Elisabeth Müller-Witt

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als zweitem der übrig gebliebenen Themen aus der Verfassungskommission befassen wir uns in dieser Plenarsitzung mit einem Gesetzentwurf der FDP zur Einführung der Individualverfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen.
Welche Bedeutung diesem Thema in der Verfassungskommission beigemessen wurde, ist aus der Tatsache abzulesen, dass hierzu ein Symposium stattgefunden hat. Das Symposium hatte den Untertitel „Schließung einer Rechtsschutzlücke oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahme – Perspektiven der Landesverfassungsbeschwerde in Nordrhein-Westfalen“. Allein der Untertitel weist schon auf mögliche Pro- und Kontra-Positionen hin.
Es liegt auf der Hand, angesichts der durch die Föderalismusreform gewachsenen Kompetenzen der Länder darüber nachzudenken, ob aufgrund der erweiterten überschießenden Grundrechte eine Individualverfassungsbeschwerde auch in NordrheinWestfalen eingeführt werden sollte. Dies wurde auch von Prof. Sachs zum Ausdruck gebracht, der allenfalls ein Bedürfnis mit Blick auf die im Grundgesetz nicht vorgesehenen Grundrechte unserer Landesverfassung sieht. Diese sind in Nordrhein-Westfalen im Gegensatz zu Bayern im Wesentlichen auf einen überschaubaren Bereich begrenzt.
So stellt sich also die Frage, ob es notwendig ist, hierfür eine Individualverfassungsbeschwerde einzuführen. Im Endeffekt muss die Frage gestellt werden, ob eine Rechtsschutzlücke besteht oder nicht.
Wie schon mein Kollege Sven Wolf im November vergangenen Jahres bei der Einbringung des Gesetzentwurfs betont hat, gibt es natürlich auch jetzt schon die Möglichkeit, dass sich die Bürger, die sich durch eine Entscheidung dieses Hohen Hauses in ihren Grundrechten verletzt fühlen, an Karlsruhe oder auch an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wenden. Außerdem sind
alle Richterinnen und Richter und alle Fachgerichte unseres Landes generell verpflichtet, Grundrechtsfragen zu berücksichtigen.
Was spricht nun für die Einführung einer Individualverfassungsbeschwerde und was dagegen? Dafür spricht – wie schon ausgeführt –, dass zusätzlich zu den aus dem Grundgesetz übernommenen Grundrechten die nordrhein-westfälische Verfassung über einen Katalog dem Recht des Landesverfassungsgebers entsprechend erweitert worden ist. Dagegen lässt sich anführen, dass gegenwärtig keine Rechtsschutzlücke besteht, aber auch, dass es durch die Einführung der Individualverfassungsbeschwerde zu Doppelstrukturen kommen kann. Zusätzlich kann die Frage aufgeworfen werden, ob die Individualverfassungsbeschwerde zu einer Verdrängung von
Rechtswegen führt oder ob man vielmehr eine frühzeitige Rechtswege-Erschöpfung mit dem neu implementierten Rechtsmittel erzeugt.
Schließlich – und auch das wurde im Rahmen des Symposiums thematisiert – ist es auch recht und billig, die Frage nach dem zusätzlich verursachten Aufwand in der Justiz durch das neue Rechtsmittel zu stellen. So wurde mehrfach betont, dass das Landesverfassungsgericht in seiner jetzigen Form kaum in der Lage sein würde, die zu erwartende Zahl an Individualbeschwerden ohne eine Anpassung an die neue Situation zu bewältigen. Dieser Aufwand muss dem vom Beschwerdeführer erzielbaren Nutzen gegenübergestellt werden.
Schlussendlich kommt die SPD-Fraktion zu dem Ergebnis: Die Einführung einer Individualverfassungsbeschwerde ist nicht grundsätzlich abzulehnen, aber es sollte darüber nachgedacht werden, die Zugangsvoraussetzungen so wie beispielsweise in BadenWürttemberg und beim Bundesverfassungsgericht auszugestalten. Dies ist im Gesetzentwurf nicht vollständig und nicht konsequent umgesetzt worden.
Danach würde die Landesverfassungsbeschwerdebefugnis entfallen, wenn parallel Bundesverfassungsbeschwerde erhoben worden ist oder während der Anhängigkeit der Landesverfassungsbe
schwerde noch erhoben wird. Ohne diese Einschränkungen ist nach unserer Auffassung die Individualverfassungsbeschwerde nicht einzuführen. Außerdem sollte sie nicht einfachgesetzlich, sondern über eine Verfassungsänderung implementiert werden.
Deswegen lehnen wir den FDP-Gesetzentwurf ab.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag verhält es sich wie mit einem aufgewärmten Essen: Es kann besser werden, muss aber nicht. – Bereits im April des vergangenen Jahres hat auf Antrag der
CDU-Fraktion der Wirtschaftsminister einen umfänglichen Bericht zur Lage und Perspektive der freien Berufe vorgelegt auf der Basis einer Großen Anfrage aus dem März desselbigen Jahres. Offensichtlich wollte man vonseiten des Antragstellers dieses Mal im Geleitzug mit der FDP noch einmal das Thema „Freie Berufe“ aufwärmen – angesichts der bevorstehenden Landtagswahl und der im Umfeld der freien Berufe erhofften Wählerstimmen. Dieser Versuch ist aber auf ganzer Linie gescheitert.
Die vorgestellten Forderungen wurden im Rahmen eines Sachverständigengesprächs mehr oder weniger ad absurdum geführt. Zunächst ist da das Ansinnen, ein Konzept zur Schaffung eines interdisziplinären Instituts zur Erforschung der freien Berufe gemeinsam mit dem Landesverband der Freien Berufe in NRW zu entwickeln.
Angesichts mehrerer bereits vorhandener Institute – wie zum Beispiel das Institut für Mittelstandsforschung, das Forschungsinstitut für Freie Berufe in Nürnberg sowie das Zentrum für Freie Berufe an der Universität zu Köln – ist es nicht nachzuvollziehen, welchen Mehrwert ein weiteres zusätzliches Institut mit diesem thematischen Schwerpunkt liefern sollte. Ein Institut um des Instituts willen sollte nicht das Ziel sein.
Selbst Ihr Sachverständiger Herr Busshuven ist diesbezüglich indifferent. Während er zunächst die Notwendigkeit eines interdisziplinären Instituts konstatiert, sagt er im Weiteren – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –: Wir haben viele Institute, die alleine forschen. Um Ergebnisse vorzuweisen, wäre es sicherlich hilfreich, gemeinsam zu forschen. – Na ja, da ist ja schon mal eine Lösung.
Die zweite Forderung nach einem jährlichen Statusbericht klingt auf den ersten Blick plausibel. Eine Lagebeschreibung kann bei allen Berufsgruppen nützlich sein.
Wenn man sich aber das Anliegen näher anschaut, ist festzustellen, dass es bei der Datenerhebung zu den freien Berufen nicht unerhebliche Abgrenzungsprobleme gibt. Wenn nicht eineindeutige Daten in Abgrenzung zu anderen Selbständigen den freien Berufen zuzuordnen sind, ist es, wie auch im Sachverständigengespräch zum Ausdruck kam, nicht möglich, hieraus einen Lagebericht in der gewünschten Form zu erstellen.
Die dritte Forderung betrifft die finanzielle Förderung der freien Berufe auf der Grundlage des geforderten, aber aufgrund der Datenproblematik nicht zu erstellenden Lageberichts.
An diesem Punkt könnte man aufgrund der hier schon festgestellten fehlenden Voraussetzungen Schluss machen. Aber ich will noch kurz auf die im Antrag angeführten Förderinstitute und Förderinstrumente eingehen:
Die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, kurz: GRW-Förderung, kann nach meinem Dafürhalten aufgrund der sehr klar umrissenen Förderrichtlinien nicht infrage kommen.
Auch in die Förderung nach EFRE passen die freien Berufe nicht.
Bliebe noch der ESF. Er hält durchaus Angebote für freie Berufe vor, so zum Beispiel die Förderung des unternehmerischen Knowhows durch Unternehmensberatung für KMU und freie Berufe. – Hierzu hätte es dieses Antrags nicht bedurft.
Der vorliegende Antrag ist also im Ergebnis nicht zielführend und scheint eher ein Schaufensterantrag zu sein – in dem Sinne: Da haben wir diese Zielgruppe noch mal kurz vor der Landtagswahl in den Fokus genommen.
Das ist aber ein Vorgehen, das der Bedeutung der freien Berufe nicht gerecht wird. Vielmehr haben schon die vergangenen Debatten, sei es zum Europäischen Semester, sei es zur Großen Anfrage der CDU, gezeigt, dass die Landesregierung die freien Berufe sehr wohl auf ihrer Agenda hat und nicht nur die freien Berufe im Sinne von der Arzt, der Rechtsanwalt, sondern auch die Beschäftigten, die Rechtsanwaltgehilfin, die Arzthelferin.
Kurzum: Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.“ Treffender als mit diesem Zitat von August Bebel kann man die Aufgabe der NSGedenk- und -Dokumentationsstätten im Sinne von politischer Bildung nicht beschreiben. Sie ist aktueller denn je.
Dank vieler ehrenamtlich engagierter Menschen dokumentieren heute zahlreiche Orte die Verbrechen der NS-Zeit. Dieses bürgerschaftliche Engagement hat dazu beigetragen, dass die Orte identifiziert und erhalten geblieben sind und nicht dem Vergessen überlassen wurden.
NRW zeichnet sich im Vergleich zu anderen Bundesländern durch eine dezentrale erinnerungskulturelle
Landschaft aus und ermöglicht daher in der Fläche, die Erinnerungskultur zum unverzichtbaren Teil der politischen Bildung zu machen.
Durch den Zusammenschluss von derzeit 26 Gedenkorten zu einem landesweiten Arbeitskreis werden die Aktivitäten koordiniert und die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt.
Mit der Zeit versterben auch die letzten Zeitzeugen der NS-Verbrechen, die den nachfolgenden Generationen aus eigenem Erleben berichten konnten. Damit stellt sich verstärkt die Frage, wie die Geschichte der nationalsozialistischen Verbrechen künftig vermittelt werden soll. Diese Frage berührt auch das Selbstverständnis von Gedenkstätten.
Die kürzlich umgestaltete Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf ist hier ein herausragendes Beispiel. Sie zeigt nun in beeindruckender Weise, wie mithilfe moderner Medien Berichte von Zeitzeugen aus verschiedenen Lebenswelten jederzeit abrufbar sind. Dabei wirft sie die Frage auf, wie sich die heute Lebenden verhalten hätten. Denn mit jeder neuen Generation wächst der Abstand zum Geschehenen. Andererseits besteht die Notwendigkeit, im Sinne Bebels aus der Kenntnis der Vergangenheit die Gegenwart zu verstehen. Das ist eine Herausforderung, die angesichts des wieder wachsenden Antisemitismus, Rassismus und Rechtspopulismus nicht zu leugnen ist.
Beim Besuch der Dokumentationsstätte Burg Vogelsang konnten sich Vertreter des Hauptausschusses im Gespräch mit Schülerinnen und Schülern ein Bild davon machen, wie sich die Schüler angesichts des gegenwärtigen Zuspruchs für rechtspopulistisches Gedankengut vor dem Hintergrund des dokumentierten Geschehens mit Fragen wie Ausgrenzung und Rassismus befassten.
Ein weiterer Aspekt muss noch berücksichtigt werden: Wie kann Erinnerungskultur der Tatsache gerecht werden, dass wir eine multikulturelle Einwanderungsgesellschaft sind? Auch hier sind die Gedenkorte gefordert, einen Beitrag zu leisten.
In NRW werden diese Anforderungen an die Gedenkstätten teilweise schon seit einigen Jahren aufgegriffen. Die Dokumentationen werden auf ihre Zukunftsfestigkeit hin beleuchtet, überarbeitet oder erneuert. Dabei ist eine Abkehr von der reinen Dokumentation hin zu der Anregung zu einer Auseinandersetzung mit dem Geschehenen festzustellen. Die Besucher sind gefordert, sich grundsätzlich mit Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung auseinanderzusetzen. Damit gehören die Dokumentationsstätten ohne Zweifel zu den Orten der historischen politischen Bildung.
Aber es gibt noch vernachlässigte Aufgabenbereiche. So führten die Gedenkorte für die ermordeten Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter lange Zeit
ein Schattendasein in Deutschland. Dies soll sich jetzt ändern. Deshalb bitten wir die Landesregierung, gemeinsam mit dem Bund eine finanzielle Unterstützung für Stalag 326 in Stukenbrock zu prüfen.
Insgesamt wird die finanzielle Absicherung der nordrhein-westfälischen Dokumentations- und Gedenkstätten durch die Förderung vonseiten der Landeszentrale für politische Bildung, durch kommunale Mittel und insbesondere dank privaten Engagements gesichert. Wir begrüßen, dass es gelungen ist, im laufenden Haushaltsjahr erneut die Haushaltsansätze zur Sicherung der Gedenkstättenarbeit zu erhöhen und diese Höhe auch für das kommende Jahr abzusichern.
Insbesondere die ehrenamtlich Engagierten tragen dazu bei, dass wir und künftige Generationen das Geschehen der Vergangenheit kennen oder kennenlernen. Diese Kenntnis ist uns in der Gegenwart Mahnung und Aufforderung zugleich, gegen Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung aufzustehen und dafür zu sorgen, dass NRW auch in Zukunft ein Land der Toleranz, der Vielfalt und des Gemeinsinns bleibt.
Noch ganz kurz zum Entschließungsantrag der CDU: Wir möchten uns mit unserem Antrag ganz bewusst thematisch auf die beschriebenen Gedenkstätten beschränken. Der Gruppe der Vertriebenen hat sich der Landtag in den letzten Monaten sehr intensiv gewidmet, zuletzt im Zusammenhang mit dem Antrag Drucksache 16/3443.
Insofern lehnen wir heute Ihren Antrag ab.
Danke. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich im Gegensatz zu meinem Vorredner auf den Einzelplan 02 beschränken – und da auf den Bereich, für den der Hauptausschuss zuständig ist.
Die vorliegende Planung für den Haushalt der Ministerpräsidentin und der Staatskanzlei im Einzelplan 02 zeichnet sich erneut durch ihre konstante und gleichbleibende Ausgabenhöhe aus. Das ist ein Merkmal, welches zum Ausdruck bringt, dass die Bewertung „gute Haushaltsführung“ auch für 2017 zutrifft. Veranstaltungen wie der NRW-Tag sowie das Sommer- und Adventskonzert finden bekannterweise im zweijährigen Rhythmus statt, sodass im kommenden Jahr im Haushalt lediglich Ausgaben für das Sommerkonzert und die im Vorlauf entstehenden Kosten für den NRW-Tag 2018 veranschlagt wurden.
Welche Wirkung aber solche Veranstaltungen für das Selbstbewusstsein der Bevölkerung unseres Landes haben, konnte man gerade in diesem Jahr beim NRW-Fest hier in Düsseldorf feststellen. Bei allen Veranstaltungen und Ausstellungen im Rahmen
des NRW-Festes war zu hören, dass es wichtig ist, dass unser Bundesland sich selbst feiert und dass die Menschen gerne stolz auf ihr Land sind.
Die Menschen wollen nicht, dass ihr Land schlechtgeredet wird. Insbesondere die Bürger im Ruhrgebiet sind zu Recht stolz auf ihre Heimat. Vergleiche mit dem sogenannten „rust belt“ der USA empfinden sie richtigerweise als Missachtung der Leistung der Menschen an der Ruhr bzw. als Beleidigung.
Deshalb wollen die Bürgerinnen und Bürger mit dem NRW-Fest auch ihren Beitrag zur Bewältigung der ohne Zweifel immer wieder neuen Herausforderungen feiern. Sie haben die Herausforderungen eines stetig im Wandel begriffenen Landes immer bewältigt und werden dies auch in Zukunft tun. Der Haushalt der Ministerpräsidentin und der Staatskanzlei sind vom Ergebnis her mit der eben beschriebenen Ausnahme aufgrund des Zwei-Jahre-Rhythmus des NRW-Festes nahezu konstant geblieben.
Ich möchte mich abschließend noch auf ein bestimmtes Thema konzentrieren, und zwar auf die KlimaExpo NRW, die ebenfalls aus dem Einzelplan 02 finanziert wird. Mit der KlimaExpo wird unsere Landesregierung der Verantwortung gerecht, die wir als das Bundesland der großen Energiekonzerne, als das größte stromerzeugende Bundesland und als das Bundesland haben, welches vor den größten Herausforderungen bei der Reduzierung von CO2 steht.
Die KlimaExpo verdeutlicht nun seit mehreren Jahren anschaulich, wie NRW diesen Herausforderungen begegnet – und das auf vielfältige, unterschiedliche Art und Weise. Damit ist die KlimaExpo Schaufenster und Impulssetzer zugleich. Deswegen ist jeder Euro für dieses Projekt mehr als gerechtfertigt.
Mein Fazit zum Haushalt der Ministerpräsidentin und der Staatskanzlei im Einzelplan 02 lautet: Die Haushaltsplanungen sind verlässlich und konstant. Sie finden daher unsere Zustimmung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem integrierten Handlungskonzept wird im Zuständigkeitsbereich der Landeszentrale für politische Bildung eine umfassende Kampagne gestartet, die sich im Kern mit der Vermittlung unserer demokratischen Grundwerte befasst.
67 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes ist festzustellen, dass die im Grundgesetz festgehaltenen Werte unserer Demokratie oftmals nicht mehr ausreichend im Bewusstsein der hier lebenden Menschen verankert sind. Mancher Umstand erweckt sogar den Eindruck, dass einer wachsenden Zahl an Menschen die Grundrechte als ein loses Angebot erscheinen, auf das man sich nach Gusto berufen, danach leben kann – oder auch nicht.
Nicht anders ist es zu erklären, dass jene Menschen, die aus ihrem rechtsextremistischen Weltbild heraus den demokratischen Rechtsstaat weitgehend ablehnen, einige Grundwerte hochhalten, andere schlichtweg ignorieren oder offen infrage stellen. Während Art. 1 – die Würde des Menschen ist unantastbar – entweder ignoriert oder lediglich einem bestimmten Personenkreis zugestanden wird, wird zum Beispiel Art. 16 – das Recht auf Asyl – grundsätzlich zur Disposition gestellt.
Hier ist eine umfassende politische Bildungsoffensive gefordert. Politische Bildung im weitesten Sinne! Deshalb baut das integrierte Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus auf der bereits heute schon in Nordrhein-Westfalen gut ausgebauten Infrastruktur zur Demokratieförderung auf.
Die zahlreichen Akteure dieser Infrastruktur sind heute mehr denn je gefordert. Denn die herkömmlichen Ansätze der Vermittlung allgemeiner gesellschaftlicher Werte und politischer Bildung sind durch die überaus dynamische Entwicklung der Kommunikationsmedien teilweise überholt. So spielen in Zeiten der sozialen Medien sich frei organisierende Plattformen eine wesentlich bedeutendere Rolle bei der Entwicklung des individuellen Werteverständnisses als früher Presse oder Rundfunk und Fernsehen.
Deshalb sind heute neben den traditionellen Bildungsmittlern auch vermehrt Vereine und Organisationen eingebunden, um niedrigschwellig als Wertemittler zu fungieren. Dass dies aber längst nicht ausreichend ist, zeigen die Entwicklungen der letzten
Jahre, in denen trotz Kampagnen wie „Mach‘ meinen Kumpel nicht an!“ oder „Nein zu Rassismus“ „Rechtsextremismus und Rassismus“ massiv zugenommen haben. Erstellung und Umsetzung des Handlungskonzeptes war und ist mehr denn je ein dringend erforderlicher Schritt, um Strategien und Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Rassismus nachhaltig zu fördern.
Gerade aus der jüngsten Vergangenheit sind uns vor allem noch die menschenverachtenden Morde der rechtsextremen Terrorzelle NSU im Gedächtnis geblieben, die unsere demokratische Gesellschaft erschütterten. Doch auch in der Gegenwart mehren sich rassistische und rechtsextremistische Straftaten – seien es die schändlichen Übergriffe auf wehrlose Menschen in Flüchtlingsheimen, die hilfesuchend zu uns kamen, oder spontane Übergriffe auf Menschen, nur weil sie anders aussehen, einen anderen Glauben haben.
Diese Beispiele verdeutlichen, auf welch schreckliche Art und Weise die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Rassismus zwingend notwendig ist – in Form dieses integrierten Handlungskonzeptes. Die gezielte präventive Arbeit in allen gesellschaftlichen Bereichen soll dem stetigen Anwachsen von Rechtsextremismus und Rassismus Einhalt gebieten und zu einer allgemeinen Sensibilisierung für rechtsextremistische und rassistische Äußerungen und Taten führen. Die bereits vorhandenen zahlreichen Akteure gegen rechts sollen zum einen gestärkt und unterstützt und zum andern in die Lage versetzt werden, durch Vernetzung vermehrt Synergieeffekte zu nutzen.
Das, Herr Stamp, haben Sie offensichtlich nicht erkannt.
Hierbei spielt insbesondere die Landeskoordinierungsstelle eine bedeutende Rolle. Angesichts der zunehmenden Etablierung einer rechtsextremen Parallelgesellschaft mit eigenen Kommunikationswegen sind die gemeinsamen politischen Handlungsschwerpunkte von Staat einerseits und Zivilgesellschaft andererseits als Präventionsstrategie gegen Rechtsextremismus und Rassismus die Antwort der demokratischen Mehrheitsgesellschaft, um frühzeitig – im besten Fall präventiv – diesen Tendenzen eines unserem Grundgesetz widersprechenden Menschenrechts- und Demokratieverständnisses zu begegnen.
Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, dass auch der Arbeitskreis der mobilen Beratungsstellen als dauerhaftes Netzwerk angelegt ist, um eine verlässliche Rückkopplung aus der Zivilgesellschaft zu sichern. Wie gut, dass die Landesförderung für die mobile Beratung von 2013 bis heute mehr als verdoppelt wurde.
Neben der Landeszentrale für politische Bildung wird auch die interministerielle Arbeitsgruppe mit dem
Schwerpunkt Rechtsextremismus und Rassismus als dauerhafte Einrichtung ihre Arbeit fortsetzen.
Das zeigt, dass die Umsetzung des Handlungskonzepts nicht allein in der Verantwortung eines Hauses stehen kann. Angesichts der Gefährdung der unterschiedlichsten Lebensbereiche durch rechtsextreme Diskriminierung bedarf es der Einbindung aller Ministerien, um dieser komplexen Herausforderung zu begegnen.
All diesen Anforderungen wird im Handlungskonzept Rechnung getragen, und damit nimmt NordrheinWestfalen bundesweit eine Vorreiterrolle ein.
Dies funktioniert nicht ohne die erforderliche finanzielle Ausstattung. So begrüßt es die SPD-Fraktion nachdrücklich, dass zur Unterstützung der Akteure vor Ort bereits im laufenden Haushalt zusätzlich 2,3 Millionen € bereitgestellt wurden. Es werden im Folgenden auch die Kreise und kreisfreien Städte gefordert sein, sich verstärkt mit einzubringen. Nur durch das Engagement aller staatlichen Ebenen kann das angestrebte intensive Zusammenwirken von Staat und Zivilgesellschaft wirklich erfolgreich sein.
Insgesamt handelt es sich um ein ambitioniertes Handlungskonzept, das den Anforderungen angesichts des zunehmenden Rechtsextremismus und Rassismus und insbesondere der besorgniserregend wachsenden Zahl an Straftaten aus diesem Umfeld gerecht wird. Umso wichtiger ist die regelmäßige Evaluierung des Konzepts.
Die SPD-Fraktion begrüßt, dass mit diesem Handlungskonzept von Nordrhein-Westfalen ein klares Signal gegen Rechtsextremismus und Rassismus ausgeht. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag soll ein Zusammenhang zwischen den Wirtschaftszahlen des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahre 2015 und der aktuellen Nachfrage Nordrhein-Westfalens nach dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen, kurz EFSI, hergestellt werden.
Der angesprochene Fonds mit einem Volumen von insgesamt 21 Milliarden €, die sich aus 5 Milliarden €, die von der Europäischen Investitionsbank eingebracht werden, sowie 16 Milliarden €, die als Garantie bereitgestellt werden, zusammensetzen, soll über einen Hebeleffekt die bekannten 315 Milliarden € freisetzen und eine Investitionsoffensive auslösen.
Der Einsatz der EU-Garantie ermöglicht es der EIB, über ihre übliche Finanzierungspraxis hinaus riskantere Investitionen zu finanzieren, ohne ihre Bonitätsstufe AAA zu gefährden. Es geht hier also mitnichten um die Verteilung von Fördergeldern in Höhe von 315 Milliarden €, sondern in erster Linie um das Auslösen von Investitionen aufgrund der Übernahme von Garantien –
eine Maßnahme, die gerade bei Investitionen in einigen europäischen Staaten nicht unwichtig ist und zuvörderst auch für diese Länder gedacht ist.
Gleichzeitig haben sich Europäische Kommission, Europäisches Parlament und Vertreter der EU
Staaten darauf geeinigt, dass das Forschungsprogramm Horizont 2020 um 2,2 Milliarden € zugunsten des neuen Europäischen Fonds für strategische Investitionen zu kürzen ist. Also bleiben tatsächlich zusätzliche Mittel in Höhe von 2,8 Milliarden € – und hierbei ist noch nicht der Effekt berücksichtigt, den die Kürzung des genannten Forschungsrahmenprogramms bewirken könnte.
EFSI selbst stellt also keine nennenswerten zusätzlichen Finanzierungsmittel bereit, sondern bietet in erster Linie eine Rückabsicherung für Investitionen in Projekte mit einem höheren Risikoprofil. Etwaige Zahlungsausfälle sollen durch EU-Garantiefonds abgedeckt werden, die ebenfalls unter diese Verordnung fallen.
Dabei ist für den Einsatz aller EFSI-Instrumente entscheidend, dass die Gruppe der Europäischen Investitionsbank, bestehend aus der Europäischen Investitionsbank und dem Europäischen Investitionsfonds, unter deren Dach EFSI angesiedelt ist, nicht für höher eingegangene Risiken haftet als die übrigen Finanzierungsbeteiligten. Private und öffentliche Finanzierungspartner müssen die gleichen höheren Risiken eingehen, ohne von einer Absicherung durch die EU-Garantien zu profitieren.
Die angesprochene Investitionsinitiative soll also – das hat Ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Laschet, offensichtlich überhaupt nicht verstanden –
mithilfe von Garantien in Höhe von 16 Milliarden € und 5 Milliarden € Investitionsmitteln angestoßen werden. Der Scheinriese, die vermeintlichen 315 Milliarden €, die Herr Laschet laut „DIE WELT“ vom 4. Mai 2016 durch die NRW-Landesregierung abgerufen sehen möchte, sind lediglich ein mit dem Faktor 15 gerechneter Wert der Folgeinvestitionen, die aus diesen 21 Milliarden € initiiert werden sollen. Auch das muss man sich einmal vor Augen halten. Hier immer von 315 Milliarden € zu sprechen, die in einem wundersamen Topf in der EU zur Verfügung ständen, und zu sagen, da müsse man nur zugreifen, ist wirklich irreführend.
Allerdings kann EFSI auf ein breites Spektrum von Finanzierungsinstrumenten zurückgreifen, um je nach Art des Investitionsprojektes die passende Finanzierung anzubieten. Hierzu zählen aber auch Fremdfinanzierungsinstrumente, Garantien, Eigenkapitalinstrumente, Instrumente zur Bonitätsverbesserung oder Risikokapital.
Es werden insbesondere Projekte in den strategischen Bereichen Infrastruktur und Innovation, die wirtschaftlich tragfähig sind und einen europäischen Mehrwert haben, entsprechend gefördert, daher
auch die berechtigte Überlegung der Landesregierung, den Breitbandausbau für diese Initiative in Betracht zu ziehen.
Ziel von EFSI ist es, dass der Fonds privates Kapital für Investitionen mobilisiert. Eine Finanzierung öffentlicher Investitionsvorhaben ohne private Beteiligung ist durch den EFSI nicht vorgesehen.
Im vergangenen Jahr hat NRW Projekte für EFSI identifiziert und angemeldet, aber erst Ende 2015 standen sämtliche Vorgaben der EU für das Programm fest. Im Januar 2016 nahm das Expertengremium zur Bewertung der Anträge seine Arbeit auf. Das ist noch nicht allzu lange her. Und außerdem wurde mit der Verabschiedung der letzten Förderrichtlinien auch der regionale Schwerpunkt deutlich. Und dieser liegt nicht in Nordwesteuropa. Der Vorwurf, zu zögerlich gewesen zu sein, trifft in keinerlei Weise zu. Die Landesregierung bzw. die
NRW.BANK haben im Gegenteil alles unternommen, um möglichst früh am Start zu sein.
EFSI ist ein weiterer Versuch der EU, der ohne Zweifel bestehenden anhaltenden europäischen Investitionsschwäche zu begegnen, aber unter Berücksichtigung weiterer Parameter, und die treffen uns hier nicht.
Wenn wir uns zudem in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase die in Deutschland, in NRW herrschenden Voraussetzungen anschauen, so sind unsere Förder- und Bürgschaftsbanken gut gerated. Deshalb bestehen im Gegensatz zu Staaten mit einer anderen Risikostruktur hier leider geringere Chancen, am EFSI zu partizipieren. Das wurde auch im Ausschuss der Regionen in Brüssel betont, der erst kürzlich über den aktuellen Stand von EFSI informierte.
Der Europäische Fonds Strategische Investitionen soll als Motor einer Investitionsoffensive in Europa in Fällen von Marktversagen wirksam werden, um Marktmechanismen anzustoßen und private Investitionen zu mobilisieren. Und Marktversagen wollen Sie einem Land wie Nordrhein-Westfalen doch wohl nicht unterstellen?
Die Fondsmittel sollen in einem solchen Fall in strategische Investitionen in Schlüsselbereiche wie Infrastruktur, Bildung, Forschung und Innovation fließen und als Risikokapital für kleine Unternehmen auch dienen. Dabei sollen sowohl institutionelle Anleger innerhalb als auch außerhalb Europas angesprochen werden wie auch Projektträger von Infrastrukturprojekten sowie von Innovation in Schlüsselregionen, aber auch KMUs mit bis zu 3.000 Beschäftigten.
Allerdings ist jetzt schon festzustellen, dass in einigen Ländern die mangelnden Verwaltungskapazitäten und die fehlende Erfahrung, insbesondere im Hinblick auf die Finanzkonstruktion von PPPProjekten, zu einem geringeren Leverage-Effekt der erforderlichen privaten Investitionen führen werden.
In den letzten Veröffentlichungen des Europäischen Investmentfonds, Ende März nachzulesen, wird deutlich, in welchem Umfang sich die Bundesrepublik und Nordrhein-Westfalen an dieser Initiative beteiligen möchten. Des Weiteren wird sich mein Kollege Sundermann noch mit Ihrem Antrag auseinandersetzen. Ich kann allerdings jetzt schon empfehlen, Ihrem Antrag nicht zuzustimmen.
Herr Brockes, haben Sie sich einmal die Richtlinien und die Vorgaben des Programms durchgelesen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Teil der Erfolgsgeschichte Nordrhein-Westfalens ist auch die Erfolgsgeschichte der gelungenen Integration von Zuwanderern. Die Industrialisierung des heutigen Gebiets von NordrheinWestfalen ist ohne Zweifel ohne Zuwanderung gar nicht denkbar. Bereits vor gut 300 Jahren wanderten die Hugenotten hier ein, übrigens auch Flüchtlinge vor Verfolgung und meist ohne Deutschkenntnisse. Sie haben hier Handwerksbetriebe und kleine Manufakturen gegründet und damit Impulse gesetzt.
Später war es der Steinkohlebergbau, der Arbeitskräfte aus Polen anwarb, anschließend die Stahl- und Automobilindustrie unseres Landes, die zusätzliche Arbeitskräfte benötigten. In den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden Arbeitskräfte aus Südeuropa angeworben. Mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit wurden dann die letzten Hindernisse innerhalb Europas beseitigt.
Heute ziehen wirtschaftlich florierende Regionen wie Nordrhein-Westfalen Arbeitskräfte aus vielen Ländern an. Für unser Land war und ist diese permanente Zuwanderung eine Erfolgsgeschichte. Die so entstandene kulturelle Vielfalt entwickelte sich zu einem Markenzeichen unseres Landes und trug maßgeblich zum Wirtschaftswachstum bei.
So ist festzustellen, dass die Zahl der sich hier niederlassenden selbstständigen Ausländer in den letzten beiden Jahrzehnten prozentual etwa dreimal so stark angestiegen ist wie die Zahl der einheimischen Selbstständigen. Mittlerweile besitzt jede sechste unternehmerisch engagierte Person in Deutschland einen Migrationshintergrund. Angesichts des höheren Anteils an Menschen mit Migrationshintergrund in NRW im Vergleich zu anderen Bundesländern dürfte diese Relation in Nordrhein-Westfalen noch deutlich höher zugunsten der Zuwanderer ausfallen. Da bei der statistischen Erfassung der Selbstständigen, um jegliche Form der Diskriminierung zu vermeiden, keine Unterscheidung zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund gemacht wird, kann diese Erfolgsgeschichte nicht ohne Weiteres mit konkreten Zahlen belegt werden.
Nach gut festgefügtem Vorurteil wird häufig bei den Gründerinnen und Gründern mit Migrationshintergrund davon ausgegangen, dass sie insbesondere kleinere gastronomische Betriebe, Änderungs
schneidereien oder kleinere Lebensmittelgeschäfte aufbauen. Das Gegenteil ist der Fall. Untersuchungen zeigen, dass der Anteil der in diesen Segmenten tätigen Migranten seit Jahren rückläufig ist, andererseits die Bedeutung wissensintensiver Dienstleistungen wächst. Diese Entwicklung hat neben gerade mal zwei Millionen Arbeitsplätzen auch eine wachsende Zahl an Ausbildungsplätzen zur Folge gehabt.
Wie wir erst kürzlich bei der Debatte zu den Freien Berufen feststellen konnten, hat gerade der Dienstleistungssektor auch im Industrieland NordrheinWestfalen aufgrund des stetigen Wandels von der Industrie zur Dienstleistungsgesellschaft immer noch größere Bedeutung erlangt. Hieran partizipieren insbesondere die Migranten.
Derzeit erfährt die sogenannte migrantische Ökonomie in Deutschland neue Impulse. Durch den tendenziell rückläufigen Anteil Selbstständiger aus den ehemaligen Anwerbeländern der 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts und durch den Zustrom neuer, besser gebildeter Zuwanderergruppen, vor allem aus Mittel- und Osteuropa und aus dem Nahen und Mittleren Osten, verändern sich nicht nur die Charakteristika, sondern auch die Entwicklungsbedingungen von Migranten-Selbstständigkeit.
Generell steigt die Zahl ausländischer Selbstständiger in den letzten Jahren stark und überproportional zur Entwicklung der ausländischen Bevölkerung an. Wenn man die Selbstständigen mit Migrationshintergrund betrachtet, so besteht noch die Hälfte aus sogenannten ehemaligen Gastarbeitern und ihren Nachfahren. Von den 4,5 Millionen Selbstständigen in Deutschland haben rund 760.000 einen Migrationshintergrund. Dies macht deutlich, welche ökonomische Bedeutung die kulturelle Vielfalt unserer Gesellschaft hat.
Noch starten zurzeit Migranten je nach Herkunftsgebiet mit 1,5- bis dreifach höherer Wahrscheinlichkeit als Deutsche ihr Unternehmen aus der Position der Arbeitslosigkeit. Mit dem Thema Gründungsneigung, Gründungsmentalität haben wir uns in diesem Hause schon mehrfach beschäftigt. Allerdings zählt schon jedes vierte Migrantenunternehmen zu den wissensintensiven Dienstleistungen – ein Trend, der weiterhin stark zunimmt.
Der typische selbstständige Migrant ist bei Weitem nicht der Arbeitsuchende, der anstelle einer abhängigen Beschäftigung die Dönerbude oder den kleinen Gemüseladen an der Ecke aufmacht, auch wenn diese unverzichtbar sind für unsere Quartiere – nein, die Motivation ist vielfältiger, und die Berufe sind wissensbasierter.
Deutschland, NRW scheinen allen Unkenrufen zum Trotz ein attraktiver Standort für Selbstständigkeit zu sein. Es sind Bedingungen, die uns Deutschen vielleicht nicht immer sofort bewusst sind, weil sie für uns zu einer Selbstverständlichkeit geworden sind: ein verlässlicher Rechtsstaat, geringes Vorhandensein von Korruption und ein zuverlässiges Banken- und Sparkassenangebot zur Finanzierung.
Allerdings ist auch festzustellen, dass gerade Selbstständige mit Migrationshintergrund auch auf spezifische Hindernisse stoßen. So mangelt es häufig an Anerkennung von ausländischen Qualifikationen und Abschlüssen. Sie stoßen vermehrt auf Schwierigkeiten bei der Finanzierung der Gründungs-, aber auch der Wachstumsphase – eine im Vergleich zu den Gründern ohne Migrationshintergrund verschärfte Herausforderung.
Dies mag unter anderem an der mangelhaften Vermittlung der vorhandenen Förderangebote liegen, aber auch an den noch immer vorhandenen Vorbehalten der migrantischen Gründer gegenüber den Kammern. Und schließlich macht der sonst so positiv wahrgenommene Rechtsstaat Vorgaben und stellt Anforderungen, die in der Herkunftskultur weniger oder gar nicht ausgeprägt sind und dadurch teilweise auf Unverständnis stoßen.
Mit dem vorliegenden Antrag möchten wir für den großen Beitrag, den die kulturelle Vielfalt zum wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes leistet, einerseits unsere Wertschätzung ausdrücken, andererseits darauf aufmerksam machen, dass die Voraussetzungen für die weitere Erfolgsgeschichte der migrantischen Ökonomie noch zu verbessern sind.
So sind alle infrage kommenden Einrichtungen und Partner hinsichtlich ihrer interkulturellen Beratungskompetenz für Selbstständige und solche, die es werden wollen, zu verbessern – seien es die STARTERCENTER NRW, die NRW.BANK, die Bürgschaftsbank oder auch die Kammern und viele andere mehr.
Es ist höchste Zeit, dass wahrgenommen und wertgeschätzt wird, welchen wichtigen Beitrag die kulturelle Vielfalt unserer Bevölkerung zum wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes leistet. Es ist ein Beitrag zur erfolgreich gelebten Integration. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss. – Danke schön.
Herr Hafke, bevor Sie sich weiter in Fahrt reden mit dem üblichen Aufzählen der Vorwürfe, die wir hier alle schon kennen, möchte ich Sie fragen: Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass wir uns jetzt mit der migrantischen Wirtschaft beschäftigen und nicht allgemein mit dem
Gründergeschehen? Es geht darum, welche Hindernisse die Migranten haben. Ist Ihnen das bewusst?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit 1950 sind rund 4,5 Millionen Spätaussiedler in die Bundesrepublik eingewandert. Diese große Gruppe der Bevölkerung ist heute, wie schon zuvor Millionen Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg, integriert und selbstverständlich Teil der hier lebenden Bevölkerung. Allein in NordrheinWestfalen haben weit mehr als 600.000 Spätaussiedler eine neue Heimat gefunden.
Angesichts des selbstverständlichen Miteinanders ist es umso befremdlicher, wenn versucht wird, diese Menschen zu instrumentalisieren und für eigene Ziele zu missbrauchen. Die jüngste Eskalation aufgrund von Behauptungen in sozialen Medien zeigt, dass die alleinige Information vieler Menschen über diese Medien zu einer völligen Desinformation bis hin zur üblen Nachrede führen kann. Der Pressekodex des Deutschen Presserates gilt zwar für journalistische Onlineveröffentlichungen, erfasst aber nicht die teilweise anonymen Einzelpersonen, die diese Nachrichten verbreiten.
Deshalb begrüßt die SPD-Fraktion ausdrücklich die am 5. Februar 2016 verabschiedete und veröffentlichte Düsseldorfer Erklärung. Es ist allerdings bedrückend, wenn in der Erklärung festgestellt werden muss, dass sich viele Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion hier nicht vollständig anerkannt und akzeptiert fühlen. Die Düsseldorfer Erklärung setzt damit in zweierlei Hinsicht ein Signal: einerseits an die gesamte Bevölkerung unseres Landes für mehr Toleranz und Akzeptanz sowie gegen Diskriminierung und andererseits – und das steht im Mittelpunkt des vorliegenden Antrags – ein deutliches Signal an Rechtsextreme und andere interessierte Kreise, dass sich die Spätaussiedler eine Vereinnahmung durch diese Kräfte verbitten und sich ausdrücklich von ihnen distanzieren.
Die SPD-Fraktion kennt und schätzt den wirtschaftlichen und kulturellen Beitrag, den die Spätaussiedler
und ihre Nachkommen für Nordrhein-Westfalen leisten – dies in gleichem Maße, wie Nordrhein-Westfalen schon immer ein Land des Willkommens für Zuwanderinnen und Zuwanderer war, woher auch immer sie kamen.
Als Bürgerinnen und Bürger eines Landes der Vielfalt der Kulturen ist es für uns nicht hinnehmbar, dass Menschen ausgegrenzt oder diskriminiert werden. Aus diesem Grund wenden wir uns gegen die Ausgrenzung oder auch die Instrumentalisierung von Minderheiten oder von Zuwanderern, egal aus welchem Land sie kommen.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass die vom Landtag initiierte Befassung mit § 96 BVFG, die auch die Gruppe der Spätaussiedler betrifft, inzwischen in Form eines ersten Konzeptes vorliegt. Dies wurde im Rahmen eines Workshops vom MFKJKS unter Hinzuziehung von Experten ausführlich diskutiert. Dieser Diskurs soll fortgesetzt werden.
Es soll im Rahmen eines partizipativen Prozesses ein neues Konzept erarbeitet werden.
Nun gilt es, der gelebten Willkommenskultur unter Einbeziehung der Betroffenen zeitgemäße Strukturen zu geben, und zwar auch für diejenigen, die sich hier noch nicht richtig willkommen fühlen.
Wir stimmen gern dem Antrag auf Überweisung in den Ausschuss zu.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst auch von meiner Seite ganz herzlichen Dank an das Ministerium für die Beantwortung der Großen Anfrage. Ich habe Verständnis dafür, wie die Beantwortung ausgefallen ist, denn Antworten können nur so gut sein, wie es der Fragenkatalog ist. Der Fragenkatalog war nicht entsprechend qualitätsvoll.
(Lutz Lienenkämper [CDU]: Was ist das denn für eine Logik? – Gegenruf von Michael Hübner [SPD]: Wenn Ihr Plattitüden austeilt, gibt
es Plattitüden zurück! – Gegenruf von Lutz Lienenkämper [CDU]
Mit der Großen Anfrage zur Lage und den Perspektiven der Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen wurde der Fokus auf eine keineswegs homogene Gruppe von Berufen gelenkt. Den Freien Berufen ist zwar gemein, dass sie eine Dienstleistung erbringen, aber damit endet schon fast die Gemeinsamkeit. Nach Deneke zeichnen sich die Freien Berufe dadurch aus, dass der Freiberufler bzw. die Freiberuflerin eine persönliche ideelle Leistung in beruflicher Unabhängigkeit erbringt, die weder delegierbar noch vervielfältigbar ist.
Der Dienstleistungssektor, zu dem die Freien Berufe gehören, erlangt auch im Industrieland NordrheinWestfalen nicht zuletzt aufgrund des stetigen Wandels von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft immer größere Bedeutung. Dabei ist gerade im Industrieland Nordrhein-Westfalen festzustellen, dass trotz oder auch gerade wegen des immer noch hohen Industriebesatzes die Gründerzahlen für Freie Berufe zu den höchsten in der Bundesrepublik gehören, was unter anderem wohl auch der dichten Hochschullandschaft geschuldet ist. Lediglich die Stadtstaaten Berlin und Hamburg liegen hierbei laut der jüngsten Veröffentlichung des BFB noch vor Nordrhein-Westfalen.
Dies spricht aus meiner Sicht für zweierlei: Zum einen heißt es, dass sich Industriegesellschaft und Freie Berufe respektive Dienstleistungsgesellschaft nicht per se gegenseitig ausschließen, sondern im Gegenteil zu Synergieeffekten führen können. Freie Berufe benötigen den industriellen Kern als Ort der Wertschöpfung. Sie existieren mit der produzierenden Wirtschaft in Form einer Symbiose.
Zum anderen zeigen die beeindruckenden Gründerzahlen im Segment der Freien Berufe auch, dass die Voraussetzungen für Gründungen hier im Land besonders gut sein müssen und dass die Landesregierung gute Arbeit macht.
Nach jüngsten Erhebungen kommen statistisch in Nordrhein-Westfalen auf jeden der rund 358.000 selbstständigen Freiberufler inzwischen fast zwei sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Beschäftigte, die im Bereich der Freien Berufe angestellt sind, stellen einen nicht zu vernachlässigenden Beschäftigungseffekt dar.
Wenn man sich die Zahlen etwas genauer anschaut, ist festzustellen, dass sich in den einzelnen Berufsgruppen auch die Veränderungen in unserer Wirtschaft widerspiegeln. So macht selbstverständlich Wirtschaft 4.0 vor traditionellen Berufsfeldern der Freien Berufe nicht halt. Während zum Beispiel die Zahl der Apothekerinnen und Apotheker unter anderem aufgrund des stetig wachsenden Onlinehandels in diesem Segments und der Erlaubnis des Betreibens von Filialen rückläufig ist, sind andererseits in
der Kreativwirtschaft zahlreiche neue Berufsfelder entstanden. Gerade sie tragen in erheblichem Maße zur fortgesetzten Erfolgsgeschichte der Freien Berufe insgesamt bei.
Dabei unterscheiden sie sich nicht nur in ihrem Berufszweck, sondern auch in der Organisation des Berufsstandes. Während die sogenannten alten Freien Berufe durch gesetzliche Berufszugangsregeln und bewährte Selbstverwaltungsstrukturen in Form von Kammern, die auf die Einhaltung von Regeln achten, aber auch als Standesvertretung im weitesten Sinne verstanden werden und selbstverwaltet organisiert sind, haben sich die Vertreter der neuen Berufsfelder keine vergleichbaren Strukturen gegeben.
Was aber bislang alle gemeinsam auszeichnete, war der Fokus auf einen Qualitätswettbewerb im Gegensatz zu einem Wettbewerb im marktwirtschaftlichen Sinne über Preise. Auch diese Abgrenzung droht zunehmend zu verschwinden.
Die Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen – unabhängig davon, wie sie sich selbstverwaltet organisieren oder nicht – haben einen von ihnen unmittelbar erwirtschafteten steigenden Anteil am Bruttosozialprodukt. Darüber hinaus tragen sie über nicht unerhebliche Multiplikatoreffekte auch mittelbar zum Wirtschaftswachstum bei. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die neu hinzugekommenen Berufsfelder der Medien- und Kreativwirtschaft, eines Wachstumsmarktes, der nicht von ungefähr einer der acht Leitmärkte in NRW ist. Laut Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen handelt es sich um einen bedeutenden Leitmarkt, der neben den anderen im Fokus der Landespolitik steht.
Das heißt: Trotz des Strukturwandels bei einigen wenigen traditionellen Berufsfeldern sind die Freien Berufe einer der Wachstumsmotoren unseres Landes – vielleicht weil sie sich kein Verharren in alten Strukturen leisten können, wenn sie weiter im Qualitätswettbewerb bestehen wollen.
In ihren Anstrengungen werden die Freien Berufe konsequent durch die Landespolitik unterstützt. So profitieren die Freien Berufe bei den Gründungen durch die Unterstützung durch die STARTERCENTER NRW sowie durch die Beratungs- und Finanzierungsangebote der NRW.BANK und der Bürgschaftsbank, welche auch über die Gründung hinaus den Ausübenden der Freien Berufe zur Seite stehen.
Insgesamt ist festzustellen, dass Nordrhein-Westfalen gute Voraussetzungen für die Freien Berufe bietet. Dies schlägt sich nicht zuletzt in der Erfolgsbilanz der Freien Berufe in NRW nieder.
Deshalb begrüßt die SPD-Fraktion die Gelegenheit, diese Erfolgsbilanz in einer Plenardebatte diskutieren zu können. Wir werden uns sicherlich auch nicht verweigern, das im Ausschuss zu vertiefen.
Mit dem Komplex der regulativen Fragen und der europapolitischen Dimensionen wird sich gleich meine Kollegin Inge Blask befassen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Bombis, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie sprechen immer wieder von Bürokratieabbau. Das ist ein gängiges, geliebtes Schlagwort, das überall als Allzweckwaffe eingesetzt wird. Sie haben zum Schluss ein Beispiel aus dem Mittelstand gebracht. Bringen Sie aber bitte einmal ein Beispiel für überbordende Bürokratie im Bereich der Freien Berufe und dazu, was dort konkret unternommen werden sollte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Schülerinnen und Schüler auf der Tribüne! Der vorliegende Antrag wurde im Rahmen einer Anhörung einer Überprüfung auf Relevanz unterzogen. Im Ergebnis ist festzustellen – um es mit Shakespeare zu sagen –: Viel Lärm um nichts.
Der Antrag unterstellt, dass in NRW die Förderinstrumente nicht ausreichen, die Beratungsangebote nicht zielgenau aufgestellt seien und die Förderinstitute mangelhaft aufeinander abgestimmt handeln würden. Um mit dem Letzteren anzufangen: Die anwesenden Vertreter sowohl der Bürgschaftsbank als auch der NRW.BANK haben unisono betont,
dass sie eng zusammenarbeiten. Ich zitiere – mit Verlaub, Frau Präsidentin –:
Beim Vertrieb der Produkte gibt es eine ganz enge Zusammenarbeit. Allein im ersten Halbjahr 2015 hat es landesweit 15 gemeinsame Informationsveranstaltungen gegeben.
Das ist eigentlich auch nicht weiter verwunderlich, da die NRW.BANK Gesellschafterin bei der Bürgschaftsbank ist. Eine Nachfrage vorweg hätte also diese Forderung überflüssig gemacht. Ähnlich sieht es bei den weiteren Forderungen aus. Das im Antrag als verwirrend vielfältig beschriebene Förder- und Beratungsangebot für Existenzgründer wird von den handelnden Akteuren – so auch vom Westdeutschen Handwerkskammertag – als transparent und erfolgreich beschrieben.
So könnte man eigentlich an dieser Stelle einen Schlussstrich ziehen und feststellen: Die Forderungen an die Landesregierung erübrigen sich, da sowohl Förderbanken als auch Kammern und Verbände vernetzt und transparent beraten und somit ein ausreichendes Beratungsangebot zur Verfügung steht.
Allerdings hat die Anhörung weitere Erkenntnisse gebracht, die durchaus Erwähnung verdienen. So bin ich den Sachverständigen der IHK und des Westdeutschen Handwerkskammertages dankbar, dass sie den Mythos, dass das Bundesland Bayern erfolgreicher agiert, entlarven. Wenn bei Gründung auch Nebenerwerbsgründungen einbezogen würden, dann sähe das Bild etwas anders aus. Hier verzeichnet man in Nordrhein-Westfalen einen starken Aufwärtstrend.
Des Weiteren lohnt es sich nicht nur, die Zahlen der Gründungen zu erfassen, sondern auch, davon die sogenannten Scheinselbstständigen zu unterscheiden. Ich zitiere mit Erlaubnis, Frau Präsidentin, Herrn Nolten vom Westdeutschen Handwerkskammertag:
„Daher würde ich da nicht sagen, dass jedes Instrument nötig ist, um Leute in die Gründung zu treiben, erst recht, wenn man überlegt, was auf die Gesellschaft von denen zukommt, die nicht für ihr Alter vorsorgen. Das wird am Ende dann nämlich wieder die Allgemeinheit zahlen. Mehr qualifizierte Gründungen gerne, aber nicht Gründungen um jeden Preis!“
Weitere Ergebnisse, die ebenfalls im Rahmen der Anhörung klar herausgearbeitet wurden, möchte ich nur kurz herausstellen.
NRW ist sehr erfolgreich im Aufbau von Netzwerken von Gründern. Das Land unterstützt dabei deutlich das rege Gründungsgeschehen. Nicht zuletzt erfahren Gründerinnen und Gründer durch das
STARTERCENTER NRW qualifizierte Unterstützung. Auch die Startercenter der Kammern bieten
Landtag
29.01.2016
über ihre Formularserver schon heute eine Form von One-Stop-Shop.
Nordrhein-Westfalen ist zudem bei der Vereinheitlichung von Standards federführend in Deutschland. Standards erleichtern einen Austausch zwischen den Behörden und sind beispielsweise in Kammern und Städten in Pilotprojekten erprobt worden. Mit dabei ist immer IT.NRW.
Die in der Vergangenheit vielleicht berechtigte Forderung nach Vereinfachung der Bürokratie ist längst im Visier der Landesregierung, aber auch der Kammern und anderer beim Gründungsprozedere Involvierter.
Fazit: NRW ist gut aufgestellt. Vielleicht ist nicht alles allen politischen Akteuren bekannt, wie auch der Antrag zeigt. Der Antrag ist also überflüssig und wird von uns abgelehnt.
Frau Kollegin Scharrenbach, in der Anhörung habe ich den anwesenden Vertretern sowohl der Bürgschaftsbank als auch der NRW.BANK dezidiert Ihre Anwürfe vorgetragen. Diese stießen auf Unverständnis. Können Sie sich das erklären?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine Angst, es geht nicht mehr um den Sport.
Die Landeszentrale für politische Bildung, die sich in der Zuständigkeit des Hauptausschusses befindet, steht aktuell vor besonderen Herausforderungen. Hier ist der starke Zuwachs an extremistischen Strömungen, insbesondere in Form von Rechtsextremismus, Rassismus und Salafismus, zu nennen. Diese radikal-politisch oder auch religiös motivierten Bewegungen verlangen von uns eine Antwort.
Wir wollen mit einer Erhöhung des Haushaltsansatzes um 2,1 Millionen € die Umsetzung des von der Landesregierung entwickelten integrierten Handlungskonzeptes gegen Rechtsextremismus und Rassismus für 2016 unterstützen.
Die zusätzlichen Mittel sollen unter anderem die Kreise und die kreisfreien Städte bei der Entwicklung und Implementierung von Langfristkonzepten gegen Rassismus und Rechtsextremismus unterstützen, um zivilgesellschaftliche Netzwerke gezielt aufzubauen. Neben weiteren Angeboten zur Demokratieschulung wird dies ein Schwerpunkt im kommenden Jahr und darüber hinaus sein.
Eine besondere Herausforderung der Landeszentrale ist ohne Zweifel im Zusammenhang mit den zahlreich zu uns kommenden Flüchtlingen zu sehen. Für sie, aber auch für die aufnehmende Gesellschaft sind zusätzliche Angebote der Landeszentrale für politische Bildung zur Wertevermittlung und Demokratiestärkung unverzichtbar.
Hierbei steht die Landeszentrale vor der großen Herausforderung, so schnell wie möglich Angebote zu entwickeln und aufzulegen, die die zugewanderten Menschen leicht erreichen und die ebenso einfach wie verständlich sind. Die von der Landeszentrale im Hauptausschuss vorgestellten Bausteine für ein zukünftiges Konzepts bedürfen angesichts der stetig noch wachsenden Zahl an Flüchtlingen einer zusätzlichen Finanzierung. Hier möchten wir weitere 200.000 € für die Landeszentrale zur Verfügung stellen.
Unser Land sollte sich aufgrund der aktuellen Herausforderungen immer wieder seiner Vergangenheit bewusst sein. Diese zu dokumentieren, ist Aufgabe unter anderem unserer Gedenkstätten. Sie gilt es für die nächste Generation weiterzuentwickeln. Eine besondere Beachtung findet in diesem Jahr dabei das Jüdische Museum Westfalen, wie schon mein Kollege Keymis erwähnte. Das begrüßen wir außerordentlich. Insgesamt sollen noch einmal
500.000 € zusätzlich für die Gedenkstätten zur Verfügung gestellt werden.
Fazit: Der Haushalt der Landeszentrale wird in dem von uns beantragten Volumen den neuen zusätzlichen Anforderungen besser gerecht werden. Unsere Gedenkstättenarbeit wird zukunftsfest gemacht. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuhörer oben auf der Tribüne! Herr Dr. Kerbein, ich habe Nachsehen mit Ihnen. Sie waren nicht im Ausschuss, sonst hätten Sie hier sicher etwas anderes vorgetragen als das, was Sie gerade vorgetragen haben. Sie sind sich hoffentlich dessen bewusst – ich sehe es Ihnen an –, dass es sich hier um einen Staatsvertrag zwischen 16 Bundesländern handelt und nicht um ein Gebilde, das allein Nordrhein-Westfalen zu gestalten hat.
Mit dem vorliegenden Antrag möchte der Antragsteller – also Sie, die FDP – den Eindruck erwecken, als hätte die Landesregierung die jüngsten Urteile zum Glücksspielstaatsvertrag bislang kom
mentarlos und untätig hingenommen. Dass dem nicht so ist, haben Sie zuletzt – Sie wahrscheinlich nicht, denn Sie haben es höchstens nachlesen können – in der vorletzten Sitzung des Hauptausschusses am 19. November 2015 feststellen können, in der zusätzlich zu einer schriftlich vorliegenden Antwort auf eine Frage der CDU-Fraktion zum Verfahrensstand des Glücksspielstaatsvertrags ein mündlicher Bericht von Minister Lersch-Mense erfolgte.
Wenn Sie dann, gerade mal fünf Tage später, in einem Antrag die Landesregierung auffordern, tätig zu werden, ist das nicht ganz nachvollziehbar. So wurde im Ausschuss unter anderem bereits schriftlich mitgeteilt – ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin –:
„Beide Entscheidungen werden nunmehr durch die Landesregierung in den dafür vorgesehenen Gremien analysiert und im Länderkreis dahin gehend erörtert, welche Folgerungen daraus zu ziehen sind.“
Damit bezog man sich auf die Urteile des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zum Glücksspielstaatsvertrag. Die Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags im Hinblick auf die Vergabe von Konzessionen für Sportwetten stagniert durch die recht unterschiedliche Rechtsprechung.
Das kann er gerne tun.
Dr. Björn Kerbein (FDP: Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sie haben gesagt, ich wäre nicht im Ausschuss gewesen. Das ist sicherlich richtig. Gleichwohl möchte ich Sie fragen, wie Sie zu folgender Aussage aus dem schriftlichen Bericht stehen.
Es ging um die Frage: „Wie sehen die Pläne der Landesregierung für die zukünftige Ausrichtung der Glücksspielregulierung aus?“– Die Antwort lautete: Die zuständigen Ländergremien werden über etwaige Konsequenzen aus den jüngsten Entwicklungen der Rechtsprechung beraten. Vorrangiges Ziel wird es dabei sein, im Sportwettenbereich in überschaubarer Zeit – das ist gerade das, was ich angemahnt habe – einen legalen Markt herzustellen. – Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
Diese Aussage halte ich für völlig nachvollziehbar. Wenn sich 16 Länder miteinander verständigen müssen, geht das nicht von heute auf morgen. Es bedarf nach so vielen Rechtsprechungen – sprich: den Urteilen in Hessen,
Bayern und vom Europäischen Gerichtshof – durchaus einer vernünftigen Abwägung. Ich erwarte von meiner Landesregierung, dass sie da keine Adhoc-Entscheidungen auf Ebene der Bundesländer durchsetzen will, sondern dass sie das Ganze wohlüberlegt und mit rechtlichem Beistand angeht.
Bei den Sportwetten gibt es, wie gesagt, sehr unterschiedliche Rechtsprechungen. Diese Urteile werden, wie ich gerade schon darstellte, lösungsorientiert diskutiert. Sie sind längst in die Verhandlungen und Gespräche der Länder aufgenommen. Das sollte Ihnen auch durch die Beantwortung von Kleinen Anfragen, respektive durch den Bericht der Landesregierung, hinlänglich bekannt sein.
Dabei gilt es in erster Linie, dem zentralen Ziel des Staatsvertrages, nämlich der Durchsetzung des Jugend- und Spielerschutzes, Rechnung zu tragen. Mit dem Glücksspielstaatsvertrag wird die systematische und einheitliche Gesamtregulierung des Glücksspielmarktes in Deutschland bereits umgesetzt. Inwiefern der Glücksspielstaatsvertrag europarechtlich noch einer Anpassung bedarf, wird von der Bewertung der deutschen Stellungnahme durch die Kommission abhängen.
Allerdings steht die Aufforderung im Raum, die Erlaubnis für ein europarechtskonformes Casino- und Pokerangebot nicht nur insbesondere spieler- und jugendschutzgewährleistenden Anbietern zu erteilen, sondern ausschließlich Anbietern, die dieses Kriterium erfüllen. Das Verbot von OnlinecasinoSpielen ist gerade vor dem Hintergrund, dass davon die höchste Sucht- und Manipulationsgefahr ausgeht, für uns alternativlos.
Die Forderung nach einem Abbau der Einschränkungen bei der Lotterievermittlung können wir so uneingeschränkt, wie Sie das fordern, nicht mittragen. Ausschlaggebend muss immer das Gefährdungspotenzial des Glücksspiels sein. Für uns Sozialdemokraten steht der Schutz insbesondere von Jugendlichen sowie von Spielern im Allgemeinen an erster Stelle.
Das Ziel des Staatsvertrages war und ist es, einerseits die Entstehung von Glücksspiel- und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen und andererseits, durch ein begrenztes Glücksspielangebot,...
... welches eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel ist, dem natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung entgegenzukommen. Die Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen mit Suchpotenzial ist
unbedingt zu bremsen. – Ich sehe mit Interesse den Beratungen im Ausschuss entgegen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Piraten ist schon deshalb bemerkenswert, weil in ihm parallel zur vom Parlament eingesetzten Verfassungskommission eine Veränderung der derzeit gültigen Landesverfassung gefordert wird.
Diese Vorgehensweise kann zwei Ursachen haben. Entweder die Fraktion der Piraten ist erst kürzlich zu der Erkenntnis gelangt, dass der Verbraucherschutz den Rang eines Staatsziels haben sollte, oder im Rahmen der Einsetzung der Verfassungskommission war dieses Anliegen nicht mehrheitsfähig.
Auf jeden Fall ist es schon ein interessanter Vorgang, dass ausgerechnet während das Parlament eine Verfassungskommission mit der Aufgabe betraut, den bestehenden verfassungsrechtlichen Handlungsbedarf zu identifizieren und zu bearbeiten, dieser Antrag vorgelegt worden ist.
Hören Sie lieber zu! – Übrigens war der Einsetzungsbeschluss ein Allparteienbeschluss mit den Stimmen der Piraten.
Gerne.
Das heißt, Sie geben zu, dass es eigentlich nur Mittel zum Zweck ist und er gar nicht die vorgegebene Intention verfolgt, die Sie gerade vorgetragen haben. Hochinteressant!
Keines der im Einsetzungsbeschluss enthaltenen elf Themenfelder umfasst auch nur sinngemäß die Erweiterung des Katalogs der Staatsziele der Landesverfassung. Vermutlich war jedem bewusst, dass das Formulieren von Staatszielen zu allererst appellatorischen Charakter an die Politik hat. Staatsziele bedürfen vielmehr der Umsetzung durch Gesetze, Verordnungen oder Satzungen. Bei der Debatte im Bundestag über die Aufnahme der Generationengerechtigkeit als Staatsziel in das Grundgesetz wurde treffend formuliert: Wir müssen politisch gestalten und sollten nicht glauben, dass wir mit der Aufnahme in das Grundgesetz die Probleme gelöst hätten. – Analog kann man das hier auch anwenden.
Der Gesetzgeber des Landes und insbesondere der Gesetzgeber des Bundes haben ein umfangreiches Kompendium an Gesetzen und Verordnungen zum Schutze der Verbraucher erlassen. Die Aufgabe ist also erkannt und angenommen worden. Aus diesem Grunde bedarf es keiner zusätzlichen Bekräftigung durch Erhebung des Verbraucherschutzes zum Staatsziel in unsere Landesverfassung. Es gilt vielmehr, die vorhandenen Vorschriften konsequent anzuwenden und wo erforderlich anhand der vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse weiterzuentwickeln.
Zum Abschluss noch ein Wort zur konkreten Formulierung des von der Piratenfraktion geforderten Art. 29b. Ich zitiere:
„Das Land schützt im Rahmen seiner Zuständigkeit die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher.“
Diese Formulierung lässt an Unbestimmtheit nichts zu wünschen übrig. Welches sind die Interessen der Verbraucher? Wie geht man mit divergierenden Interessen um?