Johannes Lichdi
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Last Statements
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst dem Kollegen Karl Nolle für seine große Rede danken.
Ich glaube, es ist wichtig zu sagen, dass die sächsische Politik Karl Nolle unendlich viel zu verdanken hat.
Er war derjenige, der – als ich noch nicht im Landtag war, 1999 fortfolgende – überhaupt so etwas wie die Anmutung dessen, dass eine Opposition in Sachsen möglich ist, in die sächsische Öffentlichkeit getragen hat. Dafür, lieber Karl, möchte ich dir herzlich danken, und ich hoffe und bin überzeugt, dass dein Wirken auch weiterhin wirken wird. Vielen Dank!
Wir stehen einem Geraune im Politikraumschiff gegenüber, das sich längst verselbstständigt hat. Die ekligsten Details werden so lange wiedergegeben, bis sie als unumstößliche Wahrheit erscheinen. Wer es in diesem Klima wagt, auf die Unschuldsvermutung hinzuweisen, macht sich fast schon verdächtig, etwas vertuschen zu wollen.
Wir müssen es aber hier tun. Dies gilt bis zum Beweis des Gegenteils auch für Herrn Röger wie für die anderen mehr oder weniger verdeckt Beschuldigten. Aber das Schlimmste sind die ganzen Vorwürfe, die im Raum stehen; denn wir halten sie alle für möglich.
Warum halten wir sie für möglich? „Das sogenannte Leipziger Modell, die große Einigkeit, die für jeden etwas abfallen lässt, damit alle stillhalten, steht seit vielen Jahren immer wieder im Verdacht. Es sind über die Jahre hinweg zu viele seltsame Begebenheiten aufgelaufen, deren Aufklärung sich im Dunkeln verloren hat, als dass man noch an Zufälle glauben mag. Offenbar überwiegt die Anzahl derer, die etwas zu verlieren haben, immer noch die Anzahl derer, die an einer ehrlichen Verwaltung und Aufklärung interessiert sind.“
Ich habe soeben aus meiner Rede vom 5. Juni 2007 zitiert, die ich in der Debatte nach der „Mafia-Rede“ des damaligen Staatsministers Dr. Buttolo gehalten habe, und, meine Damen und Herren, ich denke, nach den Vorreden der Kollegen der Koalition war es wichtig, dies noch einmal zu zitieren. Es war nämlich keineswegs so, wie Sie es darstellen: dass die gesamte Opposition hier in einen Hype verfallen und in sinnlose Beschuldigungen ausgebrochen ist. Das Gegenteil war der Fall.
Das Problem ist allerdings: Ich habe zwar nichts zurückzunehmen, wie der Kollege Bartl, aber wir sind heute, sieben Jahre nach diesem Ereignis, aufgrund des Versagens der Staatsregierung, der sächsischen Justiz und auch der sächsischen Medien kaum einen Schritt weiter, und das ist das eigentliche Problem.
Auch wir als Oppositionspolitiker – auch ich – müssen uns die Frage gefallen lassen, ob wir unserer Verantwortung gerecht geworden sind. Wir haben aber jedenfalls eines erlebt, nämlich, wie das System der sächsischen Demokratie funktioniert. Die Oppositionsfraktionen – dies wurde genannt – haben den Begriff der „weißen Korruption“ in die Debatte geworfen, und ich denke, es ist ein hilfreicher Begriff.
Über welche Geschichte sprechen wir heute? Es ist eine Geschichte über die politische Steuerung und Instrumentalisierung der sächsischen Justiz. Es ist eine Geschichte über die Willfährigkeit der Justiz, weil sie sich in ihrer Berufsehre beleidigt fühlt. Es ist eine Geschichte, wie die Justiz Gerechtigkeit verfehlt und den Opfern von Straftaten nicht etwa Genugtuung und Rehabilitierung verschafft, sondern sie erneut zu Opfern macht, und das ist der eigentliche Skandal.
Meine Damen und Herren, es ist auch eine Geschichte des Versagens der sächsischen Medien, die aus den Routinen ihrer Berichterstattung niemals herausfanden. Ich meine damit nicht allein die Berichterstattung der „Sächsischen Zeitung“, die sich seit 2007 als Laut- und Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Dresden betätigt. Ich meine den anfänglichen Medienhype 2007 und das anschließende fast zwangsläufige mediale Desinteresse, das nur noch von vordergründigen Personality-Geschichten über
angeklagte Journalisten und „Jasmin“-Opfer unterbrochen wurde.
Nachdem die Medien ein Bild der totalen Korruption Sachsens gezeichnet hatten, haben sich zu viele von ihnen – nicht alle, aber zu viele von ihnen – von den Einflussnahmen der Staatsregierung auf ihre Chefredaktionen, durch Unterlassungsbegehren und Strafverfolgung einschüchtern sowie von bestellten Gutachten der Staatsregierung blenden lassen. Dann haben die meisten das Interesse vollständig verloren und so de facto die Version der Staatsregierung gestützt.
Was haben wir über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dresden zum angeblichen Bordellbesuch von Juristen erfahren?
Erstens. Von Anfang an wollten Staatsanwaltschaft und Justizministerium die Verfahren gegen die Juristen einstellen, noch bevor die Ermittlungen überhaupt begonnen hatten; sie haben aber der Öffentlichkeit ernsthafte Ermittlungen vorgegaukelt. Hinter dieser Fassade der ernsthaften Ermittlungen konnte dann die Staatsregierung ihr Werk der Abmoderation abwickeln.
Zweitens. Es haben nie, zu keinem Zeitpunkt, ernsthafte Ermittlungen stattgefunden, ob die Justizpersonen im „Jasmin“ waren oder nicht.
Drittens. Ermittlungen haben faktisch nur auf die Gegenanzeigen der Justizpersonen und nur gegen Zeugen stattgefunden, die die offizielle Version nicht teilen.
Viertens. Die Gründe für die öffentliche Kommunikation der Staatsanwaltschaft, warum die Justizpersonen nicht im Bordell gewesen sein können, sind widerlegt – und das halte ich für das inhaltliche Hauptergebnis dieses Untersuchungsausschusses.
Die Kollegen haben es angesprochen: Unsere Aufgabe als Untersuchungsausschuss war es nicht, die Arbeit der Ermittlungsbehörden zu ersetzen, deshalb laufen die Vorwürfe, die auch hier vom Kollegen Piwarz in seiner Rede hinlänglich vorgetragen wurden, einfach ins Leere.
Wie liefen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ab? Ich möchte versuchen, Ihnen einen kurzen Abriss in Phasen zu geben.
Phase 1. Die Ermittler stießen sofort, am Anfang ihrer Ermittlungen, auf einen Abschlussvermerk der Staatsanwaltschaft Leipzig aus dem Jahre 2000. Dieser hält fest, dass die vorgeworfenen Straftaten alle verjährt sind – bis auf eine: den Verdacht des sexuellen Missbrauchs von unter 14-Jährigen. Die Staatsanwaltschaft Dresden entschied trotzdem, weiterzuermitteln – jetzt aber, um die Unschuld der Justizpersonen zu beweisen. Der Öffentlichkeit hat sie diese Änderung der Ermittlungsrichtung aber zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt.
Phase 2. Beginn der Gegenermittlungen schon im Sommer 2007. Es ist schon erstaunlich, dass der Beschuldigte Röger bereits drei Wochen, nachdem er seine Gegenanzeige erstattet hat, am 31. Juli 2007 Akteneinsicht erhält. Das würde man sich als Anwalt – und ich weiß, wovon ich rede – öfter mal wünschen: dass man dermaßen schnell Akteneinsicht erhält. Als Beschuldigter ist Herr Röger zu keinem einzigen Zeitpunkt vernommen worden.
Phase 3. Die Krise der Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft Dresden hatte zu keinem Zeitpunkt die Absicht, die unmittelbaren Wahrnehmungszeugen, die Frauen aus dem „Jasmin“, überhaupt zu vernehmen. Erst als ihnen ein Journalist Ende Oktober 2007 die Adressen anbietet, kommen die Ermittler um die Befragung nicht mehr
herum. Die Frauen werden geladen. Es dauert immer noch drei Monate.
In den Vernehmungen vom 14. Januar 2008 identifizieren zwei Zeuginnen die Beschuldigten, zwei Justizpersonen, als Bordellbesucher. Der ermittelnde Staatsanwalt
Schwürzer ruft noch aus den Vernehmungen heraus, meine Damen und Herren – noch aus den Vernehmungen heraus! –, den Pressesprecher des Justizministers an und fragt: Sind die Ehrenerklärungen schon raus? Das zeigt uns nicht nur den engen Kontakt zwischen den Ermittlern und dem Justizministerium, sodass Ergebnisse, die nicht ins Bild passen, unmittelbar eins zu eins kommuniziert werden, sondern eben auch die langgehegte Absicht, die von Anfang an bestanden hat: den Röger öffentlich zu rehabilitieren.
Aber was geschieht dann? Schon am 16. Januar erklärte der ermittelnde Oberstaatsanwalt Schwürzer dem Pressesprecher, dass die Frauen wohl lügen müssten. Wie kam es zu dieser schnellen Meinungsänderung? Wir wissen nur Folgendes: Der Pressesprecher hat die Hausspitze – das sind Herr Mackenroth und die Staatssekretärin Hauser – von dem Telefonat unterrichtet.
Wir kennen das Ergebnis, nämlich dass Herr Schwürzer und sein Adlatus Kohle danach alle Ermittlungen eingestellt haben.
Dass die Hausspitze von diesen Vorgängen aufs Engste informiert war und sie gutgeheißen hat, zeigt eine Mail des berühmt-berüchtigten wachen Auges, Herrn Eißer, aus einer südwestdeutschen Provinz – ich würde sagen: mein Heimatland Baden-Württemberg, aber sei es drum – an Herrn Staatsminister Mackenroth,
in dem Herr Eißer ausdrücklich begrüßt, dass die Staatsanwaltschaft Dresden die Frauen jetzt ein zweites Mal vernehmen möchte. Ja, warum wohl? – Um eben genau nachzuweisen, dass die Frauen gelogen haben müssen.
Wir fragen uns – wir sind alle geschulte Tatortbeobachter –: Was würde eine Staatsanwaltschaft in dieser Situation tun? Es gibt eine Beschuldigung. Was macht man dann? Die erste Idee ist, man macht eine Gegenüberstellung. Herr Staatsanwalt Kohle hat eine Gegenüberstellung geplant. Warum kam diese Gegenüberstellung nicht zustande? – Weil sich die Beschuldigten geweigert haben, an einer Gegenüberstellung teilzunehmen.
Ich glaube, nicht nur die Kollegen aus der Opposition waren darüber etwas verwundert, dass in der Staatsanwaltschaft Dresden Gegenüberstellungen deshalb nicht stattfinden, weil sich die beschuldigten Personen dieser Gegenüberstellung verweigern. Ein seltsamer Vorgang objektiver Ermittlungen. Wir haben Herrn Staatsanwalt Kohle gefragt, ob er denn konkrete Alibi-Überprüfungen für die fraglichen Tatzeiten im Januar 1993 gemacht habe. – Nein, hat er nicht. – Frage: Warum? – Antwort: „Keine Ahnung. Wir haben es eben nicht für notwendig befunden.“
Meine Damen und Herren! Das sind nur zwei Hinweise. Es gibt eine Vielzahl solcher Hinweise, die belegen, beweisen und nachweisen, dass die Staatsanwaltschaft Dresden, Herr Schwürzer und Herr Kohle, zu keinem Zeitpunkt ehrliche Ermittlungen geführt haben, sondern die Ermittlungen nur geführt haben, um das gewünschte Ergebnis vermeintlich zu belegen.
Wie ging es dann weiter? Jetzt kommt das übelste Spiel, die übelste Schmierenkomödie. Die Frauen mussten jetzt sozusagen als Lügnerinnen überführt werden. Ich habe gefragt: „Haben Sie denn Erfahrungen mit traumatisierten Opfern sexualisierter Gewalt im Kindes- und Jugendalter?“ Jeder, der sich ein wenig mit dem Sachverhalt beschäftigt, weiß, dass diese Zeuginnen in hohem Maße traumatisiert sind und ein sehr spezifisches Aussageverhalten haben – ein Aussageverhalten, das anders ist als bei Erwachsenen, nämlich ein Aussageverhalten, das örtliche und zeitliche Zuordnungen verwechselt –, sie aber über das Kerngeschehen sehr genau Auskunft geben können.
Herrn Schwürzer und Herrn Kohle ist dies nicht bekannt. Sie haben auch keinerlei Erfahrungen bei der Vernehmung von traumatisierten Opfern sexualisierter Gewalt. Was machen sie? Sie laden die Frauen, verhören sie stundenlang und konfrontieren sie in einer Art und Weise mit Fragen, die ungeheuerlich ist. Sie vernehmen sie als Zeuginnen, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt – das ist meine Überzeugung – überzeugt waren, dass die Frauen lügen. Sie locken sie also bewusst in eine juristische Falle, um sie später anklagen zu können. Das halte ich für einen der größten Skandale, die hier passiert sind.
Aber was macht die Staatsanwaltschaft? – Sie führt der Öffentlichkeit Ende April 2008 eine große Komödie vor: Wir haben ein Dreivierteljahr ermittelt, „bis das Blut spritzt, haben wir ermittelt“, so sinngemäß. Herr Avenarius war da oben auch tätig als Pressesprecher.
Von der Verjährung, von diesen ganzen Details nichts, null, niente. Aber es wird nachgewiesen: Ja, die Frauen müssen lügen, und dann kommt eine ganze Latte von Geschichten, die mittlerweile widerlegt sind. Ich nenne nur eine Geschichte: Ein Protokoll der Frauen aus dem Jahr 2000 musste dazu dienen nachzuweisen, dass die Frauen gelogen haben. Wir haben mittlerweile ein Urteil des Landgerichts Dresden im sogenannten Journalistenprozess, in dem steht, dass die damals gefertigten Protokolle falsch sind. Damit ist ein großer Teil des – ich sage es so hart – Lügengebäudes der Staatsanwaltschaft Dresden zusammengefallen.
Meine Damen und Herren! Ich halte das für einen Skandal allererster Güte. Man hätte als Staatsanwaltschaft Dresden sagen können: Okay, wir glauben euch Frauen nicht. Aber wir müssen Sie deswegen nicht der Verleumdung anklagen. Wir müssen sie nicht vor den Kadi zerren. Warum passierte das? Warum wurden diese Frauen vor den Kadi gezerrt? Nur deshalb, damit sie weiterhin als
unglaubwürdig dastehen. Das ist sozusagen diese Geschichte, wie die eigentlichen Opfer weiter zu Opfern gemacht werden. Das halte ich für einen Skandal erster Güte.
Meine Damen und Herren! Wir mussten uns viel dummes Zeug seitens der Koalitionsredner anhören. Ich sage es jetzt einmal so hart. Sie haben unseren Bericht natürlich nicht gelesen, sonst hätten Sie gelesen, dass wir dort ausdrücklich feststellen, dass für die beschuldigten Justizpersonen die Unschuldsvermutung gilt. Ich habe deswegen am Anfang das zitiert, was ich im Juni 2007 gesagt habe. Damals bin ich auch von der Unschuldsvermutung der beschuldigten Justizpersonen ausgegangen.
Das hat die Opposition ausdrücklich festgestellt. Ich füge noch eines hinzu: Mein Antrag in den Berichten, die Klarnamen, sowohl der beschuldigten Justizpersonen als auch der anderen Justizopfer, der Frauen aus dem „Jasmin“, aus Gründen des Persönlichkeitsrechtes zu schwärzen, wurde nicht nur von der Koalition, sondern auch von den LINKEN und der SPD abgelehnt. Ich halte das für eine Fehlentscheidung.
Ich füge noch hinzu: Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Frauen, die die Justizpersonen beschuldigt haben, subjektiv die Wahrheit gesprochen haben. Daran habe ich keinen Zweifel. Trotzdem muss die Unschuldsvermutung weiterhin für die Justizpersonen gelten.
Es war ausgerechnet Justizminister Mackenroth – der jetzt leider nicht mehr anwesend ist, ich hatte mich so gefreut –, der sich sozusagen als letzter Mohikaner dem geballten Willen des Justizapparats entgegengestellt hat, Herrn Röger durch die Zuweisung eines neuen, schönen Amtes zufriedenzustellen.
Ich verweise auf meinen Bericht, der jetzt geheim ist. Ich fordere Sie von der Opposition und von der Koalition wirklich auf: Lesen Sie diesen Bericht! Es ist wirklich ein fantastisches Sittengemälde über die Verquickung und die Art und Weise, wie in der sächsischen Justiz gehandelt wird. Tun Sie sich das an.
Meine Damen und Herren! Zum Schluss bleibt festzustellen, dass sich die Institutionen der parlamentarischen Demokratie hier nicht mit Ruhm bekleckert haben, ich möchte sogar sagen, dass sie versagt haben. Das eigentliche Problem ist, dass wir hier mit rechtsstaatlichen Methoden keine Gerechtigkeit geschaffen haben, sondern dass wir weitere Ungerechtigkeiten aufgehäuft haben und dass wir die Schwächsten, nämlich die ursprünglichen Opfer, auch heute noch als Opfer zurücklassen. Das ist das, was uns wirklich zu denken geben sollte.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Kollege Bartl, trifft es zu, dass die beiden Rettungssanitäter vor dem Ausschuss ausgesagt haben, dass ihnen während ihrer gesamten Berufstätigkeit eine ähnliche Situation noch nie untergekommen ist, dass sie nämlich eine offensichtlich hochkranke Person ins Krankenhaus befördern wollen und sie daran gehindert werden?
Altehrwürdiges Naturschutzgebiet des Wassers beraubt (Frage Nr. 5)
In Kleinen Anfragen habe ich die damaligen Umweltminister Tillich, Wöller und den aktuellen Umweltminister Kupfer vor dieser Gefahr gewarnt. Von allen Ministern wurde bisher die Gefahr eines Trockenfallens nicht gesehen.
Umweltminister Kupfer hat in der 97. Plenarsitzung den Landtag darüber informiert, dass die Eschefelder Teiche in trockenen Jahren immer ohne Wasser waren. Das ist nicht richtig. Naturschützer informierten mich, dass zu DDR-Zeiten die Teiche auch in Jahren mit akutem Wassermangel nie trockenfielen. Dafür sorgte eine Wasserleitung, die in den Neunzigerjahren zu Teilen noch erneuert wurde.
Fragen an die Staatsregierung:
1. Wer ordnete aus welchem Grund im SMUL den Strategiewechsel an, dass die landeseigenen Eschefelder Teiche nicht mehr mit Wasser versorgt werden und somit in trockenen Jahren als wichtiges Brutgebiet für geschützte Vogelarten nicht zur Verfügung stehen?
2. Welche Instandsetzungs- bzw. Erneuerungsmaßnahmen an der Wasserleitung zwischen Wyhra und dem Teichgebiet wurden vom Freistaat Sachsen seit 1990 unternommen (Bitte um Angabe der Kosten)?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich möchte ergänzend und bestätigend zum Vortrag von Frau Dr. Pinka ausführen, dass insbesondere im Fall der ETU die entsprechenden Zeugen – sowohl die Geschäftsführerin als auch der Betriebsleiter – uns wirklich nur mitteilen konnten: Na, wir haben die Abfälle so lange gemischt, bis es dann gestimmt hat. So, und das ist Immobilisierung hochgefährlicher Abfälle. Das ist natürlich in hohem Maße bedenklich. Wie die CDU-Fraktion das hier gutreden und so tun kann, als ob hierbei keine Gefahren bestehen würden, das bleibt mir ein Geheimnis. Das liegt wohl an ihrer Voreingenommenheit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gestehe, ich war gerade etwas verwirrt – nicht nur ich allein, sondern auch die Kollegen von der Linksfraktion –, weil ich eigentlich fest damit gerechnet hatte, dass die Kollegin Jonas ans Rednerpult tritt, weil ich mich an die Anwesenheit der Kollegin Jonas gut erinnern kann. Sie hat – wie wir alle – an den Sitzungen teilgenommen. An die Teilnahme des Herrn Günther kann ich mich nicht erinnern.
Ich freue mich natürlich, dass er wieder genesen ist und unter uns weilt, aber dass er hier das Wort ergreift und davon spricht, dass er 143 Stunden gesessen habe,
das ist schlicht und ergreifend – jedenfalls nicht persönlich – auf Herrn Günther anzuwenden.
Frau Dr. Pinka und auch Frau Apostel haben im Einzelnen einige Dinge ausgeführt und ich möchte mich ihren Ausführungen insgesamt anschließen. Es war natürlich klar und absehbar, dass die Koalitionsfraktionen so tun werden, als ob es in Sachsen keine Probleme gäbe. Das haben sie ja sozusagen genetisch integriert bei sich, dass es so ist. Aber wissen Sie, da bin ich ganz entspannt. Ich
kann einfach nur jedem Sachsen und jeder Sächsin, wer sich für diesen Komplex interessiert, ganz ruhig und entspannt empfehlen, unseren Minderheitenbericht zu lesen oder beispielsweise auch den Sachbericht, den der Richter Albrecht für uns angefertigt hat. Dort finden Sie eine derartige Vielzahl an Material von Missständen, die wir hier gar nicht alle ausbreiten können, sodass ich sehr beruhigt und zuversichtlich bin, dass sich unsere Deutung der Ereignisse durchsetzen wird.
Zu den Bränden – Frau Apostel hat es ja schon ausgeführt. Das Entscheidende, was wir hier zu vermerken haben und was trotz der Initiativen, die meine Fraktion schon in der letzten Legislaturperiode unternommen hat, und trotz der Untersuchungsausschussarbeit und der weiteren Anfragen, die ich in dieser Legislaturperiode gestellt habe, festzustellen ist: Es hat in Sachsen bis heute nicht aufgehört zu brennen, es brennt einfach weiter – und das, obwohl damals noch nicht von Ihnen, Herr Kupfer, sondern von Ihrem Vorgänger Herrn Wöller eine Sonderüberwachung in den Jahren 2008 bis 2010 intendiert wurde. Wir haben diese Unterlagen gezogen und feststellen können, dass in den verschiedenen ehemaligen drei Regierungsbezirken durchaus mit unterschiedlicher
Qualität gearbeitet wurde.
Das Fazit aber, das uns erschreckt und uns allen zu denken geben sollte, ist, dass es einfach weiterbrennt und dass, wie wir von dem Polizeipräsidenten Merbitz, der damals noch der Leiter der Abteilung 3 des SMI war, gehört haben, die Staatsregierung so tut, als ob das eben so sei, als ob das nicht veränderbar sei, und das müsse man halt so hinnehmen. Außerdem wird darauf hingewiesen, in anderen Bundesländern brennt es ja auch – und damit sollen wir uns dann begnügen.
Wir begnügen uns damit nicht. Wir verweisen noch einmal darauf: Es brennen Kunststoffmischabfälle. Dabei entstehen hochgiftige Verbindungen – Dioxine, Furane, polyaromatische Kohlenwasserstoffe –, und vor diesen Giftstoffen, vor diesen Luftschadstoffen, vor diesen Brandgasen werden die Bevölkerung und auch die Feuerwehren nicht geschützt. Es ist ein erschreckendes Ergebnis, wenn Feuerwehrleute sagen, dass sie nicht in der Lage sind, eine valide Aussage über die Gefährdung der Bevölkerung abzugeben.
Herr Kupfer, ich frage Sie jetzt ganz persönlich – wie schon bei Ihrer Vernehmung am 10. März –: Was ist denn jetzt mit der ATF, mit der Analytischen Task Force, die Sachsen kein einziges Mal – obwohl es dazu das Recht hat – angefordert hat? Sie haben am 10. März dem Ausschuss, dem Landtag versprochen, Sie würden sich darum kümmern. Nach meiner Kenntnis ist es so, dass diese Einheit jetzt in Berlin stationiert ist und weiterhin in Sachsen nicht herangezogen wird.
Was passiert stattdessen mit den Brandabfällen, mit den verschmutzten Brandwässern? Sie werden einfach in kommunale Kläranlagen eingeleitet, als ob das alles ungefährlich wäre und es keinerlei Veranlassung zum Handeln gäbe.
Nein, meine Damen und Herren, für mich ist es wirklich erschreckend, aber dieses Fazit können wir ziehen: Die sächsische Umweltverwaltung, das sächsische Innenministerium, die sächsischen Feuerwehren sind nicht in der Lage, die Bevölkerung vor diesen regelmäßigen Bränden zu schützen.
Auch wenn es hier bestritten wurde, ist es natürlich so, dass die Deponie Cröbern bei Leipzig zu groß geplant war und genau deshalb in die Bredouille geraten ist, die wir hier zu untersuchen hatten.
Ich erinnere daran – auch wenn es viele nicht mehr wissen wollen –, dass Anfang der Neunzigerjahre die Umweltverbände, der Ökolöwe und andere ausdrücklich davor gewarnt haben. Das ist jetzt über 20 Jahre her und nun hofft man, dass es vergessen wurde.
Frau Pinka, Sie haben RAVON angesprochen und ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie die Anwohner, die Umweltverbände gewarnt haben. Genau das, vor dem sie gewarnt haben, ist jetzt eingetreten. Da können Sie sich doch nicht hinstellen und sagen, das ist jetzt irgendwie nicht so oder das erstaunt uns jetzt.
Das Ergebnis war klar: 2006 stand Cröbern vor der Insolvenz, und vor dieser Insolvenz haben sie nur die riesigen Importe aus Italien gerettet – zunächst. Wir müssen bei den Italien-Importen zwei Abfallsorten unterscheiden: zum einen die Siedlungsabfälle, die im Rahmen des Nothilfeprogramms Kampanien akquiriert worden sind, und zum Zweiten – das ist leider in der öffentlichen Wahrnehmung etwas untergegangen – auch die Importe gefährlicher Abfälle, die eine ganz andere und eine viel gefährlichere Abfallart waren.
Wir haben dazu von den Italienern durchaus etwas gehört; ich glaube, es war Herr Hippold, der aus der „Freien Presse“ zitierte. Ja, Herr Sirleo hat uns mitgeteilt, dass aus italienischer Sicht Verknüpfungen der Mafia mit den Importen aus Italien nicht nachweisbar seien. Aber wir wissen, dass hier tatsächlich ein erhebliches kriminelles Flechtwerk am Werke ist. Ich erinnere nur an den Abfallmakler – ich nenne jetzt seinen vollen Namen nicht – D., gegen den heute noch Verfahren laufen. Ich erinnere an den Abfallmakler S., der alle diese Geschäfte in Italien eingefädelt hat. Ich erinnere daran, dass der Kriminalitätsbericht des Bundeskriminalamtes – DIAG, wie er so schön heißt – in diesem Zusammenhang von erheblichen kriminellen Umfeldern und erheblicher krimineller Energie spricht, die aber in die Wirtschaftskriminalität und nicht in die Abfallkriminalität fließt.
Das haben Sie von der Koalition in Ihrem Bericht völlig unterschlagen. Das ist auch ein Grundmangel der staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Untersuchungen hier in Sachsen und in Sachsen-Anhalt. Sie fokussieren sich allein auf die Abfallkriminalität, auf Straftaten gegen die Umwelt, aber nicht auf die dahinterstehenden wirtschaftskriminellen Machenschaften. Immerhin: Gegen 25 Beschuldigte in Italien wird ermittelt – leider immer noch ohne Ergebnis.
Die unterzeichneten Verträge für die Sonderabfälle aus Italien belaufen sich immerhin auf über 300 000 Tonnen. Allein für 140 000 Tonnen gibt das BKA ein Geschäftsvolumen von 30 Millionen Euro an mit einem hochgerechneten Potenzial an Finanzmanipulationen von fast 10 Millionen Euro.
Meine Damen und Herren, Sie von der CDU sagen doch immer, Sie seien die Partei der inneren Sicherheit und wollten die organisierte Kriminalität bekämpfen. Damit brüsten Sie sich doch die ganze Zeit. Hier haben wir ein Feld der organisierten Kriminalität, aber Sie tun so, als ob Sie das nichts angehe.
Ich kann mich jetzt kürzerfassen, weil Frau Dr. Pinka dankenswerterweise im Einzelnen ausgeführt hat, wie Herr Umweltminister Kupfer dem Landtag und uns – ich sage es vorsichtig – nicht die Wahrheit gesagt hat.
Herr Kollege Piwarz, für Sie darf ich auch gern sagen: Er hat gelogen. – Ich wollte es etwas kulanter sagen.
Sie können gern an das Mikrofon treten.
Dann hören Sie einmal zu! Frau Dr. Pinka hat es begründet. Wir haben es auch aufgeschrieben.
Herr Kupfer, ich bin aus Ihnen bis heute nicht schlau geworden und schwanke immer noch. Vielleicht beschäftigen Sie sich mit der Sache tatsächlich nicht und verlassen sich auf Ihre Mitarbeiter, die Ihnen irgendetwas dazu erzählen. Ich bin sogar geneigt, das als die wahrscheinliche Variante anzunehmen. Ich weiß nicht, ob Sie tatsächlich der Charakter sind, der uns ins Gesicht lügt, Herr Staatsminister Kupfer. Das halte ich Ihnen zugute.
Aber ich sage auch: Von einem sächsischen Umweltminister, dem ein dermaßen OK-gefahrengeneigter Bereich untersteht – es geht immerhin um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger sowie um den Schutz der Umwelt, von Boden und Luft –, erwarte ich, dass er sich kundig macht und nicht allein den Aussagen seiner Beamten glaubt.
Nein.
Von Ihnen, Frau Windisch, gestatte ich keine Zwischenfrage. Das hatten wir schön öfter umgekehrt. Deswegen
lasse ich eine Zwischenfrage jetzt auch nicht zu. Vielen Dank!
Liebe Kollegen, es ist klar, dass Sie sich jetzt aufregen. Aber ich habe schön öfter versucht, der Kollegin Windisch Zwischenfragen zu stellen, und sie hat diese auch nicht zugelassen. Jetzt machen wir es einmal so herum. Danke.
(Uta Windisch, CDU: Das stimmt nicht! Nicht in jedem Fall! – Christian Piwarz, CDU: Das ist ein kleiner Triumph, den man sich gönnt, solange man noch hier ist!)
Die Genehmigung, die die S. D. R.-Biotec-Anlage in Pohritzsch 1999 erhalten hatte, war so etwas wie eine Lizenz zum Gelddrucken. Sie nahm hochgiftige Industrieabfälle herein und versprach, diese in ungiftige zu verwandeln. Das ist ein Geschäftsmodell, das in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland erhebliche Aufmerksamkeit erregt hat. Es war für uns sehr spannend, in den Akten 10, 15, 20 Anfragen anderer Behörden bzw. anderer Bundesländer zu lesen: Wie funktioniert das eigentlich bei euch? Warum habt ihr euch das genehmigt? Was machen die sächsischen Umweltbehörden? – Sie sagen: Alles in Ordnung, alles in Butter!
Wie es endete, wissen wir – Frau Dr. Pinka hat es dargestellt –: Fünf Jahre, nachdem es bekannt geworden war, gab es die erste Untersagungsverfügung, sechs Jahre später wurde der Betrieb behördlich geschlossen.
Ich möchte nur darauf hinweisen, dass nach dem Bericht des Landeskriminalamtes Sachsen aus diesem Geschäftsmodell tatsächlich erhebliche kriminelle Gewinne gezogen wurden. Das Amtsgericht hat bei der S. D. R. 3,6 Millionen Euro beschlagnahmt, weil diese aus kriminellen Geschäften stammten.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie können das alles nicht einfach wegwischen und so tun, als ob hier in Sachsen alles in Ordnung sei. Sie müssen sich auch vorurteilsfrei mit den Problemen befassen und dürfen nicht in Ihrer ideologischen Brille gefangen bleiben, Herr Hippold.
Die Linksfraktion und meine Fraktion haben tatsächlich erheblich weiterführende Vorschläge unterbreitet. Ich bitte Sie, diese in einer ruhigen Minute zu lesen. Vielleicht dienen sie Ihnen dazu, nach dem Schlachtgetümmel, das wir heute hier veranstalten, die eine oder andere Verbesserung einzuführen.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich habe mich aufgrund des letzten Beitrags des Abg. Hippold noch einmal an das Mikrofon gestellt. Wenn Sie uns zugehört hätten, dann hätten Sie merken können, dass weder die Fraktion DIE LINKE noch meine Fraktion den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der sächsischen Umweltverwaltung irgendwelche Vorwürfe gemacht haben. Das Gegenteil ist der Fall. Sie versuchen sich hinter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verstecken, die Sie letztendlich allein lassen. Es ist das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit im Untersuchungsausschuss, dass das Ministerium und die Leitung der Umweltverwaltung und nicht die einzelnen Mitarbeiter verantwortlich sind. Es war mir wichtig, dies noch einmal klarzustellen.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich weiß nicht, warum sich der Herr Minister und die CDU-Fraktion jetzt aufregen. Die Vorgängerpartei der LINKEN und die Vorgängerpartei bzw. sogar die gleichnamige Partei, nicht nur die Vorgängerpartei, der CDU
haben das Umweltdesaster in der DDR ja gemeinsam angerichtet.
Von daher sollten Sie jetzt etwas bescheidener sein, Herr Heidan, und sich nicht so aufregen.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Wann beabsichtigt die Staatsregierung, die Wasserleitung, die schon seit geraumer Zeit kaputt ist, und das abgebaute Pumpspeicherwerk wieder instandzusetzen? Herr Staatsminister, Sie wissen vielleicht, dass ich Ihrem Vorvorgänger Herrn Tillich diese Frage im Jahr 2007 gestellt habe und dass ich im Jahr 2011 auch diese Frage gestellt habe, und jetzt möchte ich wissen, wie der Stand ist.
Vielen Dank. – Herr Staatsminister, sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass die Eschefelder Teiche, eines der ältesten und bekanntesten Naturschutzgebiete Sachsens, unbedingt erhalten werden sollten, da sie ja für die Ornithologen in Sachsen und darüber hinaus eine hohe Bedeutung haben, weil hier seit Jahren, Jahrzehnten Beobachtungsreihen vorliegen?
Dann handeln Sie so!
Zahlungen des Freistaates an Unister (Frage Nr. 8)
Der Freistaat bürgt für die Firma Unister und/oder deren Mitarbeiter für eine Kontokorrentkreditlinie zur Betriebsmittelfinanzierung in Höhe des Ausfalls bis zu maximal 9,4 Millionen Euro (Stand: 29.01.2013; Druck- sache 5/11004).
Fragen an die Staatsregierung:
1. In welcher Höhe erfolgten zwischenzeitlich Zahlungen aufgrund oben genannter Bürgschaft an wen, und in welcher Höhe bürgt der Freistaat aktuell für Unister?
2. In welcher Höhe hat Unister jeweils wann, in welcher Höhe, auf welcher Grundlage Fördermittel von der Sächsischen Aufbaubank erhalten?
Tag der deutschen Zukunft am 07.06.2014 in Dresden (TDDZ) (Frage Nr. 9)
Fragen an die Staatsregierung:
1. Mit wie vielen TDDZ-Teilnehmerinnen jeweils welcher rechtsextremer Gruppierungen/Kameradschaften/Freien
Kräften rechnet die Staatsregierung an jeweils welchen Tagen im Umfeld des 07.06.2014, und wie viele davon werden als gewaltbereit eingeschätzt?
2. Inwiefern gibt es im Freistaat Sachsen, insbesondere in Dresden, in jeweils welchen Stadtteilen, eine besondere polizeiliche (Sicherheits-) Lage und mit welchen besonderen Sicherheitsmaßnahmen sowie polizeilichem Kräfteaufgebot reagiert die Staatsregierung?
Ja, zum Abstimmungsverhalten, Herr Präsident. – Herr Präsident! Ich war von Anfang an entschlossen – anders als meine Fraktion –, dieses Gesetz abzulehnen. Das Verfahren spottet jeder Beschreibung: keine 1. Lesung, keine Befassung des Rechtsausschusses, keine Anhörung. Aus meiner Sicht hätte eine Sachverständigenanhörung auf jeden Fall erfolgen müssen.
Zweitens: Inhaltlich ist diese sogenannte Umsetzung genauso mangelhaft wie die Verfassungsänderung selbst.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Die Lücken, die die Verfassungsänderung lässt, werden hier nicht behoben, sie werden vertieft. Ich möchte insbesondere auf die Regelungen des § 18 Abs. 3 Satz 2 hinweisen. Dort wird das Finanzministerium ermächtigt, hier auch Steuerrechtsänderungen und „wesentliche Änderungen“ zu bereinigen und heranzuziehen. Das verstößt eindeutig gegen die Ermächtigung des Grundgesetzes.
Zu dem Thema der LINKEN kann ich einfach nur sagen: Leider hat da die CDU recht, wenn sie sagt, dass der soziale Ausgleich rein deklaratorische Wirkung hat. Deswegen hilft es auch nicht weiter, sich hierüber zu beklagen. Sie versuchen in Abs. 2 des Änderungsantrags, das zu operationalisieren. Das ist ein ehrenwerter Versuch. Allerdings reicht dieser Versuch nicht aus, weil er nur mit unbestimmten Rechtsbegriffen arbeitet.
Ansonsten zeigt sich an dieser Debatte – ich glaube, das hat mittlerweile jeder gemerkt, der sich hat hinreißen lassen, dieser Änderung zuzustimmen –, dass das Ganze eine Schmierenkomödie war, die nichts mit einem ernsthaften parlamentarischen Verfahren zu tun hat, das einer Verfassungsänderung angemessen wäre.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat habe ich mich, wie der Kollege Panter, gefragt: Wie oft denn noch? Und
immer die gleichen Tiraden; Herr Herbst hat sie hier gerade wieder aufgeführt. Aber dann ist mir klar geworden: Es kann eigentlich nur um das Gabriel-Papier gehen, weil das ja die eigentliche Neuerung war, die in den letzten drei Wochen energiepolitisch passiert ist. Aber bevor ich darauf eingehe, möchte ich kurz auf meine Vorredner eingehen.
Zum Ersten. Herr Flath, Ihnen ist möglicherweise entgangen – Herr Panter oder Frau Dr. Runge haben es angesprochen –: Die Industriestrompreise sind in Deutschland mit die günstigsten in Europa, weil die Industrie von den gesunkenen Börsenstrompreisen profitiert und ohnehin als Sonderkunde wesentlich niedrigere Preise zahlt. Also hören Sie doch endlich mit dieser Lüge auf, als ob wir Industrien in Deutschland aufgrund der EG-Umlage oder der Förderung der erneuerbaren Energien aus dem Land treiben würden! Das Gegenteil ist der Fall.
Zum Zweiten. Herr Panter hat es schon angesprochen; das hatte ich mir eigentlich als Schmankerl aufgehoben: Wir haben ja wieder unseren Herrn Ministerpräsidenten reden hören. Da werden wir immer ganz aufmerksam, denn so viel sagt er ja nicht. Er ist ja so ein Wohlfühl-Ministerpräsident, der Anzüge trägt und lächelt, und das macht er sehr gut. Deswegen hören wir, wenn er mal etwas sagt, genau zu: Der Eigenverbrauch, ja, der wird jetzt gestoppt, und der Vertrauensschutz – Artikel 14 höre ich da als Jurist – wird jetzt beeinträchtigt.
Herr Panter hat Herrn Tillich schon gut die Luft herausgenommen. Einfach mal in dem Gabriel-Papier lesen! Ganz hinten, auf Seite 13, unten – vielleicht ist er beim Lesen nicht so weit gekommen –, steht eindeutig: Es gilt für neue Anlagen, die erst ab dem neuen EEG, ab August 2014, zuschlagen sollen. Ich weiß nicht, wer Herrn Tillich dort beraten hat, aber er ist ja auch sonst beratungsresistent. Stromsteuer: Die SPD hat es auch gefahren, Herr Jurk hat es gefahren. Ich wiederhole einfach: Eine Absenkung der Stromsteuer würde gar nichts bringen. Die Konzerne, die immer noch leider fast 80 % des Marktes beherrschen, würden es einfach einstecken und den Verbraucher nicht beteiligen.
Was mich an dem Gabriel-Papier stört, das sind mehrere Dinge: einmal die schleichende Umdefinierung der Energiewende.
Die Energiewende ist eben nicht allein der Atomausstieg – der ist Mittel –, sondern der Umstieg auf 100 % erneuerbare Energien im Strom-, Wärme- und Kraftstoffbereich. Dort haben wir tatsächlich große Sorgen, wenn wir uns das Gabriel-Papier ansehen. Herr Gabriel senkt die bisher geltenden EE-Ausbauziele ab. Er setzt eine neue Zielmarke: 40 bis 50 % bis zum Jahr 2025 und bis 2030 nur 55 %. Wir wissen, es ist nur eine Frage des politischen Willens, bis 2030 eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien bei Strom zu haben. Das ist nicht mehr Ziel der SPD in Berlin, und das bedauere ich sehr. Verlie
rer ist der Klimaschutz; denn wir machen die Energiewende ja deshalb, um die natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren. Davon lesen wir im Gabriel-Papier nichts.
Warum ist das so? Ursache ist natürlich die alte KohleSPD. Man sieht es an den Personalentscheidungen der letzten Wochen. Sowohl in den Ministerien als auch in der Partei werden alle Schlüsselpositionen mit Kohlevertretern besetzt, und der ökologische Flügel der SPD hat sich auch zu Wort gemeldet und dies scharf kritisiert.
Ja, bitte.
Oh, Herr von Breitenbuch, jetzt haben Sie aber einen Treffer gelandet. Ich bin richtig stolz auf Sie.
Ja, das ist mir bekannt, und ich bin auch sehr gespannt, wie Herr Baake das rechtfertigt. Ich weiß es nicht. Aber Herr Baake dient jetzt Herrn Gabriel, und ich verweise beispielsweise auf die Kritik unserer Bundestagsfraktion, auf das Papier – GRÜNEN-Energieminister. Die haben dort sehr schöne Vorschläge gemacht, und sie stimmen nicht mit dem überein, was Herr Gabriel gesagt hat.
Ich möchte noch einen anderen Punkt ansprechen. Herr Gabriel sagt ja, wir können jetzt zu Recht wegen des Vertrauensschutzes an den alten Zusagen nichts mehr ändern, aber im EEG 2014 wollen wir den Durchschnittspreis der EE-Förderung auf 12 Cent absenken. Dazu legte er eine schöne Grafik bei, aus der hervorgeht, dass im Grunde die PV jetzt bereits für einen Preis von durchschnittlich 11 Cent herstellbar ist und die Windkraft für 9 Cent. Aber trotzdem möchte er einen Durchschnittspreis von 12 Cent garantieren. Irgendwie klappt das mathematisch nicht.
Wie geht das? Er möchte sozusagen die Windenergie offshore mehr fördern und genau die erneuerbaren Energien, die den Strompreis nach unten drücken, deckeln. Herr Panter hat es etwas verschämt, aber zu Recht angesprochen: Der Windkraftdeckel ist wohl nichts; und das ist genau auch der Punkt, an dem die süddeutschen Länder Bayern und Baden-Württemberg über alle Parteigrenzen hinweg Kritik üben.
Meine Damen und Herren! Die eigentliche Botschaft der letzten Tage war aber nicht dieses Gabriel-Papier, sondern das, was wir seit vorgestern aus Brandenburg hören: Der brandenburgische Wirtschafts- und Energieminister
Christoffers von der Partei DIE LINKE hat eine Staatssekretärsrunde eingerichtet, die prüfen will, ob das Land
Brandenburg für schlappe 4 Milliarden Euro nicht die Investitionen, die Kraftwerke und Tagebaue von Vattenfall in der Niederlausitz erwerben möchte. Das ist ein Hammer! Das heißt nämlich auf Deutsch, dass Dementi, die auch Sie in diesem Hohen Hause immer wieder gebracht haben – von wegen: Vattenfall ist noch in hundert Jahren in der Lausitz und wir haben noch hundert Jahre die Braunkohle sicher –, alle Schall und Rauch sind. Vattenfall ist auf dem Rückzug und Brandenburg versucht jetzt zu halten, was zu halten ist. Ich bin sehr gespannt, wie sich die Sächsische Staatsregierung dazu verhält, –
– ob sie auch der Meinung ist, wir müssten jetzt vielleicht die Anlagen in Sachsen kaufen, und wie viel Geld sie dafür ausgeben will.
Daran zeigt sich doch die Absurdität dieser Kohlepolitik, dass jetzt Brandenburg wieder in die alten Fährnisse, die alten Spuren des Staatssozialismus zurückfällt. Es wundert mich im Grunde bei den LINKEN und bei der SPD nicht, dass sie diese Dinge tun, aber Sie werden mit Ihrer Politik, Herr Flath, genau dort enden.
Vielen Dank.
Frau Kollegin Runge, ich bleibe trotzdem dabei: Ich halte das wirklich für den Offenbarungseid der Braunkohlepolitik im Land Brandenburg, der aber natürlich genauso für das Land Sachsen gilt, denn der Konzern Vattenfall ist ja derselbe. Wenn wir uns einmal vergegenwärtigen, was hier passiert: Vattenfall möchte 4 Milliarden Euro vom brandenburgischen Staat erlösen. Mir ist nicht bekannt, dass das Land in Geld schwimmt, um es einmal vorsichtig auszudrücken. 4 Milliarden wollen sie für ein Produkt haben, das Vattenfall in den Jahren 1999/2000 für 3 Milliarden D-Mark erworben hat. Sie möchten also fast das Dreifache dafür haben, und damit wollen sie sich auf Kosten der brandenburgischen Steuerzahler von diesem Verlustbringer befreien.
Vielleicht möchte Herr Woidke auch zu Herrn Gabriel gehen und dort noch um Unterstützung betteln; darauf warte ich noch. Ich sehe nicht ein, warum wir als deutsche, brandenburgische oder sächsische Steuerzahler die Fehlinvestitionen der schwedischen Steuerzahler bezahlen sollten. Das ist doch die Debatte, die hier zu führen ist, und nicht diese Debatte um Herrn Gabriel hin oder her, der im Grunde in den alteingefahrenen Bahnen der Kohlelobbypolitik fortfährt.
Vielen Dank, Herr von Breitenbuch. Da Sie den Altmaier-Vorschlag angespro
chen haben: Ist Ihnen bekannt, dass dieser eben den Eingriff in Vertrauensverhältnisse vorgesehen hat? Das wurde damals stark kritisiert, und mich hat sehr gewundert, dass das eine schwarz-gelbe Regierung allen Ernstes vorschlägt. Daran ist der Vorschlag letztendlich gescheitert. Der Vorschlag von Gabriel sieht das jetzt gerade nicht vor,
weswegen er eine deutlich bessere Qualität hat. Ist Ihnen das bekannt?
Vielen Dank, Herr
von Breitenbuch. Bin ich falsch darüber informiert, dass die schwarz regierten Länder, also die von CDU/CSU regierten Bundesländer, im Bundesrat Ihr Quotenmodell, das der Freistaat Sachsen vorgeschlagen hat, ebenfalls abgelehnt haben?
Vielen Dank, Herr von Breitenbuch, für Ihre Auskunft. Dann sind wir uns ja einig.
Aber würden Sie dann nicht einschätzen, dass Ihre Darstellung, die Sie vor meiner ersten Frage gebracht haben, dass die rot-grün regierten Länder dafür verantwortlich seien, dass es beim EEG nicht vorangegangen ist, sachlich unzutreffend ist?
Vielen Dank. Herr Kollege von Breitenbuch, ich dachte, wir hatten es vorhin in der Debatte abgefrühstückt. Da Sie jetzt die Einlassung des Ministerpräsidenten wieder erwähnen, frage ich: Sind Sie mit dem Ministerpräsidenten tatsächlich der Auffassung, dass das Gabriel-Papier bei der Frage des Eigenverbrauchs auch in bestehende Vertrauensverhältnisse eingreifen würde?
Entschuldigen Sie, Herr Kollege, es ist jetzt provokant, aber ich frage trotzdem: Haben Sie das Papier von Gabriel gelesen? Haben Sie es gelesen und zur Kenntnis genommen?
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Jetzt kann ich nachvollziehen, dass Herr Ministerpräsident auf diesen unklaren Punkt hinweist. Aber stimmen Sie mir nicht zu, dass es aus rechtlicher Sicht alles andere als eindeutig ist, ob dann, wenn der Bundesgesetzgeber für Neuanlagen von Eigenverbrauch, also EEG 2014, beabsichtigt, eine Ausnahmeregelung, die bisher gegolten hat, zurückzuschneiden, ob da wirklich auch aus juristischer, rechtlicher Sicht ein Eingriff in geschützte Vertrauensverhältnisse vorliegt? Dahinter würde ich ein großes Fragezeichen setzen.
Zum Zweiten möchte ich Ihnen die Frage stellen, ob diese Deckelung auf 5,28 Cent, die Sie gerade aus diesem
Anlagenpapier vorgetragen haben, tatsächlich für die Zukunft auch die Höhe dessen, was überhaupt an EEGUmlage zu bezahlen ist, festlegt; denn Herr Gabriel – das war ja auch Gegenstand der Debatte hier – hat sich ja auch sehr nebulös verpflichtet, die Industrieausnahmen zurückzuschneiden. Wir wissen auch, dass Herr Almunia von der EU-Kommission genau auf diesen Punkt drängt, sodass die Schlussfolgerung, die Sie gerade und Herr Ministerpräsident vorgetragen haben, aus meiner Sicht eine Überlegung, aber keinesfalls zwingend ist, im Gegenteil, sogar wichtige Gründe dagegen sprechen. Würden Sie diese meine jetzt so vorgetragene Auffassung teilen?
Nein, vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich wollte nur die Gelegenheit nutzen, dem Herrn Staatsminister ausdrücklich für seine kompetente und auf meine Frage gezielte Antwort zu danken.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, Herr Kollege Mann hat das Erforderliche gesagt. Es ist erstaunlich, welche justizpolitischen Prioritäten die CDU/FDP-Koalition hier setzt. Es sind wichtige Themen, aber Standortthemen. Es sind eben keine inhaltlichen Themen.
Herr Kollege Schiemann, es ist doch selbstverständlich und auch selbstverständlich für die GRÜNE-Fraktion, dass es natürlich unser aller gemeinsames Ziel sein muss, dass Ostdeutschland bei vier Lokalkammern nicht unberücksichtigt bleiben darf.
Es ist aus unserer Sicht eigentlich nicht tragbar, wenn das Land Schleswig-Holstein in seiner Bundesratsinitiative, die im Oktober 2013 von der Tagesordnung abgesetzt wurde, keine einzige ostdeutsche Stadt vorschlägt. Das darf natürlich nicht sein.
Aus sächsischer Sicht ist es so, dass wir den Standort Leipzig bevorzugen müssen, weil er zentraler liegt als Dresden und weil wir dort diese Angelegenheiten im OLG-Bezirk Sachsen konzentriert haben. Darauf würde ich Wert legen und nicht auf diese große, durchaus zwiespältige Justiztradition des Standorts Leipzig, wie der Kollege Bartl zu Recht gesagt hat.
Mir ist es jetzt nicht so schnell möglich gewesen, Herr Biesok und Herr Schiemann, das genau nachzuvollziehen, aber wenn wir die Tradition Leipzigs nennen, dann bitte nicht erst beim Reich von 1871 anfangen. Schon das oberste Handelsgericht im Deutschen Zollverein war in Leipzig angesiedelt. Das ist eine Tradition, die man in diesem Zusammenhang vielleicht nicht vergessen sollte. Herr Schiemann, Sie nicken. Das ist gut.
Wenn wir uns jetzt die Vorschläge von SchleswigHolstein ansehen, nämlich Düsseldorf, München, Mannheim und Hamburg, dann schätze ich ein, dass München aufgrund des Europäischen Patentamts usw. gesetzt ist, Düsseldorf wohl auch wegen der Schwerpunktregion Nordrhein-Westfalen und Hamburg wegen Norddeutschland, und deswegen kann es wahrscheinlich nur um Mannheim oder Leipzig gehen, wenn man es real betrachtet.
Irrtum. Sie können uns dann ja aufklären. – Mannheim hat natürlich Baden-Württemberg als starke Wirtschaftsregion hinter sich, aber es geht eben darum, dass man sich gemeinsam für Leipzig einsetzt, dass sich alle ostdeutschen Bundesländer für Leipzig einsetzen.
Ich finde es schon fast frech, wenn in dem Antrag von Schleswig-Holstein steht, dass München auch Sachsen und Thüringen mit abdecken könnte. Wenn ich mir nur einmal die Bahnverbindung von München nach Dresden oder so etwas anschaue und mir dann die Bahnverbindung von Mannheim nach München ansehe, dann fahre ich dort – glaube ich – knapp zwei Stunden hin, während ich den Mantel darüber decken möchte, wie lange wir von München nach Dresden brauchen.
Es ist doch eine reine Selbstverständlichkeit, dass wir uns gemeinsam dafür einsetzen. Mich interessiert eigentlich nur, was die Staatsregierung in dieser Angelegenheit getan hat und wie sie es vermocht hat oder eben nicht vermocht hat, hier politische Bündnisse zu schließen, um dieses gemeinsame Ziel zu erreichen. Deswegen stimmen wir dem Antrag zu, aber wir hätten uns gern gewünscht, dass
vielleicht die Staatsregierung hier auch eher tätig wird und vielleicht auch so tätig wird, dass es in der Öffentlichkeit erkennbar ist.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Staatsminister, ist Ihnen bekannt, welche Position der Freistaat Bayern, der von einem Unionsministerpräsidenten geführt wird, einnimmt; denn offensichtlich hat ja Bayern – ich weiß es nicht; vielleicht klären Sie mich auf – keine Probleme damit, auch Sachsen und Thüringen gleich „mit zu versorgen“? Wie ist dazu die Position des Freistaates Bayern und der anderen unionsregierten Länder?
Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Schiemann. Meine Frage lautet: Ist Ihnen bekannt, dass in dem gestern unterzeichneten schwarz-grünen Koalitionsvertrag in Hessen – wenn ich es richtig gelesen habe – vereinbart worden ist, auch in Hessen eine Diskussion zu führen, die Hürden für Volksanträge, Volksbegehren herabzusetzen, also auch Ihr Parteikollege Herr Bouffier dem zugestimmt hat?
Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Schiemann, wir haben zur Kenntnis genommen, dass Sie die Gesetzesgrundlage, die Verfassungsgrundlagen kennen. Die haben Sie jetzt zitiert. Dafür bedanke ich mich recht herzlich. Ich glaube, Ihre Aussage sollte darin gipfeln – jedenfalls haben Sie das vermutlich beabsichtigt –, dass Sie sagen: Wir haben das Erfolgsquorum abgeschafft, und deshalb haben wir das Quorum für ein Volksbegehren hochgesetzt. Dann sage ich, wie es Herr Kollege Biesok auch schon durchaus zu Recht ausgeführt hat: Ja, es gibt einen Zusammenhang. Das bestätige ich Ihnen ohne Weiteres.
Nur: Die Kritik, die jetzt dort anzubringen wäre, ist die, dass dieses Zugangsquorum mit 25 000 so hochgesetzt wurde, dass diese niedrige Schwelle des Erfolgsquorums überhaupt nicht mehr zieht, weil alle schon von Anfang an scheitern.
Kollegin Friedel war es, glaube ich, die gesagt hat: Wir sind bereit, über ein Erfolgsquorum zu sprechen, weil wir diesen Zusammenhang, den Sie hier aufgemacht haben, nicht bestreiten. Nur: Wir mussten feststellen, dass Sie in den Verfassungsverhandlungen und auch in all Ihren Redebeiträgen hier im Sächsischen Landtag überhaupt nicht bereit waren, das zu diskutieren. Deshalb ist es nicht fair, wenn Sie diesen Zusammenhang jetzt aufrufen und so tun, als ob die Fraktionen, die für mehr direkte Demokratie wären, diesen Zusammenhang nicht sehen würden und nicht bereit sind, auch über ein – möglicherweise geringes – Erfolgsquorum zu diskutieren. Aber Sie waren es, die sich dieser Debatte grundsätzlich verweigert haben. Deshalb ist Ihr Ansatz, den Sie hier bringen, nicht glaubwürdig.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Kollege Bartl, geben Sie mir recht, dass die Koalitionsfraktionen diesen Gesetzentwurf auch damit begründen, dass angeblich keine neuen Befugnisse geschaffen werden und bisher zur Abwehr von Suizidgefahren oder beispielsweise Amokankündigungen in Sachsen schon die Bestandsdatenabfrage zulässig war, offenbar auch angewendet wurde und es deshalb ein Leichtes gewesen wäre, hier entsprechendes Zahlenmaterial vorzulegen und deshalb die Intervention oder die Frage von Herrn Biesok nicht den Tatsachen entsprechen kann? Stimmen Sie dem zu?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss es am Anfang noch einmal sagen: In Zeiten von NSA, in denen wir wissen, dass nicht nur der amerikanische Geheimdienst, sondern auch der deutsche und andere europäische Geheimdienste im Grunde den gesamten elektronischen Kommunikationsverkehr aufzeichnen und auswerten, ist es geradezu niedlich, wenn wir uns hier im Sächsischen Landtag über die Bestandsdatenabfrage unterhalten und rechtsstaatliche Grundsätze austauschen und uns dann wechselseitig um die Ohren hauen, dass der eine oder andere Paragraf vielleicht so oder so hätte gestaltet werden müssen. Wir vollziehen hier ein etwas jämmerliches Schauspiel, und es passiert genau das, was ich in diesem Hause schon einmal so genannt habe: Es geht im Grunde darum, dass wir so etwas wie eine Rechtsstaatsattrappe aufführen, aber eigentlich in der Sache nichts ändern können.
Nichtsdestotrotz müssen wir bei der Feinarbeit bleiben und auch dieses Gesetz kritisch prüfen; aber wir dürfen die zentralen Baustellen nicht vergessen. Wenn es um eine Bestandsdatenabfrage in Sachsen geht, dann horchen wir natürlich auf; denn wir alle erinnern uns an die größte Bestandsdatenabfrage, die bekanntermaßen außerhalb der NSA, außerhalb des BND usw. stattgefunden hat, nämlich die vom 19. Februar 2011. Es ist bezeichnend für Ihr Rechtsstaatsverständnis sowie für das Rechtsstaatsverständnis der Kollegen von Herrn Biesok, der hier wieder den Rechtsstaatsverteidiger gemimt hat, dass ihm das keine Reaktion, noch nicht mal ein Wort wert ist.
Deshalb sage ich es noch einmal: Über 55 000 Personen wurden hier mit Bestandsdatenabfragen überzogen, um sie zu identifizieren. Bei ihnen war von Anfang an klar, dass sie eben keiner Straftat verdächtig sind und auch keine Gefahren verursacht haben. Also, was Sie wollen – und das beschreiben Sie hier –, ist im Grunde die Legalisierung einer Praxis einer Standardmaßnahme, die die Polizei nach Belieben ausführen soll, und im Grunde ist das dem überhaupt nicht angemessen.
Herr Kollege Biesok, bitte.
Herr Kollege Biesok, ich gebe Ihnen recht, dass die Staatsanwaltschaft Dresden, das Amtsgericht Dresden und leider auch das Landgericht Dresden der Meinung waren, dass dieser Vorwand, es handle sich um eine strafprozessuale Bestandsdatenabfrage, gebilligt wird. Allein das führt nicht dazu, dass das tatsächlich richtig interpretiert wird, und es zeigt vor allem die Mentalität der sächsischen Staatsanwaltschaft, die auch eine Strafermittlungsbehörde ist, und der sächsischen Gerichte, denen grundsätzlich die Dimension dessen, was bei der Bestandsdatenabfrage passiert, nicht bekannt ist. Genau diesen Behörden wollen wir – sei es auch zur Gefahrenabwehr – dieses Instrument nicht in so weitem Maße, wie Sie es wollen, an die Hand geben. Darum geht es einfach.
Ich habe eine Kleine Anfrage gestellt. Sie haben allein im Jahre – –
Nein, danke. – Sie haben im Jahre 2013 in einem Vierteljahr allein 380 Bestandsdatenabfragen gemacht.
Das heißt, wir müssen damit rechnen, dass wir ohnehin in Sachsen bis 1 500 bzw. 2 000 polizeiliche Bestandsdatenabfragen im Jahr haben. Das zeigt für mich ganz deutlich, dass es sich in der Praxis tatsächlich um eine Bestandsdatenabfrage handelt.
Wenn Sie darauf verweisen, dass Sie ja im Grunde eigentlich nur die bisherige Rechtslage auf der Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.01.2012 novellieren wollen, dann unterschlagen Sie gezielt, dass das Bundesgesetz, in Kraft seit 01.07.2013, die Bestandsdatenabfrage wesentlich erweitert hat, und Sie nehmen diese Erweiterung gleich mit. Aber über diese Erweiterung hat das Bundesverfassungsgericht eben gerade noch nicht entschieden, und Sie wissen wahrscheinlich auch, dass der von uns benannte Sachverständige Starostik dort gerade eine erneute Verfassungsbeschwerde eingereicht hat, und wir wünschen ihr viel Erfolg.
Zum Begriff der Bestandsdaten. Herr Kollege Biesok, ich habe es auch schon im Ausschuss angesprochen; Sie haben es gerade wieder zitiert. Sie irren, die Begründung irrt. Natürlich stehen im § 95 die von Ihnen zitierten Daten. Allerdings verweist § 95 auf den § 3 Nr. 3 des Kommunikationsgesetzes, und danach sind alle Daten, die auf der Grundlage des privatrechtlichen Verhältnisses zwischen dem Provider und beispielsweise dem Inhaber eines Mobilfunkgerätes gespeichert sind, Bestandsdaten, und wir haben die Sorge, dass es sich alles andere als um harmlose Registerdaten handelt, wie das Verfassungsgericht – ich denke, nicht ganz zu Recht – 2012 angenommen hat, sondern dass es wesentlich weiter geht. Es handelt sich hier um Daten, die durchaus in Kernbereichsnähe sind, Beispiel: Erfassung von IP-Adressen. Wenn eine IP-Adresse identifiziert wird, wird natürlich zugleich auch die Seite identifiziert oder bekannt bzw. ist in diesem Zusammenhang enthalten, sodass zwangsläufig auch immer Kommunikationsinhalte betroffen sind.
Das gleiche Problem haben wir bei den Zugangscodes, bei PIN und PUK. Sie haben hier im Plenum gesagt: Wir wollen an die Schlüssel heran. Aber warum wollen Sie an die Schlüssel heran? Ich nehme Ihnen nicht ab, dass Sie nicht deshalb an die Schlüssel heranwollen, weil Sie eigentlich an die Inhalte heranwollen. Ich konzediere, dass Sie hier auf Anraten der Sachverständigen nachgebessert und eine hohe Eingriffsschwelle für die Kommunikationsinhalte eingebaut haben. Im Übrigen betrachten wir das als Erfolg der Arbeit unserer Fraktion, da wir erst die Anhörung beantragt haben, die Sie von der Koalition überhaupt nicht durchführen wollten. Hier hat es also etwas gebracht. Aber ich bleibe dabei: Es ist viel mehr beabsichtigt – wenn nicht bei Ihnen, Herr Biesok, so doch bei Ihrem Kollegen Herrn Hartmann und den Kollegen von der CDU und der Polizei.
Nein, meine Damen und Herren, Sie wollen die Bestandsdatenabfrage zur Standardmaßnahme machen, und, wie die Kolleg(inn)en Bartl und Friedel gesagt haben, schon für eine einfache Gefahr für Sicherheit und Ordnung. Das heißt, schon bei einer Gefahr einer Ordnungswidrigkeit
soll die Polizei die Bestandsdaten abfragen dürfen. Das ist überhaupt keine Eingriffsschwelle. Das heißt auf Deutsch: Immer, wenn die Polizei es für richtig hält, kann man das machen. Und dass sie das dann auch so handhaben werden, wissen wir.
Kurz zur Benachrichtigung. Es ist einfach, an die rechtsstaatlichen Grundsätze und Maßstäbe zu erinnern:
Erstens. Überwachungsmaßnahmen müssen grundsätzlich offen und dürfen nicht heimlich erfolgen.
Zweitens. Heimliche Überwachungsmaßnahmen müssen wenigstens nachträglich gerichtlich überprüft werden können und dazu müssen die Betroffenen nach Ende der Maßnahme informiert werden. Es ist tatsächlich in der Praxis die Ausnahme, dass Betroffene über heimliche Ermittlungsmaßnahmen informiert werden. Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf diese Leerformeln eingefügt, also überwiegend Interessen Dritter – ich weiß nicht, was das sein soll –, die tatsächlich in der Praxis dazu führen, dass eben nicht unterrichtet wird.
Meine Damen und Herren, das Gesetz hat viele Mängel. Wir werden ihm nicht zustimmen. Es ist nicht auf der Höhe einer grundrechtlich orientierten Polizeipolitik und Grundrechtspolitik. Auf Weiteres werde ich im Rahmen der Änderungsanträge eingehen.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Biesok, Sie haben die von mir vorgetragene Auffassung, dass manche sogenannten Bestandsdaten durchaus in den Kernbereich oder den Bereich von Vertrauensverhältnissen hineinreichen und alles andere als
harmlos sind, kritisiert und gesagt, das wäre eine Einzelmeinung.
Darauf möchte ich eingehen und Sie darauf hinweisen, dass unser Sachverständiger Herr Starostik, der diese Meinung vorgetragen hat, nicht nur der Prozessvertreter war, der 2012 das Urteil in Karlsruhe erstritten hat, sondern der auch das Urteil zur Vorratsdatenspeicherung erfolgreich erstritten hat. Das ist durchaus ein grundstürzendes Urteil gewesen.
Es ist vielleicht interessant zu wissen – Herr Bartl hat darauf hingewiesen –, dass die Verfassungsbeschwerde, die 2012 zu dem Bundesverfassungsgerichtsurteil geführt hat, 2005 schon eingereicht wurde. Damals hatten wir eine völlig andere technologische Entwicklung darüber, was Handys, was Smartphones alles können. Das ist mit der heutigen Zeit nicht mehr vergleichbar.
Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2012 im Grunde über den Stand von 2005 geurteilt, weil es damals nicht vorgetragen war, gar nicht vorgetragen sein konnte. Deshalb habe ich auch die Andeutung gemacht, dass ich die Ausurteilung durch Karlsruhe, das die Bestandsdaten als reine Registerdaten betrachtet, einfach nicht für haltbar erachte. Ich bin relativ sicher, dass das Bundesverfassungsgericht jetzt auf diese neuerliche Bestandsdaten-Verfassungsbeschwerde einen strengeren, einen anderen Maßstab anlegen wird. Das ist jetzt schon absehbar.
Deswegen müssen wir als sächsischer Gesetzgeber darauf eingehen und deswegen, Herr Biesok, bin ich zuversichtlich, dass eine erneute verfassungsrechtliche Prüfung – sei es in Sachsen, sei es auf Bundesebene – durchaus andere Ergebnisse zeitigen wird. Es ging mir darum, in einer fachlichen Debatte darauf hinzuweisen, Herr Kollege.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier um einen Änderungsantrag zur zentralen Vorschrift in § 42. Wir haben ihm eine klarstellende Überschrift gegeben. Es geht für uns um sogenannte identifizierende
Bestandsdaten, und das ist weniger als das, was die Koalition hier meint. Wir wollen insbesondere nur Namen und Vornamen beauskunften und das bei einer wesentlich höheren Gefahrenschwelle, nämlich bei einer hohen Wahrscheinlichkeit der Gefahr für Leib, Leben und Freiheit.
Meine Damen und Herren von der Koalition, die Fälle, die Sie so wortreich beschrieben haben – Suizid, Amok, sonstige Gefahren –, sind natürlich von unserem Gesetzentwurf auch umfasst. Das kritisieren wir nicht, im Gegensatz zu anderen Oppositionsfraktionen. Wir kritisieren die Weite, die es ermöglicht, die Bestandsdatenabfrage zu einer polizeilichen Standardmaßnahme zu machen.
Wir knüpfen es an eine besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung, die sogenannte Ultima-Ratio-Klausel, und wir streichen ganz bewusst den Zugriff auf Zugangscodes, nämlich PIN und PUK. Ein besonderes Anliegen war uns die Stärkung des Richtervorbehalts. Sie berufen sich ja auf den Richtervorbehalt als rechtsstaatliches Korrektiv zum Schutz der Grundrechte der Betroffenen, allerdings wissen wir nicht erst seit dem 19. Februar 2011, dass der Richtervorbehalt in der Praxis ins Leere läuft, weil der Richter, der die Maßnahme anordnet, in den Vollzug nicht mehr eingebunden ist.
Deswegen schlagen wir vor, dass der Richter, der die Bestandsdatenabfrage anordnet, auch für die Benachrichtigung zuständig sein soll. Dann hat er ein Interesse daran genau zu prüfen, weil er sich Arbeit erspart und die Bestandsdatenabfrage nicht zulässt.
Es ist uns noch eine andere Stelle wichtig, auf die ich kurz hinweisen möchte. Wir wollen nicht nur eine Evaluation, die die Koalition dankenswerterweise aus dem Gesetz von Nordrhein-Westfalen abgeschrieben hat, sondern auch eine Unterrichtung des Landtages und der Öffentlichkeit, insbesondere deshalb, damit die Staatsregierung mir nicht mehr – wie üblich – antwortet, wenn ich nach Zahlen frage, wie es in der Praxis gemacht wird und in welchen Fällen es angewendet wird, dass dazu keine Statistiken vorliegen und es würde viel zu lange dauern, diese Statistiken zu erstellen. Genau deswegen brauchen wir eine gesetzliche Vorschrift, die Sie endlich dazu veranlasst, der Öffentlichkeit klarzumachen, was Sie hier eigentlich betreiben.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es war wenig der Gegenstand der Debatte. Deswegen stellen wir hier unseren Änderungsantrag. Es geht um den § 7 Abs. 4 des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes.