Protocol of the Session on November 30, 2017

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 18. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Ich begrüße Sie alle, unsere Gäste und Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Medienvertreter recht herzlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich habe eine traurige Pflicht zu erfüllen und möchte Sie bitten, sich von den Plätzen zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Am 16. November starb der ehemalige Marzahner SPDAbgeordnete Ernst Ollech im Alter von 81 Jahren. Geboren wurde Ernst Ollech am 29. April 1936 im ostpreußischen Puppen. Die Flucht aus der Heimat brachte ihn nach Berlin. Seine Schulzeit beendete er 1953 mit dem Abitur, um danach eine Ausbildung zum Industriekaufmann zu absolvieren. Dieser Ausbildung folgte ein Studium an der Fachschule für Leitende Führungskräfte in der Wirtschaft.

Als Leiter für Organisation und Technik in der Deutschen Handelszentrale Berlin sammelte Ernst Ollech erste Berufserfahrungen in führender Position. Gleichwohl: 1965 entschied sich Ernst Ollech für die berufliche Selbstständigkeit. Er übernahm ein seit 1912 bestehendes Raumausstattungsgeschäft am S-Bahnhof Lichtenberg, das er sehr erfolgreich betrieb.

Ernst Ollech war ein Netzwerker, wie wir heute sagen. Er kannte jeden, und jeder kannte ihn. Im Herbst 1989 sammelte er 30 unzufriedene Bürgerinnen und Bürger um sich, um mit ihnen über die Zukunft der DDR zu diskutieren. Es entstand dann der Entschluss, einen Bezirksverband der SDP in Marzahn zu gründen, nachdem unter anderem Martin Gutzeit und Markus Meckel am 7. Oktober 1989 in Schwante die SDP als neue sozialdemokratische Partei der DDR gründeten. Zum ersten Vorsitzenden des SDP-Kreisverbands Marzahn wählten die Mitglieder Ernst Ollech, der fortan den Aufbau des Kreisverbands steuerte.

Bei den Wahlen1990 zum gemeinsamen Abgeordnetenhaus von Berlin errang er ein Mandat über die Bezirksliste. Hier im Parlament wirkte der Unternehmer vor allem im Wirtschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses. Zusätzlich war er von 1991 bis 1995 im Ausschuss Inneres und Sicherheit sowie von 1995 bis 1998 im Rechtsausschuss und auch einige Jahre im Verfassungsausschuss tätig.

Ein Schwerpunkt seiner Arbeit für Marzahn war die Entwicklung des Gewerbegebietes in der Wolfener/Bitterfelder Straße. An der Sicherung von GA- und EU-Mitteln für die Erschließung Marzahner Gewerbeflächen war er

maßgeblich beteiligt. Als Abgeordneter unterstützte er Unternehmen bei der Neuansiedlung im Bezirk. In all den Jahren nahm er auch immer wieder aus der Arbeit des Marzahner Wirtschaftskreises Anregungen für sein Wirken als Abgeordneter mit.

Ernst Ollech galt nicht nur als Mann der Mitte – er war ein Mann der Mitte, der politische Extrempositionen – egal aus welcher Ecke kommend – rundweg ablehnte.

Ernst Ollech hinterlässt seine erwachsene Tochter Liane. Unserer ehemaligen Kollegin gilt unsere Anteilnahme.

[Gedenkminute]

Eine weitere traurige Nachricht hat uns diese Woche erreicht. Am 17. November 2017 verstarb der ehemalige SPD-Abgeordnete Dr. Nils Ferberg im Alter von 86 Jahren. Wir halten auch für ihn heute einen Moment gemeinsam inne.

Dr. Nils Ferberg wurde am 10. Juni 1931 in Navra/Estland geboren. In der kleinen Stadt am Finnischen Meerbusen verbrachte er seine Kindheit. Während der Annexion Estlands durch die Sowjetunion verließ die Familie die Stadt und kam nach Berlin. Der junge Nils Ferberg schloss schnell Freundschaft mit Berlin. Er studierte Politologie an der Humboldt-Universität und an der Freien Universität und schloss sein Studium 1957 mit dem Examen als Diplompolitologe ab. 1960 promovierte er in Graz. Nach Stationen in Großbritannien und Österreich kehrte Nils Ferberg zurück nach Berlin, arbeitete von 1961 bis 1969 als Direktor an der Otto-SuhrVolkshochschule in Neukölln.

Über viele Jahre gestaltete er mit großem Engagement die Politik unserer Stadt – sowohl auf der Bezirks- als auch auf der Landesebene, zunächst als nachgerückter Abgeordneter von 1967 bis 1969, dann als Bezirksstadtrat für Volksbildung im Bezirk Tempelhof.

1981 kehrte Nils Ferberg ins Abgeordnetenhaus zurück. Hier im Parlament brachte er bis 1989 sein Wissen vor allem im Ausschuss für Bundesangelegenheiten und Gesamtberliner Fragen ein. Auch nach seiner politischen Karriere blieb Dr. Nils Ferberg durch seine Mitgliedschaft in der „Parlamentarischen Vereinigung Berlin e. V.“ hier im Haus engagiert.

Unsere Anteilnahme gilt seinem Sohn Nicolaus Ferberg, seiner Familie und seinen Freunden.

[Gedenkminute]

Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu Ehren der beiden Verstorbenen von den Plätzen erhoben haben.

Ich habe nun Geschäftliches mitzuteilen. Auf Antrag des Senats habe ich die Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/0500-1 – Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans von Berlin für die Haushaltsjahre 2018

und 2019 – Drucksache 18/0500 –, hier: Austauschseiten im Band 3 – Kapitel 0340 – sowie im Band 5 – Kapitel 2532 – vorab an den Hauptausschuss überwiesen und darf Ihre nachträgliche Zustimmung feststellen.

Am Montag sind folgende sechs Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

− Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Aktuelle Entwicklung am BER“

− Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „1 Jahr Rot-Rot-Grün: Nichts zu feiern – auch nicht auf der Dauerbaustelle BER“

− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Aktuelle Entwicklung am BER“

− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Aktuelle Entwicklung am BER“

− Antrag der AfD-Fraktion zum Thema: „Pannenbaustelle BER – ohne Tegel geht es nicht!“

− Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Wirtschaft in Berlin – Zukunftskonzepte statt leerer Parolen!“

Die Fraktionen haben sich auf die Behandlung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Aktuelle Entwicklung am BER – verständigt, sodass ich dieses Thema gleich für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufe. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Dringlichkeitsliste mit dem Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Die Fraktionen haben sich einvernehmlich darauf verständigt, die dort verzeichneten und nach dem Redaktionsschluss eingegangenen Vorgänge unter den Tagesordnungspunkten 5 A bis 5 E, 13, 14 bis 14 E und 34 A in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass den zuvor genannten Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch höre ich nicht. Dann ist dies so einvernehmlich beschlossen.

Auf die Ihnen vorliegende Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen – und stelle fest, dass dazu kein Widerspruch erfolgt. Die Konsensliste ist damit so angenommen.

Entschuldigungen von Senatsmitgliedern liegen nicht vor.

Ich darf noch Herrn Staatssekretär Bunde zum heutigen Geburtstag gratulieren. – Alles Gute für die Zukunft!

[Allgemeiner Beifall]

Sie sind ja schon eine Weile dabei, Sie wissen, es gibt keinen schöneren Ort, um seinen Geburtstag zu feiern.

[Heiterkeit]

Ich darf aufrufen

lfd. Nr. 1:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Aktuelle Entwicklung am BER

(auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)

Für die Besprechung der Aktuellen Stunde steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. In der Runde der Fraktionen beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und zwar mit Herrn Otto. – Bitte schön, Herr Kollege!

Einen wunderschönen guten Morgen allerseits! Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die letzte Aktuelle Stunde im Jahr 2017 befasst sich mit dem BER, und ich finde, das ist auch angemessen. Wir haben insbesondere in den letzten fünf Jahren sehr viele Rederunden zum BER gehabt, und wir hoffen inständig, dass wir nicht immer nur über ein gescheitertes Projekt sprechen müssen, sondern irgendwann auch über einen eröffneten Flughafen. Das wünsche ich uns allen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Einige von uns haben im Untersuchungsausschuss zum BER herausgefunden, was insbesondere in den Jahren 2011 und 2012 schiefgegangen ist: ein Terminal als Experimentalbau, laufende Planänderungen, Kostensteigerungen, 2012 verfehltes Krisenmanagement und als Höhepunkt der Rauswurf der Generalplaner. – Das alles ist Geschichte. Seitdem gab es diverse Versuche, den Bau des Terminals wieder auf ein richtiges Gleis zu bekommen. Als Abgeordnete – das sage ich Ihnen als jemand, der über 70 Zeugen im Untersuchungsausschuss befragt hat – können wir hier nicht über den Status einzelner Sprinkleranlagen befinden, sondern wir müssen uns auf die Strukturen konzentrieren und darauf, was Berlin mit diesem Projekt zu tun hat. Darum soll es heute gehen: Es ist die Gesellschafterfunktion, die wir mit zwei anderen Gesellschaftern haben, es sind die Aufsichtsgremien, und es ist natürlich unser Haushalt. Da, so finde ich, hat die Koalition in diesem Jahr ihre Hausaufgaben gemacht.

Wir haben mit Prof. Preuß und Herrn Schucht Fachleute aus Wirtschaft und Technik gewinnen können, die im Aufsichtsrat in der Tat gute Arbeit machen, und wir haben dadurch erreicht, dass die Berliner Mischung – zwei Staatssekretäre und zwei Fachleute aus der Wirtschaft – jetzt sehr gut gestrickt ist. Ich glaube, wenn wir das schon 2012 gehabt hätten, wären wir heute sicherlich an einem ganz anderen Punkt. Wir haben mit Prof. Lütke Daldrup einen Geschäftsführer gefunden, der sich sehr gut auf diese Arbeit konzentriert und im Unterschied zu einigen Vorgängern seine Hauptarbeitskraft darauf verwendet,

(Präsident Ralf Wieland)

das Projekt voranzubringen und weniger Luftschlösser in der Öffentlichkeit zu bauen.

[Zuruf von der CDU: Abwarten! – Frank-Christian Hansel (AfD): Da blieb ihm ja auch nichts anderes übrig!]

Der Regierende Bürgermeister hat hier im Februar gesagt, 2012 bis 2014 waren verschenkte Jahre. – Manche sind der Ansicht, es waren noch mehr verschenkte Jahre. Sie können sich erinnern: Das war der Senat Wowereit/Henkel. Beide waren Mitglieder des Aufsichtsrats der FBB und bei vielen Entscheidungen der Flughafengesellschaft in der ersten Reihe. Das war nicht gut, das wissen wir alle. Jetzt müssen wir aber wieder nach vorn schauen.