Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 38. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Ich darf Sie begrüßen. Ich begrüße ebenfalls unsere Gäste, Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien sehr herzlich.
Zu Beginn haben ich Geschäftliches mitzuteilen: Der Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/1658 „Respekt und Disziplin statt Gewalt und Mobbing, Teil I: Strukturiertes Konfliktmanagement in den Schulen einführen“ wurde von der antragstellenden Fraktion zurückgezogen.
träge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke zum Thema: „Internationaler Frauentag und gute Tarifabschlüsse für Berlin: Stärkung von Gleichstellung, Pflege- und Erziehungsberufen“
2036 in Berlin? Rot-Rot-Grün verzettelt sich im unsportlichen Drei-Kampf und ist nicht medaillentauglich“
für das Auto in Berlin? Rot-rot-grüne Verkehrspolitik auf gefährlichem Kollisionskurs mit der Realität“
Die Fraktionen haben sich auf das Thema der Fraktion Die Linke verständigt. Somit werde ich dieses Thema gleich in der Aktuellen Stunde unter Tagesordnungspunkt 1 aufrufen. Die anderen Anträge auf Durchführung der Aktuellen Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.
Sodann verweise ich auf die Ihnen vorliegende Dringlichkeitsliste. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die dort verzeichneten Vorgänge als Tagesordnungspunkte 7 A, 18 und 18 A in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass den zuvor genannten Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch höre ich nicht. Dann sind die Ergänzungen der Tagesordnung einvernehmlich so beschlossen.
Auf die Ihnen vorliegende Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen. Die Fraktionen haben sich einvernehmlich verständigt, die laufende Nr. 10 von der Konsensliste zu streichen und zu dem in der Tagesordnung vorgesehenen Zeitpunkt zu behandeln. – Dazu höre ich keinen Wider
Weiter kann ich Ihnen mitteilen, dass Herr Senator Dr. Lederer wegen Krankheit entschuldigt ist. Diese Meldung haben wir heute Morgen kurzfristig bekommen. Wir wünschen gute Besserung.
Internationaler Frauentag und gute Tarifabschlüsse für Berlin: Stärkung von Gleichstellung, Pflege- und Erziehungsberufen
Für die Besprechung der Aktuellen Stunde steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Die Fraktionen haben sich auf zwei Rederunden verständigt, da das Thema zwei Aspekte, nämlich den Internationalen Frauentag und die Tarifabschlüsse, hat. – In der ersten Runde beginnt die antragstellende Fraktion Die Linke, und zwar mit der Kollegin Ines Schmidt. – Bitte schön!
[Lachen und Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Kurt Wansner (CDU): Kann ich mir vorstellen!– Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Ihr habt mehr als ein Problem! – Weitere Zurufe]
und somit der Durchsetzung der Demokratie liegt die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern noch in weiter Ferne. Immer noch klafft bei den Gehältern zwischen den Geschlechtern in Deutschland eine tiefe Lücke: aktuell 21 Prozent. Immer noch leisten Frauen täglich 52 Prozent mehr unbezahlte Erziehungs- und Pflegearbeit als Männer. Immer noch bekommen Frauen heutzutage gerade mal halb so viel
Rente wie Männer. Vor allem ältere Frauen sowie Alleinerziehende, die zu 90 Prozent weiblich sind, sind besonders stark von Armut betroffen. Diese Ungerechtigkeit muss beendet werden.
Dafür sind wir hier im Abgeordnetenhaus verantwortlich. Wir müssen dafür sorgen, dass Frauen und Männer zu gleichen Teilen die Politik gestalten. Das Geschlecht der Abgeordneten spielt bei der Themensetzung und Entscheidungsfindung im Parlament eine wesentliche Rolle. Sozialisation und Lebenserfahrung von männlichen und weiblichen Abgeordneten unterscheiden sich und beeinflussen ihre politischen Perspektiven, Interessen und Prioritäten und spiegeln den Querschnitt der Bevölkerung wider. Was wir jetzt haben, ist wahrlich nicht die Hälfte der Bevölkerung.
Auch wenn Frauen formal im Bereich der politischen Partizipation die gleichen Rechte besitzen, haben sie dennoch nicht die gleichen realen Möglichkeiten, diese in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen. Insbesondere Frauen mit geringem Einkommen und hoher Sorgeverantwortung für andere Menschen haben kaum die Möglichkeit, ihr passives Wahlrecht wahrzunehmen. Es sind Alleinerziehende, pflegende Angehörige, Frauen aus dem Niedriglohnsektor – keine Zwischenfragen! –, Frauen mit Rassismuserfahrungen und viele andere marginalisierte Frauen, die am wenigsten am Politikbetrieb partizipieren und deren Sichtweise im Parlament und in der Regierung fehlen. Darum brauchen wir im Parlament, in der Wirtschaft und in allen Gremien Frauen, die auch alle Themen der Frauen repräsentieren.
Frau Kollegin! Ich darf Sie fragen, ob Sie Zwischenfragen zulassen? – Nicht. – Also grundsätzlich nicht?
Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus meiner langjährigen Praxis als Gesamtfrauenvertreterin in den Berliner Verkehrsbetrieben erzählen. Wir haben uns in der BVG immer gewundert, dass dort keine Frauen ankommen, und haben dann bei einem Termin mit der Agentur für Arbeit festgestellt, dass laut Anforderungsprofil ein technischer Hintergrund vorhanden sein muss. Das heißt, die Verkäuferin, die Krankenschwester, die Friseuse, die Anwaltsgehilfinnen hatten überhaupt keine Chance, als Fahrerin in der BVG anzukommen. Das änderten wir ab – und nicht nur das. Wir legten ein Projekt für langzeitarbeitslosen und alleinerziehende Frauen in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit auf. Diese Zusammenarbeit war beispielgebend für die gesamte Zukunft. Die Agentur übernahm die ganzen Voruntersuchungen – polizeiliches Führungszeugnis, Gesundheitscheck, Stressgutachten –, und in der BVG wurden die Frauen zu Fahrerinnen ausgebildet.
Es ging nicht ohne Komplikationen. Die Anfangszeit in der Fahrschule wurde verändert, zwei neue Kitaplätze mussten besorgt werden, und natürlich mussten die Frauen sich mit diesen tollen Sprüchen auseinandersetzen wie „Mensch, Mutti, geh doch nach Hause, kümmer dich um deine Jören“ oder „Wie, hast heute verpennt, weil dein Kind nicht wollte? Liegt wohl eher daran, dass du schon zwei Jahre arbeitslos bist und nicht uffstehen musstest.“ – Es war für die Frauen nicht einfach, sie wurden belächelt und teils auch offen angefeindet.
Aber der Tag kam, und sie waren fertig ausgebildete Fahrerinnen. Eine Frau mit türkischem Hintergrund erzählte mir: „Frau Schmidt, Sie feiern ja immer als deutsche Familie mit der Nachbarin Geburtstag, eventuell mit der Tochter, und eventuell sind noch die Eltern da. Wenn wir feiern, sind 50, 60 Leute da. Und wir haben zusammen Geburtstag gefeiert, und dann habe ick erzählt, dass ick jetzt 26-Tonner mit 270 PS unter der Haube fahre.“ – Und dabei sind ihr die Tränen gekommen. Da habe ich erst festgestellt: Wir haben der Frau gar keinen Job gegeben. Wir haben ihr einfach ein ganzes Stück Lebensqualität geschenkt. Und das haben die Frauen erreicht – die Frauen haben dafür gesorgt, dass die Fahrerinnen in der BVG ankommen.
Noch ein Beispiel aus der BSR: Die erste Frau, die für Entsetzen sorgte, war Vera Gäde-Butzlaff, seinerzeit Vorstandsvorsitzende der BSR. Die hat gesagt: Wir brauchen 120 Straßenkehrer, und von den 120 Straßenkehrern werden die ersten 60 Plätze mit Frauen besetzt. – Ihr könnt euch vorstellen, was sich in diesem Unternehmen abgespielt hat, und auch in der Politik. Eigentlich ist sie fast zur Adoption freigegeben worden.
Sie hat es verändert. Sie hat die Zwei-Meter-Besen auf Ein-Meter-Besen gekürzt, die schweren Schubkarren wurden zu Alu-Schubkarren, und zum Schluss haben 80 Frauen angefangen – und 40 Männer. Das heißt, danach haben die Männer auch noch davon profitiert, dass die Frauen in diesem Job angefangen haben.
Im letzten Jahr wurden das erste Mal in der Geschichte – und das nach gehörigem Widerstand von Männern – die ersten 17 Müllwerkerinnen eingestellt, ihr wisst, die Mülltonnenschubser. Begründung dagegen war: Es ist körperlich zu schwer, und die Anatomie der Frauen gibt es einfach nicht her, so schwere körperliche Arbeit zu machen.
Ich möchte einfach mal daran erinnern: Wir hatten den 8. Mai 1945. Die jungen Männer, die alten Männer sind im Volkssturm teilweise getötet, teilweise verletzt worden. Die anderen Männer waren in Kriegsgefangenschaft. Dass innerhalb der ersten acht Tage in Berlin die erste Straßenbahn draußen auf der Straße war, das haben wir Frauen zu verdanken.