Protocol of the Session on December 5, 2014

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer heutigen, 74. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen. Mein Gruß gilt unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 13 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir treten in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 DIW-Studie und Eon-Konzernumbau – Nord

rhein-Westfalen gerät energiepolitisch ins Abseits

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/7468

In Verbindung mit:

E.ON / E.OFF – Aufspaltung des größten deutschen Energiekonzerns und die Folgen für NRW

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/7469

Die Fraktion der CDU sowie die Fraktion der Piraten haben jeweils mit Schreiben vom 1. Dezember dieses Jahres gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu einer aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion der CDU Herrn Kollegen Kufen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Woche begann regelrecht mit einem Paukenschlag. E.ON hat beschlossen, sich auf erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen zu fokussieren. E.ON spricht selbst von der „neuen Energie“, die derzeit zwar noch in den Kinderschuhen steckt, aber künftig schneller wachsen wird als die klassische Energiewelt. Die Geschäftsfelder konventionelle Erzeugung, globaler Energiehandel und Exploration und Produktion werden in eine neue Gesellschaft überführt.

Der Umbau von E.ON ist eine Reaktion auf die Herausforderungen des Energiemarktes. Das gilt national wie international. Die Aufspaltung der alten Konzernstruktur in zwei Gesellschaften ist auch – das müssen wir zur Kenntnis nehmen – die Antwort auf den Spagat der Branche insgesamt zwischen den regulierten Märkten und den unregulierten, den die Energiewelt vollführen muss.

E.ON bündelt mit seiner Konzentration auf erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen den regulierten, dezentralen und kleinteiligen Teil des Geschäfts und mit der Bündelung der konventionellen Erzeugung, des globalen Handels, der Exploration und Produktion den unregulierten Teil.

E.ON spricht in den Erklärungen ja bewusst nicht von „alter Energie“, sondern von der „klassischen Energie“.

Was heißt das für Nordrhein-Westfalen? – Fakt ist: Mit dieser Neuaufstellung folgt E.ON der Anforderung des Marktes – ich habe davon gesprochen –, aber folgt auch der Logik von Investoren, die nämlich nach bestimmten unterschiedlichen Risikoprofilen ihre Anlagemöglichkeiten sehen.

Daher verwundert es übrigens nicht, dass nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung der Aktienkurs von E.ON und übrigens auch von RWE in dieser Woche zu den größten Gewinnern im DAX gehört.

Meine Damen und Herren, was steckt hinter dieser Entscheidung von E.ON jenseits von Pressemitteilungen, die wir in dieser Woche alle miteinander ausgetauscht haben? Ich glaube, das Thema ist zu ernst, um sich nur über Pressemitteilungen gegenseitig Kommentare zuzuschieben.

Aus meiner Sicht geht es um drei Faktoren:

Der Erste, der wesentliche, der zu der Entscheidung bei E.ON geführt hat, ist die Energiepolitik, unsere Energiepolitik selbst. Denn für die gesamte Branche sind in den letzten Jahren immer wieder neue Hürden und neue Herausforderungen aufgestellt worden. Ganze Geschäftsmodelle sind in den letzten Jahren infrage gestellt worden. Das gilt, meine Damen und Herren, sowohl für die konventionelle Energieerzeugung als auch für die erneuerbare Energie. Das erklärt vielleicht auch für NordrheinWestfalen die Ergebnisse der DIW-Studie, bei der Nordrhein-Westfalen ja von Platz 12 auf Platz 14 abgesackt ist.

Der zweite Faktor, der zu der Entscheidung von E.ON geführt hat, ist: Die Margen werden geringer – zum einen durch den Verfall des Strompreises an den Börsen und zum anderen, weil der Wettbewerb zunimmt und die Kunden sich – das wollen wir ja gerade als Politik – immer effizienter verhalten.

Der dritte Bereich – genauso wichtig –: Die Bedürfnisse der Endkunden ändern sich. Sie sehen sich zunehmend nicht nur als Verbraucher, sondern als Prosumer, weil sie selbst einen Teil des Bedarfs de

cken können. Auch das verändert die Energiewelt Stück für Stück.

Es wird immer deutlicher, dass die Energiewende nicht nur die Energieerzeugung, sondern das gesamte energiewirtschaftliche System verändert.

Darin sind wir uns wohl alle einig, dass die Entscheidung der strategischen Neuausrichtung von E.ON ein Schlaglicht auf die gravierenden Veränderungen der Energiebranche wirft, die durch unsere gewollte Energie- und Klimawende verursacht wird. Für den Standort Deutschland ist das keine gute Entwicklung, wenn wir immer weniger Energieversorgungsunternehmen haben, die auf europäischer und globaler Ebene mitspielen können.

Ob die Entscheidung von E.ON ein Befreiungsschlag oder nicht letzten Endes eine Kapitulation ist, ist jetzt noch nicht abschließend zu bewerten. Aus Sicht Nordrhein-Westfalens wäre der Befreiungsschlag sicherlich besser. Das sage ich ganz bewusst auch mit Blick auf die vielen Tausend Arbeitsplätze gerade hier in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der CDU)

Die grüne Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn sprach in einem, wie ich finde, bemerkenswerten Namensartikel in der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ am 13. November lapidar – ich denke, das ist auch abschätzig gemeint – von 50.000 Kumpels am Rhein.

Nein, meine Damen und Herren, es geht nicht irgendwie nur um 50.000 Kumpels am Rhein. Es geht – das macht die Entscheidung von E.ON deutlich – um die zukünftige Aufstellung NordrheinWestfalens als Energie- und Industrieland und ob wir es bleiben wollen oder nicht. Insofern ist das nicht nur eine unternehmerische Entscheidung, sondern eine strategische Ausrichtung. Es ist zu prüfen, ob die Richtung, das Tempo, die Maßnahmen, die Instrumente noch immer richtig sind.

(Beifall von der CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, sollten wir uns mit Ratschlägen, was möglicherweise das nächste Unternehmen tun oder lassen sollte, sehr zurückhalten.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Da die Politik einen Teil des Problems durch ihre Entscheidung herbeigeführt hat, ist es wohlfeil, im Nachhinein zu sagen, was man alles hätte besser machen können.

Worum geht es konkret? Was müssen wir weiter beachten?

Erstens. Die Politik muss bei E.ON ein Auge darauf haben, dass die Finanzierung des Kernkraftwerkrückbaus gesichert bleibt. Das ist in unserem allgemeinen Interesse.

Zweitens. Die Versorgungssicherheit muss erhalten bleiben. Daher ist die Herausforderung, auch mit der neuen E.ON-Gesellschaft, die hoffentlich natürlich ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen behalten wird – die Ankündigung Rhein und Ruhr zeigt genau dort hin –, die Versorgungssicherheit mit konventionellen Energien so sauber wie möglich, aber in Zukunft auch so bezahlbar wie nötig zu halten. Das ist die Herausforderung, und da wollen wir uns einbringen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, letzter Gedanke: Wirtschaftsminister Duin hat ziemlich genau vor einem Jahr an diesem Pult gesagt: Die Landesregierung ist Schrittmacher der Energiewende.

(Beifall von Rainer Schmeltzer [SPD] Die Zeit drängt, dass das auch in Berlin ankommt. Herr Minister Duin, ich glaube, von Schrittmacher würden Sie heute nicht mehr reden. Das kann wahr- lich nicht Ihr Ernst sein, vor allen Dingen, weil wir in der Vergangenheit, in den letzten Wochen und Mo- naten, nicht als Schrittmacher von uns reden ge- macht haben, sondern eher mit Herzflimmern in Er- scheinung getreten sind. (Zuruf von Lutz Lienenkämper [CDU])

Deshalb ist klar, die Energiewende wird nur gelingen, wenn wir es gemeinsam schaffen, die volatile Erzeugung und Nachfrage zu synchronisieren, und das ist genau die bedeutende Herausforderung, bei der Nordrhein-Westfalen eine Schlüsselstellung einnimmt. Dazu brauchen wir – letzter Satz – einen energie- und industriepolitischen Konsens zwischen Landtag und Landesregierung. Den sehe ich bisher nicht. Die Möglichkeiten gibt es, und dann geraten wir auch nicht ins Abseits. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU – Minister Johannes Remmel: Die Botschaft der CDU!)

Vielen Dank, Herr Kollege Kufen. – Für die Piraten hat Kollege Schmalenbach das Wort.

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Nun ist es also so weit. Nach den Diskussionen über den Verkauf der Braunkohlenkraftwerke in der Lausitz durch Vattenfall geht E.ON voRWEg und möchte die fossile Kraftwerksparte abstoßen.

(Minister Johannes Remmel: Schönes Wort- spiel!)

E.ON ist damit das erste Unternehmen, das den veränderten Bedingungen am Strommarkt vollumfänglich Rechnung trägt. Wir begrüßen ausdrücklich das Signal, das davon ausgeht. Fossile Energiege

winnung wird in Zukunft kein Geschäftsmodell mehr sein. Denn natürlich geht es E.ON darum, die wirtschaftliche Zukunft des Unternehmens zu sichern. E.ON glaubt nicht daran, dass es eine solche Zukunft mit dieser Kraftwerksparte geben wird. Und: E.ON hat recht.

Zwar belegen sie damit ebenso, dass sie diese Entwicklung verschlafen haben, und zwar ganze 14 Jahre lang seit Einführung des EEG, aber immerhin ist nun die Einsicht gekommen. Das davon ausgehende Signal, um das erneut zu betonen, ist klar: Den Erneuerbaren gehört die Zukunft.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Dinosaurier der Energiegewinnung haben ausgedient. Es ist an der Zeit, massiv auf die erneuerbaren Energieträger umzuschwenken. Es ist an der Zeit, nun festzulegen, wie es mit der Energiegewinnung weitergeht, und das am besten einmal verbindlich. Es sollte nicht erneut das gleiche Rumgehampel wie beim Atomausstieg geben. Das können wir uns nicht leisten.

Ach ja: Atomausstieg – da war ja noch etwas. Das hatten wir gestern schon. Es ging um verlässliche Politik, die immer nur gefordert, nie aber gemacht wird.