Burkard Dregger
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Last Statements
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es bereits vor einigen Wochen hier im Plenum gesagt: Wir dürfen nicht die Ehrlichen bestrafen – diejenigen, die sich an die Regeln halten, die in Infektionsschutz investiert haben, um ihre Betriebe aufrechtzuerhalten –, sondern wir müssen die Regeln konsequent durchsetzen und diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die die Infektionsschutzregeln nicht einhalten; die sich damit anderen gegenüber als rücksichtslos verhalten, und die letztlich Verursacher noch einschneidenderer Maßnahmen sind und damit Wirtschaft, Arbeitsplätze und Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gefährden.
Es ist jetzt an Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren der Regierungskoalition, verlässliche Politik zu machen!
Mir persönlich und meiner Fraktion ist bewusst, vor welchen weitreichenden Entscheidungen auch Sie stehen, welche Folgen damit für persönliche Existenzen, für das soziale Zusammenleben und für wirtschaftliche Beschäftigungen verbunden sind. Als größte Oppositionsfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus haben wir immer deutlich gemacht, dass wir es als unsere staatspolitische Verantwortung und Pflicht betrachten, den Senat in der Bewältigung dieser Krise zu unterstützen. Das werden wir auch weiterhin mit Augenmaß, mit politischem Anstand und mit politischem Abstand.
Wir haben zahlreiche Anträge eingebracht, um unser Gesundheitssystem in Berlin stärken zu können, um zu verhindern, dass wirtschaftliche Existenzen ruiniert werden und die Berliner Wirtschaft abschmiert. Wir haben Vorschläge gemacht, wie Schulen und Familien gerade in diesen stürmischen Zeiten unterstützt werden können. Mit Bedauern müssen wir aber feststellen, dass Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, unsere Vorschläge und Hinweise nicht aufnehmen,
sondern dass Sie es weiterhin aus teils ideologischen Gründen ablehnen.
Bezeichnend ist folgende Zuschrift, die ich am Montag von einer Berlinerin erhalten habe. Mit Erlaubnis des Präsidenten möchte ich daraus zitieren:
Lieber Herr Dregger! Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass Herr Müller endlich konsequente Maßnahmen umsetzt und sie auch kontrolliert. Das Krisenmanagement ist eine Farce. Es geht hier nicht um Befindlichkeiten, sondern um Gesundheit, Leben, Bildung und Wirtschaft in Berlin. Dafür müssen die Zahlen runter, und zwar schnell. Es braucht einen strikten Lockdown und anschließend gutes Kontakttracing, sonst wird Berlin schon im Januar 2021 das Bergamo Deutschlands.
Zitat Ende.
In der Tat ist es bis heute nicht nachzuvollziehen, warum das grüne Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg so lange die Unterstützung der Bundeswehr abgelehnt hat.
Dadurch ist für die Eindämmung der Pandemie wertvolle Zeit verloren gegangen, und das ist unverantwortlich. Ebenso wenig ist zu verstehen, warum sich die Digitalausstattung der Berliner Schulen so langsam so wenig ändert, um Distanzunterricht in unseren Klassen – ab Klasse 8 und folgende – zu ermöglichen. Wir haben entsprechende Vorschläge gleich zu Beginn der Pandemie gemacht – passiert ist wirklich wenig.
Ein Weiteres ist mir wichtig: Wir müssen mehr Überzeugungsarbeit leisten. Es geht nicht nur darum, die richtigen Entscheidungen zu treffen, sondern es geht auch darum, die Skeptiker ernst zu nehmen und zu überzeugen. Die Akzeptanz auch für einschneidende Maßnahmen ist hoch – das zeigen ja alle Umfragen –, aber wir brauchen auch diejenigen, die das Problem negieren, denn Infektionsschutz funktioniert nur, wenn alle mitmachen, auch die Kritiker.
Diesen Kritikern sage ich: Seien wir doch ganz ehrlich zu uns selbst. Wir alle – ich eingeschlossen – fragen uns doch immer wieder: Gibt es einen besseren Weg? Können wir Einschränkungen vermeiden? Wie können wir die Schäden bei Unternehmen und Arbeitsplätzen besser umgehen? – Diese Überlegungen waren ja auch der Grund dafür, dass wir in den vergangenen Wochen von einem noch härteren Lockdown Abstand genommen haben. Gemeinsam waren wir der Hoffnung, dass die getroffenen Maßnahmen ausreichen, um unser Gesundheitssystem nicht zu überfordern.
Aber an die Skeptiker gewandt: Wir dürfen uns nichts vormachen. Bei allen Bedenken in Hinblick auf die
(Silke Gebel)
Aussagekraft von Infektionszahlen, die mich immer wieder erreichen, und die ohne Zweifel auch plausibel sind – eines steht doch klar und deutlich fest: Die Zahl der Intensivpatienten kommt nicht aus dem Nichts. Sie wächst mit der Zahl der Neuinfektionen, und deshalb muss die Zahl der Neuinfektionen runter, damit auch die Zahl der Intensivpatienten runtergeht.
Das exponentielle Wachstum der Zahl der Neuinfektionen haben wir gestoppt, aber die Pandemie ist nicht unter Kontrolle. Anders als im Frühjahr ist es bislang nicht gelungen, die Zahl der Neuinfektionen nennenswert zu senken. Die Zahl der Coronapatienten befindet sich auf einem Höchststand. Die intensivmedizinischen Kapazitäten werden immer weiter ausgelastet. Insbesondere beim medizinischen Personal kommen wir an die Leistungsgrenze. Manche Krankenhäuser können keine Intensivpatienten mehr aufnehmen.
Die Lage ist ernst. Sie gefällt uns nicht. Wir dürfen die Augen nicht vor der Realität verschließen. Daher kann es nicht Ziel verantwortlichen politischen Handelns sein, die Dinge laufen zu lassen. Wir müssen vor der Lage handeln, nicht ihr hinterherlaufen, und das müssen wir denjenigen klar und deutlich sagen, die zweifeln, ob der eingeschlagene Weg richtig ist.
Ganz offen: Ich leide, wenn ich in meinem Wahlkreis oder anderswo mit den Gastronomen spreche und sehe, wie sie kämpfen. Ich leide mit ihnen, wenn sie mir sagen, dass sie in den letzten Monaten erheblich in Infektionsschutzmaßnahmen investiert haben in der Hoffnung, aber auch in der Erwartung, dann ihren Betrieb offen halten zu können. Das gilt genauso für viele andere Betriebe, für die Kultur, die Messe- und Veranstaltungswirtschaft. Nicht wenigen steht die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Nicht wenige sind verärgert, und wer wollte es ihnen verdenken. Ein Hin und Her, ein Vor und Zurück in den Entscheidungen ist Gift für unsere Unternehmen. Es kommt darauf an, ihnen keine falschen Hoffnungen zu machen, die dann enttäuscht werden, sondern es kommt darauf an, dass wir ihnen eine realistische Perspektive eröffnen, die für sie Planungsgrundlage ist, der sie vertrauen können und die ihnen auch das Licht am Ende des Tunnels weist.
Das sehen auch angesehene Wirtschaftsforschungsinstitute so. So hat der Präsident des ifo-Instituts, Clemens Fuest, gesagt, dass bei einem „Weiter so“ die Infektionszahlen offensichtlich nicht sinken, und daher sei ein konsequentes Schließen als Investition zu betrachten, um noch größere Schäden zu vermeiden. Er präferiert also auch aus Sicht der zahllos betroffenen Unternehmen, schnelle, konsequente und wirksame Infektionsschutzmaßnahmen, die die Infektionskurve rasch senken. Er spricht sich gegen die Fortsetzung der derzeitigen Hängepartie aus, die zwar das exponentielle Wachstum der
Infektionskurve gestoppt, aber diese nicht nachhaltig gesenkt hat.
Dahinter steht die Einsicht, dass sich die Unternehmen überall dort schneller erholen werden und können, wo das Infektionsgeschehen schnell unter Kontrolle gebracht werden kann. Daher fordere ich den Senat und die Koalition zu entschlossenem Handeln auf. Entschlossenes Handeln der politisch Verantwortlichen ist jetzt gefragt. Unser Handeln darf und kann sich nicht danach richten, ob unsere Entscheidungen bequem sind, ob sie kritisiert werden. Sondern Maßstab für unser Handeln kann und muss allein sein, was notwendig und richtig ist, um die Krise aller zu meistern.
Eine alte Lebensweisheit sagt: Die dunkelste Stunde ist die vor dem Sonnenaufgang. – Ich bin überzeugt, dass dies auch auf unsere Situation zutrifft. Die größte Hoffnung am Ende des Tunnels liefern die unterschiedlichen Impfstoffe, die kurz vor der Zulassung stehen. Damit gibt es wieder Perspektiven, unser gesellschaftliches, soziales und wirtschaftliches Leben unter neuen, besseren Rahmenbedingungen organisieren zu können.
Unsere Entscheidungen hier in Berlin haben gravierende Auswirkungen auf die Gegenwart und Zukunft unserer Stadt. Setzen auch Sie Vernunft in den Mittelpunkt Ihrer Entscheidungen, meine Damen und Herren von der Koalition, dann haben Sie uns an Ihrer Seite! Lassen Sie uns vor der Größe der Herausforderungen, die vor uns stehen, nicht entmutigen! Zusammen können wir sie bestehen. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schrader! Eine Kultur des Wegschauens wäre in der Tat inakzeptabel, aber ich weise doch darauf hin, dass es bei der Diskussion über den Bürger- und Polizeibeauftragten auch um unser Selbstverständnis als Abgeordnete dieses Hauses geht.
Ich kann jedenfalls für meine Fraktion sagen, dass wir unseren parlamentarischen Überwachungspflichten gegenüber der Exekutive und damit auch der Polizei vollständig nachkommen, und ich betrachte jeden Einzelnen von uns hier – 160 Abgeordnete und die uns allen zur Verfügung stehenden Mittel mit Mitarbeitern und Budget – als die Bürgerbeauftragten des Landes Berlin, und diese Pflicht sollten wir erfüllen und nicht an irgendwelche Dritte delegieren.
Einmal mehr möchte die Koalition aus SPD, Linke und Grünen uns einreden, dass die Rechte und die Sicherheit unserer Bürger vor allen Dingen durch unsere eigenen Beamten gefährdet werden. Es war erschreckend zu sehen, dass derartige Vorstellungen von einigen Tausend Demonstranten gestern auf unseren Straßen durch die Gegner der derzeitigen Infektionsschutzpolitik verbreitet wurden, aber es ist wirklich erschütternd, dass derartige Vorstellungen die Wahrnehmung der rot-rot-grünen Koalition bestimmen.
Wie sehen denn die Fallzahlen aus? Haben wir es mit einer Flut staatlicher Gewalt- und Willkürakte zu tun, die das Beschwerdemanagement der Berliner Polizei
(Niklas Schrader)
überfordern und denen auch unsere sehr verdienten Kolleginnen und Kollegen aus dem Petitionsausschuss nicht mehr gerecht werden können? Wie also sieht der Faktencheck aus?
Im letzten Jahr, 2019, hat die Zahl der eingereichten Beschwerden gegen unsere Polizei einen historischen Tiefststand erreicht: Es gab 1 820 Beschwerden, nicht mehr und nicht weniger. Knapp ein Drittel dieser Fälle betraf Beschwerden darüber, dass die Polizei untätig geblieben ist. Das waren also keine Fälle, in denen es um unverhältnismäßige polizeiliche Maßnahmen ging, sondern um das Gegenteil. Nur gut 200 Beschwerden überhaupt waren nach Prüfung berechtigt. 200 in einem ganzen Jahr.
Um diese Zahl nun richtig einordnen zu können, müssen wir uns vor Augen halten, dass unsere circa 17 000 Polizeivollzugsbeamte jedes Jahr circa 33 Millionen Dienststunden leisten, das heißt, wir müssen gegenüberstellen: 17 000 Polizeivollzugsbeamte, die 33 Millionen Stunden leisten – und denen stehen ganze rund 200 berechtigte Beschwerden über polizeiliches Verhalten gegenüber.
Wissen Sie was, meine Damen und Herren der Koalition aus SPD, Linke und Grünen? Sie lösen hier mit Ihrem Polizeibeauftragten gar kein existierendes Problem, sondern Sie verschleudern für ein nicht existierendes Problem wertvolle Steuermittel, die Sie besser für die Stärkung von Polizei und Justiz investieren müssten.
Meine Damen und Herren von SPD, Linke und Grünen! Ich respektiere durchaus, dass Sie sich für die gut 200 berechtigten Beschwerden gegenüber der Polizei interessieren. Das tun wir alle. Aber ich muss die Dinge doch etwas zurechtrücken. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die steigende Zahl von Übergriffen gegen unsere Polizeibeamten in Berlin richten. Das sind nicht 200 Fälle im Jahr, sondern das sind rund 7 000 Fälle im Jahr. Ihre Aufgabe müsste es doch sein, sich mindestens mit dem gleichen Engagement, mit dem Sie sich mit diesen 200 Fällen berechtigter Beschwerden über polizeiliche Maßnahmen beschäftigen, in Bezug auf diese 7 000 Fälle, dieses Phänomen der steigenden Angriffe gegenüber unserer Polizei, zu aktivieren. Ich verstehe gar nicht, warum Sie das nicht tun.
Mit Ihrem Polizeibeauftragten wiederholen Sie das, was Sie mit Ihrem sogenannten, angeblichen Landesantidiskriminierungsgesetz begonnen haben: Sie schaffen eine Paralleljustiz, die, anders als in anderen Bundesländern, mit weitgehenden Untersuchungsrechten ausgestattet wird und nur eine Wirkung haben wird: nämlich die Arbeit der Berliner Polizei zu behindern, zu bürokratisieren und einem Generalverdacht auszusetzen. Und das Ergebnis wird sein, dass unsere Polizei ineffektiver wird und
letztlich im Kampf gegen Terror, organisierte Kriminalität, aber auch bei der Durchsetzung von Sicherheit, Recht und Ordnung geschwächt wird, –
und das wollen wir nicht.
Nein, danke, keine Zwischenfragen bitte! – Meine Damen und Herren von der Koalition aus SPD, Linke und Grünen! Verlassen Sie doch mal die Parallelwelt Ihrer lebensfremden Parteizirkel.
Fragen Sie doch einmal, wie die Bürger unseres Landes das sehen. Wissen Sie was? In einer Forsa-Studie im Juni dieses Jahres haben 82 Prozent der Befragten angegeben, dass sie unserer Polizei vertrauen. Das sind noch mehr als ein halbes Jahr zuvor, trotz der großen Demonstrationen auf unseren Straßen gegen Rassismus nach diesem fürchterlichen Vorfall in den Vereinigten Staaten, in Minneapolis, wo ein Schwarzer durch Polizeibeamte ermordet worden ist. 82 Prozent – das ist der zweitbeste Wert überhaupt, noch weit höher als das Vertrauen, das unserem Bundesverfassungsgericht entgegengebracht wird, das bei 75 Prozent lag.
Meine Damen und Herren von der Linkskoalition! Wir werden nicht zulassen, dass Sie dieses großartige Vertrauen in unsere verlässliche und professionelle Polizei zerstören. Und daher gebe ich hier und heute von dieser Stelle aus eine Ehrenerklärung für unsere Polizei ab.
Ich vertraue unserer Berliner Polizei, ich danke unserer Berliner Polizei für das, was sie hier tagaus und tagein für unser Land leistet. Sie ist die beste Polizei in ganz Deutschland, –
sie hat die härtesten Herausforderungen zu bewältigen, und ohne unsere Berliner Polizei könnte niemand in unserer Stadt sein Leben frei und sicher gestalten. Ich danke unserer Polizei! – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns ja vor zwei Wochen in unserer Debatte aus Anlass der fürchterlichen Terroranschläge in Dresden, Paris, Nizza und Wien sehr eindringlich vor Augen gehalten, wie wichtig es ist, dass wir nicht nur Sonntagsreden halten, sondern dass wir auch die notwendigen Konsequenzen ziehen. Und das ist im Detail nicht immer einfach. Herr Kollege Zimmermann! Ich möchte Ihnen auch sehr herzlich für Ihren wirklich sachlichen und nüchternen Beitrag danken, der die Rechtslage zutreffend beschrieben hat. Danke schön dafür!
In der heutigen Debatte geht es also nicht um die vielen Fälle, in denen die Durchsetzung der Ausreisepflicht an der tatsächlich oder vermeintlich fehlenden Reisefähigkeit der Ausreisepflichtigen scheitert. Es geht auch nicht um die nicht gerade kleine Zahl von Fällen, in denen Ausreisepflichtige nicht zur Ausreise angehalten werden können, weil sie ihre Pässe vernichtet haben und bei der Beschaffung von Ersatzpapieren nicht kooperieren, sondern es geht jetzt um die Fälle, so wie Sie es beschrieben haben, in denen unsere Behörden selbst, ohne Zutun der Betroffenen, von der Durchsetzung der Ausreisepflicht absehen, obwohl die Ausreisepflichtigen schwerste Straftaten begangen haben.
Ich finde, wir sollten das nicht nur abstrakt diskutieren, sondern uns mal vor Augen halten, was das bedeutet. Stellen wir uns unser eigenes Zuhause vor! Sie leben dort mit Ihrer Familie. Sie haben dort regelmäßig Freunde zu Besuch, und Sie öffnen Ihre Tür auch für Hilfsbedürftige. Ich bin sicher, dass wir das alle so praktizieren, weil die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft den Prägungen unserer Werte und auch den Werten dieses wunderbaren Landes entsprechen. Wie aber werden Sie sich verhalten, wenn einer Ihrer Gäste in Ihrem eigenen Zuhause gewalttätig wird, ein Familienmitglied gar ermordet? Werden Sie ihn dann als Gast behalten, oder werden Sie versuchen, diesen Gast loszuwerden? Wie würden Sie es handhaben, wenn dieser gewalttätige Gast selbst vor Ihrer Tür eigenen Gefährdungen ausgesetzt wäre? Wollen Sie dann tolerieren, dass er in Ihrem Haus bleibt? Übertragen auf unser Land ist Deutschland nicht unser Zuhause, auf das wir genau diese Regeln anwenden wollen?
Ich stelle diese Fragen, damit wir darüber eine ernsthafte Debatte betreiben. Diese Fragen stellen nicht nur wir uns, sondern ganz viele Menschen draußen in unserem Land, die genauso wie wir auf die schrecklichen Anschläge von Dresden, Paris, Nizza und Wien blicken, aber auch auf den fürchterlichen Anschlag auf unseren Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, der zwölf Menschen in den Tod gerissen und über 60 Menschen schwer verletzt hat. Wir müssen diese Debatte also führen und keine Angst
davor haben. Ich glaube, dass unser Haus und unsere Demokratie auch im Angesicht der Menschen draußen gewinnen, wenn wir diese Debatte offen führen.
Ich weiß, dass es hier im Haus auch Kolleginnen und Kollegen gibt, die der Überzeugung sind, dass auch Verbrecher grundsätzlich bleiben sollten, wenn sie in ihrem Herkunftsland Gefährdungen ausgesetzt sind, die das Gastrecht in jedem Falle aufrechterhalten wollen, selbst im Falle schwerster Verbrechen eines Gastes. Ich respektiere das, aber ich teile das nicht.
§ 60 Abs. 8 des Aufenthaltsgesetzes und ebenso § 4 Abs. 2 des Asylgesetzes haben zu diesen Fragen andere Wertungen vorgenommen. Das muss man mal nachlesen. Danach sind gewalttätige Verbrecher und Gefährder grundsätzlich vom Schutz ausgenommen, nicht vollständig, aber doch weitergehend, letztlich abhängig vom Grad der Gefahren in ihrem Herkunftsland. Daher wird, wer schwerste Verbrechen begangen hat, heute auch nach Afghanistan oder beispielsweise in den Irak abgeschoben, trotz der dort nicht ungefährlichen Lage. Ich halte das für richtig, denn wer schwerste Verbrechen begeht, der verwirkt das Vertrauen, den Schutz und das Gastrecht, das wir Deutschen in so großem Maße gewähren wie kein anderes Volk dieser Erde.
Sehr maßgebend für die Beurteilung der Gefahren in den Herkunftsländern – Herr Kollege Zimmermann, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen – ist die Einschätzung des Auswärtigen Amtes. Um Abschiebungen auch nach Syrien zu ermöglichen, insbesondere für diejenigen, die schwerste Verbrechen begehen, liegt der Schlüssel im Auswärtigen Amt, denn die Landesinnenminister, denen die Abschiebungen obliegen, folgen der Lageeinschätzung des Auswärtigen Amtes. Deswegen hat unser Antrag zum Ziel, den Senat zum einen zu verpflichten, seine ausnahmslose Verweigerungshaltung aufzugeben und stattdessen Straftäter und Gefährder künftig grundsätzlich auch nach Syrien abzuschieben, natürlich im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung.
Frau Präsidentin, sofort! – Und zum Zweiten soll der Senat anderen Bundesländern folgend darauf hinwirken, dass das Auswärtige Amt seine Lageeinschätzung in Syrien überarbeitet und insbesondere die unterschiedliche Sicherheitslage in den verschiedenen Landesteilen untersucht.
Zum Schluss: Es geht nicht um die große Zahl derjenigen, die um Schutz nachsuchen und an unsere Tür klopfen, sondern es geht um diejenigen, die gar nicht schutzbedürftig sind, die ausreisepflichtig sind und dazu noch schwerste Verbrechen begehen. Denen gegenüber sind wir nicht in der Pflicht, sondern wir sind in der Pflicht, im Rahmen unserer Verfassungsordnung die Menschen in unserem Land zu schützen. Daran sollten wir uns auch heute erinnern. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit Abscheu blicken wir auf die islamistischen Terrorakte in Dresden, Paris, Nizza und jetzt Wien – und übrigens auch kürzlich in Berlin auf unserer Stadtautobahn.
Wir in Berlin kennen das Leid, das aus islamistischem Terror erwächst. Wie viele Gespräche habe ich mit Hinterbliebenen des Terroranschlags auf unseren Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz geführt! Keiner der Verletzten und keiner der Hinterbliebenen hat den Schmerz und das Trauma bis heute überwunden. Auch heute noch fließen in Berlin Tränen wegen des vor vier Jahren Erlittenen.
So geht es jetzt auch den Hinterbliebenen der Terroranschläge in Dresden, Paris, Nizza und Wien. Daher ist es uns allen ein Bedürfnis, diesen unschuldigen, hart getroffenen Menschen auch von hier aus unser aufrichtiges und tief empfundenes Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen.
So sehr ich davon überzeugt bin, dass Sie meine Trauer und mein Mitgefühl ehrlich teilen, Sie werden jetzt von mir keine dieser Betroffenheitsreden hören,
die wir leider schon viel zu oft gehalten haben nach ähnlichen schrecklichen Terroranschlägen.
Ich kann die Feigheit nicht mehr ertragen, die manchen davon abhält, die Probleme klar beim Namen zu nennen und stringent anzugehen. Deswegen will ich das jetzt tun.
Die Attentäter sind keine verirrten Einzelgänger. Sondern sie sind die gewalttätigen Abgesandten des Islamismus,
und der Islamismus ist eine Ideologie, die auf die Beseitigung unserer freiheitlich-demokratischen Grundwerte ausgerichtet ist und die dem gewalttätigen Dschihadismus zugrunde liegt. Seine Vertreter leben mitten unter uns. Wir müssen nur in die sozialen Netzwerke und leider auch auf den Hermannplatz in Neukölln schauen. Dort sind diese fürchterlichen Verbrechen der letzten Tage begrüßt und gefeiert worden, und das ist ein ungeheurer Schlag in das Gesicht der Opfer.
Nein, ich möchte keine Zwischenfragen. Vielen Dank, Herr Präsident! – Vor wenigen Tagen erhielt ich die Zuschrift eines guten Bekannten muslimischen Glaubens, der vor Jahrzehnten aus der Türkei zugewandert ist.
Er schrieb: Lieber Herr Dregger, ich habe Sorge vor dem wachsenden Islamismus, der eine Gefahr für unsere Demokratie ist. Es macht mich traurig, dass wir hilflos dastehen. Wir haben nicht den Mut und die Kraft, dem entgegenzuwirken. Die deutschen Werte werden mit Füßen getreten. Falls Sie etwas gegen den Islamismus unternehmen können, mache ich gerne mit. – Meine Damen und Herren! Das muss uns zum Nachdenken bringen. Kritiker des Islamismus, wie die mutige Berliner Rechtsanwältin Seyran Ateş
oder der bekannte Psychologe Ahmad Mansour, benötigen Polizeischutz, weil sie von Islamisten bedroht werden. Das ist die Realität in Berlin. Und diese Realität will ich nicht mehr hinnehmen.
Ich will nicht mehr hinnehmen, dass wir uns an solche Bedrohungen und an Terroranschläge gewöhnen müssen, als seien sie Normalität. Als freies und tolerantes Land müssen wir diese gewalttätige Intoleranz des Islamismus beenden, nicht mit Appeasement, nicht mit falscher Toleranz, sondern mit fester Entschlossenheit, Konsequenz und Hartnäckigkeit.
(Frank Zimmermann)
Zweitens: Islamistische Extremisten bedrohen in besonderer Weise unsere jüdischen Mitbürger. Immer mehr Juden fühlen sich in Berlin nicht mehr sicher. Sie wagen es nicht mehr, sich mit Kippa in der Öffentlichkeit zu zeigen. Jüdische Schüler werden auf unseren Schulhöfen zum Ziel antisemitischer Übergriffe. Und sie, die jüdischen Mitschüler, verlassen dann die Schulen, nicht etwa die Täter. Wenn wir das weiter zulassen, verkommen die gebetsmühlenartig verbreiteten Lippenbekenntnisse des „Nie wieder!“ in den Augen unserer jüdischen Mitbürger zur reinen Farce. Ich will das nicht, denn unsere jüdischen Mitbürger gehören zu uns, aber die Islamisten, die sie bedrohen, gehören ganz bestimmt nicht zu Deutschland.
Drittens: Wir, die wir hier sitzen, aber auch unsere vielgerühmte Zivilgesellschaft, zeigen keine ernst zu nehmenden Reaktionen auf den radikalen Islamismus und die Gewalt, die er hervorbringt.
Die Tötung eines schwarzen Polizisten in den USA im Mai hat in unserem Land Massenproteste gegen Rassismus ausgelöst. Wo aber waren die Proteste nach der tödlichen Messerattacke in Dresden durch einen Islamisten?
Wo waren die Proteste, als der französische Lehrer Samuel Paty ermordet worden ist, nachdem er mit seinen Schülern über Mohammed-Karikaturen gesprochen hat?
Wo waren die Proteste, als ein Islamist in Nizza drei Menschen in einer Kirche ermordet hat, darunter eine 60jährige Frau, die enthauptet wurde?
Befürchten diejenigen, die gegen Rassismus auf unsere Straßen gehen, dass Kritik am Islamismus als rassistisch missverstanden werden könnte? Dann ist es unsere Aufgabe, hier voranzugehen. Wir dürfen uns weder durch die Gewalttätigkeit des Islamismus noch durch die haltlosen Vorwürfe eines antimuslimischen Rassismus einschüchtern lassen und zu islamistischen Terrortaten schweigen.
Islamisten würden das als Schwäche und Ermutigung zum Weitermachen missverstehen, und das darf nicht geschehen.
Zur Aufrichtigkeit und zu politischer Führung gehört es auch, die Grundlage unbequemer Wahrheiten zu nennen und die notwendigen Entscheidungen anzumahnen. Wir müssen uns also fragen: Was ist zu tun? Was können wir tun? Was sind wir bereit zu tun? – Erstens, meine Damen und Herren von der Linkskoalition, ich möchte Ihnen hierzu einmal eine ganz einfache Frage stellen: Wer, glauben Sie, schützt unser Land und seine Menschen gegen terroristische Anschläge? Wer schützt das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit unserer Bürger?
Sind das Ihre Antidiskriminierungskohorten, die Sie jetzt auf Steuerzahlerkosten einstellen, damit sie sich mit einem von Ihnen fingierten, nicht existierenden Problem beschäftigen und unsere Sicherheitsbehörden mit sinnlosem Papierkram davon abhalten, ihren Job zu machen und die Terrordrohungen abzuwehren?
Natürlich sind es nicht sie. Unser Land und unsere Bürger werden ausschließlich von unserer Polizei und unserem Verfassungsschutz geschützt. Anstatt unsere Polizei und unseren Verfassungsschutz zu stärken, entziehen Sie unserer Polizei und unserem Verfassungsschutz das notwendige Vertrauen und stellen sie auch noch unter einen gesetzlichen pauschalen Diskriminierungsverdacht. Das ist absurd.
Das ist bei Weitem noch nicht alles. Immerhin haben Sie beschlossen – man höre und staune –, zum Zwecke der Abwehr terroristischer Gefahren die Telefonüberwachung gesetzlich zu ermöglichen. Aber wissen Sie was? Nur für die guten alten Festnetzanschlüsse, weil sie keine Quellen-TKÜ erfordern. Nun frage ich Sie: Welcher terroristische Gefährder organisiert seine Anschläge über Festnetzanschlüsse? Die wissen gar nicht mehr, was das ist. –
Sie wollen mit den Mitteln des letzten Jahrhunderts die Terrorgefahren des 21. Jahrhunderts bannen. Da lachen die Gefährder Sie doch aus. Die nehmen Sie gar nicht ernst. Daher fordere ich Sie auf: Geben Sie unserer Polizei die gesetzlichen Befugnisse, die digitale Kommuni
kation terroristischer Gefährder zu überwachen, um Gefahren zu erkennen und abzuwehren!
Erkennen Sie und benennen Sie den Islamismus als verfassungsfeindlichen Extremismus! Setzen Sie den Verfassungsschutz auf diese Feinde der Demokratie an!
Das sind wir insbesondere den muslimischen Befürwortern von Freiheit und Demokratie schuldig, deren Religionsfreiheit wir gewährleisten wollen. Erlauben wir es dem politischen Islam nicht, unsere Gesellschaft zu spalten, so wie das der türkische Präsident versucht! Unterscheiden wir zwischen den Vertretern des Islamismus, die den deutschen Muslimen einzureden versuchen, dass freie Europa führe einen Kreuzzug gegen den Islam, und auf der anderen Seite den vielen, rechtschaffenen Muslimen, die unser Land lieben, denen unser Land zur Heimat geworden ist und die sich für unser Land engagieren. Wenn wir hier nicht differenzieren, dann erfüllen wir das Werk der Islamisten. Das dürfen wir nicht zulassen!
Fünftens: Ermöglichen Sie die wissenschaftliche Erforschung der personellen, finanziellen und strukturellen Verflechtungen des politischen Islams in Deutschland und im Ausland und machen Sie diese transparent. Stärken Sie die Präventionsarbeit gegen islamistischen Extremismus, insbesondere an unseren Schulen. Lassen Sie uns entschieden dagegen vorgehen, dass junge Menschen von Rattenfängern angeworben werden können.
Abschließend: Es geht um viel. Es geht auch darum, dass wir das schwindende Vertrauen in die Durchsetzungsfähigkeit unseres demokratischen Rechtsstaates zurückgewinnen, gerade hier in Berlin.
Gelingt das nicht, werden wir über kurz oder lang Menschen an die politischen Ränder verlieren. Mit immer gleichen Worthülsen allein werden wir das nicht verhindern,
sondern das erfordert einen klaren politischen Willen, das Problem des politischen Islamismus anzuerkennen, zu benennen und mit den von mir aufgezeigten Maßnahmen zu lösen. Solange Sie dazu nicht bereit sind, solange möchte ich von Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, keine Sonntagsreden mehr hören,
denn dann bleiben Ihre Worte unglaubwürdig.
Wenn Sie aber bereit sind, die Wirklichkeit zu erkennen, zu benennen und den Islamismus mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen, dann haben Sie uns an Ihrer Seite. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am Montag bekam ich folgende Nachricht: Lieber Herr Dregger! Meine Mutter liegt in der Park-Klinik im Sterben, und meine Frau und ich haben gerade erfahren, dass wir auf das SARS-CoV-2-Virus positiv getestet wurden. Momentan sind wir am Limit
(Regierender Bürgermeister Michael Müller)
oder besser gesagt darüber hinaus. – Zwei Tage später erhielt ich die traurige Nachricht: Lieber Herr Dregger! Meine geliebte Mutter ist heute gegen 15 Uhr am SARSCoV-2-Virus verstorben. Danke für Ihr Mitgefühl. Wenn es einem so geht wie meiner Frau und mir jetzt, sind Zeichen und Gesten der Verbundenheit sehr willkommen. Auf der anderen Seite wird der Zynismus in den Äußerungen der Coronaverharmloser noch unerträglicher. – Zitat Ende.
Das sind die Worte von direkt Betroffenen, die Schreckliches in dieser Coronakrise durchmachen. Deshalb gibt es für Verharmlosungen in der Tat keinen Anlass. Noch im September lagen weniger als 20 Coronapatienten auf unseren Berliner Intensivstationen. In nur einem Monat, im Oktober, ist die Zahl von unter 20 auf 177 Coronaintensivpatienten gestiegen; Tendenz weiter steigend. 176 Intensivbetten sind derzeit frei. Geplante Operationen werden schon wieder verschoben, um kurzfristige Engpässe zu vermeiden. Ich frage Sie also: Wollen wir dieser Entwicklung tatenlos zusehen? Dürfen wir dieser Entwicklung tatenlos zusehen? – Nein, angesichts dieser Lage ist Nichtstun keine Option. Wir müssen jetzt Konkurs – –
Wir müssen jetzt Kurs halten, und das bedeutet, dass uns Leben und Gesundheit unserer Menschen nicht egal sind, sondern dass wir Leben und Gesundheit unserer Menschen weiterhin vor den Gefahren der Pandemie schützen müssen.
Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister! Das Ausmaß der Beschränkungen, die Ihr Senat ab morgen verhängt, ist ohne Frage enorm. Sie betreffen viele Lebensbereiche.
Wenn eine alte Frau sagt: Ich habe nur noch zwei oder drei Jahre zu leben, und ich kann meinen Enkel nicht in meine Arme schließen – dann berührt mich das. Das berührt uns alle. Die Kontaktbeschränkungen führen zu mehr Einsamkeit, und Einsamkeit ist schrecklich, gerade in der bevorstehenden Adventszeit. Daher brauchen wir Lösungen und Unterstützung für das Ehrenamt, um der Einsamkeit entgegenzuwirken.
Es gibt aber nicht nur schmerzhafte Beschränkungen im privaten und familiären Bereich, sondern ebenso im beruflichen Bereich. Besonders bitter ist es für die vielen Selbstständigen, insbesondere für die Gastronomen, Hotelunternehmen, viele mehr, ebenso für die vielen Kulturschaffenden in unserer Stadt, die Kinos, Theater, Opern, Konzerthäuser, Museen. Sie alle haben in den vergangenen Wochen erheblich investiert, um ihre Betriebe infektionssicher zu machen. Sie müssen jetzt erkennen, dass
sie sie dennoch schließen müssen. Das ist wirklich bitter, und es ist in vielen Fällen ohne Frage wirtschaftlich existenzbedrohend. Daher muss gelten: Wer unverschuldet in Not geraten ist, der muss unsere Unterstützung erhalten, schnell und unbürokratisch; den dürfen wir nicht zurücklassen.
Ich fordere den Senat auf: Schaffen Sie dafür unverzüglich die Voraussetzungen. Zeigen Sie nicht immer nur auf den Bund; ich möchte das wirklich klarmachen. Die Veranstaltungskultur und Kreativwirtschaft, die Hotellerie und Gastronomie haben für unsere heimische Wirtschaft eine viel größere Bedeutung als in anderen Bundesländern. Sie sind nicht nur kulturell die DNA unserer Stadt, sondern sie sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor unserer Stadt mit vielen Arbeitsplätzen. Daher erwarten wir von den Koalitionsfraktionen, dass es ergänzend zu den Bundesprogrammen Berliner Unterstützungsprogramme geben wird. – Bitte machen Sie da mit uns mit.
Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister! Meine Damen und Herren! Wir tragen die getroffenen und bis zum 30. November befristeten Maßnahmen im Grundsatz mit. Es kommt jetzt darauf an, eine Überlastung unserer intensivmedizinischen Kapazitäten zu vermeiden. Aber, sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister, einen Blankoscheck bekommen Sie trotz meiner Unterstützungszusage nicht. Ich verbinde unsere heutige Unterstützung mit einigen klaren Erwartungen für die Zukunft.
Erstens: Mich macht betroffen, dass Ihre Antworten auf die Pandemie heute fast identisch sind mit denen vor neun Monaten. Wieder werden weite Teile des öffentlichen Lebens zum Teil undifferenziert heruntergefahren. Kürzlich erhielt ich folgendes Schreiben: Sehr geehrter Herr Dregger! Ich bin eine selbstständige Kosmetikerin aus Berlin und kann aktuell leider den Beschluss nicht nachvollziehen, warum wir wieder schließen müssen, Friseure jedoch geöffnet bleiben dürfen.
Ich bitte Sie daher um Aufklärung beziehungsweise um die Hilfe, dass wir weiter arbeiten dürfen. – Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister! Diese verständlichen Fragen müssen ehrlich beantwortet werden.
Die Betroffenen haben Anspruch darauf, dass nach neun Monaten Pandemie Widersprüchlichkeiten vermieden und vermeintliche Widersprüchlichkeiten aufgeklärt werden können. Wir verfügen doch über die besten Virologen und Wissenschaftler der Welt.
Zweitens: Wie kann es sein, dass die Nachverfolgung der Gesundheitsämter nicht mehr funktioniert? Sie haben doch die steigenden Infektionszahlen seit Monaten
vorhersehen können. Wissenschaftler haben sie prognostiziert. Warum also ist es Ihnen nicht gelungen, die Gesundheitsämter durch Personalverstärkungen aus anderen Verwaltungen ausreichend zu stärken? Was ist daran so schwierig? Was soll man davon halten, dass im von den Grünen regierten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg das Bezirksamt in dieser Situation die Hilfe der Bundeswehr ablehnt –
die Hilfe unserer Bundeswehr, die in allen anderen Bezirken, ja in ganz Deutschland, die Gesundheitsämter bereits seit Monaten personell erheblich unterstützt, Infektionsketten nachverfolgt und damit das Leben und die Gesundheit der Menschen schützt? Wo ist Ihre Bezirksaufsicht, sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister, über diese Realitätsverweigerer?
Wie können Sie es tolerieren, dass Ideologie über die Gesundheit und das Leben der Menschen gestellt wird? Hier werden Menschenleben gefährdet, und das ist nicht zu akzeptieren.
Drittens: Wie kann es sein, dass unsere Verwaltung noch immer in weiten Teilen nicht in der Lage ist, digital von zu Hause zu arbeiten? – Wenn Sie jetzt unsere Verwaltung erneut ins Homeoffice entlassen, entlassen Sie Teile erneut ins Nichtstun, mitten in der Krise. Das hat gravierende Folgen. Gewerbetreibende benötigen Baugenehmigungen und vieles mehr. Wenn größere Teile der Verwaltung wieder im Homeoffice zur Untätigkeit verurteilt werden,
dann schädigen wir auch noch diejenigen Unternehmen, die trotz Beschränkungen arbeiten können –, und das müsste Ihr Senat doch in den letzten neun Monaten geregelt haben.
Warum sind Sie nicht unseren Vorschlägen gefolgt, die Verwaltung mit einem Turboprogramm zu digitalisieren? Warum haben Sie in den zurückliegenden Monaten nicht geschafft, was jedes kleine, mittlere und auch größere Unternehmen in der Pandemie geschafft hat, nämlich die Arbeitsprozesse auf die Pandemie einzustellen? – Würden sich Unternehmen so träge verhalten, wären sie längst insolvent und untergegangen, und deswegen fordere ich Sie auf, jetzt mit Nachdruck dafür zu sorgen, dass unsere Verwaltung auch in einem Lockdown arbeitsfähig bleibt.
Viertens: Warum gibt es immer noch keinen Plan B für unsere Schulen? Was machen Sie denn, wenn die Schulen aufgrund steigender Infektionszahlen doch noch schließen müssen? Haben Sie denen denn inzwischen die Mittel an die Hand gegeben, damit sie flächendeckend digitalen Unterricht gestalten können? – Viel zu wenig ist geschehen. Ihre Schulverwaltung hat noch nicht einmal begonnen, einen Plan B aufzustellen.
Fünftens: Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister! Wie soll es denn im Januar weitergehen? Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, wie Sie die nächste Infektionswelle bewältigen wollen, die uns nach den Familienfeiern in den Weihnachtstagen möglicherweise bevorstehen könnte?
Was ist denn Ihre Strategie? Wollen Sie dann wieder alles schließen, immense wirtschaftliche Schäden in Kauf nehmen und schuldenfinanzierte Hilfsprogramme starten? – Das kann doch unmöglich der Plan dieses rot-rotgrünen Senats sein. Deswegen fordere ich Sie auf: Fangen Sie jetzt endlich an, sich auf die nächste Welle vorzubereiten! Gehen Sie doch einmal auf unsere Vorschläge ein, statt immer nur alles abzulehnen! Beginnen Sie morgen früh damit, bis Ende Dezember allen Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes die technischen Mittel für einen effizienten und sicheren Heimarbeitsplatz zur Verfügung zu stellen!
Beginnen Sie damit, damit unsere Schulen endlich leistungsfähig werden!
Wir brauchen jetzt eine vernünftige, vorausschauende Politik, die die Regeln durchsetzt, die die Ehrlichen nicht bestraft, sondern unterstützt, und die nicht ideologische Irrationalitäten über den Gesundheitsschutz stellt, wie dies im grünen Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg der Fall ist.
Nur wenn Sie das beherzigen, sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister, können Sie in dieser Pandemie auf unsere Unterstützung zählen.
Wir führen auch eine Diskussion über die Rolle der Parlamente in der Krise. Von einigen wird behauptet, die Parlamente seien nicht involviert. Wir, die wir hier sitzen, wissen, dass das so nicht stimmt. Es ist keine Sitzungswoche vergangen, in der sich das Abgeordnetenhaus nicht mit der Pandemie und den Wegen aus der Krise befasst hätte. Wir haben Aktuelle Stunden abgehalten, einen Nachtragshaushalt diskutiert und verabschiedet,
Soforthilfen, die CDU-Fraktion hat Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht, zum Beispiel für ein Gesetz über den Gesundheitsnotstand in Berlin, und vieles andere mehr: Antragsinitiativen zur Digitalisierung der Verwaltung und der Schulen. – Aber, meine Damen und Herren von der Koalition, wenn Sie wirklich an einer Stärkung des Parlaments interessiert sind, dann reicht es nicht, an einem Sonntag eine Parlamentssitzung einzuberufen, nur damit das Parlament endlich einmal vor Erlass einer Rechtsverordnung über deren Inhalt debattieren kann, sondern dann sollten Sie den echten Schulterschluss mit uns suchen. Beteiligen Sie uns an Ihren Entscheidungsprozessen! Setzen Sie sich ernsthaft mit unseren Vorschlägen auseinander!
Nein, danke! Keine Zwischenfragen, bitte. – Lassen Sie mich zum Ende meiner Rede festhalten – erstens: Meine Auffassung von Parlamentarismus ist es, den Senat zu kontrollieren, seine Fehler aufzudecken und zu benennen und bessere Vorschläge zu machen. Zweitens: Meine Auffassung von Parlamentarismus ist es aber auch, in einer so großen Krise den Senat da zu unterstützen, wo es nötig und richtig ist. Denn eines ist klar: Wenn wir aus dieser Krise herauskommen wollen, dann können wir das nur gemeinsam. – Daher, sehr geehrter Regierender Bürgermeister: Ich biete Ihnen unsere Unterstützung an. Nehmen Sie unsere Unterstützung in Anspruch! Setzen Sie sich ernsthaft mit unseren Vorschlägen auseinander! Lassen Sie uns trotz der gemeinsamen Herausforderungen gemeinsam den Menschen und unseren Unternehmern sichere und verlässliche Perspektiven schaffen, durch Weitsicht! Nur dann geben Sie Ihrem eigenen Aufruf nach Zusammenhalt einen glaubwürdigen Inhalt. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 30 Jahre deutsche Einheit in Freiheit erfüllen uns auch heute mit großer Dankbarkeit. Als wir beide, sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister, als Sie und ich im Jahre 1964 geboren wurden, – –
Ja, das haben wir gemeinsam. Ist doch schön, Gemeinsamkeiten festzustellen. Mir war es wichtig, das zu sagen. – Als wir beide geboren wurden und natürlich viele andere dieses geburtenstärksten Jahrganges der Nachkriegszeit, teilte die Berliner Mauer unsere Stadt. Es schien fast unvorstellbar, dass ein frei gewählter Abgeordneter, so wie ich jetzt hier an diesem Ort, in diesem wundervollen Parlamentsgebäude wieder reden könnte. Als ich dann am 3. Oktober 1990 vor dem Reichstag stand und die Glückseligkeit der Menschen in mich aufsog, habe ich dem Herrgott gedankt und gesagt: Die Geschichte hat es wirklich gut mit uns Deutschen gemeint. Ich werde dieses Erlebnis, dieses überwältigende Gefühl von Freiheit und Glückseligkeit niemals vergessen.
Erinnern wir uns: Noch bis kurz vor dem Fall der Berliner Mauer wurden Menschen, die von Deutschland nach Deutschland strebten – aus der Unterdrückung in die Freiheit –, erschossen. Peter Fechter starb 1962 mit 18 Jahren, Chris Gueffroy starb 1989 mit 20 Jahren: junge Menschen mit Sehnsüchten und Zielen jäh aus dem Leben gerissen. Wir dürfen sie nicht vergessen.
Keine Mauer und kein Stacheldraht, kein Minenfeld und kein Schießbefehl konnten die Sehnsucht der Menschen nach Freiheit und Gerechtigkeit dauerhaft aufhalten. Freiheit und Gerechtigkeit waren nicht nur die Sehnsüchte von Peter Fechter und Chris Gueffroy, sie waren auch die Sehnsucht der allermeisten Menschen im Berlin der Berlin-Blockade.
Am 10. Oktober, also in wenigen Tagen wird Gail Halvorsen, der legendäre Rosinenbomberpilot, 100 Jahre alt. Im letzten Jahr noch konnte ich ihn hier in Berlin in die Arme schließen. Er ist einer der Helden, die die BerlinBlockade überwanden, die Freiheit Berlins retteten und so auf wunderbare Weise ihr Herz für die Kinder unserer Stadt zeigten. Ich hoffe, im Namen von Ihnen allen sprechen zu dürfen, wenn ich Gail Halvorsen von hier aus zurufe: Danke, Gail Halvorsen, wir werden dich niemals vergessen!
Erinnern wir uns an den Ruf: „Wir sind das Volk!“ – Kann man die Forderung nach demokratischer Legitimation und Rechtsstaatlichkeit besser und klarer zum Ausdruck bringen? – Dann, kurze Zeit später, der Ruf: „Wir sind ein Volk!“ – Auch dieser Ruf hat sich in uns eingebrannt; er drückte die Sehnsucht aller nach der Einheit Deutschlands aus. Dies zeigt: Die Sehnsucht der Menschen nach Einigkeit, nach Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ist Grundlage einer menschenwürdigen Zivilisation.
Die Hunderttausenden, ja Millionen Deutsche in der DDR haben mit ihrem Mut, ihrer Friedfertigkeit und ihrer Entschlossenheit etwas geschafft, was in der gesamten Menschheitsgeschichte seinesgleichen sucht: Sie haben ohne Blutvergießen die Mauer, dieses Symbol der Unterdrückung, das Berlin, Deutschland, Europa, ja, die ganze Welt geteilt hat, zum Einsturz gebracht – zusammen mit den mutigen Polen um Lech Wałęsa, den mutigen Tschechen um Václav Havel, den mutigen Balten und den mutigen Ungarn, die zuerst den Eisernen Vorhang ein Stückchen geöffnet haben. Wir verneigen uns vor diesen mutigen Menschen.
Es gab noch einen Mann, den wir nicht vergessen dürfen: Er hat das Streben der Menschen nach Einigkeit und Recht und Freiheit zum Ziel geführt, und das ist der Kanzler der Einheit, Helmut Kohl. Er hat es gegen alle Widerstände geschafft, die deutsche Frage innenpolitisch und außenpolitisch offenzuhalten. Er hat es zudem vollbracht, die Wiedervereinigung außenpolitisch in Ost wie in West abzusichern und das Einverständnis Moskaus zu
erwirken, dass das wiedervereinigte Deutschland Teil der Europäischen Union und Teil der NATO bleiben wird. Und er hat die Wiedervereinigung Deutschlands in die Vereinigung Europas eingebettet. Das war Staatskunst und verdient höchste Anerkennung.
Noch gibt es keinen würdigen Platz oder keine würdige Straße im Herzen der deutschen Hauptstadt, die an den Kanzler der Einheit erinnert. – Angesichts seiner unbestreitbaren Verdienste möchte ich Sie, sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister,
und Sie alle, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen dieses Hohen Hauses, herzlich bitten, 30 Jahre nach der Wiedervereinigung gemeinsam mit uns hierfür eine würdige Lösung zu finden.
Die Anpassungsprozesse in den 30 Jahren nach der Wiedervereinigung waren für viele Menschen in den neuen Bundesländern und den östlichen Bezirken Berlins nicht immer einfach. Nicht selten handelte es sich um dieselben Menschen, die zuvor die Wiedervereinigung erstritten hatten, ohne zu wissen, was danach kam. Nicht immer konnten sie die Möglichkeiten der neuen Freiheiten als Verbesserung ihrer persönlichen Lebenssituation wahrnehmen. Deswegen ist es mir wichtig, dass wir auch die Leistung dieser Menschen würdigen, für die sich in ihrem Leben alles geändert hat und die bereit waren, dieses Risiko einzugehen.
So, wie wir mit Dankbarkeit auf die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit zurückblicken, so müssen wir auch die Gegenwart und die Zukunft in den Blick nehmen. Nach dem einzigartigen Siegeszug von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit, der in der deutschen Wiedervereinigung vor 30 Jahren gipfelte, machen sich hier in Berlin Ängste und Konflikte breit. Der gesellschaftliche Ton wird rauer: In den sozialen Netzwerken, aber auch auf unseren Straßen verbreiten sich Aggressionen und Hetze. Die gesellschaftlichen Fliehkräfte nehmen zu. Für einige dieser Konflikte gibt es politische Verantwortlichkeiten. Viele fragen sich, warum die Menschen in unserer Stadt mehr und mehr in Minderheiten kategorisiert werden und warum gegen alle Fakten Misstrauen gegen unsere rechtsstaatlichen Institutionen durch einen gesetzlich geregelten Pauschalverdacht begründet wird.
Viele Menschen fragen sich, warum nicht stattdessen der Zusammenhalt der Menschen gestärkt wird. Viele fragen sich, warum mit unsinnigen Gesetzesinitiativen Konflikte zwischen Mietern und Vermietern erzeugt werden, anstatt mit allen Beteiligten nach gemeinsamen Wegen zu suchen. Viele Menschen fragen sich, warum das Vorgehen gegen linksextremistische Auswüchse in der Rigaer Straße 94 weit weniger konsequent ausfällt als das zurecht
klare und konsequente Vorgehen gegen rechtsextremistische Auswüchse.
Meine Damen und Herren von der Koalition! Ich möchte in den Mittelpunkt der heutigen Aktuellen Stunde nicht meine Kritik an einigen Ihrer politischen Projekte stellen,
sondern auf etwas hinweisen, das für die Zukunft unseres Landes von Bedeutung ist: Wenn wir etwas aus der großartigen Geschichte der deutschen Wiedervereinigung lernen und mit in die Zukunft nehmen wollen, wenn wir erkennen, dass eine so vielfältige Stadt wie Berlin nur dann funktionieren kann, wenn sie zusammenhält, dann sollten wir zur Richtschnur unseres politischen Handelns nicht die Spaltung unseres Landes machen, sondern den Zusammenhalt unseres Landes.
Das ist zwar viel mühsamer, aber auch viel nachhaltiger. Daher: Lernen wir aus unserer Geschichte. Erkennen wir, dass das Bemühen um Einigkeit zum Ziel führt, nicht aber die Spaltung. Wir als Berliner CDU jedenfalls werden unseren Beitrag dazu leisten, die Stadt zu einen und ihre großartigen Potenziale zur Entfaltung zu bringen. Deswegen muss es heißen: Einen statt Spalten! Dafür wollen wir gern mit Ihnen weiterhin arbeiten. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ein weiteres Mal müssen wir mit Befremden feststellen, wie regierende Verantwortungsträger die Durchsetzung von Recht und Ordnung gegenüber linken Extremisten in der Rigaer Straße 94 verweigern.
Erst in diesem Sommer haben wir erleben müssen, dass der Hausverwalter und der Rechtsanwalt der Eigentümergesellschaft bei dem Versuch, das Haus Rigaer 94 zu betreten, von den dort befindlichen, gewalttätigen Linksextremisten brutal zusammengeschlagen worden sind. Wir haben im Rahmen der Aufklärung dieses Vorkommnisses lernen müssen, dass es der Polizei verwehrt ist, unverzüglich gefahrenabwehrrechtlich präventiv tätig werden zu können, um derartige gewalttätige Übergriffe zu unterbinden, weil es einen Behördenerlass gibt, der ihnen das nur bei linksextremistischen Szenetreffs untersagt. Das ist schon jenseits der Grenze der Rechtsstaatlichkeit.
Die jetzt bekannt werdende Chronologie des Versagens liest sich nicht allein wie ein Versagen der politisch Verantwortlichen. Es ist viel schlimmer als Versagen. Es ist eine Chronologie des jahrelangen, vorsätzlichen Rechtsbruchs, begangen durch den Bezirksstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt, unter Zuhilfenahme der dortigen Bezirksbürgermeisterin. Und es ist eine Chronologie der Untätigkeit des Herrn Innensenators in dieser Angelegenheit. Ich werde einfach ein paar Schlaglichter dieser Chronologie vor Augen halten. Bereits am 5. Februar 2016 hat die Polizei die Bezirksbürgermeisterin über die bestehenden Brandschutzmängel informiert.
Die Polizei hat daraufhin das Bezirksamt FriedrichshainKreuzberg zu einer Ortsbegehung zum Zwecke der Brandschutzbesprechung eingeladen. Dieser Termin wurde vom Bezirksamt abgesagt – Desinteresse erkennbar.
Am 20. Juni 2017 schreibt die Bezirksbürgermeisterin an den Herrn Innensenator, es bestünden keine brandschutztechnischen Bedenken. Diese Aussage ist schlichtweg unzutreffend gewesen. Am 17. Juli, wenige Tage später, remonstrieren nämlich die Mitarbeiter im entsprechenden Bauamt gegen die ihnen aufgezwungene Untätigkeit. Am 17. Juli weist Bezirksstadtrat Florian Schmidt dennoch an, auf bauordnungsrechtliche Schritte bis auf Weiteres zu verzichten. Am 24. Juli wenden sich Mitarbeiter der Bauordnungsbehörde dann direkt an die Bezirksbürgermeisterin und legen dar, dass Handlungsbedarf besteht, und sie schlagen vor, dass der Eigentümer erstens angehört wird und dass ihm zweitens auferlegt wird, die Brandschutzmängel zu beseitigen.
Dagegen gibt es auch wieder die Weisung, nicht weiter tätig zu werden, wogegen die Mitarbeiter der entsprechenden Behörde am 9. August 2017 erneut remonstrieren. Am 15. November 2018 kommt es zu Durchsuchungen in der Rigaer Straße 94, wobei die Polizei Gott sei Dank die Bauaufsicht hinzuruft, die dann in Person eines Mitarbeiters in die Rigaer Straße 94 hineingeht und natürlich Brandschutzmängel feststellt. Dieser Mitarbeiter gibt dann dem Eigentümer, der ebenfalls vertreten ist, auf, die Brandschutzmängel zu beseitigen, woraufhin der Mitarbeiter des Eigentümers mitteilt, dass er das auch gerne schriftlich hätte. Diese schriftliche Auferlegung von Arbeiten zum Zwecke des Brandschutzes wird wieder durch eine Weisung des Bezirksstadtrats Florian Schmidt unterbunden, und das Gleiche wiederholt sich ein Jahr später.
Wenn man das zusammenfasst, dann muss man konstatieren, dass der Bezirksstadtrat und die Bezirksbürgermeister schlichtweg alles unternehmen, um zu verhindern, dass geltendes Recht durchgesetzt wird – Brandschutzrecht, das dem Schutz des Lebens und der Gesundheit von Anwohnern, von Menschen, dient. Das ist keine Petitesse, das ist ein Skandal.
Gleichzeitig erklärt das grüne Bezirksamt, man sei von den Bewohnern der Rigaer 94 informiert worden, dass die Brandschutzmängel beseitigt worden seien.
Es ist schon sehr eindrucksvoll, auf wen man hört und wem man glaubt. Der Herr Innensenator weiß das alles, denn die Polizei hat ihn seit 2016 ununterbrochen informiert, aber er hat bisher jedenfalls nichts unternommen,
und er hat jegliche Schutzersuchen des Eigentümers, damit er nun endlich eigenständig eigenverantwortlich Brandschutzmaßnahmen ergreifen kann, unterbunden.
Das alles hat Cem Özdemir, Ihren ehemaligen Bundesvorsitzenden, liebe Grüne, auf Twitter zu der Bemerkung veranlasst – ich zitiere mit der Genehmigung der Frau Vizepräsidentin:
… merkt hier eigentlich jemand, wie sehr der Kampf gegen Rechtsradikalismus & für unseren Rechtsstaat geschwächt wird, wenn Gesetze & Verordnungen nicht für alle gelten? So jedenfalls machen wir es den Gegnern unserer Demokratie zu einfach.
Zitat Ende. Man kann nur vielen Dank an ihn sagen – wenigstens er hat es begriffen. Sie haben es offenbar noch nicht begriffen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bilder des brennenden Flüchtlingslagers auf der griechischen Insel Lesbos können niemanden kalt lassen, ebenso wie anderes Leid in dieser an Leid wahrlich nicht armen Welt. 12 000 Menschen sind über Nacht obdachlos geworden. Von daher ist es aller Ehren wert, wenn Menschen in Berlin und ganz Deutschland
erwarten, dass unser Land unseren griechischen Freunden Hilfe leistet. Es ist aller Ehren wert, dass unser Land unseren griechischen Freunden Hilfe anbietet.
Aufgabe von politisch Verantwortlichen ist es aber nicht allein, unmittelbare Not zu lindern. Aufgabe von politisch Verantwortlichen ist es ebenso, nachhaltige Lösungen zu bringen. Symptome zu bekämpfen, nicht aber die Ursachen, ist gut gemeint, im Ergebnis aber schlecht.
Die Bundesregierung befindet sich auf europäischer Seite in schwierigen, aber nicht aussichtslosen Verhandlungen mit unseren europäischen Freunden. Dabei geht es um die Entlastung Griechenlands bei der Gewährung von Schutz gegenüber tatsächlich Schutzbedürftigen. Eine Koalition der Willigen in Europa ist erreichbar. Die Europäische Kommission wird dazu in der nächsten Woche ihre Vorschläge unterbreiten.
Diese Verhandlungen sollen Erfolg haben, denn das kommt den wirklich Schutzbedürftigen unter den Flüchtlingen zugute. Diese Verhandlungen dürfen nicht behindert werden.
Was Sie in den letzten Tagen hier abziehen, ist eine substantielle Behinderung der Bemühungen der Bundesregierung um eine europäische Lösung im Interesse der Flüchtlinge.
Die Bundeskanzlerin hat bereits am 28. August, also vor dem Brand auf Lesbos, in nicht zu überbietender Klarheit bei einer Pressekonferenz Folgendes gesagt. Ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten – Zitat:
Wenn sich in Europa herumspricht, dass alle Flüchtlinge, die jetzt zur Debatte stehen, von Deutschland aufgenommen werden, werden wir nie eine europäische Lösung bekommen.
Zitat Ende, Bundeskanzlerin Angela Merkel. – Eine europäische Lösung ist aber unumgänglich, um unseren griechischen Freunden bei der Bewältigung der Flucht- und Migrationsbewegungen zu helfen. Sie, Herr Innensenator, haben genau das gerade erst gesagt. Daher, meine Damen und Herren von der Koalition, behindern Sie doch bitte nicht diese Bemühungen. Es ist doch völlig unbegreiflich, dass der Herr Innensenator durch die Gegend reist und europäische Lösungen anmahnt, sie aber durch sein Handeln und Tun selbst behindert.
Ein Weiteres kommt hinzu. Die griechische Regierung hat bis zum heutigen Tag gar nicht um Hilfe gebeten, und das aus gutem Grund. Sie hat die Sorge, dass die
(Bettina Jarasch)
Brandstiftung von Moria Schule macht. Die griechische Regierung hat die Sorge, dass weitere Flüchtlingsunterkünfte in Brand gesteckt werden, wenn diese Brandstiftung Flüchtlingen den Weg in andere europäische Länder ebnet. Diese Befürchtung wird von den meisten europäischen Regierungen geteilt. Deshalb, meine Damen und Herren von SPD, Linke und Grüne, ist gut gemeint meist schlecht. Ihr Antrag befördert diese beschriebene Gefahr. Er darf nicht Richtschnur verantwortlichen, politischen Handelns werden.
Mit Vergnügen.
Herr Präsident! Soll ich direkt antworten? Ja, gut, vor der zweiten Frage, sehr gern! – Ich glaube, ich habe das gerade sehr deutlich gemacht. Ich unterstelle der Koalition die besten Motive. Das steht für mich außer Frage. Ich unterstelle auch dem Innensenator die richtige Haltung. Wir sind aber politisch Verantwortliche. Politisch Verantwortliche müssen auch an die langfristigen nachhaltigen Wirkungen ihres politischen Handelns denken. Deswegen ist es außerordentlich problematisch, dass man ausgerechnet nach einer Brandstiftung, die erkennbar das Ziel hatte, Obdachlosigkeit herbeizuführen, die Not zu steigern, und den Weg in die europäischen Staaten zu
ebnen, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt meint, man müsse jetzt die Flüchtlinge holen. Das ist schwierig.
Hinzu kommt, Herr Kollege, die Asylanträge sind noch nicht beschieden von denjenigen, die in Moria gewohnt haben. Es widerspricht allen europäischen asylrechtlichen Grundsätzen, im laufenden Verfahren zu Verteilungen zu kommen.
Deswegen ist es ein schwieriges Signal, das diese Koalition aussenden möchte. Sie möchte zum einen deutlich machen: Brennt die Lager ab, dann holen wir euch nach Europa. Und zweitens: Es interessiert uns gar nicht, ob ihr schutzberechtigt seid, ja oder nein. So kann man keine nachhaltige Lösung finden. Es ist unverantwortlich!
Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Kollegin, ich schätze Sie sehr, wie Sie wissen, aber Sie haben jetzt meine weitere Rede vorwegnehmen wollen. Ich bin noch gar nicht dazu gekommen, eine Stellungnahme zum Verhalten der Bundesregierung abzugeben. Ich würde deswegen einfach meine Rede fortsetzen und so die Frage mitbeantworten, wenn Herr Präsident damit einverstanden ist.
Vertretbar ist der Weg, den die Bundesregierung eingeschlagen hat. Sie bietet Griechenland die Übernahme ausschließlich als asylberechtigt anerkannter, tatsächlich Schutzbedürftiger an, die nicht aus dem niedergebrannten Lager auf Lesbos kommen – 408 Familien und Kinder –, und das ist absolut richtig so. Damit macht die Bundesregierung deutlich, dass sie niemanden ermutigt, Flüchtlingseinrichtungen wie auf Lesbos niederzubrennen, um den Weg in europäische Staaten zu ebnen. Sie macht zugleich klar, dass die Asylberechtigung geprüft und festgestellt werden muss, bevor an eine Verteilung Schutzbedürftiger unter den europäischen Staaten gedacht werden kann. Diese Klarheit fehlt Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von der Linkskoalition. Er schadet in letzter Konsequenz dem Anliegen der Flüchtlinge, er missachtet die Souveränität Griechenlands, und er verletzt die Interessen Deutschlands und der europäischen Zusammenarbeit. Daher ist Ihr Antrag abzulehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir so weitermachen, werden wir nicht mehr zum Thema sprechen, und deswegen sollten wir jetzt zum Thema zurückkehren. Die Bilder vom Wo
chenende am Reichstagsgebäude waren beschämend. Es waren Bilder einer johlende Meute, die unzureichende Polizeiabsperrungen durchbricht und gegen das Reichstagsgebäude vordringt – das Gebäude, das wie kein zweites symbolhaft für unsere deutsche Demokratie steht. Diese Bilder sind beschämend, weil sie ein weiteres Mal den Eindruck erwecken, dass unser demokratischer Rechtsstaat nicht ausreichend wehrhaft gegen diejenigen ist, die ihn bedrohen. Sie sind beschämend, weil sie als Einladung missverstanden werden können, unseren demokratischen Rechtsstaat erneut herauszufordern. Und sie sind beschämend für die politisch Verantwortlichen, deren Schwäche für jeden sichtbar geworden ist, sehr geehrter Herr Innensenator.
Was wäre eigentlich passiert, wenn es diese drei tapferen Berliner Polizisten nicht gegeben hätte,
die sich auf den Stufen des Reichstagsgebäudes als letzte Rettung der heraufstürmenden Meute entgegengestellt und sie letztlich aufgehalten hat? Ich kann nur sagen: Großartig! Ihnen sind wir zu großem Dank verpflichtet.
Ebenso haben wir Anlass, uns bei der Berliner Polizei insgesamt und bei den eingesetzten brandenburgischen Polizeikräften und denen der Bundespolizei herzlich zu bedanken. Erneut haben sie unter Eingehung erheblicher Risiken für ihre Gesundheit Gefahren und Schlimmeres abgewehrt. 38 verletzte Polizistinnen und Polizisten sind zu beklagen, und ich wünsche von dieser Stelle den Verletzten von Herzen schnelle und vollständige Genesung.
Den drei Verteidigern des Reichstagsgebäudes sage ich: Sie haben mutig und vorbildlich gehandelt, und Sie haben sich eine Beförderung mehr als verdient.
Sehr geehrter Herr Innensenator! Machen Sie wenigstens das richtig!
Manche Entwicklungen in unserer Gesellschaft machen uns zu Recht Sorgen. Aggressivität im Alltag, Desinformation in den sozialen Netzwerken, Fake-News und Hetze – dies alles führt in einem besorgniserregenden Umfang zu Radikalisierung.
Die Zahl der Straftaten in Berlin ist unverändert höher als in jedem anderen Bundesland, und die Aufklärungsquote ist in Berlin weiterhin niedriger als in jedem anderen Bundesland. Um dem zu begegnen brauchen unsere Sicherheitsbehörden, Polizei und auch die unabhängige Justiz, unsere Unterstützung, unser uneingeschränktes Vertrauen. Solidarität ist keine Einbahnstraße, und Sie als Koalition zeigen leider viel zu oft, dass Sie unserer Polizei und unseren staatlichen Institutionen das Vertrauen entziehen und sie in Misskredit bringen wollen.
Mit Ihrem unsäglichen Landesantidiskriminierungsgesetz haben Sie grundlos alle Landesbediensteten dem Generalverdacht des Rassismus ausgesetzt.
Mit Ihren aktuellen Vorstellungen zu einem fragwürdigen Meldesystem für vermeintlich demokratiefeindliche Tendenzen im Berliner Strafvollzug zeigen Sie erneut, dass Polizei und Justiz Ihr Vertrauen nicht genießen, sondern dass Sie Polizei und Justiz als Gefahren für die Sicherheit unseres Landes ansehen. Bislang habe ich immer gedacht, dass derartige Irrationalitäten nur aus der Feder kruder Verschwörungstheoretiker kommen können. Wollen Sie, meine Damen und Herren von SPD, der Linken und den Grünen, es denen gleich tun?
Ich fordere Sie auf, das zu ändern – gerade nach dem, was wir am Wochenende erlebt haben. Unsere Polizei und unsere Justiz brauchen auch Ihr Vertrauen. Und unsere Polizei und unsere Justiz haben Ihr Vertrauen auch verdient.
Danke schön! – Solche beschämenden Bilder, wie sie am Wochenende zu sehen waren, dürfen nicht aus Berlin um die Welt gehen. Die Hintergründe dafür sind wie immer vielschichtig. Wir erleben Sorgen und Ängste, die mit dem Coronavirus verbunden sind. Die Konsequenz daraus darf aber nicht sein, sich mit Rechtsextremen, Reichsbürgern und Identitären gemein zu machen, mit ihnen gemeinsam auf die Straße zu gehen.
Darauf müssen wir auch diejenigen aufmerksam machen, die mehr oder weniger arglos auf die Straße gegangen sind und die noch nicht erkannt haben, dass sie Gefahr laufen, sich von Extremisten vereinnahmen zu lassen. Es ist ein hohes Gut unserer freiheitlichen Grundordnung, Demonstrationen unabhängig von der eigenen politischen Auffassung zu ermöglichen, sie im Rahmen der politischen, freiheitlichen Grundordnung zu tolerieren, auch
wenn einzelne Aussagen und Inhalte manchmal schwer zu ertragen sind.
Umso schwerer und gravierender war der untaugliche Versuch des Herrn Innensenators, die Demonstrationen vom Wochenende verbieten zu lassen.
Ich will das hier sehr deutlich sagen: Selbstverständlich gab es nach den vorausgegangenen Demonstrationen Anfang August berechtigte Gründe dafür, auch Demonstrationen verbieten zu können. Die öffentliche Begründung des Innensenators hat jedoch genau zu einem gegenteiligen Ergebnis geführt, und zwar zu dem, dass er gar nicht erhofft hat. Der Innensenator hat mit einer schlecht begründeten Verfügung zur Mobilisierung des Protests beigetragen. Das ist leider bittere Realität. Und es macht mir Sorge, wenn ich daran denke, was noch auf unsere Stadt in den nächsten Wochen und Monaten zukommt.
Daher, sehr geehrter Herr Innensenator: An Ihrer Haltung habe ich nichts auszusetzen, aber an Ihrer mangelnden Professionalität schon.
Es war nicht einfach für unsere Polizei, in dieser aufgeheizten Gemengelage durchzugreifen, ohne das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu verletzen. Unsere Beamten mussten ausbaden, was Berlins Innensenator und sein unglücklicher Versuch eines Demonstrationsverbots angerichtet hatten. Das führte zu unnötigen zusätzlichen Spannungen, Radikalisierungen und Emotionen, die unserer Polizei einiges abverlangten. Es wurde der Nährboden geschaffen, auf dem sich in den sozialen Medien Tausende Menschen weiter radikalisieren können.
Diejenigen, die unseren Staat ablehnen, haben natürlich bewusst verkürzt und die Haltungsfrage des Senators als ungerechtfertigte Einschränkung des Demonstrationsrechts interpretiert. Leider hat ihnen der Senator diese Verkürzung leicht gemacht. Daher muss gelten: Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass der Eindruck entsteht, dass nach liebsamen und unliebsamen Demonstrationen politisch bewertet wird. Ich hoffe, sehr geehrter Herr Innensenator, dass Sie das künftig beherzigen werden.
Denen, die am Wochenende in Berlin auf den Reichstagstreppen das Wahrzeichen und Symbol unserer parlamentarischen Demokratie angreifen wollten, denen, die vor
der russischen Botschaft unsere Polizei angegriffen und Polizeibeamte verletzt haben, denen, die sich hinter Reichsflaggen – bemerkenswerterweise auch hinter russischen Flaggen – versammelt haben, denen, die unser Land destabilisieren wollen, und denen, die Verschwörungstheorien darüber verbreiten, in unserem Land würden demokratische Rechte ausgehebelt, denen sei in aller Deutlichkeit gesagt: Sehen Sie nach Russland und nach Weißrussland! In Russland werden Oppositionelle vergiftet, und in Weißrussland werden Wahlen gefälscht, Oppositionspolitiker inhaftiert und die Freiheit der Menschen bekämpft. Nehmen Sie endlich die Realität wahr: Deutschland ist das freiheitlichste und humanste Land dieser Erde.
Seien Sie sich darüber im Klaren: Wir Demokraten werden nicht weichen. Wir werden unseren Rechtsstaat nicht aushöhlen lassen. Wir werden unsere Demokratie verteidigen.
Die Geschichte hat uns gezeigt: Gemeinsam müssen wir unser freiheitliches und weltoffenes Deutschland jeden Tag neu verteidigen. Es ist das beste Deutschland, das wir kennen.
Unsere Stadt Berlin ist ein Symbol dieses wundervollen Deutschland. Lassen Sie uns gemeinsam für dieses Land eintreten,
für Recht und Freiheit, denn das sind die Werte, für die Deutschland, für die Berlin und für die wir stehen! – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich gleich zu Beginn meiner Rede festhalten: Jede Form von Extremismus ist entschieden abzulehnen und politisch zu bekämpfen.
Rechtsextremismus, Linksextremismus, islamistischer Extremismus, Antisemitismus und auch jede andere Form des Extremismus bedroht die Grundfesten unseres Landes. Es widerspricht allem, wofür unser freiheitliches Land steht. Gerade Berlin als weltoffene Metropole im Herzen Europas sollte hier entschieden und couragiert vorgehen und keine falsch verstandene Toleranz walten lassen, meine Damen und Herren!
(Anne Helm)
Ganz persönlich, als Sohn von Alfred Dregger, habe ich die Auswirkungen von Linksterrorismus und die damit verbundenen Ängste am eigenen Leib in meiner Kindheit erfahren. Die Rote Armee Fraktion setzte die alte Bundesrepublik Deutschland in Angst und Schrecken. Mein Vater stand damals auf einer Todesliste, und es erfüllt mich mit Wut und Trauer, dass es auch heute wieder Todeslisten geben soll.
Die Gefahr kommt diesmal von Rechtsextremisten, die zu Rechtsterroristen geworden sind, wenn wir uns die Taten in Kassel, Halle und Hanau vergegenwärtigen. Und ich versichere Ihnen, dass ich auch aufgrund meiner familiären Erfahrung mit allen fühle, die zum Ziel rechtsextremistischer Angriffe geworden sind, auch in Neukölln.
Unser starker Rechtsstaat muss hier mit der gesamten Kraft seiner Institutionen und mit allen rechtstaatlich zulässigen Mitteln reagieren. Dazu müssen Verfassungsschutz, Polizei und Justiz gestärkt werden mit ausreichenden personellen und materiellen Ressourcen und mit den erforderlichen gesetzlichen Befugnissen, die gerade hier in Berlin noch immer fehlen.
Dafür bedarf es aber vor allem auch des Vertrauens in unsere Polizei, in unserem Verfassungsschutz und in unsere unabhängige Justiz, meine Damen und Herren!
Dieses Vertrauen wird aber von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren der rot rot-grünen Linkskoalition inzwischen sogar durch einen gesetzlich festgeschriebenen Pauschalverdacht erschüttert. Sie entziehen unserem demokratischen Rechtsstaat damit die Grundlage seiner Durchsetzungsfähigkeit und stärken zugleich Verbrechen und Unsicherheit. Das ist unverantwortlich, meine Damen und Herren.