bremen erhebliche Probleme mit der weiteren Zukunft der Windenergie haben.
Diese Differenzen werden nicht nur in der CDUAnfrage, die Sie parallel gestellt haben, und die wir aus inhaltlichen Gründen bewusst nicht mitgemacht haben, sondern auch aus Ihrem Beitrag jetzt deutlich. Wer Energiepolitik so angeht und schaut, es muss möglichst billig sein, damit wir möglichst viel davon verschleudern können, ohne dass es uns großartig schadet, der hat überhaupt nicht begriffen, worauf es ankommt und weswegen wir darauf drängen, auf regenerative Energien zu wechseln.
Herr Imhoff hat ganz deutlich gesagt, aus angeblich konjunkturpolitischen Gründen wäre es wichtig, dass der Energiepreis entsprechend unten bleibt. Das war ein ganz zentrales Argument in seiner Rede.
Das ist auch der Punkt, auf den die einzelnen Fragen Ihrer Anfrage abzielen. Das ist meines Erachtens eine Position, die überhaupt nicht begriffen hat, dass es um ein Umsteuern geht. Die Frage, ob man für oder gegen die Ökosteuer ist, kann man diskutieren. Dagegen bin ich überhaupt nicht, aber die Alternative zur Ökosteuer ist, über andere Steuereinnahmen und staatliche Ausgaben entsprechende Umsteuerungsleistungen zu fordern. Da haben wir aus ordnungspolitischen Gründen gesagt, dass die Ökosteuer gerade ein marktwirtschaftlich konformes Instrument ist, das bestimmte Anreizfunktionen ausübt, damit gerade möglichst viele einzelne Akteure auch umsteuern. Natürlich erhöht sich durch die Ökosteuer der Preis, das ist eine völlig richtige Sache. Das ist auch gewollt, denn nur dann wird begriffen, dass dies ein knappes Gut ist, das wir nicht verschleudern dürfen.
Lassen Sie mich einmal kurz ausreden, vielleicht hören Sie zu, dann können Sie unter Umständen etwas lernen! Dass dies letztendlich eine richtig sinnvolle Sache ist, kann man daran ermessen, welche
Schäden durch diesen Klimawandel angerichtet werden. Es gibt jetzt eine jüngste Studie des DIW, die darauf hinausgeht, dass nach einer vorsichtigen Schätzung 800 Milliarden Euro Schaden durch solche Ereignisse entstehen. Da ist es keineswegs zu viel verlangt, am Anfang die Energie etwas teurer zu machen, damit die Leute frühzeitig umsteuern, um dies zu ändern.
Der zweite Grund, weswegen an regenerativen Energien kein Weg vorbeiführt – wir sehen jetzt die Dramatik der Entwicklung –, ist die Endlichkeit der Rohstoffe, auch der fossilen Primärenergieträger und des Urans. Dem gegenüber steht ein enormer Anstieg des Weltenergiebedarfs. Diesen werden wir auch nicht abbremsen. Das wird unter marktwirtschaftlichen Gesetzen zur Folge haben, dass es zu entsprechenden Preissteigerungen kommt, und deswegen bin ich mir sicher, die Wirtschaftlichkeit regenerativer Energien wird sehr schnell letztendlich ohne Förderung sein.
Wir konnten sehen, wie schnell durch einen großen Sturm die Energiepreise in die Höhe schnellen können. Das ist der Anfang einer Entwicklung, und Energiepolitik, das muss man auch im Kopf haben, macht man nicht jährlich und kurzfristig, sondern das ist eine Politik, die über Zeiträume von 30, 40 Jahren konzipiert werden muss, denn so lange braucht es allein, um Kraftwerke zu erneuern.
Ich will jetzt noch kurz auf die Frage der Atomenergie eingehen! Wer da argumentiert, die CO2-Vermindung bedarf einer Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke, der hat nicht begriffen, was Atomkraft ist. Erstens ist es eine Technologie, die extrem wenig nachhaltig ist. Sie belastet zig Generationen nach uns. Die Halbwertzeit des Atommülls ist so groß, dass wir einigen Generationen aufbürden, dass sie dafür bezahlen, dass wir jetzt Atomstrom haben. Sie dürfen in 1000 Jahren noch Atommülllager sichern, denn auch dann sind sie noch so schädlich, dass sie jederzeit hochgehen können. Das ist Punkt eins, eine sichere Entsorgung gibt es nicht!
Der zweite Punkt: Die CDU hat auf Bundesebene so schlau gesagt, die Extragewinne, die die Konzerne dann durch die Verlängerung der Laufzeiten von abgeschriebenen Kraftwerken erzielen werden, kassieren wir ab. Erstens bin ich gespannt, mit welchem ordnungspolitischen Kniff man ein Gesetz machen will, das Teile eines Gewinns von einem Unternehmen einer bestimmten politischen Maßnahme zurechnet und das zweitens noch rechtfertigt, diese Gewinne einzuziehen. Wie man das ordnungspolitisch sauber hinbekommen will, wenn man Marktwirtschaft, was Sie sonst immer vertreten, auch nur halbwegs ernst meint, da bin ich einmal gespannt.
Allerdings muss man auch sagen, die Atomlobby und die entsprechenden Energiekonzerne haben sogar noch vor der Wahl deutlich gemacht, mit uns geht das sowieso nicht. Wir entscheiden allein, wohin unsere Gewinne gehen. Da bin ich auch gespannt bei der relativ wirtschaftsnahen Partei CDU, mit welchen Kniffen sie die Atomlobby zum Einknicken bringt, damit die Profite freiwillig nach außen gegeben werden.
Der dritte Punkt im Bereich Atomenergie: Man muss wissen, dass Uran sehr knapp ist. Nicht umsonst hat Atomenergie weltweit einen ganz geringen Anteil an der Energieversorgung. Das wird sich auch nicht großartig ändern, weil es nicht die Uranvorkommen gibt, um dies wirklich drastisch zu steigern. Man würde ein Problem hinausschieben.
Jetzt kommt die vierte Sache, auf die ich eingehen will! Da sagen Sie, das würde doch wenigstens die CO2-Ausstöße jetzt verringern. Genau das ist falsch, weil wir dadurch Energieerzeugungsstrukturen zementieren, die diametral den Anforderungen von regenerativen Energien entgegengesetzt sind.
Atomkraft ist eine höchst zentralisierte Energieerzeugung, und regenerative Energien sind dezentral. Die Verlängerung der Atomkraftnutzung würde eher dazu führen, dass auf den Ausbau aller anderen Energien verzichtet wird und die Großkraftwerke weiterlaufen würden. Das wäre genau das Gegenteil dessen, was wir brauchen. Dann würden wir nämlich spätestens im Jahr 2030 wie der Ochs vor dem Berg stehen und es in dieser Geschwindigkeit nicht schaffen können. Energiestrukturen umzubauen ist ein Prozess, das kann man auch geschichtlich sehen, von 50 Jahren, bis sich eine neue Energieform durchsetzt. Das war bei der Wasserkraft nicht anders, das war bei der Kohle nicht anders, das war beim Erdöl nicht anders. So lange braucht man, bis Energien sich durchsetzen, und wenn man dann heute Entscheidungen trifft, die es verhindern, dass regenerative Energien ausgebaut werden, ist das schädlich.
Das Letzte, das ich jetzt noch abschließend sagen will, ist: Ich hoffe, dass die Diskussionen in der CDU noch sehr intensiv sein werden und Sie hoffentlich zu einem vernünftigen Ergebnis kommen. Solange der Senat, wie er das in seiner Antwort gezeigt hat, durchaus eine vernünftige Energiepolitik verfolgt und sich auch auf Bundesebene dafür einsetzt, dass diese gemacht wird, ist das nämlich nicht nur energiepolitisch sinnvoll, sondern es ist auch industriepolitisch für Bremen höchst wichtig, und ich hoffe, dass diese Einsicht Platz greift. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich jetzt auf ganz wenige Worte beschränken, weil alle Sachen, die davor gesagt wurden, aus meiner Sicht richtig sind.
Wir versprechen uns von dem Gesetz vor allem eine Transparenz über den Zustand und die Entwicklung der Umwelt. Das ist die Voraussetzung für die Entwicklung von Umweltbewusstsein, und das wiederum ist eine Voraussetzung für Maßnahmen zur Verbesserung der Umwelt. Deswegen begrüßen wir das Gesetz und werden sicherlich alle diesem Gesetz zustimmen. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht auf die gesamte Feinstaubproblematik eingehen und vor allem nicht in so einer polemischen Form, Herr Imhoff.
Es ist wenig hilfreich, bestimmte Sachen auf so einem Niveau gegeneinander zu stellen. Die Frage, ob Kaminöfen auch noch Fragen von Wohnqualität sind und ob dadurch wirklich der sonstige Energieverbrauch der Haushalte für Heizenergie sinkt, sollten wir noch einmal ausführlicher diskutieren. Was eine Bundesregierung möglicherweise unter Beteiligung der CDU in Bezug auf die Richtwerte bei irgendwelchen Schadstoffen machen wird, das lassen wir auch einmal dahingestellt.
Ich habe nicht gesagt, dass die CDU jetzt grundsätzlich alles schlechter macht in diesem Bereich.
Ich bin aber schon überzeugt, dass wir im Laufe der Tage noch einmal darauf kommen werden, welche Bedeutung erneuerbare Energien haben, welche Meinung die CDU dazu vertritt und was sie von entsprechenden Fördermaßnahmen hält. Da könnte ich schon die These vertreten, dass da die CDU umweltpolitisch einiges schlechter macht und vor allen Dingen auch unangemessen agiert.
Ja, Herr Imhoff, das tun wir.
Feinstaubemissionen, das ist meines Erachtens der zentrale Punkt, sind ein großes Problem, weil sie sehr gesundheitsschädlich sind und auch letztendlich sehr
viele Todesfälle verursachen. Deshalb muss man sich diesem Problem widmen. Gleichzeitig ist es ein sehr komplexes Problem. Insofern ist es schwer, da wirklich etwas Vernünftiges zu machen. In der Stadt entstehen sehr viele Emissionen aus unterschiedlichsten Quellen mit unterschiedlichsten Begründungen. Hier zu Reduzierungen zu kommen ist ein Prozess, dem man sich gemeinsam stellen muss.
Ich will jetzt, wie gesagt, nicht auf die gesamte Diskussion eingehen, sondern mich sehr stark an die Beantwortung der Großen Anfrage halten. Daraus kann man zum einen erst einmal den Schluss ziehen, dass Industrieanlagen selbst für die Emissionen eine sehr geringe Bedeutung haben, wobei das nicht dazu führen darf, dass man die Hände in den Schoß legt, denn das große Problem ist, dass diese Emissionen lokal sehr begrenzt sind. Alle, die im weiteren Sinne um die Stahlwerke herum leben, wissen, was das heißt. Die Belastung liegt zwar insgesamt nur bei etwa einem Prozent der gesamten Emissionen, aber welchen Schmutz sie teilweise in begrenzten Gebieten verursachen können, ist das eigentlich Problematische.
Deswegen ist es richtig, dass dort entsprechende Grenzwerte verankert sind und dass dieses Problem weiterverfolgt wird. Es scheint so zu sein, dass in vielen Bereichen spätestens mit den Übergangsfristen die Grenzwerte eingehalten werden. Das muss allerdings auch ständig überwacht werden, weil es immer wieder Hinweise gibt, auch aus der Bevölkerung, dass da manchmal mehr Probleme bestehen, als man im ersten Moment glaubt. Wir sind da aber in Bremen, glaube ich, auf einem guten Weg.
Gleichzeitig muss man Karin Mathes in der Forderung nach vollständiger Überprüfung der Einhaltung der Grenzwerte unterstützen. Aber auch das lehnt der Senat ja nicht grundsätzlich ab. Es wird zugestanden, dass in Bremen bisher nicht alle Anlagen überprüft werden konnten. Das muss so systematisch und so schnell wie irgend möglich abgearbeitet werden, denn jede Verringerung, die wir in dem Bereich bekommen, um die Einhaltung der Gesetze garantieren zu können, ist wichtig.
Insgesamt gibt es wenig Kritikpunkte an der Politik des Senats in Bezug auf Feinstaubemissionen aus Industrieanlagen, sondern wir sind uns, glaube ich, in weiten Bereichen einig. Das Problem der Feinstaubbelastung insgesamt wird uns in Bremen noch lange beschäftigen, weil wir die Grenzwerte so, wie sie sind, einfach schlicht im Moment nicht einhalten können. Wir sollten gemeinsam weitere Anstrengungen unternehmen, um dies zu tun. – Ich danke Ihnen!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie der Abgeordnete Focke schon deutlich gemacht hat, geht der Antrag auf eine Initiative der CDU zurück. Von den ursprünglichen Reformvorschlägen, die damals unterbreitet wurden und die Grundlage der Debatte bildeten, sind viele Punkte nicht mehr verwirklicht worden, und was, glaube ich, herausgekommen ist, ist eine gute Grundlage für eine Reform des Bestattungswesens.
Ich glaube, es ist richtig zu realisieren, dass auch das Bestattungswesen von Zeit zu Zeit überarbeitet werden muss, weil sich auch der gesellschaftliche Umgang mit dem Tod im Zeitverlauf verändert. Das macht Anpassungen erforderlich, die sich dann auch in der Gesetzeslage niederschlagen müssen. Die Schwierigkeit, die man dabei beachten muss – und das hat der bisherige Diskussionsprozess gezeigt –, ist, dass man eine Balance finden muss zwischen den bisherigen wohlbegründeten Traditionen im Umgang mit diesem Thema und den zwangsläufigen Neuerungen, die durch veränderte Verhaltensweisen, aber natürlich auch durch größere Bevölkerungsgruppen mit anderen Religionen und anderen Traditionen, verursacht sind. Man muss eine Balance finden, damit man die verschiedenen Ansprüche vereinbaren kann. Ich glaube, wir sind mit dem Antrag auf dem richtigen Weg und werden das sicherlich noch in dem weiteren Beratungsverlauf vertiefen können und hier dann auch bald ein entsprechendes Gesetz vorlegen.
Zu den Änderungsanträgen ist schon vieles gesagt worden. Ich möchte mich dazu im Wesentlichen den Ausführungen von Herrn Focke anschließen. Wenn sowieso eine Information der Eltern stattfindet, schadet es ja im Grundsatz nicht, das als Verpflichtung in das Gesetz aufzunehmen. Wir kommen dadurch nicht zu einer zusätzlichen Bürokratie, denn auch jetzt gibt es dazu keine Bürokratie, und dann ist es doch immer gut, dass Anforderungen realisiert werden, die in
Gesetzen stehen, ohne dass man da großartig sicherstellen muss.
Die zweite Sache mit den Friedwäldern ist, glaube ich, ein Punkt, der letztendlich den Kernpunkt betrifft: Ist es notwendig, umgrenzte Friedhöfe zu haben und dort die letzte Ruhestätte für Tote zu haben oder ist es möglich, den Friedhofszwang aufzuheben? Dafür ist im Moment die Zeit noch nicht reif. Deswegen befürworten wir die Anlage von Friedwäldern nicht, sondern schlagen vor, in bestehenden Friedhöfen die Möglichkeit von Baumgräbern anzubieten. Dies ist sinnvoll und wird auch den Bedürfnissen von Personen, die sich eine derartige Bestattungsform wünschen, gerecht.
Wo wir vielleicht noch etwas genauer überlegen müssen, aber dazu wird die Deputationsbefassung noch entsprechend Raum bieten, ist die Frage: Gibt es weitere Verbesserungen, die wir für Angehörige anderer Religionen als der evangelischen, katholischen oder christlichen Religion erreichen können? Wie können wir da die Ordnung so optimal gestalten, dass sich auch diese Personen jeweils wiederfinden können? Ich bin zuversichtlich, dass wir das im weiteren Verfahren beraten, und möchte abschließend sagen, dass wir als SPD diesen Antrag unterstützen und den Änderungsantrag ablehnen. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Jäger, ich freue mich, wie erfrischend ieologiefrei Sie argumentieren können.
Bombastisch! Auf der einen Seite gibt es Elemente, da sind Sie richtig ideologiefrei. Das finde ich gut, dass Sie nämlich begriffen haben, die Förderung von Branchen hängt nicht nur davon ab, ob ein Markt vorhan
den ist, sondern auch staatliche Eingriffe, wissenschaftliche Arbeiten und Netzwerke zwischen den Unternehmen sind notwendig. Gleichzeitig stellen Sie immer noch völlig ideologiefrei fest, dass der Markt das alles Bestimmende ist, und das ist das ganz Tolle, Sie erwähnen noch nicht einmal, dass ein gewisses Marktversagen in vielen Bereichen erst bestimmte Probleme geschaffen hat, die wir heute auch mit der Umweltwirtschaft erst bekämpfen wollen. Das nenne ich Ideologiefreiheit, wie ich sie mir wünsche!
Dann viele Forderungen aufzulisten ist schick. Es ist eine nette Wahlkampfrede, allerdings führt es völlig an den Problemen vorbei, wobei in Ihrer Rede einige Passagen, wie gesagt, wirklich ideologiefrei waren. Darauf könnten wir uns gut verständigen.