Protocol of the Session on June 22, 2017

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 12. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Ich begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Ein großer europäischer und deutscher Staatsmann ist von uns gegangen. Am vergangenen Freitag starb unser Berliner Ehrenbürger und ehemaliger Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl im Alter von 87 Jahren. Helmut Kohl hat immer daran geglaubt, dass die schmerzhafte deutsche Teilung nicht ewig dauern würde. Dass er noch zu Lebzeiten die Wiedervereinigung erleben könnte, davon war er nicht ausgegangen. Aber als er als Bundeskanzler nach der Maueröffnung in die Situation kam, Deutschland als Nation zusammenzuführen, nutzte er die Chance gegenüber den einstigen Weltkriegsalliierten und den europäischen Nachbarn. Seine Überzeugungsarbeit trug Früchte: Die vier Weltkriegsmächte USA, die Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich stimmten der deutschen Vereinigung zu, und sie besiegelten, dass das wiedervereinigte Deutschland im westlichen Bündnis der NATO verbleiben konnte. Die Westbindung auch des neuen, größeren Deutschlands blieb so bestehen.

Aufgrund dieses Verhandlungserfolges wurde er zu Recht zum „Kanzler der Einheit“ und hat sich damit für immer in unsere Geschichtsbücher eingetragen. Sein Gespür für historische Zusammenhänge, sein politischer Pragmatismus und seine jahrelang praktizierte Vertrauensarbeit gegenüber den auswärtigen Staatsmännern und Staatsfrauen trugen so dazu bei, das kleine Zeitfenster der Geschichte zu sehen und zu nutzen. Aber der Historiker und Politiker Helmut Kohl wusste auch ganz genau, dass der Anfang vom Ende des DDR-Regimes in Moskau geschrieben wurde.

Helmut Kohl war sich dessen bewusst, dass die deutsche Einheit und die europäische Einheit ganz eng aufeinander bezogen waren. Ohne eine vertiefte Integration Deutschlands in Europa hätte es auch keine Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung gegeben. Für Helmut Kohl war die europäische Währungsunion, der Euro, eben auch Friedenspolitik mit anderen Mitteln.

Gleichwohl: Für die europäische Einheit war, ist und bleibt auch das deutsch-französische Verhältnis maßgeblich. Das hatte Helmut Kohl ständig präsent. Um den deutsch-französischen Schulterschluss war er stets bemüht. Ihn hielt er für existenziell, bezogen auf die euro

päische Einheit. Helmut Kohl hat nicht nur über die Notwendigkeit europäischer Integration geredet, er hat auch sehr viel dazu beigetragen, dem europäischen Zug die Vorfahrt vor den nationalen Zügen zu geben. Er hat auch immer intensive Beziehungen zu unseren osteuropäischen Nachbarn gepflegt und ihren Weg in das demokratische Europa unterstützt. Die Integration Europas war seine innerste Überzeugung, und er hat sie politisch gelebt, glaubwürdig auch für andere europäische Staatslenker, die ihm 1998 die Europäische Ehrenbürgerwürde antrugen. Diese Auszeichnung stellte Helmut Kohl damals in eine Reihe mit Jean Monnet, einem der Gründerväter der Europäischen Gemeinschaften.

Welches Gewicht bis heute die Stimme Helmut Kohls in Europa hat, macht auch die Ansetzung eines europäischen Traueraktes im Europaparlament deutlich. 16 Jahre Kanzlerschaft von 1982 bis 1998 – Helmut Kohl war nicht nur außen- und deutschlandpolitisch gefordert. Seine innen-, gesellschafts- und parteipolitischen Leistungen waren nicht gering.

1986 schuf er das Bundesumweltministerium, und das Familienministerium wurde um die Frauenpolitik ergänzt. Im selben Jahr trat auch die Anerkennung von Erziehungsleistungen in der Rentenversicherung in Kraft.

Helmut Kohl war Zeit seines Lebens auch ein leidenschaftlicher Parteipolitiker. Er formte als Bundesvorsitzender seit 1973 die CDU um. Aus der Honoratiorenpartei wurde eine moderne Volkspartei, ohne die Wertebasis der CDU infrage zu stellen. Die Modernisierung der CDU war sein Verdienst.

Als geradezu tragisch muss dagegen der Verlauf der Spendenaffäre wirken, die das Verhältnis zwischen Partei und dem ehemaligen Vorsitzenden auf eine große Belastungsprobe stellte und die in der öffentlichen Wahrnehmung leider auch einen Schatten auf die politische Lebensbilanz wirft.

Helmut Kohl war immer ein Freund Berlins. Er sprach sich in der Hauptstadtdebatte vom 20. Juni 1991 für Berlin als Hauptstadt und Regierungssitz aus. Schon in den Achtzigerjahren weilte Helmut Kohl gerne auch privat in unserer Stadt, hatte hier eine Wohnung. Er hielt sich an das, was er gerne anderen Politikern empfahl: Berlin sollte für sie eine „zweite Heimat“ sein. Bis zuletzt ist er dieser zweiten Heimat treu geblieben und hielt sich immer wieder gerne in Berlin auf. Wir werden nie vergessen, dass Helmut Kohl als Bundeskanzler dafür sorgte, dass die Stadt in Freiheit ihre geeinte Zukunft gestalten konnte. Berlin hat Helmut Kohl sehr viel zu verdanken. Deshalb verneigen wir uns vor einem großen Deutschen, einem überzeugten Europäer und einem treuen Freund Berlins. Unsere Anteilnahme gilt seiner Ehefrau und den beiden Söhnen.

[Gedenkminute]

Ich danke Ihnen, dass Sie sich von Ihren Plätzen erhoben haben.

Bevor ich zum weiteren Verfahrensablauf komme, möchte ich dem Kollegen Martin Trefzer von der AfD zur Geburt seines Sohnes gratulieren. – Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für die Familie!

[Allgemeiner Beifall]

Ich habe wieder Geschäftliches mitzuteilen: Der Antrag der AfD-Fraktion, Drucksache 18/0367 „Einführung von Schulkleidung“, wird von der antragstellenden Fraktion zurückgezogen.

Am Montag sind folgende sechs Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

− Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Stellungnahme des Abgeordnetenhauses zum Volksentscheid Tegel“

− Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Aktionsplan gegen linke Gewalt – Senat muss endlich aus seiner Lethargie erwachen, auch an der Rigaer Straße.“

− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Stellungnahme des Abgeordnetenhauses zum Volksentscheid Tegel“

− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Stellungnahme des Abgeordnetenhauses zum Volksentscheid Tegel“

− Antrag der AfD-Fraktion zum Thema: „Staatliches Gewaltmonopol in der Rigaer Straße wiederherstellen!“

− Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Linksextremismus stoppen – wird Geisel hier den Henkel toppen? – Recht und Gesetz in Berlin durchsetzen!“

Die Fraktionen haben sich auf die Behandlung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Stellungnahme des Abgeordnetenhauses zum Volksentscheid Tegel“ verständigt, sodass ich dieses Thema gleich in der Aktuellen Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1, und zwar in Verbindung mit den Tagesordnungspunkten 6 und 37 aufrufe. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Dringlichkeitsliste mit dem Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die dort verzeichneten und nach Redaktionsschluss eingegangenen Vorgänge unter den Tagesordnungspunkten 5, 6, 6 a, 15 bis 23, 37 und 51 a bis 51 c in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass diesen Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch höre ich nicht. Dann ist dies so beschlossen.

Auf die Ihnen vorliegende Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen – und stelle fest, dass hierzu kein Widerspruch erfolgt. Die Konsensliste ist somit angenommen.

Entschuldigungen von Senatsmitgliedern: Der Regierende Bürgermeister, der auf dem Weg vom Flughafen hierher ist, ist nachher von 11.30 Uhr bis ca. 14.00 Uhr entschuldigt – Grund: Halten eines Grußwortes auf der Festveranstaltung anlässlich des 250. Geburtstages von Wilhelm von Humboldt. Herr Senator Dr. Behrendt ist ganztägig abwesend. Grund ist die Teilnahme an der Justizministerkonferenz. Herr Senator Dr. Kollatz-Ahnen ist von 14.15 Uhr bis 16.30 Uhr entschuldigt, weil er bei der 15. Sitzung des Stabilitätsrates im Bundesministerium der Finanzen sein muss.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

„Stellungnahme des Abgeordnetenhauses zum Volksentscheid Tegel“

(auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)

in Verbindung mit

lfd. Nr. 6:

Berlin braucht Tegel – Tegel-OffenhaltungsGesetz

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz vom 27. April 2017 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 14. Juni 2017 Drucksache 18/0394

zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0018

Zweite Lesung

in Verbindung mit

lfd. Nr. 37:

a) Volksentscheid „Berlin braucht Tegel“ – Vorschlag des Abgeordnetenhauses

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0369

hierzu:

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 14. Juni 2017 Drucksache 18/0399

b) Stellungnahme des Abgeordnetenhauses von Berlin zum Volksentscheid „Berlin braucht Tegel“ über den Weiterbetrieb des Flughafens Berlin-Tegel „Otto Lilienthal“ (TXL)

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf

(Präsident Ralf Wieland)

Annahme einer Entschließung Drucksache 18/0391