Protocol of the Session on January 26, 2017

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 5. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Medienvertreter.

Bevor ich zum weiteren Verfahrensablauf komme, möchte ich dem Kollegen Tobias Schulze von der Fraktion Die Linke zum heutigen Geburtstag gratulieren. – Herzlichen Glückwunsch!

[Allgemeiner Beifall]

Weiterhin beglückwünschen möchte ich den Kollegen Sebastian Czaja von der Fraktion der FDP zur Geburt seiner Tochter Letizia. – Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die Familie!

[Allgemeiner Beifall]

Ich habe dann noch Geschäftliches mitzuteilen: Die Fraktionen sind übereingekommen, den Bericht Drucksache 17/2899 – Jahresbericht 2016 des Rechnungshofs von Berlin gemäß Artikel 95 der Verfassung von Berlin und § 97 der Landeshaushaltsordnung – und die Vorlage – zur Kenntnisnahme – Drucksache 17/3130 – Stellungnahme des Senats und der Bezirksämter zum Jahresbericht 2016 des Rechnungshofs über die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie der Haushaltsrechnung 2014 – Drucksache 17/2899 als Drucksachen der 18. Wahlperiode zu übernehmen. – Widerspruch höre ich nicht. Damit ist die Drucksache 17/2899 als neue Drucksache 18/0110 und die Drucksache 17/3130 als neue Drucksache 18/0111 in die 18. Wahlperiode übernommen.

Am Montag sind folgende sechs Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

− Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Senat handelt bei der Flüchtlingsunterbringung“

− Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Müller annulliert erneut Abflug – Regierender Aufsichtsratsvorsitzender liefert am BER Bau- und Kommunikationsdesaster statt Wahrheit und Klarheit!“

− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Senat handelt bei der Flüchtlingsunterbringung“

− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Senat handelt bei der Flüchtlingsunterbringung“

− Antrag der AfD-Fraktion zum Thema: „Schluss mit dem BER-Chaos auf dem Bau und im Aufsichtsrat“

− Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „BER – Zwischen Tür und Mangel – Bruchpilot Müller weiter im Sturzflug“

Ich lasse nun abstimmen, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion Die Linke – Stichwort: „Flüchtlings

unterbringung“. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, Grüne und Die Linke. Gegenstimmen? – Das sind die Oppositionsfraktionen. Gibt es Enthaltungen? – Nicht der Fall. Ersteres war die Mehrheit. Dann rufe ich dieses Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 auf. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die nach Redaktionsschluss eingegangenen Vorgänge unter den Tagesordnungspunkten 4, 5 und 16 in der heutigen Sitzung zu behandeln. Nach der Regelung in § 59 der Geschäftsordnung ist für die dringliche erste Lesung einer Gesetzesvorlage wie bei den Tagesordnungspunkten 4 und 5 eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Hauses erforderlich. Es wurde zuvor kein Widerspruch erhoben. Damit stelle ich fest, dass auch dieses Mehrheitserfordernis erfüllt ist.

Dann möchte ich auf das Ihnen vorliegende Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Ich gehe davon aus, dass auch allen weiteren Vorgängen, die nach Redaktionsschluss eingegangen und die auf der Liste der Dringlichkeiten verzeichnet sind, die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch höre ich nicht, dann ist dies so beschlossen.

Auf die Ihnen vorliegende Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen und stelle fest, dass diese damit so angenommen ist.

Entschuldigung von einem Senatsmitglied für die 5. Sitzung: Frau Senatorin Pop ist abwesend ab 16 Uhr. Grund ist die Teilnahme beim WindNODE-Konsortialtreffen hier in Berlin.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

„Senat handelt bei der Flüchtlingsunterbringung“

(auf Antrag der Fraktion Die Linke)

Für die Besprechung der Aktuellen Stunde steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion Die Linke. – Frau Kollegin Schubert, bitte, Sie haben das Wort!

[Sven Rissmann (CDU): Schon wieder!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 8. Dezember hat der Senat seine Arbeit aufgenommen.

[Heiko Melzer (CDU): Hat der Senat seine Arbeit aufgenommen?]

Ende Dezember waren bereits zehn Turnhallen geräumt, 850 Menschen haben endlich menschenwürdigere Bedingungen zu wohnen und zu leben. Es ist ein großer Schritt für die geflüchteten Menschen, es ist aber auch ein wichtiger Schritt für die rot-rot-grüne Koalition, ja für die Politik in Berlin, denn dieser Schritt hat gezeigt, dass es möglich ist, schnell Dinge zu bewegen, dass Berlin nicht zwangsläufig ständig in Chaos oder Unbeweglichkeit verfallen muss.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Hier haben zwei Senatorinnen und Senatoren, nämlich Elke Breitenbach und Matthias Kollatz-Ahnen, die Köpfe zusammengesteckt und in einer vermeintlich verfahrenen Situation kreative Lösungen gefunden, und das mit Unterstützung des gesamten Senats.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Das ist gut und spricht für den Beginn einer guten, ressortübergreifenden Zusammenarbeit.

Wir haben hier in Berlin nach wie vor eine breite Szene von Freiwilligen, die permanent im Einsatz sind, den Geflüchteten helfen, wo sie nur können. Ohne sie hätten die Umzüge nicht so vonstattengehen können. Dafür auch an dieser Stelle noch einmal vielen Dank an alle Freiwilligen! Und vielen Dank an die Kolleginnen und Kollegen im LAF und in der Verwaltung, die manches möglich machten, was vor dem 8. Dezember noch unmöglich erschien.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Die Geflüchteten, die kurz vor Weihnachten umgezogen sind, haben zum Teil seit über einem Jahr in ihren jeweiligen Hallen gewohnt. Und wer jemals in einer solchen Turnhalle war, weiß, unter welchen Bedingungen die Menschen dort lebten. Nicht nur, dass es da immer noch nach Turnhalle roch, sondern es gab auch null Privatsphäre, es gab immer Lärm, oft schlechtes Essen, wenig Möglichkeiten, etwas zu machen oder gar in Ruhe zu lernen. Und es ist kein Wunder, dass unter diesen Bedingungen nicht nur Langeweile, Lethargie, psychische Erkrankungen entstehen, sondern auch massive Aggressionen, dass es immer wieder zu Gewalttaten kam. Solche Bedingungen von permanentem Stress und Hoffnungslosigkeit sind neben vielen anderen Dingen auch der ideale Boden für Rekrutierungsabsichten von radikalen Gruppen bis hin zur Terrororganisation IS. Auch deswegen ist es sehr gut, dass es gelungen ist, die Turnhallen schnell zu räumen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Sport ist wichtig für unsere Gesellschaft. Sport führt in vieler Hinsicht zu ganz praktischer gesellschaftlicher

Integration. Auch deswegen ist es gut, dass wir jetzt die Hallen wieder für den Sport zur Verfügung haben, für die Gesellschaft insgesamt.

In der nächsten Woche ziehen die Bewohnerinnen und Bewohner von vier weiteren Turnhallen in das erste MUF, eine modulare Flüchtlingsunterkunft. Dort gibt es nicht nur Zimmer, sondern endlich auch Wohnungen. Die geflüchteten Menschen können dort beginnen, ein ganz oder wenigstens fast normales Leben zu führen. Und zügig werden auch die restlichen Turnhallen freigezogen. 1 300 Menschen werden ein vertretbares Zuhause finden.

Das geht nicht ohne Probleme ab, das ist klar. Der Umzug nächste Woche hat einen Pferdefuß. Die vier Turnhallen stehen in Steglitz-Zehlendorf, das MUF in Marzahn-Hellersdorf. In Steglitz-Zehlendorf gibt es in absehbarer Zeit keine beziehbaren Unterkünfte. Das bedeutet, die Kinder, deren Familien nicht doch noch im Bezirk selbst untergebracht werden können, müssen umgeschult werden. Das ist für die Kinder schwierig. Aber die Menschen ziehen zusammen um, und die Sozialbindungen untereinander bleiben erhalten. Grundsätzlich gilt für uns aber: Sozialraumbindung geht vor Schnelligkeit, wenn es nur um Wartezeiten von wenigen Tagen oder auch mal zwei Wochen geht.

Wenn die Turnhallen leer sind, geht es daran, auch die anderen Massennotunterkünfte wie das ICC, die Hangars auf dem Tempelhofer Feld oder die Einrichtung Mertensstraße zu schließen und die Menschen vernünftig unterzubringen, und das möglichst schnell. Insofern ist es gut, beispielsweise das ehemalige Abschiebegefängnis in Grünau zu einer Gemeinschaftsunterkunft umzubauen und für freies Wohnen zugänglich zu machen. Die henkelsche Idee eines Abschiebelagers ist passé.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Der neue Senat hat ernst gemacht mit einer neuen humanitären, an den Menschenrechten orientierten Flüchtlingspolitik für Berlin. Die Zustände in den Hallen forderten entschiedenes Handeln statt monatelangem Attentismus, weil die Ausschreibungen schiefgelaufen sind. Deshalb war es richtig, nach dem ASOG zu handeln, deshalb ist es vernünftig, Interimsvergaben vorzunehmen, und es ist notwendig, die europaweiten Ausschreibungen für die endgültigen Vergaben nach transparenten Qualitätskriterien zu organisieren.

In diesem Zusammenhang mein Dank an die Wohlfahrtsverbände und Betreiber, die die Ärmel hochgekrempelt und die neuen Unterkünfte in Betrieb genommen haben! So muss das gehen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Wir brauchen ein Flüchtlingsmanagement, das das Elend abstellt und menschenwürdige Bedingungen in der

Flüchtlingsunterbringung herstellt. Da sind gute Ansätze vorhanden, und die müssen jetzt verstetigt und mit ausreichend Personal untersetzt werden.

Verzahnt mit dem Flüchtlingsmanagement ist die Organisation von gesellschaftlicher Integration und Teilhabe. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten, also das LAF, mit mehr Personal stärker auf Integration auszurichten, die Wege in die Regelsysteme für die Geflüchteten bestmöglich zu öffnen und die Bezirke in die Lage zu versetzen, treibende Kräfte aktiver gesellschaftlicher Integration zu werden. Im Nachtragshaushalt bildet sich das bereits ab, jedenfalls zum Teil.

Es gibt drei wesentliche Schlüssel zur Integration: Sprache, Wohnen sowie Bildung und Erwerbsarbeit. – Völlig unabhängig von Bleibeperspektiven im Aufenthaltsrecht brauchen Geflüchtete mit ihrer Ankunft hier die Chance auf Teilhabe. Deshalb ist es so wichtig, dass sie Zugang zu Sprachkursen bekommen, auch jenseits der BAMFKurse, so, wie wir es vereinbart haben, dass sie vernünftig untergebracht sind, dass sie sich selbst versorgen können und schnell eine Erst- und dann Folgeberatungen bekommen.