Gernot Krasselt

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Last Statements

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir die UN-Richtlinie 2102 aus 2016 umsetzen. Unklarheiten, die es im Zusammenhang mit dem SSG gegeben hat, konnten ausgeräumt werden. Wir haben mit dem SSG noch einmal Rücksprache genommen, sodass wir im Wesentlichen keine Kostenbelastung für die Kommunen sehen und diese so im Gesetz auch nicht vornehmen. Den übrigen Text gebe ich gern zu Protokoll. – Vielen Dank.
Unser Ziel ist es, die rasant voranschreitende Digitalisierung menschenfreundlich zu gestalten, sodass alle davon profitieren und wir niemanden zurücklassen, insbesondere und gerade die Menschen mit Behinderung, die noch deutlich intensiver im Web unterwegs sind als nicht Behinderte.
Das Internet ist für viele von uns inzwischen selbstverständlich. Das sollte es für alle Menschen sein, die es wollen. Unnötige Barrieren gilt es zu beseitigen. Es bestimmt den Pulsschlag unserer Gesellschaft, und das, obwohl das World Wide Web erst 30 Jahre alt ist. Tatsache ist aber, dass Menschen mit Behinderung sich das Internet noch nicht vollumfänglich zunutze machen können, weil dies noch durch unnötige Barrieren verhindert wird. Dem begegnet die oben genannte EU-Richtlinie 2102 vom Oktober 2016, die wir mit unserem Gesetzentwurf umsetzen wollen.
Wir als CDU setzen uns für ethische Normen auch online ein, sodass unter anderem blinde und sehbehinderte Menschen mehr als bisher alle Vorteile des Internets nutzen können.
Öffentliche Stellen – Gerichte, Polizeidienststellen, Krankenhäuser, Universitäten usw. – müssen dabei beispielhaft vorangehen. Das bedeutet unter anderem gute Lesbarkeit von Texten, entsprechende Bedienoberflächen, leicht verständliche Sprache, gut erkennbare Bilder und barrierefreie Formulare. Von dieser EU-Richtlinie profitieren auch Menschen, bei denen im Laufe der Jahre – also schleichend – Sehschwäche entsteht.
Für uns steht fest: Die Digitalisierung ist eine große Chance für unsere Gesellschaft, und wir werden diese Transformation nur dann meistern, wenn wir die Barrierefreiheit auch online realisieren. Menschen mit Behinderung müssen sich auf allen Seiten problemlos orientieren können, denn sie gehören mit aller Selbstverständlichkeit zu unserer Gesellschaft, nicht zuletzt auch im Sinne der Zufriedenheit aller Nutzer.
Deshalb ist diese EU-Richtlinie so bedeutend – und zwar nicht nur für Menschen mit Behinderung, sondern für unsere Gesellschaft insgesamt. Wir müssen bei den landesrechtlichen Diskussionen den EU-Kontext einbeziehen. In manchen Ländern der EU ist das Thema Barrierefreiheit in der politischen Debatte noch deutlich unterrepräsentiert. Es geht also nicht zuletzt darum, den Selbstanspruch der EU im Bereich der Barrierefreiheit deutlich zu machen und die Gesetze in Europa zu harmonisieren.
Es gilt mehr Bewusstsein für das Thema zu schaffen, und zwar für Barrierefreiheit allgemein. Sie ist im Bereich der Digitalisierung ein zum Teil sehr technisches Thema und hat viel mit assistiven Technologien zu tun. Manche öffentlichen Stellen befinden sich in einem Lernprozess und erweitern ihre Angebote. Das ist sehr gut, aber noch
nicht ausreichend. Ich will aber auch betonen, dass ich nicht den Eindruck habe, dass seitens der öffentlichen Stellen etwa Beratungsresistenz herrscht oder dass sie sich wehren und mit dem Thema nichts zu tun haben wollen, im Gegenteil. Die Bereitschaft, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, ist vorhanden. Das macht auch die Bundesfachstelle Barrierefreiheit deutlich.
Natürlich ist es auch erforderlich, den Stand der Barrierefreiheit kontinuierlich zu überwachen. Nur so können wir die Inklusion im Internet fördern und das Tempo erhöhen. Deshalb soll eine Überwachungsstelle bei der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig etabliert werden. Natürlich ist zu beachten, mit welcher finanziellen Belastung die Umsetzung der EU-Richtlinie verbunden ist. Sie betrifft alle Kommunen, und wir als Kommunalpartei verstehen die Sorgen der Kommunen an dieser Stelle, nicht überfordert zu werden. Wir müssen die Sorgen ernst nehmen, aber auch deutlich machen, dass die EURichtlinie ausbalanciert ist und klare Ausnahmeregelungen enthält. Im Gespräch mit dem SSG konnten die Sorgen nahezu vollständig ausgeräumt werden. Zudem: Die Deutsche Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig wird unter anderem Schulungen für barrierefreie Gestaltung von Webseiten anbieten.
Für uns ist klar: Mit der EU-Richtlinie haben wir in Europa einen deutlichen Fortschritt in Richtung Inklusion erreicht.
Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Ich bin den Koalitionsfraktionen dankbar dafür, dass sie diesen Gesetzentwurf in den Landtag einbringen.
Ich teile das dahinter liegende Ziel, in unserer Gesellschaft allen Menschen – ob mit oder ohne Behinderung – gleichermaßen Rechte, Chancen und Möglichkeiten der Teilhabe auch im digitalen Bereich zu eröffnen.
Das „Wie?“ dahinter ist oft mühsam. Vorschriften, überholte Gesetze, fehlende technische Möglichkeiten und manchmal auch Unverständnis für die Notwendigkeit begegnen uns leider immer wieder.
Es ist, ehrlich gesagt, auch bedauerlich, dass es einer EURichtlinie bedarf, damit wir das eigentlich Selbstverständliche in Europa umsetzen.
Die EU-Richtlinie ist nun aber ein guter und wichtiger Schritt hin zu mehr Barrierefreiheit auch in Zukunft. Ein Schritt, der wie ich finde, anderen Mut machen kann, weitere Schritte zu gehen – so, wie es auch mit dem Inklusionsgesetz angedacht ist.
Die Umsetzung von Barrierefreiheit auf den Webseiten der Staatsregierung ist auch ein gelungenes Beispiel für den guten und gewinnbringenden Austausch mit dem Behindertenbeauftragten der Staatsregierung, Herrn Pöhle
und seinem Team. Ihnen danke ich ganz herzlich für Ihren Einsatz.
Und wir wollen die Zusammenarbeit mit ihm stärken. Daher wollen wir seine Aufgaben noch mehr als Querschnittsaufgabe gestalten, die an allen Stellen unserer politischen Arbeit ansetzt: bei den Finanzen, genauso wie im Verkehrs- oder Bildungsbereich. Dazu werden wir seine Aufgabe in die Staatskanzlei verlagern.
Was bringt nun das Gesetz aus Sicht der Staatsregierung?
Bis 2022 sollen alle staatlichen und kommunalen Verwaltungsdienstleistungen in Sachsen online angeboten werden.
Klar ist: Sie müssen auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich sein.
Dafür schafft dieser Gesetzentwurf die Voraussetzungen. Die getroffenen Vorkehrungen sollen Menschen mit Behinderungen die Teilhabe an digitalen Angeboten öffentlicher Stellen erleichtern. Und sie geben ihnen Möglichkeiten für die Durchsetzung ihres Rechts auf Onlinezugang zur Verwaltung.
Das Gesetz gilt für die staatlichen Behörden, die der Aufsicht des Freistaates Sachsen unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, aber auch für juristische Personen des Privatrechts, an denen öffentliche Stellen beteiligt sind oder die von öffentlichen Stellen überwiegend finanziert werden.
Es gilt für Schulen, Kindergärten und Kinderkrippen nur, soweit Websites und mobile Anwendungen sich auf wesentliche Online-Verwaltungsfunktionen beziehen. Die vorgesehenen Ausnahmen sollen Einrichtungen entlasten, die nur wenige öffentliche Aufgaben wahrnehmen.
Das Gesetz verpflichtet die unter den Anwendungsbereich fallenden öffentlichen Stellen, Webseiten und mobile Anwendungen barrierefrei zu gestalten.
Zu den Webseiten gehört künftig auch das Intranet. Unterschiedliche Barrierefreiheitsanforderungen an Internet- und Intranetseiten werden aufgegeben.
Für die technischen Anforderungen verweist das Gesetz auf die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung des Bundes (BITV 2.0). Erforderliche Anpassungen der BITV 2.0 auf Bundesebene infolge der Richtlinie gelten durch die dynamische Verweisung unmittelbar in Sachsen. Darüber hinausgehend können Erläuterungen in leichter Sprache zusätzlich auf Webseiten bereitgestellt werden.
Da die Herstellung der Barrierefreiheit erhebliche Aufwände zur Folge haben kann, sieht der Entwurf für Fälle unverhältnismäßiger Belastung öffentlicher Stellen eine Ausnahmeregelung vor. Der Entwurf regelt darüber hinaus zwingende Verfahrensfragen, die sich aus der EURichtlinie ergeben.
Die Behörden werden zur Veröffentlichung einer Erklärung zur Barrierefreiheit für jede Website verpflichtet.
Vorgesehen ist auch die Einrichtung einer Überwachungsstelle für Barrierefreiheit. Diese wird beim Staatsbetrieb „Deutsche Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig“ angesiedelt sein. Sie überwacht die Umsetzung der Verpflichtungen durch die öffentlichen Stellen und bereitet den turnusmäßigen Bericht an die Bundesregierung vor. Ebenfalls vorgesehen ist ein Durchsetzungsverfahren, mit dem die Betroffenen ihre Rechte wahrnehmen können.
Dafür zuständig wird die Geschäftsstelle des Beauftragten der Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen sein. An diese Stelle können sich Bürger wenden, wenn sie von der jeweiligen öffentlichen Stelle keine befriedigende Antwort auf ihre Anfragen wegen mangelnder Barrierefreiheit und nicht zugänglicher Informationen erhalten haben.
Für die Überwachungsstelle und die zuständige Stelle für das Durchsetzungsverfahren sind 3 zusätzliche Stellen eingeplant.
Der Gesetzentwurf sieht außerdem eine Verordnungsermächtigung für die SK vor. Sie soll in Einvernehmen mit SMS, SMK und SMWK die konkreten Anforderungen an die Erklärung zur Barrierefreiheit, die Einzelheiten des Überwachungsverfahrens und des Durchsetzungsverfahrens sowie eventuell erforderliche Ausnahmen regeln.
Die Verordnung soll zügig nach Erlass des Gesetzes erstellt werden, um Menschen mit Behinderungen die Durchsetzung Ihrer Rechte zu ermöglichen.
Aber bis dahin wollen und werden wir nicht warten. Ich habe kürzlich meine Kolleginnen und Kollegen in einem Schreiben gebeten, sich auch schon vor der gesetzlichen Umsetzung der Richtlinie verstärkt und aktiv für die Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen im Freistaat Sachsen einzusetzen und die Mitarbeiter entsprechend zu sensibilisieren.
Außerdem wird die Staatskanzlei die barrierefreie Gestaltung des Internetangebotes unter www.sachsen.de und des Serviceportals Amt24 konsequent vorantreiben.
Ich danke den Koalitionsfraktionen ausdrücklich, dass sie unsere Formulierungshilfe aufgegriffen und den Gesetzentwurf eingebracht haben. Mit dem Gesetz wird in einem weiteren Bereich des öffentlichen Lebens unseren Mitmenschen mit Behinderungen die Teilhabe leichter gemacht.
Man könnte die Barrierefreiheit unserer E-GovernmentDienste als digitale Variante unseres Investitionsprogramms „Barrierefreies Bauen – Lieblingsplätze für alle“ sehen. Für den Abbau von Barrieren im öffentlichen Raum, die ganz konkret die Teilhabe erschweren, stehen in diesem Jahr im Etat des SMS 3 Millionen Euro bereit. Aus den genannten Gründen bitte ich Sie daher um breite Zustimmung und auch darum, als Gesetzgeber auch künftig die Inklusion als ein zentrales gesellschaftspolitisches Anliegen weiter zu stärken.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Haben Sie keine Sorge, es wird eine ganz kurze Sache. Ich spreche außerdem nur zu Band II und ergänze insofern, was mein Finanzkollege Sven Liebhauser vorgestellt hat.
Kommunale Selbstverwaltung ist ein hohes Gut einer funktionierenden Demokratie. Man muss sich natürlich im Rahmen der bestehenden Gesetze bewegen. Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler, oftmals völlig unabsichtlich. Der Sächsische Rechnungshof prüft das kommunale Handeln natürlich nur stichprobenartig. Aufgespürte Fehler sollen dazu führen, dass die Kommunen zukünftig konzentrierter und besser arbeiten und diese Fehler abstellen.
Seit vielen Jahren beschäftige ich mich hauptsächlich mit Band II, besonders mit dem Ergebnis der überörtlichen Prüfung der Kommunalfinanzen. Dieses Jahr hat der Sächsische Rechnungshof – Herr Präsident, mein herzliches Dankeschön an Sie und Ihre Mitarbeiter – so gut, so umsichtig und so sachlich gearbeitet, wie ich es nicht anders kenne. Vielen Dank dafür.
Der Rechnungshof leistet damit einen erheblichen Beitrag zu einer funktionierenden Demokratie. Ich glaube, viele Länder wären stolz auf das, was wir hier leisten.
Die meisten Kommunen nehmen die Feststellung nach Rücksprache auch sehr ernst und versuchen, die Fehler in Zukunft abzustellen. Dennoch muss ich kritisch feststellen, dass einfache Fehler nach 28 Jahren kommunaler Selbstverwaltung bei konzentrierter Arbeit eigentlich nicht mehr passieren dürften. Kernprobleme sind nach wie vor die Umsetzung der Doppik, eine fehlende Prü
fung der Eröffnungsbilanzen und infolgedessen fehlende Jahresabschlüsse.
Positiv ist, dass die Schulden der Kernhaushalte weiter gesunken sind, inzwischen auf unter 3 Milliarden Euro. Allerdings gilt das nicht für die Beteiligungsgesellschaften. Hier hakt es insbesondere am Beteiligungsmanagement. Die Kommunen nehmen diese Dinge nicht ernst genug und sind aufgefordert, das Beteiligungsmanagement unbedingt zu stärken.
Auch ich will kurz auf wachsende Sozialaufgaben eingehen. Sie sind ein Problem und in vielerlei Hinsicht nicht abwendbar, aber manches ist durch neue und bessere Wege selbstverständlich besser beherrschbar.
Abschließend möchte ich Ihnen noch einmal ganz besonders anempfehlen, Band II zu lesen. Ich weiß, Sie haben genügend anderes zu lesen, aber Sie erhalten dadurch einen fantastischen Überblick darüber, was unsere Kommunen leisten und was ihnen noch nicht gelingt.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete des sächsischen Parlamentes! Der Bundesgesetzgeber hat mit der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes normiert, dass die Länder zu dessen angemessener Umsetzung entsprechende Länderausführungsgesetze zu erarbeiten und zu verabschieden haben.
Auch aufgrund unseres heutigen sehr umfangreichen Programmes – wir sind beim Tagesordnungspunkt 11 von 21 Tagesordnungspunkten – möchte ich mich kurz fassen und nur auf das Wesentliche beschränken.
Die auf bundesgesetzlicher Ebene durch das Bundesteilhabegesetz vollzogene Trennung zwischen existenzsichernden Leistungen und Fachleistungen muss auf Landesebene nachvollzogen werden. Aufgabe der Länder gemäß § 94 Sozialgesetzbuch IX ist, die für die Durchführung des Sozialgesetzbuches IX, Teil 2, zuständigen Träger der Eingliederungshilfe zu bestimmen. Der Freistaat Sachsen wird gemäß § 94 Sozialgesetzbuch IX die kreisfreien Städte, die Landkreise und den Kommunalen Sozialverband als Träger der Eingliederungshilfe bestimmen. Das gestaffelte Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes bedingt auch eine gestaffelte Aufgabenübertragung auf die Träger der Eingliederungshilfe. Das ist wichtig, um die Notwendigkeit des Gesetzes noch einmal zu unterstreichen.
Mit dem Bundesteilhabegesetz ist in der Behindertenpolitik Deutschlands ein Paradigmenwechsel eingeleitet worden. Dieses Gesetz – davon bin ich zutiefst überzeugt – wird für die Menschen mit Behinderung eine deutliche Verbesserung ihrer Lebenslage bringen; denn es ist viel stärker personenzentriert, das heißt, der einzelne Mensch wird in den Mittelpunkt gerückt.
Natürlich führt eine solche umfassende Gesetzesänderung bei den Betroffenen zunächst zu einer gewissen Verunsicherung, zumal das Gesetzeswerk schrittweise bis zum Jahr 2020 eingeführt wird. Auch muss der Gesetzgeber bei so gravierenden Veränderungen in angemessener Zeit überprüfen, ob das Gesetz auch die Wirkung entfaltet, die der Gesetzgeber sich vorgestellt hat.
Das von mir Gesagte gilt ebenso für den uns heute zur Entscheidung vorliegenden Gesetzentwurf, der eine ganze
Reihe von Änderungen aus der Anhörung und der parlamentarischen Befassung des Ausgangsentwurfs enthält.
Selbstverständlich waren bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfes, seiner Anhörung im Ausschuss und vielen persönlichen Gesprächen die Menschen mit Behinderung über die Selbsthilfeorganisationen eingebunden. Eine nach meiner Einschätzung besonders wichtige Anregung und Bitte um Änderung betraf die Einrichtung einer Clearingstelle für die Streitfälle, aber nicht beim KSV. Die damit verbundenen Sorgen und Ängste der Menschen mit Behinderung kann man verstehen. Die Regierungsfraktionen haben sich mit dem Sozialministerium dazu positiv verständigen können, dieser wichtigen Bitte zu entsprechen.
Die Clearingstelle wird – so steht es im Gesetzentwurf – beim Beauftragten der Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung angesiedelt sein. Herr Pöhler soll strittige Entscheidungen nicht etwa korrigieren, sondern er soll koordinieren, dass die unterschiedlichen Auffassungen durch eine gerechte Beteiligung der jeweiligen Interessenvertreter möglichst ausgeglichen werden können. Unter seiner Federführung – davon bin ich überzeugt – wird das auch gelingen, aber sicherlich nicht in jedem Fall; denn das würde die Clearingstelle überfordern.
In den Änderungsanträgen ist sehr viel zum Kommunalen Sozialverband zu lesen. Es ist auch viel Sorge geäußert worden. Ich möchte deshalb abschließend zum Kommunalen Sozialverband nur einen Satz sagen: Er wird mir zu oft zu sehr verteufelt.
Im Kommunalen Sozialverband arbeiten Menschen sehr engagiert und gewissenhaft mit ihrem Direktor an der Spitze. Natürlich werden, wie immer, wo Menschen arbeiten, auch Fehler gemacht; auch bei uns selbst. Viele Jahre war ich Mitglied der Verbandsversammlung als Kreisrat des Kreises Mittelsachsen, sodass ich bei diesem Thema schon mitreden kann. Der Kommunale Sozialverband wird über den Verbandsausschuss und die Verbandsversammlung – vertreten sind alle Landkreise und die drei kreisfreien Städte durch ihre frei gewählten Abgeordneten – gesteuert, ist also völlig demokratisch. Wer den KSV schlechtredet, hat keine wirkliche Kenntnis über seine Struktur und redet gleichzeitig auch unsere Kreise und kreisfreien Städte schlecht.
Aber gerade weil uns die Menschen mit Behinderung wirklich wichtig sind und wir ihre Sorgen und Bedenken
ernst nehmen, wird zum Beispiel die Clearingstelle nicht wie im ersten Gesetzentwurf beim KSV, sondern beim Beauftragten eingerichtet.
Selbstverständlich werden auch wir in einem angemessenen Zeitraum den heutigen Gesetzentwurf evaluieren und, wenn nötig, Veränderungen dem Parlament vorschlagen. Für heute bitte ich Sie um Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf und danke gleichzeitig für die Aufmerksamkeit zu später Stunde.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wenn wir heute das Zweite Gesetz zur Änderung des
Landesblindengeldgesetzes im Landtag beschließen, dann wird das signifikante finanzielle Verbesserungen der Nachteilsausgleiche für in besonderer Weise benachteiligte Menschen mit sich bringen.
Schon der Regierungsentwurf enthielt erhebliche Aufstockungen der finanziellen Unterstützung. In Zusammenarbeit der Parlamentarier von CDU und SPD, aber auch besonders der Ministerin Frau Klepsch konnte im Ergebnis der Gespräche mit den Betroffenen und vor allem der Anhörung im zuständigen Ausschuss nochmals eine deutliche Verbesserung erzielt werden. Allen daran Beteiligten mein ganz herzlicher Dank! Ich bin überzeugt davon, dass die Menschen mit erheblichen Sinnesbeein
trächtigungen diese Ausweitung der Unterstützung sehr verdient haben.
Die Mehrausgaben von etwas mehr als 3 Millionen Euro sind dabei auch für 2018 haushalterisch abgesichert. Ich weiß, dass diese Tatsache für manche nicht wirklich bedeutend ist. Für mich kann aber ein gesundes Staatswesen auf Dauer nur so funktionieren.
Die erhöhten Nachteilsausgleiche werden bei Zustimmung zum oben genannten Gesetzentwurf, um die ich Sie ganz herzlich bitte, bereits ab dem 01.01.2018 gewährt.
Lassen Sie mich an dieser Stelle aber sagen, dass es in erster Linie das Verdienst der vielen jeden Tag tätigen Menschen in unserem Land ist, dass wir als Parlament eine solche Unterstützung gewähren können. Sie erarbeiten das Geld, das wir verteilen dürfen,
auch wenn wir für die angesprochene Erhöhung sicher ein sehr hohes Maß an Zustimmung erhalten würden.
Das ursprüngliche Gesetz stammt aus dem Jahr 1992. Dieses Zweite Änderungsgesetz wurde nötig, weil eine Anpassung an das neue Pflegekraftstärkungsgesetz, das seit dem 01.01.2017 gilt, erforderlich ist.
Für die betroffenen Menschen ist es besonders wichtig, was sich tatsächlich ändert. Lassen Sie mich zum besseren Verständnis hinzufügen, dass der Änderungsantrag der CDU- und SPD-Fraktion, der im zuständigen Ausschuss die nötige Mehrheit fand, schon inbegriffen ist und dass es sich um freiwillige Leistungen des Freistaates handelt.
Das Landesblindengeld wird auf monatlich 350 Euro angehoben. Für hochgradig sehbehinderte Menschen wird es zukünftig einen Nachteilsausgleich von 80 Euro geben. Auch für gehörlose Menschen, deren Benachteiligung im Leben häufig unterschätzt wird, wird der Nachteilsausgleich um 30 % auf 130 Euro im Monat angehoben. Für besonders wichtig halte ich die Verbesserung für schwerstbehinderte Kinder. Sie erhalten zukünftig monatlich 100 Euro.
In ganz besonderer Weise benachteiligt sind Menschen, bei denen gleich zwei auf Ferne und Kommunikation ausgerichtete Sinnesorgane ihre eigentliche Aufgabe nicht erfüllen. Es sind Menschen, die weder sehen noch hören können. Für uns im Plenum, die wir beides können, ist das wirklich nicht nachvollziehbar. Für so extrem von Nachteilen Betroffene wird neben dem Blindengeld von 350 Euro im Monat zusätzlich ein Betrag von 300 Euro ab dem 01.01.2018 gewährt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, damit die betroffenen Menschen schnell in den Genuss der erhöhten Nachteilsausgleiche kommen können; denn es ist vieles an benötig
ter Unterstützung im angesprochenen Zeitraum deutlich teurer geworden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Ministerin, für die Ausführungen; sie waren sehr interessant. Was
mich besonders interessiert: Wie werden wir in Sachsen das Bundesteilhabegesetz jetzt ganz konkret in einzelnen Schritten umsetzen? Wird zum Beispiel der KSV die praktische Seite betreuen?
Sehr geehrte Frau Klepsch, ich möchte noch einmal auf das Bundesteilhabegesetz zurückkommen. Möglicherweise ist die Frage jetzt auch an ein anderes Ministerium gerichtet. Ich möchte trotzdem fragen. Mich haben zwei Zahlen etwas schockiert. Der Bund stellt 5 Milliarden Euro zur Verfügung. Üblicherweise erhält Sachsen 5 % davon, das wären 250 Millionen Euro. Sie sprachen von 50 Millionen Euro; das wären nur 1 %. Für mich beißt sich da irgendetwas. Sind die 5 Milliarden Euro grundsätzlich für Kommunen zur Entlastung oder geht es um das Bundesteilhabegesetz? Das habe ich nicht ganz verstanden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Georg-Ludwig von Breitenbuch und ich haben uns in die Aufgabe geteilt; deswegen muss ich noch einmal sprechen. – Ich möchte meinen Bericht damit beginnen, dass ich mich insbesondere beim Sächsischen Rechnungshof bedanke. Seit vielen Jahren beschäftige ich mich insbesondere mit dem Band II – Kommunalfinanzen – und damit mit den Ergebnissen der überörtlichen Kommunalprüfung. Man kann feststellen, dass der Rechnungshof nicht nur diesen Auftrag hervorragend erfüllt, sondern uns auch sehr detailliert über die Situation – übrigens über die finanzielle hinaus – der sächsischen Kommunen informiert. Dafür, Herr Präsident, möchte ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern ganz herzlich danken.
Damit werden unter anderem Unzulänglichkeiten in der Arbeit der Gebietskörperschaften aufgedeckt, die diese dann abstellen können. In Gesprächen mit Vertretern der Kommunen habe ich oft gehört, dass sie dankbar sind, wenn sie auf Unzulänglichkeiten hingewiesen werden, und dass sie diese selbstverständlich abstellen.
Ich will zwei Punkte besonders ansprechen. Der erste ist die Einführung der Doppik. Der Sächsische Rechnungshof weist insbesondere auf Probleme bei der Einführung der Doppik hin. Zum Berichtszeitpunkt weisen 51 % der sächsischen kommunalen Gebietskörperschaften, die doppisch buchen, keine festgestellte Eröffnungsbilanz aus. Der Sächsische Rechnungshof weist zu Recht darauf hin, dass die Aufstellung und Feststellung von Eröffnungsbilanzen prioritär erfolgen muss und der Erfolg der Doppik-Einführung wesentlich davon abhängt. Gleichzeitig zeigt der Sächsische Rechnungshof, dass die Doppik gegenüber dem kameralen System deutlich den Substanzverzehr aufzeigt. An Sie von der AfD-Fraktion ist noch einmal die Information gerichtet: Wer den Werteverzehr seiner Kommunen nicht kennt, kann ihm auch nicht begegnen und muss sich nicht wundern, dass er ins Abseits gerät.
Sie sollten sich damit beschäftigen.
Was Sie sicherlich nicht wissen können: Bereits 2007 war bekannt, dass die Doppik eingeführt wird, und die Kommunen haben es viele Jahre schleifen lassen. Ich war zu dieser Zeit in einer Gebietskörperschaft und kenne das bestens. Es hieß, das werde man schon wieder zurücknehmen, und erst 2011/12, als es ernst wurde, hat man das auch begriffen. Das ist die Situation, die zu dieser Problemlage geführt hat.
Prof. Binus weist im Vorwort des Rechnungshofberichts darauf hin, dass ein bedenklicher Zustand eingetreten sei. Es ist unklar, ob die betroffenen Kommunen überhaupt valide Steuerungsinformationen für ihre Haushaltswirtschaft haben. Hier sollten die mahnenden Worte des Rechnungshofes in besonderem Maße beachtet werden. Mein Appell geht auch an die Rechtsaufsicht, dass sie diesem Thema viel mehr Aufmerksamkeit widmet.
Kommunale Verschuldung als zweiter Punkt. Der Sächsische Rechnungshof kommt in seiner Prüfung zu dem Schluss, dass sich die Schulden der Kommunen rückläufig entwickelt haben. Das tun sie übrigens seit Jahren. Der Schuldenstand der Beteiligungen aber ist von Zuwachs geprägt. Er kritisiert, dass etliche Kommunen Verbindlichkeiten aus den Kernhaushalten auslagern. Dies ist dann richtig, wenn es sachgerecht ist und wenn die Schulden dort hingehören. Zum 31.12.2015 sind rund 81 % Verschuldung aus den Kernhaushalten ausgelagert worden. Hier gilt es für die kommunalen Verantwortungsträger, zurückhaltend und vor allem sorgfältig zu agieren. Nicht alles, was rechtlich erlaubt ist, entspricht einer nachhaltigen Haushaltsführung. Auch hier sind insbesondere aus meiner Sicht die Rechtsaufsichtsbehörden aufgefordert, diese Problematik noch stärker als bisher in den Blick zu nehmen.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will unser heutiges Debattenthema auf „Luther heute“ kürzen.
Dennoch möchte ich vorab einige Gedanken zur Reformation vor 500 Jahren äußern. Es gab Vorläufer eines Martin Luther. Ich will an Jan Hus und John Wyclif erinnern. Es gab Zeitgenossen, die, wie ich denke, in diesem Zusammenhang genannt werden sollten: Ulrich Zwingli, Johannes Calvin und – ich denke, er war mehr als die rechte Hand von Martin Luther – Philipp Melanchthon.
Luther hat zu seiner Zeit die Kirche vom Kopf auf die Füße zurückgestellt. Der Glaube und die Bibel sind das Entscheidende, nicht Macht, Prunk und Unterdrückung. Luther hat die Christen zu Christen befreit. Jeder sollte Bildung haben, damit jeder in der Lage war, die Bibel selbst zu lesen, und sich nicht sagen lassen musste, was darin stehen könnte. Natürlich war der damals aufgekommene Buchdruck als Neuerung eine Grundvoraussetzung dafür, dass das Ganze so geschehen konnte.
In fünf Minuten kann man auf vieles, was gesagt werden müsste, nicht eingehen. Ich denke aber, dass wir zu Recht 500 Jahre Reformation feiern. Luther ist und bleibt die zentrale Symbolfigur dieser Zeit. Die großen Kirchentage in Berlin und Wittenberg, aber auch die in Leipzig, Erfurt, Weimar, Magdeburg und Dessau werden viel Zeit für Diskussionen bieten. Jeder kann sich dort ein erhebliches Maß an Bildung holen. Ich will daran erinnern, dass in deren Zentrum kein Kult um Luther stehen wird, sondern das Gemeinsame, das Miteinander, die Frage, was es heute heißt, Christ zu sein.
Im Zentrum der Reformationsfeiern steht die gemeinsame Geschichte der christlichen Kirchen, die Ökumene, die in den letzten Jahrzehnten enorm Fahrt aufgenommen hat. Heute ist in allen Christen das Verbindende viel deutlicher und klarer als Trennendes. Zu Christi Himmelfahrt werden aus diesem Grund in vielen deutschen Städten ökumenische Gottesdienste stattfinden. Altbischof
Joachim Reinelt sagte zum Evangelischen Kirchentag in Dresden auf den Elbwiesen sinngemäß: Das Verbindende ist so überbordend, dass das Trennende bis zur Unkenntlichkeit verschwommen ist. Recht hat er! Das ist die Zukunft der christlichen Kirchen.
Die Reformation – wir haben es bereits gehört – führte zu einer Bildungsrevolution. Ich weiß nicht, wo wir heute stünden, wenn es diese nicht gegeben hätte. Es ist sensationell, dass Martin Luther vor 500 Jahren sagte: „Auch Frauen sollen lesen und schreiben.“ Denken Sie an andere Länder dieser Welt und wo wir dort heute stehen!
Luther hat die deutsche Sprache zu dem entwickelt, was sie am Ende geworden ist – großartige Leistungen, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden können. Er hat die Freiheit der Christenmenschen gepredigt. Ich weiß nicht, ob uns in einem freien Land überhaupt klar ist, was das bedeutet. In Wittenberg wird es zum Kirchentag eine Weltausstellung zur Reformation geben. Die Welt ist eingeladen, zu diskutieren, christliche Wertvorstellungen zu leben, zu deuten und zu verbessern. Wo wären wir ohne die christlichen Wertstellungen wie die Bewahrung der Schöpfung?
Nächstenliebe, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Bescheidenheit, Frieden und Freiheit, und ganz besonders ist auch der Glaube für Christen ein wesentliches Element ihres Lebens. Bei allen Versuchen, den Glauben mit Wissen ad absurdum zu führen, müssen wir heute feststellen, dass es nicht funktioniert hat, und ich garantiere Ihnen: Das wird auch in Zukunft nicht funktionieren.
Kirche heute ist Mitmenschlichkeit, Hilfe für Schwächere, sind christliche Schulen und Krankenhäuser. Aber gerade auch in der Flüchtlingspolitik und in der Seelsorge haben die Kirchen bahnbrechende Arbeit geleistet.
Lassen Sie mich abschließend eines sagen, was den LINKEN besonders wehtun wird: Wie wäre wohl die friedliche Revolution in Deutschland ausgegangen, wenn nicht die Kirchen das Fundament gebildet und statt mit Kerzen in der Hand mit Waffen demonstriert hätten?
Es war die erste friedliche Revolution in der Welt. Herr Jalaß, Ihnen würde ich empfehlen, sich einmal mit der Thematik zu befassen, damit Sie nicht nur dummes Zeug daherreden.
Danke.
Danke, Herr Präsident! Frau Ministerin, das Bundesteilehabegesetz hat gegenüber dem ersten Entwurf erhebliche Änderungen erfahren. Gibt es Situationen zu unserem Landesaktionsplan, die wir im Landesaktionsplan noch nicht bedacht haben, bzw. wie sehen Sie die Verbindung beider Instrumente insgesamt?
Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich möchte noch einmal zur Behindertenpolitik zurückkommen. Wir haben das Bundesteilhabegesetz – ich meine, es muss noch durch den Bundesrat, aber ich denke, dass das passiert – und wir haben den Landesaktionsplan. Planen wir jetzt als sächsische Landesregierung ein Inklusions- und Teilhabegesetz? Wann ist damit zu rechnen, und wie würde die Beteiligung aussehen, ähnlich wie beim Landesaktionsplan?
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Titel unserer Debatte ist: „Behindert ist man nicht – behindert wird man!“. Ich denke, sehr geehrter Herr Wehner, Sie haben gerade sehr moderat begonnen. Wenn sich das in unserer Debatte so fortsetzt, würde mich das freuen; denn es war bei Themen der Behindertenproblematik bisher immer so. Bei allen unterschiedlichen Auffassungen, die wir aufgrund unserer Fraktionszugehörigkeit haben, war es doch eigentlich immer unser gemeinsames Ziel, Barrieren weiter abzubauen, Nachteile auszugleichen, die selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ständig zu erhöhen.
Ich will an dieser Stelle durchaus auch einmal sagen, dass sowohl Deutschland insgesamt als auch Sachsen im Rahmen ihrer Gesamtaufgaben eine ganze Menge für die Menschen mit Behinderungen tun. Das heißt nicht, dass wir irgendwann fertig wären oder dass wir alle berechtigten Wünsche schon erfüllt hätten.
Engagement und Leistung sind scheinbar immer zu wenig. Auf Lücken aufmerksam zu machen, neue Ziele zu formulieren, ist und muss selbstverständlich unsere Aufgabe bleiben. Falsch wäre es freilich, das Erreichte kleinzureden. Und das haben Sie dankenswerterweise auch nicht getan. Das ist richtig.
Das Bundesteilhabegesetz – bzw. was nun das neueste Ergebnis auf diesem Wege ist – regelt tatsächlich längst nicht alles. Das zu behaupten wäre falsch. Auch wenn die Länder – Sie sagten es – eine ganze Menge nachgebessert haben, es bleiben Wünsche und es bleiben Lücken.
Nun muss man fairerweise sagen: Es war nicht das Ziel des Bundesgesetzgebers, das Bundesteilhabegesetz so auszuarbeiten, dass alles geklärt wäre. Entscheidend war zunächst, unter Beachtung der UN-Behindertenrechtskonvention einen Paradigmenwechsel herbeizuführen. Ich denke, das wurde tatsächlich auch erreicht.
Sicher war eine relativ hohe Erwartung, vielleicht eine zu hohe Erwartung mit dem Gesetz verbunden. Wenn Erwartungen einmal bestehen und nicht erfüllt werden, dann gibt es auch Enttäuschungen.
Ich will an dieser Stelle aber auch einmal ein paar sehr positive Veränderungen dieses Gesetzes darstellen, weil es wichtig ist festzustellen, dass wir wieder einen guten Schritt vorangekommen sind. Ich denke, es muss auch heute in unserer Debatte eine Rolle spielen, dass wir einfach feststellen, was erreicht worden ist.
Die Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderungen wird aus meiner Sicht nachhaltig verbessert. Dafür werden auch zusätzliche Mittel bereitgestellt. Allerdings – das will ich hier auch in aller Ehrlichkeit sagen – gab es von vornherein die Festlegung: keine zusätzliche Ausgabendynamik. Die zusätzlichen Mittel in Höhe von
5 Milliarden Euro sind aber wiederum kein Pappenstiel. Auch das sollte man sagen.
Die Eingliederungshilfe wird aus dem SGB XII – Sozialhilfe – herausgelöst und in den neuen Teil 2 des SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe – eingebaut. Ich denke, das ist ein ganz wichtiger und richtiger Schritt im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention.
Es wird drei Reformstufen geben. Der Abschluss wird am 1. Januar 2020 sein.
Mit dem Gesetz werden Rechtsklarheit und die Schärfung des Bewusstseins für Menschen mit Behinderungen im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention geschaffen. Die Rechtsklarheit und die Schärfung des Bewusstseins sind wichtige Elemente.
Für sehr wichtig halte ich auch die präventiven Modellvorhaben für frühzeitige Unterstützungsangebote bei drohender Behinderung; denn genau für das, was im Titel steht, „behindern verhindern“, ist das ein guter Ansatz. Dass dies nicht zu 100 % erreicht werden wird, ist klar. Aber der Ansatz, sich das zum Ziel zu nehmen, ist völlig richtig.
Klare Rechtszuständigkeiten und Leistungsgewährung aus einer Hand sollen erreicht werden. Wenn das gelingt – Hut ab! Das wäre großartig.
Danke. – Die Stärkung der Position der Leistungsberechtigten gegenüber den Leistungserbringern soll erreicht werden.
Ich denke, wir werden eine zweite Runde haben. Den Teil, den ich noch sagen will, werde ich dann anfügen.
Herzlichen Dank bis hierhin.
Werte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weil das vielleicht vorhin nicht ganz deutlich geworden ist, will ich noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Wir reden hier über ein Bundesgesetz, kein sächsisches Gesetz. Es geht mir vor allem darum, dass Zuhörer außerhalb dieses Raumes das noch einmal hören. Dass wir es nicht umfassend besprechen können, ist selbstverständlich. Das würde auch die Aktuelle Debatte nicht hergeben, wenn wir sie diesbezüglich bis zum Nachmittag weiterführten. Aber wichtige Dinge zu sagen ist hier angebracht und auch richtig.
Dass Verbände massiv protestiert haben, dass die Länder interveniert haben, dass es spektakuläre Aktionen gab, damit das auch in den Medien widerhallt – Entschuldigung, meine Damen und Herren, das ist doch selbstverständlich. Wir leben in einer Demokratie – Gott sei Dank ist das möglich –, und das führt zu Veränderungen. Das zeichnet eine Demokratie aus. Vielleicht sollten wir uns an dieser Stelle wieder einmal bewusst machen, wie wichtig und wie richtig das ist.
Unabhängig davon: So berechtigt alle Forderungen sind, hinter denen ich auch stehe, es muss für ein Land immer beherrschbar bleiben. Ich will jetzt nicht ärmere Länder anführen, wo sie an diesem Punkt stehen. Ich denke, wir haben ein akzeptables Level erreicht und gehen wieder einen Schritt nach vorn. Das wird auch nicht der letzte bleiben – selbstverständlich.
Ich will noch einmal zu dem Problem „ein bisschen Geld“ kommen. Sie haben 5 Milliarden Euro mehr dafür ausgegeben. Ich halte das für sehr viel Geld. Das nehmen wir auch nicht aus der Druckerei, sondern dafür gehen Menschen jeden Tag auf Arbeit, und wir nehmen es in Form von Steuern vorher weg. Wir sollten das bitte nicht
vergessen. Ich halte es auch nicht für einen kleinen Schritt, Herr Zschocke. Aber das ist sicherlich die Unterschiedlichkeit, mit der wir an diese Sache herangehen. Mein Glas ist halb voll, wenn Ihres noch halb leer ist.
Paradigmenwechsel. Ich halte es für einen Paradigmenwechsel, weil viele Dinge grundlegend geändert werden. Ich will noch ein Beispiel nennen, das ich vorhin nicht zu Ende führen konnte, bei dem deutlich wird, was erreicht wird, was die Menschen mir immer wieder seit Jahren anheimgegeben haben. Dass wir die Sachverhalte prüfen werden, wie das Gesetz seine Wirkung entfalten wird, ist doch nicht mehr als natürlich. Gesetze sind nur so gut, wie sie von den Menschen, die sie umsetzen, umgesetzt werden. Wir erleben Pfusch am Bau. Wir erleben Pfusch bei Ärzten. Warum soll es nicht auch hier Probleme geben? Aber es ist unsere vornehmste Pflicht, aufmerksam zu sein und für Verbesserungen zu sorgen, wenn sie denn nötig sind.
Ich möchte noch einmal einen Punkt herausgreifen, um deutlich zu machen, welche Verbesserungen es hier gibt. Wir haben in den Werkstätten für behinderte Menschen in etwa 350 000 Beschäftigte. Ziel ist es immer, einen Übergang von diesen Werkstätten zum freien Arbeitsmarkt zu schaffen. Dieser Übergang liegt gegenwärtig bei weit unter einem Prozent. Dafür gibt es ein ganz entscheidendes Hemmnis. Wer heraus ist, ist heraus. Die Wiedereingliederung ist ein komplizierter Prozess. Das ist erkannt. Die Rückkehr in die Werkstatt für behinderte Menschen wird möglich.
Ich erhoffe mir, dass dadurch der Übergang aus den Werkstätten deutlich entschärft wird. Auch die unbefristeten Lohnkostenzuschüsse, die es zukünftig geben wird, um dem Arbeitgeber gegenüber einen Ausgleich für dauerhafte Minderleistungen zu finanzieren, damit er die Kraft und den Mut hat, solche Menschen zu beschäftigen, sind ein weiteres gutes Ergebnis.
Ich denke, wir sind uns relativ schnell einig: Selbstbestimmtes Leben verlangt auch, dass ich mein Geld dort, wo es möglich ist, selbst erarbeiten kann. Meine Damen und Herren, wir sollten bei der Wirkung dieses Gesetzes nicht zu ängstlich sein und es auch nicht mit zu vielen Forderungen überfrachten. Ich hoffe – das steht noch aus –, dass der Bundesrat zustimmt; denn es ist ein wirklich wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Ich wiederhole es, damit es ganz deutlich bleibt: Das ist ein Schritt und längst nicht der letzte.
Herzlichen Dank.
Entschuldigung! Aufgerufen wurde ich, aber ein dringendes menschliches Bedürfnis hat mich abgehalten, rechtzeitig da zu sein. Es war sehr knapp, aber ich habe es nicht geschafft. Ich würde gern noch mit Nein stimmen.
Im Raum war ich schon, aber noch kurz vor der Tür.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Gesetz zur Änderung des Landesblindengeldgesetzes ist unser Tagesordnungspunkt. Das Zweite Pflegestärkungsgesetz bringt zum 01.01.2017 Änderungen. Unter anderem werden aus bisher drei Pflegestufen fünf Pflegegrade. Daran ist unser Landesblindengeldgesetz anzupassen. In diesem Zusammenhang wird das Landesblindengeld moderat auf 350 Euro monatlich angehoben. Allerdings bleiben gegenwärtig andere Nachteilsausgleiche unberücksichtigt. Grund dafür ist der recht geringe Zeitrahmen, der zur Verfügung stand, um dieses Gesetz zu verabschieden. Insbesondere sollten Sachverhalte des in Bearbeitung befindlichen Bundesteilhabegesetzes berücksichtigt werden, die gegebenenfalls eine Rolle spielen könnten.
Allerdings wird der sehr geringe Zeitrahmen – das Gesetz soll am 01.01.2017 in Kraft treten, um unnötige Rückrechnungen des Landesblindengeldes zu vermeiden – nicht dazu führen, andere Nachteilsausgleiche zum Beispiel für hochgradig Sehbehinderte, Gehörlose oder schwerstbehinderte Kinder zu vergessen.
Frau Ministerin Klepsch hat in der Sitzung des Ausschusses für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration zugesagt, noch bis zur Sommerpause die Nachteilsausgleiche der genannten Behinderten zu prüfen, im Ausschuss vorzustellen und zu beraten sowie gegebenenfalls einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.
In diesem Zusammenhang ist auch über die Nachteilsausgleiche für Taubblinde zu sprechen, und es sind gegebenenfalls Entscheidungen zu treffen.
Dass es sich dabei nicht um ein Lippenbekenntnis handelt, mögen Sie daraus erkennen, dass die finanziellen Mittel, die dafür gebraucht werden, im Haushalt 2018
eingestellt sind. Insofern bitte ich Sie ganz herzlich um Zustimmung zu diesem Gesetz.
Das war es von mir in aller Kürze dazu.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Wendt, ich nehme an, der Himmel ist schwarz – zumindest interpretieren Sie das so. Für mich ist und bleibt er blau. Aber ich komme zu dem, was Sie vorgelegt haben.
Die Wolken würde ich auch noch als weiß akzeptieren, aber schwarz ist er trotzdem nicht.
Der vorliegende Gesetzentwurf der AfD-Fraktion erscheint beim ersten Lesen durchaus überlegenswert; denn er hat zum Ziel, eine scheinbare Lücke der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu schließen. Leistungen für Menschen mit nicht unerheblichen Sehbehinderungen zu erbringen lässt sich politisch sehr gut verkaufen. Leider bleibt nahezu immer unerwähnt, dass diese Mehrleistungen von allen Bürgerinnen und Bürgern zu erbringen sind, die die Werte erarbeiten und Steuern und Beiträge zahlen, von denen wir alle tagtäglich leben. Wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, verteilen nur um.
Nun zum eigentlichen Sachverhalt: Die gesetzliche Krankenversicherung zahlt Zuschüsse bei Sehbehinderung bis zum 18. Lebensjahr. Das heißt, Kinder und Jugendliche, die noch nicht für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen können, sind nicht betroffen. Tatsächlich besteht danach nur noch ein Leistungsanspruch auf Sehhilfe, wenn aufgrund einer Sehschwäche auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 vorliegt. Das heißt, die Sehleistung bei bestmöglicher Korrektur ist kleiner oder gleich 0,3 auf beiden Augen.
Die Intention der AfD-Fraktion ist es nun, für relativ finanzschwache Betroffene eine Unterstützung zu gewähren. Zu diesem Gesetzentwurf hat es selbstverständlich im zuständigen Ausschuss eine Anhörung gegeben. Herr Wendt erwähnte das. In dieser Anhörung wurde deutlich, warum dieser Vorstoß der AfD zurückzuweisen ist.
Die Gesetzgebungskompetenz – ich denke, das hat Ihr Sachverständiger sehr klar und eindeutig auch auf Ihre Nachfrage hin beantwortet – liegt ausschließlich beim Bund und nicht beim Land. Der § 33 Hilfsmittel des SGB V hat auch nicht versehentlich eine entsprechende Regelung nicht aufgenommen, sondern diese scheinbare Lücke bewusst im Gesetz etabliert. Es ist aus meiner Sicht heute müßig, hier und jetzt darüber zu spekulieren, welche Gründe es damals dafür gab. Dazu sollten wir die Damen und Herren Bundestagsabgeordneten fragen, die diesem Gesetz zugestimmt haben.
Warum Sie aber, meine Damen und Herren von der AfD, diesen Gesetzentwurf dennoch trotz Ihres Sachverständigen, der das zurückgewiesen hat, im Plenum zur Endabstimmung einbringen, obwohl die Anhörung klar die ausschließliche Gesetzkompetenz beim Bund festgestellt hat, bleibt Ihr Geheimnis. Leider komme ich nicht umhin, Populismus dahinter zu vermuten.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass dennoch kein Betroffener auf entsprechende Sehhilfsmittel verzichten muss, weil mindestens – wie Sie es erwähnten – ein Darlehen entweder vom Jobcenter oder vom Sozialamt je nach Zuständigkeit gewährt wird. Ja, ein Darlehen ist zurückzuzahlen. Aber es muss tatsächlich keiner sein Leben mit erheblichen Seheinschränkungen meistern.
Ich darf einen anderen Sachverständigen, einen Praktiker zitieren, der in der oben erwähnten Anhörung zum Ausdruck brachte, dass es aus seiner Sicht bisher immer eine Lösung gab.
Vielen Dank.
Da ich nur sehr kurz sprechen möchte, Herr Präsident, würde ich das gerne gleich von hier aus tun.
Als Redebeitrag. – Herr Wendt, Sie haben offensichtlich nicht ganz zugehört. Alle haben durchaus gesagt, dass das, was Sie als Problem vorgetragen haben, überdenkenswert ist.
Der Weg über ein Gesetz ist aber der falsche. Das ist in der Anhörung so klar gesagt worden, dass Sie den Entwurf besser zurückgezogen hätten und sich besser über einen neuen Weg Gedanken machen müssten. Dann gibt es eine Möglichkeit. Aber mit dem Kopf durch die Wand zu wollen und ein Gesetz zu machen, das rechtlich nicht möglich ist, ist einfach der falsche Weg.
Danke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist für mich ein Novum: Im Allgemeinen ist die Behindertenthematik eher am Ende eines Plenartages dran. Dass sie ganz am Anfang steht, als Erste Aktuelle Debatte, ist großartig. Denn ich denke, die Behinderten in unserem Land haben das verdient.
Warum ich dieser Auffassung bin, werden Sie gleich hören.
Das Thema lautet: „Behindern verhindern – der Freistaat Sachsen auf dem Weg in die inklusive Gesellschaft“. Ich will sicherheitshalber damit beginnen, das schwierige Wort „Inklusion“ ins Deutsche zu übersetzen; nicht jeder ist im Umgang mit diesem Wort schon so geübt. Inklusion heißt selbstbestimmte Teilhabe – mit dem Schwergewicht auf „selbstbestimmt“. Das mag für alle Nichtbehinderten eine völlige Selbstverständlichkeit sein – für Behinderte ist es das nicht.
„Behindern verhindern“ meint genau das: Hindernisse, und zwar in allen Lebensbereichen, so weit abzubauen, zu eliminieren, wie es irgend geht, damit Behinderte eben nicht behindert sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit wir wissen, wovon wir reden: 400 000 Menschen in Sachsen haben einen Behinderungsgrad von 50 % und mehr. Wohnten diese zusammen in einer Stadt, hätte diese die Größenordnung von Chemnitz, Zwickau und Bautzen zusammengenommen. Das macht die Dimension deutlich, von der wir reden. Diesen Menschen so weit wie möglich und so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben zu erlauben – ich denke, darin sind wir uns einig –, das muss unser aller Ziel sein.
Natürlich müssen wir dabei auch das Machbare im Auge behalten. Ich will an dieser Stelle die UN-Behindertenrechtskonvention erwähnen, die im März 2009 für Deutschland verbindlich wurde. Ich denke, sie hat ein festeres und tragfähigeres Fundament für die Behindertenpolitik in ganz Deutschland und in Sachsen ausgebildet, als es vordem der Fall war.
Natürlich werden insbesondere Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, bei der Erarbeitung des Aktionsplans feststellen, dass Sachsen nicht gerade an der Spitze dieser Bewegung stand. Aber nach der Beratung im Rahmen einer interministeriellen Arbeitsgruppe – natürlich unter Hinzuziehung der Behindertenverbände – ist der Aktionsplan sozusagen auf der Zielgeraden. Wir werden ihn am Ende des Jahres 2016 haben. Damit verfügen wir dann über einen Fahrplan zur inklusiven Gesellschaft.
„Behindern verhindern“ bedeutet aber mehr. Es bedeutet gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit und Akzeptanz. Besonders deutlich ist mir das noch einmal bei der „Parade der Vielfalt“ geworden, die vor Kurzem in Dresden stattfand. Sie findet übrigens seit vielen Jahren hier statt. Es mögen etwa tausend Teilnehmer gewesen sein, Behinderte und Nichtbehinderte, die bewusst den Gang in die Öffentlichkeit gewagt haben und fröhlich und unglaublich diszipliniert durch die Innenstadt von Dresden gezogen sind. Am Ende stand ein gemeinsames Kaffeetrinken.
Für mich war folgende Szene sehr eindrücklich: Am Postplatz ließ man Luftballons in den Himmel steigen. Als der Zug sich wieder in Bewegung setzte, kam eine Straßenbahn. Sofort stoppte der Zug. Die netten beiden Polizisten, die dort standen, sagten: Sie müssen nicht stoppen. Heute haben Sie Vorrang! – Dann sagte der Polizist zu mir: Das wünschte ich mir bei anderen auch, diese Disziplin, dieses Verständnis.
Was ich am Rande auch festgestellt habe, war die Irritation bei vielen Passanten, durchaus verbunden mit einem gewissen Bedauern im Blick dieser Menschen. Deutlich wurde das Nichtwissen um Behinderung. Dieses fehlende Wissen geht oft mit der Frage einher: „Was können die denn alles nicht?“, wie gesagt, durchaus mit einem erheblichen Maß an Mitgefühl und Bedauern verbunden. Allerdings stellt sich kaum jemand Fragen wie: „Was
können die, was ich nicht kann?“ oder: „Was wissen die, was ich nicht weiß?“ Ich denke, die Dachkampagne des SMS setzt genau dort an: Behindern verhindern! Auch daran haben maßgebende Vertreter von Verbänden und Institutionen mitgearbeitet.
Dann sage ich den Rest einfach in der zweiten Runde.
Ich versuche dann, an dieser Stelle fortzusetzen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit bis hierhin.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich noch einmal auf die Kampagne eingehe, weil vorhin die Zeit nicht ausreichte, möchte ich noch ein paar Grundsätze darstellen. Die Schaffung einer inklusiven Gesellschaft wird immer ein Prozess sein und bleiben. Wir werden nie ein Ende erreichen. Ich denke, das ist uns allen klar.
Ich möchte es aber noch einmal deutlich sagen, damit es jedem klar ist: Bereits vor dem Jahr 2009 gab es im Freistaat eine verantwortliche Behindertenpolitik.
Ich möchte nur an die Behindertenwerkstätten erinnern, die es bis zum Jahr 1990 nicht gab. Sie gibt es inzwischen in erheblichem Maße. Es gibt viele weitere Beispiele. Natürlich hat die UN-Behindertenrechtskonvention – ich sagte es bereits – ein ganz neues, viel stärkeres und tragfähigeres Fundament gelegt.
Was mir bei der ganzen Debatte bisher ein bissschen unangenehm aufgefallen ist, ist der Beitrag der AfD, der sich hauptsächlich mit der Abgrenzung und Ausgrenzung beschäftigte. Wir müssen heute in erster Linie nicht darüber reden, was nicht möglich ist. Wir sollten versuchen zu sagen, was möglich ist.
Ich komme noch einmal zur Dachkampagne „Behindern verhindern“ des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales. Ich darf einmal aus der Medieninformation zitieren, da ich es besser nicht sagen könnte: „Die Kampagne ist frech – mit einem Augenzwinkern. Aussagen wie ‚Im Rollstuhl wissen, wie der Hase läuft!‘ oder ‚Ohne Hände den Stier bei den Hörnern packen!‘ sollen zum Nachdenken anregen. Sie ist Teil des Aktionsplanes der Sächsischen Staatsregierung zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention. Ziel ist es, die breite Öffentlichkeit für die Belange von Menschen mit Behinderungen zu sensibilisieren, um mittelfristig den Abbau von alltäglichen Hürden sowie Vorurteilen zu fördern.“ Ich kann den Organisatoren dieser Kampagne nur ganz herzlich danken und ihnen bescheinigen, dass die Kampagne originell ist.
Wenn das Wort „frech“ verwendet wird, dann ist nicht frech gemeint, sondern pfiffig. Es ist sehr pfiffig. Ich kann Plakate entwerfen. Davon stehen 100 Stück in einer Reihe, keines davon habe ich gesehen. Das aber sind Plakate, von denen nur eines hängen muss. Ich werde es sehen. Es ist eine tolle Kampagne. Damit kann man erreichen, das Bewusstsein in die Gesellschaft hineinzutragen.
Behinderungen sind auch Stärken. Ich sage einmal Folgendes ganz flapsig: Eine gewisse Behinderung hat doch letztendlich jeder. Ich gehöre zu denjenigen, die nicht besonders gut singen können. Wenn wir uns deutlich machen, dass nicht jeder alles kann, und lieber nachfragen, was andere können, dann sind wir auf einem guten Weg. Die Kampagne wird dazu in erheblichem Maße beitragen.
Ich finde die Ausführung originell und mutig. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann wir etwas Vergleichbares bisher hatten. Ich hoffe sehr, dass diese Kampagne entsprechend Anklang findet, etwas bewirkt und uns bei passender Gelegenheit etwas ähnlich Originelles einfallen möge.
Einen ganz herzlichen Dank an Sie, Frau Klepsch. An alle, die mitgewirkt haben, sage ich Folgendes: großartig.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will eigentlich nur zum Thema Rechnungshofbericht Band II, Kommunen, sprechen. Den ersten Teil hat bereits mein Kollege Patt absolviert. Ich muss aber trotzdem zu dem Letztgesagten noch ein paar Worte verlieren, weil es mich innerlich aufwühlt.
In wirtschaftlich so guten Jahren wie jetzt Geld in verschiedenen Fonds zurückzulegen, das ist verantwortliche Haushaltspolitik. Ich halte es für gut, dass es so gemacht wird. Die Klarheit dazu haben wir meines Erachtens; wir wissen alle Bescheid. Ich bin dem Finanzminister ausdrücklich dankbar, dass er das so macht;
denn es werden Jahre kommen, in denen wir froh sein werden, dass wir Geld zurückgelegt haben.
Jetzt aber zum Band II: Der Jahresbericht des Sächsischen Rechnungshofs, Band II, stellt wie immer sehr eindrucksvoll die Situation in den sächsischen Kommunen dar. Deshalb geht an dieser Stelle auch von mir ein ganz herzlicher Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesrechnungshofes, die wie immer genau und sehr präzise Stärken und natürlich besonders Schwächen unserer Städte und Kommunen untersucht haben. Natürlich kann es nicht meine Aufgabe sein, diese Feststellun
gen im Detail darzulegen. Ich will nur einige Schwerpunkte benennen.
Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass sich die finanzielle Situation unserer Kommunen in den Kernhaushalten zum wiederholten Mal verbessert hat. Die im gesamtdeutschen Maßstab sehr geringe Verschuldung konnte damit weiter reduziert werden, und dies trotz gestiegener Sozialausgaben und höherer Investitionen. Noch immer haben unsere Kommunen einen größeren Personalbestand als in den alten Bundesländern üblich. Diese Aussage berücksichtigt aber nicht die von unseren Kommunen zu erfüllenden Aufgaben. Erst ein Vergleich der erbrachten Leistungen lässt diesbezüglich eine qualifizierte Aussage zu; denn vor allem in den 1990er-Jahren ist der Personalbestand in den sächsischen Kommunen massiv reduziert worden.
Inzwischen ist die Doppik flächendeckend eingeführt. Unsere Kommunen haben sicherlich auch wegen des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes und der anfallenden Kosten die Umstellung nicht eben mit großem Enthusiasmus begonnen, sodass es zu nicht unerheblichem Verzug gekommen ist, auch wenn inzwischen alle auf gutem Wege sind. Der Rechnungshof stellt deshalb zu Recht fest, dass die Doppik viel besser geeignet ist, um die tatsächlichen Finanzsituationen in unseren Kommunen darzustellen, deutlicher, als es die kamerale Buchung zugelassen hätte. Diese Erkenntnis muss sich noch flächendeckend durchsetzen; aber ich bin überzeugt, dass dies in wenigen Jahren der Fall sein wird. Insofern ist auch über die Rechtsaufsichtsbehörden bis hin zum Innenministerium verstärkt darauf hinzuwirken, den Umstellungsprozess in überschaubarer Zeit zu einem gutem Abschluss zu bringen. Das heißt, noch fehlende örtliche und überörtliche Prüfungen der Eröffnungsbilanzen sind durchzuführen, um endgültig auf sachlich exakter Basis Jahresabschlüsse erstellen zu können.
Letzter Punkt: Besonders die kommunalen Eigengesellschaften und hierbei vor allem Wohnungsunternehmen und die Beteiligungsgesellschaften müssen aufgrund der Finanzverhältnisse und der Bevölkerungsentwicklung im kreisangehörigen Raum deutlich in unserem Blick bleiben, um Schieflagen rechtzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
Insgesamt ist aus meiner Sicht festzustellen: Die sächsischen Kommunen sind mehrheitlich gut aufgestellt. Sie erfüllen ihre Pflichtaufgaben sehr ordentlich und erbringen auch freiwillige Leistungen in guter Qualität und damit zur Zufriedenheit ihrer Bürgerinnen und Bürger.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auch von mir ein herzliches Willkommen den beiden Gebärdendolmetschern.
Gegenwärtig ist die Staatsregierung unter Federführung des sächsischen Sozialministeriums über eine interministerielle Arbeitsgruppe dabei, in fünf Arbeitsgruppen einen sächsischen Landesaktionsplan zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention zu erarbeiten.
Inklusion ist ein immer fortwährender Prozess, den es gilt, koordiniert und abgestimmt mit den Betroffenen immer besser und effizienter voranzubringen. In unserem Koalitionsvertrag ist zum Thema Inklusion genau das vereinbart. Ziel dieses Aktionsplanes ist es, strategische Ansätze und konkrete Handlungsmaßnahmen zur gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft, den Zeitraum
der Umsetzung, Verantwortlichkeiten und notwendige Kosten zu benennen.
Natürlich ist mit Hochdruck an der Erarbeitung dieses Planes zu arbeiten. Allerdings war der vereinbarte Termin zu seiner Vorlage mit dem 31. Dezember 2015 unrealistisch, wie wir heute wissen. Es waren gerade die Behindertenverbände, die mich schon vor einem Jahr baten, mehr Zeit zur Verfügung zu stellen und damit nicht zulasten der Qualität zu planen. Es ist ja gerade unser Ziel, so übergreifend unter Einbeziehung der Betroffenen und ihrer Verbände und natürlich externer Fachleute wie auch der kommunalen Spitzenverbände diesen Aktionsplan zu erarbeiten. Natürlich brauchen die Diskussionen untereinander und der gegenseitige Interessenausgleich Zeit, aber andererseits soll auch in absehbarer Zeit der Aktionsplan vorliegen.
Die Koalitionsfraktionen haben auch zu ihrer umfassenden Unterrichtung heute genau dazu einen Berichtsantrag in den Landtag eingebracht. Es soll damit erreicht werden, dass die Abgeordneten über den aktuellen Stand der Erarbeitung des sächsischen Landesaktionsplanes unterrichtet werden. Weitere Fragen sind: Auf welchen Grundlagen beruht die Erarbeitung des Planes? Sind die Betroffenen und ihre Verbände angemessen in die Planung einbezogen und ist das Erarbeitungstempo richtig gewählt? Gibt es darüber hinaus Mitwirkungsmöglichkeiten, und wie sehen diese aus? Welchen Arbeitsstand haben die
fünf thematisch arbeitenden Arbeitsgruppen erreicht und wie werden Querschnittsthemen behandelt? Wann kann realistisch mit der Vorlage des Landesaktionsplanes gerechnet werden?
Natürlich dürfen die Arbeiten zur Erstellung dieses Planes nicht zum Stillstand bei der weiteren Vertiefung der Inklusion in Sachsen führen. Auch in dieser Erarbeitungsphase gilt es, in geeigneter Weise Barrieren abzubauen; denn mehr Zeit für besser strukturierte und qualitativ höhere Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention darf nicht gleichzeitig Stillstand bedeuten. Deshalb ist auch die Frage zu beantworten, welche Maßnahmen in der Zwischenzeit Wirkung entfalten werden.
Mit dem 5. Bericht zur Lage der Menschen mit Behinderung liegt uns eine recht umfassende Situationsbeschreibung zum gegenwärtigen Status der Menschen mit Behinderung vor. Die Zahl 5 besagt dabei, dass es vier Vorgängerberichte – der erste ist aus dem Jahr 1994 – gibt. Waren es anfangs vielleicht erst Maßnahmen zur Erleichterung der Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderung, so wurde mit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahre 2009 auch in Sachsen zunehmend von Inklusion und der Beseitigung von Barrieren gesprochen.
Sicher, mit unserem Landesaktionsplan gehört Sachsen nicht zur bundesdeutschen Avantgarde auf diesem Gebiet. Aber Menschen mit Behinderung haben auch in unserem Bundesland immer dazugehört. Auch deshalb habe ich auf den oben genannten 5. Bericht verwiesen, der das doch recht deutlich unterstreicht.
Der Landesaktionsplan kann für sich allein nicht alle berechtigten Forderungen der Menschen mit Behinderung aufnehmen, so wichtig und nötig er selbstverständlich ist. Inklusion, die selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen, ist ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag.
Dazu ist es mehr als bisher erforderlich, die Barrieren in den Köpfen im Verhalten aller Bürgerinnen und Bürger abzubauen. Das können wir nur gemeinsam erreichen.