Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 65. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Ich begrüße Sie, unsere Zuschauerinnen und Zuschauer vor den Bildschirmen, Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Medienvertreterinnen und Medienvertreter sehr herzlich.
Dem Kollegen Jürn Jakob Schultze-Berndt von der Fraktion der CDU darf ich zum heutigen Geburtstag gratulieren. Alles Gute!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe das Parlament zu unserer heutigen Sondersitzung aufgrund eines Antrags des Senats und einer Übereinkunft im Ältestenrat einberufen. Die in unserer Geschäftsordnung vorgesehene Ladungsfrist wurde eingehalten. Zum Ablauf der Plenarsitzung: Der Regierende Bürgermeister hat die Abgabe einer Regierungserklärung zum Thema: „Corona bekämpfen! Gesundheit sichern und Leben retten. Solidarisch und entschlossen“ angekündigt. Diese erfolgt als Tagesordnungspunkt 1 mit einer anschließenden Aussprache. Danach erfolgt eine weitere Rederunde zu den übrigen Tagesordnungspunkten.
Ihnen werden noch als Tischvorlage bereitgestellt ein dringlicher Antrag der AfD-Fraktion auf Drucksache 18/3126: Änderung der Zehnten Verordnung zur Änderung der SARS-Cov-2-Infektionsschutzverordnung, ein dringlicher Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 18/3127: Gesetz zur Beteiligung des Parlaments und zum Schutz von Grundrechten im Falle von Maßnahmen nach §§ 28-31 Infektionsschutzgesetz, ein weiterer dringlicher Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 18/3128: Pandemie bekämpfen – Freiheitsrechte schützen – Maß und Mitte halten, ein Änderungsantrag des fraktionslosen Abgeordneten Luthe auf Drucksache 18/3082-1 zum Antrag der FDP-Fraktion auf Drucksache 18/3082, eine Vorlage – zur Kenntnisnahme – auf Drucksache 18/31141 mit der Begründung zur Zehnten Verordnung zur Änderung der SARS-Cov-2-Infektionsschutzverordnung, Tagesordnungspunkt 8, und eine weitere Vorlage – zur Kenntnisnahme – auf Drucksache 18/3125 mit der Ersten Verordnung zur Änderung der Krankenhaus-Covid-19Verordnung.
Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, diese als Tagessordnungspunkte 4 A, 10 A, 10 B und 10 C in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass diesen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so. Damit ist die dringliche Behandlung dieser Vorgänge beschlossen. Zum dringlichen Gesetzesantrag der Fraktion der FDP darf ich festhalten, dass die Dringlichkeit einvernehmlich beschlossen wurde, sodass die nach unse
rer Geschäftsordnung erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Abgeordnetenhauses vorliegt. Unsere heutige Tagesordnung ist damit beschlossen.
Der Senat hat Herrn Senator Scheel wegen dringender familiärer Angelegenheiten für heute entschuldigt.
Ich darf noch darauf hinweisen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass hier, außer Sie sitzen am Platz, beim Betreten und beim Gang zum Redepult und zurück die Pflicht besteht, einen Mund-Nasen-Schutz oder ein Visier zu tragen, einen Mund-Nasen-Schutz nicht, wenn eine Glaubhaftmachung gegenüber dem Präsidenten erfolgt ist, dass das aus medizinischen Gründen nicht notwendig ist. Ich kann jetzt schon sagen, dass mir eine solche Glaubhaftmachung bisher nur für einen Abgeordneten vorliegt. Ansonsten wäre es ein Verstoß gegen unsere parlamentarischen Regeln und würde auch entsprechend geahndet werden.
Erklärung des Regierenden Bürgermeisters gemäß Artikel 49 Abs. 3 VvB zum Thema: „Corona bekämpfen! Gesundheit sichern und Leben retten. Solidarisch und entschlossen.“
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass ich während meiner Amtszeit innerhalb eines Jahres zwei Mal vor Sie treten muss,
[Gunnar Lindemann (AfD): Warum stimmen wir die dann nicht ab? – Zuruf von der LINKEN: Geh doch nach Hause! – Gunnar Lindemann (AfD): Demokratiesimulation!]
Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass es nötig ist, mehrfach so einschneidende Maßnahmen zu beschließen, die Spuren hinterlassen in unserer Stadt, die wirtschaftliche Folgen haben, über die manche im Sport, in der Gastronomie, in der Kultur verzweifelt sind.
Wie im März ist allerdings bei mir diesen Maßnahmen ein sehr ernster, ein sehr schwerer, aber auch ein sehr eindeutiger Abwägungsprozess vorausgegangen.
Kann man sagen, in dieser Situation, in der wir uns befinden, muss jedes Lokal, jedes Geschäft offen bleiben?
Kann man berechnen, wie hoch der Schaden ist, wenn all das jetzt nicht stattfindet? – Es gibt etwas, wozu man aus meiner Sicht keine Rechnung aufmachen kann: wenn es darum geht, Gesundheit zu schützen und Leben zu retten.
Sie werden nachher in der Debatte auch die Gelegenheit haben, die unterschiedlichen Positionen zu den Ausführungen des Regierenden Bürgermeisters darzulegen, und Sie werden wahrscheinlich nachher auch die Erwartungshaltung haben, dass Ihnen zugehört wird. Also: Benehmen Sie sich hier nicht so wie Ihre Freunde im Deutschen Bundestag, und ich bitte, sich jetzt hier entsprechend parlamentarisch zu verhalten. – Vielen Dank!
Ich bin in die Politik gegangen – wie Sie, wie die meisten von Ihnen –, um Dinge zu ermöglichen, um Arbeit sicherzustellen, um Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen, um sozialen Ausgleich zu organisieren, um ein gutes Leben in unserer Stadt voranzubringen. Und jede Maßnahme, jeder Beschluss, den wir auf diesem Weg treffen, kann korrigiert werden. Wir können uns irren. Wir können umsteuern. Wir können Dinge neu verabreden. Wir können Wirtschaftshilfen miteinander verabreden und auszahlen. Hilfsprogramme können formuliert werden. Nur eines ist nicht zu korrigieren: wenn man nicht alles getan hat, um Leben zu schützen. Und genau darum geht es jetzt. Das ist der Punkt, der mich bewegt und weshalb ich diese einschneidenden Maßnahmen, über die wir heute diskutieren, weshalb ich diese Maßnahmen und diesen Beschluss von Bund und Ländern aus voller Überzeugung mittragen und heute hier vertreten kann.
Ich bitte die Berlinerinnen und Berliner und Sie im Parlament erneut um Unterstützung. Ich will mich als Allererstes bei Ihnen bedanken, dass Sie bereit waren, auch an
einem Sonntag zu dieser Sondersitzung zusammenzukommen, damit wir darüber diskutieren können, wie wir uns gegenseitig helfen und unterstützen können. Ich will an dieser Stelle ganz eindeutig sagen: Sie haben auch recht, wenn Sie sagen, dass das Parlament stärker in diese Beschlussfassung und diese Diskussion einbezogen sein muss.
Wir hatten miteinander Kontakt, ob über den Ältestenrat, die Runde der Fraktionsvorsitzenden, die Koalitionsfraktionen. Die Fraktionsvorsitzenden nehmen an den Senatssitzungen teil. Wir hatten Ausschuss- und Parlamentsberatungen, aber das gleicht nicht eine parlamentarische Debatte und eine Beschlussfassung hier im Parlament aus.
Deswegen ist es richtig, dass wir gemeinsam sehen, dass wir zu einem anderen Rechtsrahmen kommen. Wir haben gelernt, dass wir uns nicht nur kurzfristig mit Corona, mit dieser Pandemie auseinandersetzen müssen, sondern dass sie uns langfristig beschäftigen wird. Wir haben gelernt, dass möglicherweise sogar Eingriffe in unsere Grundrechte nötig waren, hoffentlich nicht wieder nötig sein werden, aber dass das einer parlamentarischen Auseinandersetzung bedarf. Wir wissen, es geht nicht darum, dass über die Parlamente jedes Detail des Regierungshandelns und jede Verordnung gesteuert werden muss. Wir müssen weiterhin schnell agieren, aber in unserer lebendigen, funktionierenden Demokratie ist eine Auseinandersetzung im Parlament unabdingbar, und wir werden uns selbstverständlich auch als Berliner Senat dieser Auseinandersetzung stellen.
Ich bitte Sie auch deshalb wieder um Unterstützung und Hilfe, weil wir doch schon einmal gezeigt haben, dass wir gemeinsam viel erreichen können. Als im Frühjahr die Infektionszahlen nach oben gingen, als wir sehr unsicher waren, womit wir uns in den nächsten Monaten auseinandersetzen müssen, ist es uns doch gelungen, die Infektionsketten zu durchbrechen. Unser Gesundheitssystem blieb leistungsfähig und war nicht überlastet. Wir hatten im Sommer wenig Schwersterkrankte und Todesfälle zu beklagen. Wir haben damals gemeinsam und mit Augenmaß entschieden. Wir haben beraten und abgewogen. Wir haben Experten angehört im Senat wie hier im Parlament. Wir haben viele Dinge, die bundesweit eine Rolle gespielt haben, natürlich auch bei uns übernommen und trotzdem auch immer für Berlin angepasst das eine oder andere miteinander verabredet. Wenn ich noch daran denke, was es für Aufregung gab, weil wir in Berlin die Spielplätze nicht vonseiten des Senats geschlossen haben oder einige Geschäfte wie Buchhandlungen offengeblieben sind. Ich glaube, solche kleinen Signale waren
wichtig, waren nicht nur angemessen, sondern wurden dankbar von den Berlinerinnen und Berlinern aufgenommen.
Ja, es war ein eindeutiger, ein entschlossener Weg, der von uns allen getragen wurde und mit dem wir auch Freiheiten zurückgewinnen konnten.
Veranstaltungen, Theater, Sport waren im Sommer in begrenztem Umfang wieder möglich. Ich glaube, es war für viele, trotz der Belastungen und der Gesundheitsrisiken, ein schöner Sommer.
Ich möchte allen danken, die diesen Weg mitgetragen haben, natürlich im Gesundheitswesen, aber auch in den Schulen, in den Kitas, den Lehrerinnen und Lehrern, den Erzieherinnen und Erziehern, den Verwaltungen. Ich möchte aber darüber hinaus auch den Familien, den Geschäftsleuten danken, allen, die Konzepte erarbeitet haben und die uns deshalb auch mit ihren Ideen, mit ihrer Kreativität so viel ermöglicht haben. Ein großes Dankeschön von uns. Sie haben es mitgetragen.