Guido Wolf

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Last Statements

Frau Prä sidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin nen und Kollegen von der SPD, ich hatte den Eindruck, es war Ihnen nicht besonders angenehm, ausgerechnet von der AfD dafür gelobt zu werden, dass Sie dieses Thema zum Gegen stand der heutigen Aktuellen Debatte gemacht haben. Ich ha be dafür Verständnis.
Deshalb will ich Sie seitens der Landesregierung ausdrück lich dafür loben,
dass Sie dieses Thema zu einem Gegenstand der heutigen Ta gesordnung gemacht haben.
Denn eines ist klar: Wir stehen in der Tat vor einer histori schen Zäsur, dem potenziellen finalen Austritt Großbritanni ens aus der Europäischen Union zum Ende dieses Jahres. Das ist ein Einschnitt in der europäischen Geschichte unseres Lan des.
Wer von uns hätte sich vor einigen Jahren vorstellen wollen, dass sich ein Land aufmacht
und tatsächlich darüber befindet, aus diesem europäischen Er folgsmodell auszusteigen? Wer hätte sich vorstellen wollen, dass die große Errungenschaft eines jahrzehntelangen Frie dens nicht ausreicht, um sich weiterhin zu diesem europäi schen Projekt zu bekennen?
Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist eine dunkle Stunde in der europäischen Geschichte. Dies heu te hier im Landtag zum Ausdruck zu bringen, das ist unsere gemeinsame Verantwortung.
Mit dem Schüren von Angst war noch nie gute Politik zu ma chen. Mit dem Schüren von Angst ist es noch nie gelungen, den Menschen eine Perspektive aufzuzeigen.
Um es mit aller Deutlichkeit zu sagen: Wer sich konstruktivkritisch damit auseinandersetzt, Europa weiterzuentwickeln, nach vorn zu bringen,
der ist jederzeit gefragt.
Wer aber wie Sie, Herr Sänze, Europa zerstören will, der be wegt sich nicht mehr auf dem Boden unserer Verfassung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Big Ben – –
Vielleicht können Sie noch etwas lernen.
Der Big Ben, der berühmte Glockenturm des britischen Par lamentsgebäudes, ist derzeit wegen Renovierungsarbeiten ein gerüstet. Die Baugerüste verdecken auch die berühmte Turm uhr; sie steht aktuell still. Doch die Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, steht nicht still; sie läuft. Die Zeit für ein Ab kommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich läuft ab.
Erneut wurde die Chance geschaffen, einen No-Deal-Brexit zu verhindern. Noch wenige Tage soll verhandelt werden.
Wir erinnern uns: Der Vertrag hätte spätestens Mitte Oktober geschlossen werden sollen. Seither wird immer wieder Zeit eingeräumt. Es fehlt nicht an der Bereitschaft, am Willen, bis zur letzten Sekunde zu verhandeln. Wir haben uns die Chan
ce erkauft, doch noch ein Abkommen zum gegenseitigen Nut zen zu erreichen. Das sollte es uns wert sein, auch wenn nun die Nerven auf allen Seiten blank liegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verhandlungen über das zukünftige Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU sind eine Abfolge von Fristen, die immer wieder gerissen und neu festgesetzt wurden. Zum Teil war es ein un würdiges Spiel, das da getrieben wurde. Die Menschen haben allmählich auch das Vertrauen in die Problemlösungskompe tenz verloren.
Am vergangenen Sonntag haben sich Kommissionspräsiden tin von der Leyen und Premier Johnson erneut auf die Fort setzung der Verhandlungen verständigt. Aber zum 31. Dezem ber ist nun wirklich ein Ende erreicht, und dann ist Schluss mit lustig, dann brauchen wir eine Lösung.
Ich sage Ihnen: Die Europäische Union wird weiter stark sein, auch wenn sich Großbritannien final zu einem Ausstieg ohne Deal entscheidet. Die Europäische Union wird weiterhin stark sein. Genau diese Krise hat gezeigt, wie Europa zusammen steht, wenn es darum geht, gemeinsam stark zu sein. Barnier ist es gelungen, die EU-27 zusammenzuhalten. Es ist Groß britannien nicht gelungen, einen Keil in diese Gemeinschaft zu treiben. Das ist bei allem Übel die positive Resonanz die ser großen Verhandlungsrunde.
Die Europäische Union wird weiter stark sein – auch ohne Großbritannien. Trotzdem ist es uns Europäern wichtig, die Briten eng an unserer Seite zu wissen. Das ist auch der Grund, warum das Verhandlungsteam um die beiden Chefunterhänd ler Barnier und Frost in den letzten Wochen rund um die Uhr an gemeinsamen Texten gearbeitet hat. Es geht um die Nut zung der Chance auf den letzten Metern.
Es soll Einigungen in Einzelbereichen geben, etwa bei der An erkennung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch das Vereinigte Königreich oder bei der künftigen poli zeilichen und justiziellen Zusammenarbeit. Auch in den Be reichen Dienstleistung, Energie, Verkehr, Warenaustausch, „Innere Sicherheit“ sind Kompromisse erzielt worden.
Hauptstreitpunkte sind die Themen „Faire Vertragsbedingun gen“, „Regelungen eines Streitbeilegungsmechanismus“ und die Fischerei – Herr Kollege Schweickert ist schon auf aktu elle Meldungen von heute Morgen zu sprechen gekommen.
Für eine Einigung und eine rechtzeitige Ratifikation des Ab kommens bis zum Jahresende bleibt kaum noch Zeit.
Ich bin davon überzeugt, dass sich beide Seiten ehrlich ma chen sollten. Das gilt insbesondere für die britische Regie rung. Ein No-Deal-Abkommen hätte schwerwiegende Folgen für beide Seiten.
Manche Brexit-Hardliner verharmlosen dies mit dem Hinweis, dass Großbritannien dann im gleichen Verhältnis wie Austra lien zur EU stehen würde. Diese übersehen zwei Punkte. Zum
einen ist Sydney von Brüssel 16 700 km Luftlinie entfernt, London aber nur 320 km. Der Handelsumsatz zwischen der EU und Großbritannien betrug 2019 rund 511 Milliarden €, zwischen der EU und Australien 39 Milliarden €. Zum ande ren verhandelt Australien derzeit selbst noch mit der EU über ein Freihandelsabkommen, um die gegenseitigen Wirtschafts beziehungen zu verbessern. Die Verflechtung der britischen Wirtschaft mit der EU-27 ist so eng, dass eine Rückkehr zu einem System mit Zöllen und erheblichen Handelsbeschrän kungen großen Schaden anrichten würde.
Die EU muss die Integrität des Binnenmarkts schützen und muss verhindern, dass es zu einem Dumpingwettbewerb vor ihrer Haustür kommt. Leidtragende wären die Arbeitnehmer auf der Insel und in der EU, die Umwelt und die Verbraucher.
Ich hoffe daher bis zuletzt auf ein Abkommen, das die wirt schaftlichen Auswirkungen abmildern und für einen fairen Wettbewerb sorgen würde. Das einzig Gute im Schlechten ist für mich, dass der Brexit nicht den Austritt anderer Mitglieds staaten nach sich zieht. Auch Mitglieder dieses Hauses schwärmen ja immer wieder vom „Dexit“ oder „Frexit“.
Nein, im Gegenteil: Die Brexit-Verhandlungen haben die Ein heit und Geschlossenheit der EU-27 gefestigt. Paradoxerwei se zeigt das Beispiel Großbritannien, wie eng wir in der Eu ropäischen Union verbunden sind, wie extrem die Folgen ei ner Trennung sind und – erlauben Sie mir den Hinweis – auch wie unsinnig die Folgen einer Trennung sind.
Stand heute müssen wir uns daher mit den Auswirkungen be schäftigen, die das Ende der Übergangsphase zum 31. Dezem ber 2020 haben wird. Vor allem werden die Unternehmer da runter leiden, die mit dem Vereinigten Königreich Handel trei ben. Baden-Württemberg profitiert bisher erheblich vom Han del mit Großbritannien im EU-Binnenmarkt.
Aber klar ist, ob mit oder ohne Handelsabkommen: Es wird in jedem Fall zu Zollkontrollen von Wareneinfuhren aus Groß britannien kommen und damit zu mehr Verwaltungsaufwand für Unternehmen und zu längeren Lieferzeiten in den Logis tikketten. Für den Fall eines No-Deals werden Notfallmaß nahmen zur Aufrechterhaltung des Luft- und Güterverkehrs erforderlich. Der Brexit wird weitreichende Folgen für die Wirtschaft, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger haben. Hoffentlich wirkt das abschreckend.
Ich will auf die anderen Bereiche, die Kollege Hofelich ange sprochen hat, die Frage der Zusammenarbeit in den Bereichen Hochschulen, Forschung, von der derzeit alle Beteiligten mas siv profitieren, jetzt nicht mehr näher eingehen – auf das, was dort alles auf der Strecke bleiben wird. Es kann nur Verlierer geben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich abschlie ßend noch ein paar wenige Sätze zur deutschen Ratspräsident schaft sagen. Das ist heute unterschiedlich bewertet worden. Erfreulicherweise wird die deutsche Ratspräsidentschaft auch überparteilich – mit unterschiedlichen Akzenten – gewürdigt. Sie hat unter schwierigsten Rahmenbedingungen stattgefun
den. Wir hätten uns mehr persönliche Begegnungen ge wünscht. Aber es ist gelungen, die Weichen für den Mehrjäh rigen Finanzrahmen zu stellen. Es ist gelungen, den Wieder aufbaufonds „Next Generation EU“ auf den Weg zu bringen, damit Europa gestärkt aus dieser Krise hervorgeht. Es ist ge lungen – obwohl es ein schwieriger Weg war –, die Rechts staatskonditionalität mit dem neuen Mehrjährigen Finanzrah men zwingend zu verbinden.
Das waren schwierige Verhandlungen, aber ich sage noch ein mal – auch an die Adresse von Polen und Ungarn –: Wer zu dieser europäischen Wertegemeinschaft gehören will, der muss eben auch bereit und in der Lage sein, gemeinsame Rechte und Werte zu akzeptieren. Das ist das Fundament un serer Europäischen Union. Das dürfen wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
Die Covid-19-Pandemie hat die EU einem besonderen Stress test unterzogen. Dass sie daraus eher gestärkt hervorgeht, war nicht zu erwarten und ist nicht selbstverständlich. Trotzdem liegen vor uns enorme Herausforderungen. Rückschläge sind nach wie vor wahrscheinlich. Jetzt gilt es mit den Mitteln aus dem Wiederaufbaufonds die doppelte Transformation erfolg reich zu gestalten. Wenn wir beim Klimaschutz vorankom men wollen, brauchen wir Lösungen, die weltweit anschluss fähig sind und Nachahmer finden. Die EU muss ihre Rolle in der Welt neu definieren, und sie muss dabei an Tempo zule gen.
Als Big Ben vor nunmehr 161 Jahren zum ersten Mal schlug, war die Welt noch eine andere. Heute gibt es das Britische Empire bis auf wenige Reste nicht mehr. Europa ist längst nicht mehr der Mittelpunkt allen Fortschritts. Ostasien ist wei ter auf der Überholspur. Das jüngste Freihandelsabkommen hat dies nochmals eindrücklich gezeigt.
Wir müssen uns in Europa viel besser aufstellen – am besten gemeinsam und am besten in enger Partnerschaft mit Groß britannien. Ich jedenfalls werde nicht müde, für ein Europa zu kämpfen, das Gemeinsamkeiten und nicht Unterschiede in den Blick nimmt. Auch wenn es zum harten Brexit kommt, auch wenn am Ende der No-Deal-Brexit steht: Europäische Verbundenheit kann nicht wie ein Licht ausgeknipst werden. Gewachsene europäische Freundschaft mit Großbritannien muss bleiben, und sie wird bleiben.
Vielen Dank.
Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Dr. Rapp, vielen Dank für diese Anfrage, die auch zum Ausdruck bringt, dass die Situation derer, die von dem Lockdown, von der seit Monaten andauernden Krise in besonderer Weise be troffen sind, auch im Parlament angekommen ist. Natürlich kümmern wir uns auch über Parteigrenzen hinweg um das Wohl dieser Branche.
Zunächst haben Sie mich nach den derzeitigen Programmen gefragt. Da muss man durchaus einräumen, dass die Band breite der Förderprogramme – einerseits Bund, andererseits Land – inzwischen etwas groß geworden ist. Da mag man auch einmal kurzzeitig den Überblick verlieren. Das geht uns, die wir im Geschäft stehen, nicht anders, als es die Betroffe nen selbst empfinden. – Das ist eine leise Selbstkritik, die ich an dieser Stelle anbringen möchte.
Die Corona-Soforthilfe hat gut funktioniert. Das haben wir von vielen Seiten bestätigt bekommen; das ging unbürokra tisch und schnell. Diese ist in Überbrückungshilfen für ver schiedene Branchen übergegangen. Wir haben in Baden-Würt temberg aber auch noch ein Sonderprogramm, ein Stabilisie rungsprogramm für Hotellerie und Gastronomie aufgelegt – übrigens bundesweit einmalig –; dieses Programm ist mit 330 Millionen € ausgestattet. Das war durchaus ein schwieriger Prozess, bis wir das auf die Reihe gebracht haben.
Wenn manche dies jetzt als Klientelpolitik kritisieren, dann entscheide ich für mich: Wenn es Klientelpolitik ist, sich um eine Branche zu kümmern, die in dieser Krise in weiten Tei len abzustürzen droht, wenn es Klientelpolitik ist, sich um das Wohl und Wehe von knapp 400 000 Mitarbeiterinnen und Mit arbeitern zu kümmern, wenn es Klientelpolitik ist, sich Ge danken darüber zu machen, wie unsere Innenstädte nach der Krise aussehen, dann lasse ich mich gern einer solchen Kli entelpolitik bezichtigen.
Ich glaube, es ist schon entscheidend, dass wir jetzt darauf achten, dass viele von der Krise hart Betroffene die Chance bekommen, diese Krise zu überstehen. So kam mit dem wei teren Lockdown am 2. November dieses Jahres für die Hotel-
und Gastronomiebranche kein „Lockdown light“, sondern für diese war es ein weiterer harter Lockdown mit allen bekann ten Konsequenzen. Dafür hat der Bund ergänzend zu den Lan desprogrammen bzw. als Ersatz die sogenannte Novemberhil fe und im Anschluss daran durch Verlängerung die Dezem berhilfe in Aussicht gestellt.
Auch hier muss man, wenn man die Lage ernst nimmt und ehrlich bleiben will, schon sagen, was funktioniert hat. Die prompte Schließung zum 2. November 2020 hat funktioniert. Bis zum heutigen Tag hat die Umsetzung des Versprechens, der Branche 75 % des Umsatzausfalls zu erstatten, aber nicht funktioniert. Bis heute ist das nur durch Abschlagszahlungen erfolgt. Abschlagszahlungen werden vom Bund seit dem 27. No vember 2020 geleistet. Bis zum 11. Dezember 2020 wurden in Baden-Württemberg bereits rund 18 000 Anträge einge bracht und Abschlagszahlungen in Höhe von knapp 73 Milli onen € aus Bundesmitteln ausgezahlt.
Hierzu muss man wissen: Diese Zahlungen gehen über die Gastronomiebranche hinaus, weil alle vom November-Lock down Betroffenen diese Hilfe beanspruchen können. Damit sind die Schäden bei Weitem nicht repariert. Da müssen wir als Landespolitiker heute schon noch einen dringenden Ap pell an den Bund richten, diesen zu Recht und, wie ich finde, großzügig ausgelegten Ankündigungen, 75 % der Umsatzver luste auszugleichen, endlich Taten folgen zu lassen. Denn vie le stehen mit dem Rücken zur Wand und haben nicht mehr viel Zeit.
Zweitens: Sie haben mich nach Perspektiven gefragt. Ja, man muss mitten in der Krise auch nach vorn schauen. Das tun wir zusammen mit den Verbänden. Natürlich sind wir im Ge spräch. Ich halte das auch für unsere Pflicht.
Was wir – Tourismus Marketing Baden-Württemberg, Touris musministerium – tun können, ist, Perspektiven zu geben, weitere Marketingkampagnen, Restart-Kampagnen auf den Weg zu bringen. Das ist im letzten Jahr schon, wie ich finde, ganz gut gelungen mit der Kampagne „Sie haben Ihr Ziel er reicht“. Viele sind im Sommer im Land geblieben. Davon ha ben auch Gastronomen und Hoteliers entlang der tourismus nahen Ausübung ihres Berufs profitiert. Andere, etwa die Ge schäftsreisehotels, tun sich bis heute schwer – auch die Stadt hotels.
Jetzt müssen wir zügig, auch beim Start in das neue Jahr, die se Kampagnen fortentwickeln, weiterentwickeln. Die Wahr nehmung aus der Krise ist, dass sich viele für einen Urlaub im Land entschieden haben. So sie ihn im Laufe des kommenden Jahres denn wieder antreten können, wollen wir auch dafür schon jetzt heftig werben. Ich sage hier klar und deutlich: Die von der Coronakrise maximal hart getroffene Branche hat hier jede politische Unterstützung verdient.
Zunächst zum Kollegen Pix. Wenn Sie erlauben: Ich verstehe Ihre Fra ge so, dass Sie sich z. B. dafür einsetzen wollen, dass Eigen tümer von Ferienwohnungen aufgrund der Tatsache, dass die se Wohnungen nicht mehr vermietet werden können, einen Ausgleich für den Verdienstausfall bekommen. Habe ich Sie so richtig verstanden?
Darf ich Ihre Frage weiter so verstehen, dass Sie sich dafür einsetzen, dass die Skiliftbetreiber, denen die Möglichkeit ge nommen wurde, ihre Skilifte zu betreiben, auch einen Ersatz dafür bekommen, dass sie keine Einnahmen erzielen? Darf ich Ihre Frage so verstehen?
Dann begrüße ich Sie im Kreise der Klientelpolitikerinnen und Klientelpolitiker,
die sich, wie ich finde, zu Recht für eine Branche starkma chen, die von dieser Krise maximal hart getroffen ist. Finde ich gut, Herr Pix, dass Sie das hier so deutlich gesagt haben.
Eben. – Das ist vielleicht auch eine Chance für Sie und uns, da in gewissen Bereichen gemeinsam noch etwas Überzeu gungsarbeit zu leisten.
Jetzt aber zur Beantwortung Ihrer Frage.
Das, was Sie zur Situation bei den Ferienwohnungen anspre chen, ist völlig korrekt; das läuft bei mir auch auf. Dabei be steht das Problem – das war auch gestern Thema einer größe ren Videoschalte mit Betroffenen –, dass die Ferienwohnungs anbieter häufig sogenannte Verbund- oder Mischunternehmen sind, die aus unterschiedlichen Aktivitäten Einkünfte erzie len. Es gibt ja dieses harte Kriterium, dass eben der Bereich betroffen sein muss, in dem 80 % des Umsatzes erzielt wer den. Das schafft nun im Einzelfall Probleme, für Umsatzver luste, die durch den Mietausfall in Ferienwohnungen entste hen, einen Ausgleich zu bekommen. Das war gestern Thema. Dabei hat Staatssekretär Bareiß auch darüber gesprochen, dass man diesen Aspekt im Zusammenhang mit der Überbrückungs hilfe III, über die ja jetzt diskutiert wird, aufgreifen muss.
Sie haben mich gefragt, ob ich das unterstütze. Ich unterstüt ze das aus vollem Herzen, weil ich übrigens, um auch das noch einmal kritisch anzumerken, bei den Ferienwohnungen z. B. unter infektiologischen Gesichtspunkten das Problem se he, dass dadurch zwar Kontakte produziert werden. Aber wenn sich die Familien einmal in einer Ferienwohnung gefunden haben, ist das, glaube ich, wiederum eine in sich geschlosse ne Hausgemeinschaft mit einem insgesamt eher niedrigen In fektionsrisiko.
Auch da, muss man sagen, wird den Betroffenen viel Ver ständnis abverlangt. Deswegen fände ich es schon richtig, wenn es gelingt, ihnen hier noch einen gewissen Ersatz zu kommen zu lassen.
Was das Thema Lifte angeht: Da sind wir gerade dabei. Wir haben das vorhin auf der Fahrt hierher besprochen. Es gibt da eine Abstimmung auch über die Ländergrenzen hinweg, dass wir uns gemeinschaftlich dafür einsetzen wollen, auch für die Skiliftbetriebe eine Ausfallentschädigung zu finden. Das wird nicht ganz einfach sein. Sie haben jetzt einen Jahresbezug oder einen Mehrjahresbezug hergestellt. Da kann ich jetzt zu De tails noch nichts sagen. Aber das Thema ist angelandet, und wir, das Land Baden-Württemberg, wollen uns da einer Initi ative mit benachbarten Ländern auch anschließen.
Kollege Dr. Schweickert, zu der Frage, warum das Ganze in den weiteren Programmen jetzt über Anwalt oder Steuerbera ter läuft, nachdem bei der Corona-Soforthilfe I der Anwalt noch nicht erforderlich war. Ich denke, bei der Corona-Sofort hilfe I hat man einfach gesagt: „Jetzt muss es so unkompli ziert wie möglich, so schnell wie möglich funktionieren.“ Des wegen hat man diesen Weg gewählt.
Ich muss allerdings auch sagen: Es gibt halt immer auch Men schen, die solche Vorlagen nutzen, um sich zu bereichern. Die se Fälle hat es gegeben – nicht in großem Stil, aber es hat sie gegeben. Deswegen hat man diese Hürde im weiteren Verfah ren dann eingebaut, allerdings mit dem Zusatz, dass die Kos ten
dann abrechnungsfähig sind. Das sind also auch Kosten, die hier geltend gemacht werden können. Insoweit, finde ich, ist das ein faires Angebot.
Ihre zweite Frage müsste man direkt an das Bundeswirtschafts ministerium durchleiten. Ich hätte noch ein paar weitere Fra gen, die man dieser Frage hinzufügen könnte. Ich kann Ihnen Ihre Frage heute nicht wirklich präzise beantworten. Deswe gen will ich es auch nicht tun.
Ich bin fertig, oder?
Fix und fertig.
Danke schön.
Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss mich kurz vergewissern, ob ich auch für den richtigen Tagesordnungs punkt – – Ja.
Sehr verehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie fragen sich vielleicht: Haben wir an dieser Stelle nicht erst kürzlich eine Änderung des Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes be schlossen? Ja, das haben wir. Bei den beiden Gesetzgebungs vorhaben handelt es sich aber um zwei völlig unterschiedli che Paar Schuhe. Bei der bereits beschlossenen Änderung des Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes und des Landesper sonalvertretungsgesetzes ging es im Wesentlichen darum, die Handlungs- und Beschlussfähigkeit der Richter-, Staatsan walts- und Personalvertretungen auch unter besonderen Um ständen – eben Pandemiebedingungen – zu gewährleisten. Da mit haben wir dieser ganz aktuellen Situation Rechnung ge tragen.
Der vorliegende Gesetzentwurf trägt zwar eine ähnliche Über schrift, hat aber einen völlig anderen und noch dazu sehr breit gefächerten Inhalt.
Der Gesetzentwurf zielt zum einen auf die Bereinigung und Anpassung verschiedener Landesgesetze aus dem Bereich der Justiz an Rechtsänderungen im Bundes- und Landesrecht ab. Zum anderen sollen in verschiedenen Bereichen punktuelle Änderungen vorgenommen werden, und zwar in den Berei
chen der richterlichen Fortbildungspflicht, der Juristenausbil dung, der Justizverwaltung und -organisation sowie des Lan desjustizkostenrechts.
Es würde an dieser Stelle zu weit führen, auf alle Änderun gen einzugehen; denn diese sind zum Teil sehr technisch und kleinteilig. Aber auf die wesentlichen Punkte, auch auf die Punkte mit politischem Hintergrund, möchte ich doch kurz eingehen.
Ein besonderes Anliegen ist mir die Konkretisierung der rich terlichen Fortbildungspflicht. Wie Sie wissen, hat die Kom mission Kinderschutz im Februar dieses Jahres ihren Ab schlussbericht vorgestellt und über 100 Einzelempfehlungen ausgesprochen. Mein Haus hat die Umsetzung dieser Emp fehlungen unverzüglich in Angriff genommen; schon im Som mer dieses Jahres haben wir drei Bundesratsinitiativen auf den Weg gebracht. Es war heute im Rahmen der Aktuellen Debat te schon Anlass und Gelegenheit, darauf hinzuweisen: Wir ha ben hier sehr konsequent die Umsetzung der Empfehlungen dieser Kommission auf den Weg gebracht.
Diese betrafen auf Bundesebene umzusetzende Empfehlun gen der Kommission. Der Bundesrat hat diese zwischenzeit lich auch weitgehend unverändert beschlossen. Das heißt, wir sind dort auch bundesweit auf Resonanz gestoßen, was die Er gebnisse und Empfehlungen der Kommission Kinderschutz betrifft.
Auf Landesebene hat die Kommission zudem empfohlen, Än derungen bei der richterlichen Fortbildungspflicht im Bereich der Familiengerichte zu prüfen. Wer sich mit Fragen der rich terlichen Unabhängigkeit auskennt und befasst, der weiß, wel ches Minenfeld wir in diesem Zusammenhang betreten und wie wichtig es ist, hier auch in eine Balance zwischen der not wendigen Fortbildung einerseits und der Wahrung richterli cher Unabhängigkeit andererseits zu kommen.
In Baden-Württemberg gibt es derzeit bereits eine spezialge setzliche Regelung der richterlichen Fortbildungspflicht. Ba den-Württemberg ist damit eines der wenigen Länder, in de nen dazu schon jetzt eine ausdrückliche Regelung existiert. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung wollen wir aber noch einen Schritt weiter gehen.
Wie von der Kommission Kinderschutz empfohlen, wollen wir die bestehende Fortbildungspflicht konkretisieren, und zwar dahin gehend, dass sie sich auf den konkret übertrage nen Dienstposten bezieht. Dies bedeutet für eine Familien richterin oder für einen Familienrichter beispielsweise eine Fortbildung im Familienrecht und den notwendigen methodi schen und sozialen Kompetenzen.
Die Fortbildungspflicht gilt damit unmittelbar mit der Über nahme eines bestimmten Referats. Die Richterinnen und Rich ter trifft daher mit Übernahme eines bestimmten Referats die Pflicht, sich in diesem Bereich fortzubilden. Wir sind der Überzeugung, dass das gerade für den sensiblen Bereich des Familienrechts eine notwendige, eine sinnvolle Maßnahme darstellt – jedenfalls auch in Bewertung zurückliegender Vor gänge, wo durchaus ein Verbesserungspotenzial im Hinblick auf manche Aspekte identifiziert wurde.
Das ist jedoch noch nicht alles. Wir wollen die Konkretisie rung der richterlichen Fortbildungspflicht mit einer Qualifi
zierungsoffensive für Familienrichterinnen und Familienrich ter flankieren. Wir haben bereits eine Fortbildungsreihe neu konzeptioniert, die erstmals im Familienrecht tätigen Richte rinnen und Richtern ein breites Angebot zur Qualifizierung gerade in den ersten Monaten der verantwortungsvollen Tä tigkeit bieten soll. Darüber hinaus streben wir einen weiteren Ausbau des Fortbildungsangebots für alle Familienrichter an.
Lassen Sie mich noch einen weiteren Aspekt dieses Gesetz entwurfs ansprechen. Mit einer Änderung soll die Möglich keit von Gemeinden erweitert werden, Ratschreiberinnen und Ratschreiber zur Vornahme öffentlicher Beglaubigungen zu bestellen. Derzeit ist dies nur möglich, wenn die Gemeinde auch eine Grundbucheinsichtsstelle eingerichtet hat. In Zu kunft soll die Bestellung von Ratschreiberinnen und Ratschrei bern unabhängig von der Einrichtung einer solchen Grund bucheinsichtsstelle möglich sein. Damit stärken wir den An reiz für Gemeinden, Ratschreiber zu bestellen.
Wer von Ihnen – ich gehe davon aus, das sind alle Kollegin nen und Kollegen – immer wieder im Austausch mit Vereins vertretern ist, der weiß um die Bedeutung dieses eher formal klingenden Aspekts. Aber er ermöglicht, ein größeres Spekt rum von Dienstleistungen auf dem eigenen Rathaus durch den Ratschreiber anzubieten. Das kommt den vielen ehrenamtli chen und gemeinnützigen Vereinen bei der Beglaubigung von Anmeldungen zum Vereinsregister zugute, da für diese die Tä tigkeit der Ratschreiber kostenlos ist. Die Änderung entspricht außerdem einer Empfehlung des Normenkontrollrats in sei ner Studie „Bürokratieabbau bei der Gründung von Genos senschaften“.
Dann möchte ich noch einen letzten Aspekt ansprechen – für den betroffenen Personenkreis nicht unerheblich –, nämlich Regelungen betreffend des Tragens einer Amtstracht, also von Roben, auch für die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger. Ich möchte dieser Personengruppe in der Justiz an dieser Stel le einmal ausdrücklich ein besonderes Wort der Anerkennung beimessen. Die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger gehen häufig in der Diskussion um das Personal in der Justiz ein biss chen unter. Mitunter vermittelt auch der Begriff „Rechtspfle ger“ nicht auf den ersten Blick das weite Spektrum dessen, was sie in ihrem Alltag erbringen. Die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sind in der Justiz unverzichtbare Bestandteile,
Aspekte, Mitglieder eines funktionierenden Rechtsstaats. Ich möchte sie an dieser Stelle einmal besonders würdigen und mich bei ihnen für ihre Arbeit bedanken.
Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger nehmen nach dem Rechts pflegegesetz auch bestimmte richterliche Aufgaben wahr, da runter auch solche mit Leitungsfunktion. Sie übernehmen z. B. die Leitung von Versteigerungsterminen oder Gläubigerver sammlungen im Insolvenzrecht. Es ist daher nur konsequent, wenn auch Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger eine Robe tragen, wo Richterinnen und Richter dies auch tun würden. Damit werten wir zugleich die verantwortungsvolle Tätigkeit der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger auf.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das waren nur die drei we sentlichen Ziele des Gesetzentwurfs. Die weiteren Änderun gen sind auf den ersten Blick vielleicht nicht so eingängig;
gleichwohl sind sie notwendig. Ich hoffe daher auf Ihre Un terstützung in den weiteren Beratungen.
Vielen Dank.
Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, Herr Kollege Sänze, ob es Ihnen aufgefallen ist: Während Ihrer Re de hat Ihr Fraktionskollege Klos eine Handbewegung ausge führt, die den Tatbestand der Beleidigung erfüllt.
Ich gehe davon aus, dass er angesichts Ihrer Rede gute Recht fertigungsgründe geltend machen kann, um sich nicht straf bar gemacht zu haben.
Aber wenn Sie von Mitgliedern ihrer eigenen Fraktion auf das, was Sie gebetsmühlenhaft über Europa zum Besten ge ben, nur noch beleidigende Reaktionen mangelnden Verständ nisses erhalten, dann, muss ich sagen, spricht das für den Pro zess der weiteren Zerlegung Ihrer Fraktion.
Bringen Sie an dieser Stelle nicht gebetsmühlenhaft zum Aus druck, dass Sie sich mit Europa tatsächlich auseinandersetzen wollen. Sie wollen Europa im Herzen zerstören. Damit stehen Sie allein. Dafür werden Sie niemals die Zustimmung dieses Hauses bekommen.
Herr Klos ist jetzt ganz erschrocken.
Aber, wie gesagt, es gibt für Ihre Handbewegung Rechtferti gungsgründe.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, in den letz ten Tagen hat ganz Europa über den Atlantik geblickt und bei den Präsidentschaftswahlen in den USA mitgefiebert. Wer in den sozialen Medien unterwegs ist, der hat gemerkt, wie vie le Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses in der Wahlnacht begannen, auf ein Ergebnis hinzufiebern. Vielleicht lag das besonders hohe Interesse an den US-Präsidentschaftswahlen daran, dass auch wir in Europa mancherorts vor ähnlichen He rausforderungen stehen.
Hier wie dort gibt es Gesellschaften, die stark polarisiert sind, in denen keine politische Streitkultur mehr herrscht, sondern in denen Gesprächsfäden abgerissen sind und sich nicht we nige in einer Informationsblase bewegen. Anhaltspunkte hier zu gab es auch heute in dieser Debatte.
Die Überwindung dieser Gräben, der Wiederaufbau von Ge sprächskultur und der Respekt von grundlegenden Werten sind Aufgaben, denen wir uns auf beiden Seiten des Atlantiks stel len müssen. Zu diesen grundlegenden Werten gehört für mich insbesondere das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.
Vielleicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, erleben wir – da rauf hoffe ich – in diesen Tagen die befriedende Wirkung von Urteilen unabhängiger Gerichte in den USA.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Rechtsstaatlichkeit – das ist heute mehrfach angeklungen – ist ein entscheidender Grundpfeiler der Europäischen Union.
Manche Reaktion spricht für sich. – Die Achtung rechts staatlicher Prinzipien in allen Mitgliedsstaaten ist wesentlich für das Funktionieren der Europäischen Union.
Das hat die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Vera Jourova, bei der Auftaktveranstaltung des Justiz- und Eu ropaministeriums zur deutschen Ratspräsidentschaft im Juli dieses Jahres sehr deutlich gemacht.
Es ist wichtig, dass die EU schnell neue Instrumente be kommt, um rechtsstaatliche Prinzipien wirksam zu kontrol lieren. Ich glaube, wir sind uns einig – zumindest in wesent lichen Teilen dieses Hauses –, dass Sonntagsreden hier schon lange nicht mehr ausreichen. Deshalb müssen wir notfalls auch über Vertragsänderungen nachdenken.
Ich freue mich, dass diese Auffassung auch von der Mehrheit der Länder im Bundesrat geteilt wird. Dies zeigt sich in der am 6. November angenommenen Stellungnahme der Länder kammer, die auf eine Initiative meines Hauses zurückgeht.
Ein wichtiger Schritt hin zu diesen neuen wirksamen Instru menten ist die Verbindung zwischen der Einhaltung rechts staatlicher Standards und der Auszahlung von EU-Mitteln. Wir haben es hier immer und immer wieder betont: Wer von den positiven Seiten Europas profitieren will – zu Recht pro fitieren will –, der muss sich auch gemeinsamen rechtsstaat lichen Grundsätzen, die wir nicht zur Disposition stellen, un terwerfen.
In der letzten Woche haben sich die Trilog-Verhandlungsfüh rer von Europäischem Rat und Europäischem Parlament auf einen solchen Mechanismus verständigt. Ich begrüße diese Einigung, da wir damit erstmals – erstmals! – ein Instrument hätten, um bei einer Verletzung des Rechtsstaatsprinzips die Auszahlung von EU-Mitteln zu stoppen. Es ist gut und wich tig, dass ein Stopp der Zahlungen schon bei der Gefährdung eines ordnungsgemäßen Haushaltsvollzugs durch rechtsstaat liche Mängel möglich sein soll.
Ich verhehle nicht, dass ich mir noch etwas mehr erhofft hat te. Aber angesichts der großen Widerstände in einigen Mit gliedsstaaten ist auch der vorliegende Kompromiss ein Fort schritt. Mit der Einigung gehen die Verhandlungsführer an den Rand dessen, was die knappe Einigung im Europäischen Rat vom Juli zuließ. Es ist ein Erfolg der deutschen Ratspräsident schaft, dass der Kompromiss überhaupt zustande kam. Es ist auch ein Erfolg für das Europäische Parlament, für den euro päischen Parlamentarismus, der die Rechtsstaatskonditiona lität zu einer Kernforderung in den Trilog-Verhandlungen ge macht hat. Da sind wir einen deutlichen Schritt nach vorn ge kommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Dienstag konnte Bot schafter Clauß für die deutsche Ratspräsidentschaft einen wei teren Erfolg vermelden: den Durchbruch bei den Trilog-Ver handlungen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat über den Mehrjährigen Finanzrahmen.
Nachdem sich der Rat im Juli auf ein Gesamtpaket geeinigt hatte, war der Spielraum für die Trilog-Verhandlungen gering. Das Parlament hatte jedoch weiter gehende Forderungen und wollte u. a. mehr Geld für Zukunftsthemen. Es ist dem Ver handlungsgeschick unserer Bundesregierung zu verdanken, dass hier nun eine gute Lösung gefunden wurde. Der Kom
promiss bleibt im vereinbarten Rahmen der Staats- und Re gierungschefs. Das Parlament konnte aber – das war uns auch hier in Baden-Württemberg immer wichtig – eine Erhöhung der Mittel für Erasmus+ und das Forschungsprogramm „Ho rizont Europa“ durchsetzen. Das sind Investitionen in euro päische Freundschaft,
das sind Investitionen in Innovation und Forschung in Euro pa, das sind Investitionen in die Zukunft Europas. Deshalb ist diese Erhöhung so wichtig.
Wir, die Landesregierung, haben das schon von Anfang an ge fordert – seinerzeit auch von Kommissar Oettinger unterstützt. Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus Baden-Würt temberg sind bei der Einwerbung von EU-Forschungsmitteln besonders erfolgreich, was an der Spitzenforschung unserer Wissenschaftler liegt.
Ich hoffe nun, dass die Einigung der Unterhändler schnell for mell von Parlament und Rat bestätigt wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die deutsche Ratspräsident schaft findet unter erschwerten Rahmenbedingungen statt. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber man hat noch immer das Gefühl: Da geht noch ein bisschen mehr in dieser deutschen Ratspräsidentschaft; da dürfen schon noch ein paar Akzente kommen, die man am Ende dann auch mit der deutschen Rats präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 verbindet.
Allerdings – das wissen wir auch –: Die zweite Welle der Co vid-19-Pandemie schränkt die Möglichkeit der physischen Treffen weiterhin stark ein. Es ist halt so. Es gehört in Euro pa dazu, dass man sich begegnet. Diese persönliche Begeg nung ist Teil des europäischen Prozesses der Einigung, der eu ropäischen Entwicklung. Deswegen müssen wir durch die Co vid-19-Pandemie auf vieles verzichten, was wir uns für diese deutsche Ratspräsidentschaft vorgenommen hatten. Viele un serer Veranstaltungen können nur über Webkonferenzen statt finden, und auf vieles mussten wir auch ganz verzichten. Die Onlineformate sind natürlich geeignet, um Themen zu disku tieren, aber sie ermöglichen nicht die persönliche Begegnung.
Wir haben hier in Baden-Württemberg versucht, aus den ge gebenen Rahmenbedingungen das Beste zu machen. Leuchtendes Beispiel ist der Europaaktionstag, den wir in diesem Jahr digital durchgeführt haben. Es war mir übrigens immer wichtig – das war immer mein Motto im Haus wie überhaupt, wenn man sich Gedanken gemacht hat, wegen Corona etwas, was man geplant hat, einfach abzusagen –, zu überlegen: Da muss es noch eine kreativere Lösung geben zwischen dem, was wir uns vorgenommen haben, und der kompletten Absa ge. Ich glaube, da haben wir auch immer wieder interessante Projekte entwickelt.
Wichtig ist, dass diese deutsche Ratspräsidentschaft auch mit europapolitischen Akzenten aus Baden-Württemberg berei chert wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die Verhand lungen über den Brexit sind von der Covid-19-Pandemie über schattet.
Bitte schön.
Mich un terbricht nur die Präsidentin.
Kollege Schweickert, ich kenne Sie zu gut, um nicht zu wissen, dass Ihnen bewusst ist, dass es hierauf zumindest von mir am heu tigen Tag keine perfekte Antwort geben kann. Aber die Frage trifft ja den Punkt und legt den Finger in die Wunde.
Der Austritt Großbritanniens ist für uns deshalb schwer zu verschmerzen, weil damit auch ein Ungleichgewicht in der unterschiedlichen Entwicklung, in der unterschiedlichen Stär ke der einzelnen europäischen Länder entsteht. Es ist eine Ge fahr, dass die Europäische Union immer mehr zu einer Trans ferunion werden könnte, weil die Unterschiede in den Positi onen deutlich werden und sich dadurch natürlich auch die Mehrheitsverhältnisse verschieben.
Ich will hier den kommenden Gesprächen und Diskussionen nicht vorgreifen. Ich will aber sagen: Es wird nicht leichter. Ich halte es durchaus für möglich – Europa hat sich in der Kri se immer wieder bewiesen –, dass wir auch aus dieser Situa tion neue Kraft schöpfen. Klar ist: Europäische Solidarität – das gilt jetzt vielleicht noch mehr – muss die Situation der är meren Länder in den Blick nehmen. Europa geht es nur dann gut, wenn wir insgesamt dafür sorgen, dass es auch den Län dern, die mehr Unterstützung brauchen, besser geht. Sonst ist das eine tickende Zeitbombe.
Diese Diskussionen werden zunehmen, diese Diskussionen werden stärker werden. Aber ich kann Ihnen heute nicht die Lösung anbieten, wie der Wegfall Großbritanniens diese Dis kussionslage final verändern wird. Leichter wird es nicht. Die Überzeugungsarbeit wird sicherlich noch schwieriger werden.
Meine Damen und Herren, die Verhandlungen über den Bre xit sind von der Covid-19-Pandemie überschattet. Positiv ist: Wir sehen, dass die britische Regierung ihre zwischenzeitli che Drohung eines Abbruchs der Verhandlungen nicht wahr gemacht hat. Das hat übrigens gezeigt: Die haben immer wie der gezockt. Die haben es probiert.
Da muss ich einmal mehr sagen: Barnier hat hier eine groß artige Arbeit abgeliefert, auch in dem Sinn, dass er ruhig ge blieben ist, dass er sich durch die Eskapaden eines britischen Premierministers nicht aus dem Konzept bringen ließ und dass er vor allem darauf achtete, dass die EU 27 beieinander blei ben, dass es Großbritannien, dass es Johnson nicht gelingt, ei nen Spaltpilz, einen Keil in die Europäische Union zu treiben. Das ist bei allem, was wir am Brexit bedauern, der schönste und größte Erfolg in diesem Prozess.
Die Verhandlungen laufen, wie man hört, mit großer Intensi tät, ohne das übliche Durchstechen von Verhandlungsständen. Lassen Sie uns das als positiv denkende Parlamentarier als ernsthaften Versuch werten, wirklich substanziell voranzu kommen.
Leider ist noch immer kein Licht am Ende des Tunnels sicht bar. Ich hatte kürzlich einen guten Austausch mit dem Vorsit zenden des EU-Ausschusses des britischen Oberhauses, Lord Kinnoull. Er hatte deutlich gemacht, dass es auch in London weiterhin viele gibt, die einen No-Deal-Brexit verhindern wol len, die Verbündete suchen und die bis zur letzten Stunde auch mit ihrem ganzen politischen Einsatz dafür kämpfen.
Er hatte sich auch gegen das geplante britische Binnenmarkt gesetz ausgesprochen, das in Bezug auf Irland, Nordirland das Austrittsabkommen mit der EU verletzen würde. Diesen Mon tag hat das Oberhaus für weitreichende Änderungen gestimmt, die das geplante Gesetz wieder mit dem Prinzip „Pacta sunt servanda“ in Einklang bringen würden. Genau diese konst ruktive Haltung brauchen wir jetzt, wenn wir den harten Bre xit zum 1. Januar 2021 vermeiden wollen.
Wäre dieses Gesetz im Parlament auf eine Mehrheit gestoßen, wäre das ein Völkerrechtsbruch neuer Dimension gewesen. Es ist gut, dass dies zumindest auf der Ziellinie noch verhin dert werden konnte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die deutsche Ratspräsident schaft hat bis zum Jahresende – das ist gar nicht mehr so lan ge – noch ein ambitioniertes Programm vor sich. Die Haus haltsverhandlungen und der Brexit stehen ganz weit oben auf der Agenda. Der Green Deal ist nicht von der Tagesordnung verschwunden, auch wenn er jetzt natürlich durch überholen de Ereignisse weitere Schwerpunktthemen neben sich sieht.
Wir dürfen weitere wichtige Themen wie das Asyl- und Mig rationspaket nicht vergessen. Auch dieses ist heute schon mehrfach angesprochen worden. Das ist ein Lackmustest, ob Europa handlungsfähig ist oder eben nicht. Da muss es eine europäische Lösung geben.
Selbstverständlich geht es um die digitale Transformation der Wirtschaft und die Klimaziele der EU bis 2030. Allein diese
Themen zeigen, wie wichtig eine handlungsfähige Europäi sche Union ist.
Der künftige US-Präsident Joe Biden und sein Team werden hoffentlich wieder einen engeren Schulterschluss mit Europa suchen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, wie Sie es erlebt haben: Selten hat man bei einer Wahl so wenig danach gefragt, was der potenziell neue Präsident denn inhalt lich eigentlich wirklich will. Denn das eigentliche Interesse war darauf gerichtet, dass es so, wie es war, nicht mehr wei tergehen sollte.
Deshalb kann man eigentlich nur sagen: Bei allen Problemen, die es auch in der künftigen Zusammenarbeit geben wird, ist es doch schon einmal ein großer Gewinn, wenn es wieder ge lingt, deutsch-amerikanische Beziehungen und Gespräche in einer Art und Weise zu führen, die würdig sind und die auch den wirklichen Willen zu erkennen geben, dass man an guten Beziehungen interessiert ist. Das ist ein neues Kapitel in un seren Beziehungen, und darüber freuen wir uns, und da be gleiten den neuen Präsidenten und seine Vizepräsidentin un sere besten Wünsche.
Auch Biden wird von den EU-Partnern viel erwarten, etwa die Einhaltung des 2-%-Ziels der NATO. Genauso bleibt auf der Agenda, dass wir mehr Verantwortung in der Welt über nehmen müssen. Das ist nicht zuletzt das ureigene Interesse der Europäer. Hier müssen wir dringend gemeinsam zu mehr Europa kommen. Nur gemeinsam werden wir wettbewerbs fähig bleiben. Nur gemeinsam wird unser Verständnis von De mokratie und Rechtsstaatlichkeit gewahrt werden können, und nur gemeinsam wird das europäische Modell von Frieden, Freiheit und Wohlstand für unsere Kinder und Enkelkinder gesichert werden können.
Herzlichen Dank.
Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung sieht aus Anlass der Co ronaviruspandemie eine weitere Digitalisierung der Arbeit der Richter-, der Staatsanwalts- und der Personalvertretungen im Land vor.
Seit Beginn der Pandemie stehen die Vertretungsgremien vor der Herausforderung, zur Verhütung von Infektionsrisiken Präsenzsitzungen zu vermeiden. Zugleich muss aber deren Handlungs- und Beschlussfähigkeit gerade auch in Krisenzei ten erhalten bleiben. Um die Arbeitsfähigkeit der Mitbestim mungsgremien in rechtssicherer Weise zu gewährleisten, sind klarstellende Änderungen sowohl im Landesrichter- und -staats anwaltsgesetz als auch im Landespersonalvertretungsgesetz erforderlich.
Zugleich können wir mit diesem Gesetzesvorhaben die Fort schritte in der Informations- und Kommunikationstechnolo gie für die Arbeit der Vertretungsgremien im 21. Jahrhundert nutzbar machen.
Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir die Handlungsfähigkeit der Mitbestimmungsgremien auch in Krisenzeiten ganz kon kret sichern. In dem Gesetz werden drei Bereiche adressiert, wobei die Änderungen im Wesentlichen rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft treten sollen.
Schwerpunktmäßig wollen wir in beiden Gesetzen, sowohl im Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetz als auch im Landes personalvertretungsgesetz, Regelungen ergänzen, wonach al le oder einzelne Mitglieder der Richter-, der Staatsanwalts- und der Personalvertretungen unter bestimmten Voraussetzun gen mittels Video- und Telefonkonferenztechnik an Sitzungen teilnehmen können.
Ähnliche Regelungen haben der Bundesgesetzgeber anläss lich der Coronaviruspandemie im Bundespersonalvertretungs gesetz und der Landtag von Baden-Württemberg in der Ge meindeordnung und in der Landkreisordnung vorgesehen.
Wichtig ist mir, Folgendes zu betonen:
Es gibt keine Favorisierung der digitalen Sitzung. Ich bin re lativ sicher, dass sie auch nicht Praxis werden wird, und sie soll auch nicht Praxis werden, weil die persönliche Kommu nikation natürlich in einer Sitzungsatmosphäre besser ist und Gespräche auch anders befördert und ermöglicht. Aber die Möglichkeit des Einsatzes von Video- und Telefonkonferenz technik soll in der Besonderheit der aktuellen Lage eben auch möglich sein. Wir wollen die persönlichen Sitzungen nicht verdrängen, aber wir wollen diese Alternative gesetzlich ab sichern. Es soll im Ermessen des jeweiligen Vorsitzenden lie gen, die aus seiner Sicht sach- und situationsangemessene Art der Sitzung und Beschlussfassung zu wählen.
Zugleich trägt unser Gesetzentwurf auch Minderheitenpositi onen Rechnung. Nach dem Vorbild anderer Regelungen des Personalvertretungsrechts wird ein Widerspruchsrecht eines Viertels der Gremiumsmitglieder hinsichtlich des im Einzel fall beabsichtigten Einsatzes von Video- und Telefonkonfe renztechnik im Gesetz installiert. Hier können die Vertretungs gremien im Rahmen ihrer Geschäftsordnung auch anderwei tige Regelungen treffen.
Selbstverständlich müssen bei diesem digitalen Modus der Sitzung und Beschlussfassung die datenschutzrechtlichen Vor gaben eingehalten werden und der Grundsatz der Nichtöffent lichkeit gewahrt sein.
Mit Rücksicht insbesondere auf die kommunalen Belange und Gegebenheiten wird allerdings der Anwendungsbereich der Regelung für die Personalvertretungen zunächst nur beim Vor liegen besonderer Umstände wie eben der Coronaviruspande mie eröffnet.
Für die Richter- und Staatsanwaltsvertretungen wollen wir die neuen Regelungen auch unabhängig vom Vorliegen besonde rer Umstände ermöglichen. Ich meine, das passt hervorragend zur Vorreiterstellung der baden-württembergischen Justiz in Fragen der Digitalisierung. Insofern wollen wir das hier auch krisenunabhängig rechtssicher einführen.
Abschließend möchte ich betonen, dass das Gesetz keine zu sätzlichen Kosten verursacht. Im Gegenteil: Es schafft die rechtssichere Möglichkeit, die in den Dienststellen vorhande ne Technik auch in Mitbestimmungsverfahren einzusetzen. Kosten werden reduziert; denn durch die vermehrte Nutzung von Video- und Telefonkonferenzen entstehen den Dienststel len aufgrund des Wegfalls von Reisekostenerstattungen für An- und Abreisen, Übernachtungen und Ähnlichem sowie durch den geringeren Zeitaufwand sogar Entlastungen.
Als zweiter Schwerpunkt wird mit diesem Gesetz auch für die Richter- und Staatsanwaltsvertretungen das elektronische Um laufverfahren dem schriftlichen Umlaufverfahren gleichge stellt. Entsprechende Regelungen im Personalvertretungsge setz gibt es bereits. Auch diese Maßnahme sichert die Effek tivität der Mitbestimmung der Richter- und Staatsanwaltsver tretungen unseres Landes in Krisenzeiten.
Und schließlich soll drittens bei den Personalvertretungsgre mien befristet bis 30. Juni 2021 eine Verfahrenserleichterung greifen. Ein schriftliches oder elektronisches Umlaufverfah ren sowie eine Übertragung von Befugnissen des Personalrats
auf den Vorstand soll in einfach gelagerten Angelegenheiten vorübergehend auch ohne vorherige Bestimmung in der je weiligen Geschäftsordnung möglich sein.
Ich den ke, dass es sinnvoll ist, bei der Einbringung eines Gesetzes dieses zunächst einmal vorzutragen und es dann der Debatte freizugeben. Anschließend findet die Diskussion im dafür vor gesehenen Ausschuss statt.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, der Gesetz entwurf wurde im Rahmen des Anhörungsverfahrens im We sentlichen begrüßt, da er eine effektive und rechtssichere Mit bestimmung im Land auch in Krisenzeiten ermöglicht. Wir gehen damit einen weiteren Schritt bei der Digitalisierung der Landesverwaltung. Das Ziel des Gesetzes, die Arbeit unserer Vertretungsgremien rechtssicher und krisenfest auszugestal ten, ist in Zeiten der zweiten Welle dieser Pandemie umso dringlicher.
Vielen Dank.
Frau Prä sidentin, ich beantworte die Mündliche Anfrage, die mir in zweierlei Hinsicht vorab zugleitet wurde, wie folgt: Die vor läufige Einstellung des Ermittlungsverfahrens – –
Man be müht sich, nun wirklich nichts falsch zu machen, und ist da bei vielleicht manchmal etwas übereifrig.
Ich bitte vielmals um Entschuldigung.
Ich möchte die mir vorab zugeleitete Mündliche Anfrage wie folgt beantworten: Die vorläufige Einstellung des Ermittlungs verfahrens erfolgte nach zuvor eingeholter gerichtlicher Zu stimmung auf der Grundlage von § 153 a Absatz 1 Satz 1 der Strafprozessordnung. Nachdem die Auflage fristgerecht er füllt worden war, wurde das Ermittlungsverfahren endgültig eingestellt.
Mir wurde im Vorfeld die weitere Frage zugeleitet:
Wurden dem Minister für Soziales und Integration neben der bereits bekannt gewordenen Verpflichtung zur Zah lung eines Geldbetrags zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung weitere Auflagen und Weisungen erteilt, um das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu besei tigen?
Darauf möchte ich wie folgt antworten: Im Rahmen der Ein stellung des Ermittlungsverfahrens wurden keine weiteren Auflagen und Weisungen erteilt.
Als Jus tizminister des Landes Baden-Württemberg obliegt mir nicht die juristische Bewertung einzelner Sachverhalte. Ich bin hier im Landtag aufgerufen, über den Abschluss konkret an mich herangetragener Verfahren zu informieren. Das tue ich mit dem Hinweis auf § 153 a Absatz 1 Satz 1, wobei Sie, lieber Herr Dr. Weirauch, ja Jurist sind – wie mir bekannt ist, ein gu ter Jurist – und damit auch die Rahmenbedingungen einer Ein stellung nach § 153 a Absatz 1 Satz 1 der Strafprozessordnung en détail bewerten können.
Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will versuchen, die Diskussion wieder auf das eigentliche Thema zu bringen. Viele in diesem Hohen Haus fühlen sich ja diesem gemeinsa men Ziel, das Gegenstand der regelmäßigen europapolitischen Debatten ist, nämlich die Entwicklung Europas hier zum The ma zu machen, sich daran zu beteiligen, dieses Europa auch besser zu machen, verpflichtet. Es gibt andere, die hier gebets mühlenhaft in scheinheiliger Form zum Ausdruck bringen, dass sie zwar nichts gegen Europa, wohl aber alles gegen die Europäische Union hätten. Sie verweigern sich Europa. Sie wollen Europa zerstören. Das wollen wir nicht. Deswegen tre ten wir ihren Ausführungen auch dann, wenn sie in Form ei nes schlechten Märchens vorgetragen werden, entgegen.
Ob die Wähler solche Märchen verstehen, wie sie Herr Sän ze in diesem Haus vorgetragen hat, daran wage ich zu zwei feln. Im Gegenteil: Für mich war der Begriff „Märchen“ bis lang positiv besetzt. Nach dem, was Herr Sänze vorgetragen hat, wage ich zu bezweifeln, ob Sie überhaupt noch bereit sind, sich konstruktiv über die Entwicklung Europas ausein anderzusetzen.
Bekennen Sie sich dazu: Sie wollen Europa zerstören. Dann sagen Sie das auch offen und in deutlichen Worten!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen,
Europa wird in Krisen geschmiedet, und es wird einst die Summe der Lösungen sein, die man für diese Krisen er sonnen hat.
Jean Monnet, einer der Gründerväter der Europäischen Uni on, konnte sich auf seine Erfahrungen berufen, als er diese Worte prägte. Sie könnten aber auch eine Überschrift für die Anstrengungen sein, die aktuelle Coronakrise zu überwinden.
Die gemeinsamen Herausforderungen der Pandemie, der dra matische Wirtschaftseinbruch und die weltpolitischen Verän derungen rufen nach gesamteuropäischen Antworten.
Nicht umsonst hat die Bundesregierung ihre Ratspräsident schaft – es wird in dieser deutschen Ratspräsidentschaft auf entscheidende Weichenstellungen ankommen – unter das Mot to „Gemeinsam. Europa wieder stark machen“ gestellt.
Eine erste und entscheidende Bewährungsprobe war der in den Morgenstunden des Dienstags beendete EU-Sondergip fel. Dieser Gipfel war und bleibt ohne Zweifel historisch. Er war nicht nur bezüglich seiner Länge historisch ein besonde rer Gipfel, er war es auch wegen der besonders emotionalen Aufladung bei diesem Spitzentreffen.
Es ist das größte Finanzpaket, das die Europäische Union in ihrer Geschichte geschnürt hat, und es ist von enormer Bedeu tung, dass es zu einer Einigung kam. Ich habe mich in den letzten Tagen genau in dieser Form ausgedrückt: Es besteht kein Anlass zur Euphorie,
aber es gibt Grund, durchzuatmen. Europa ist zu einer Eini gung gekommen. Wäre dies nicht gelungen, wäre das Wasser auf die Mühlen all derer gewesen, die nicht müde werden, deutlich zu machen, Europa sei nicht handlungsfähig. Euro pa ist handlungsfähig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Auf dem Tisch liegt ein Kompromiss, über den man natürlich auch weiterhin differenziert diskutieren kann
ja, differenziert; damit habe ich nicht Ihre Argumentation gemeint.
Gerade im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Zuschüssen und Krediten ist ein gangbarer Weg gelungen. Er sichert den besonders betroffenen Staaten in ausreichendem Umfang Hil fe zu. Zugleich bleibt die Belastung für die Europäische Uni on und die Mitgliedsstaaten begrenzt.
Natürlich galt es, diese Balance angesichts der Vielfalt der Po sitionen zu finden. Das ist am Ende gelungen. Darauf kommt es an.
Ich halte es für wichtig, dass die nationalen Investitions- und Reformprogramme einer Kontrolle durch Rat und Kommis sion unterzogen werden. Nun müssen alle genau hinschauen und die Vorhaben der Mitgliedsstaaten kritisch prüfen, damit die europäischen Mittel auch wirklich zielgerichtet mit euro päischem Mehrwert eingesetzt werden können. Klar muss sein: Es geht um die Bekämpfung der Folgen der Coronapan demie und nicht um eine allgemeine Sanierung der nationa len Haushalte in verschiedenen Mitgliedsstaaten. Dafür stel len wir das Geld nicht zur Verfügung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für Baden-Württemberg als Exportland ist diese Einigung vor allem deshalb wichtig, weil wir damit eine Stabilisierung des Binnenmarkts erreichen wer den. Und davon profitiert in besonderer Weise Baden-Würt temberg. Das gilt umso mehr in einer zunehmend unsicheren Weltlage. Wir brauchen den EU-Binnenmarkt als sicheren Ha fen.
Mit dem Finanzpaket können wir europaweit dringliche The men, wie beispielsweise die digitale und die ökologische Transformation, voranbringen. Die Position der EU im welt
weiten Wettbewerb wird gestärkt. Wir haben jetzt die Chan ce, verlorenes Terrain im internationalen Wettlauf zurückzu gewinnen.
Allerdings hätten wir uns dafür im MFR, im Mehrjährigen Fi nanzrahmen, auch für das Forschungsprogramm „Horizont Europa“ mehr Mittel gewünscht. Das will ich deutlich anmer ken. Gerade die Forschung spielt jetzt eine zentrale Rolle. Ba den-Württemberg hat hier immer besonders von den EU-Mit teln profitiert. Ich setze darauf, dass auch Mittel aus dem Wie deraufbaufonds „Next Generation EU“ ergänzend in den For schungsbereich fließen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Justizminister weiß ich: Ein funktionierender Rechtsstaat ist das A und O eines jeden Gemeinwesens. Das gilt für die Bereiche Sicherheit und Wirt schaft ebenso wie für den sozialen Frieden. Bei der Rechts staatskonditionalität haben wir in Baden-Württemberg eine klare Position. Das ist auch Gegenstand des Europa-Leitbilds, das wir hier in Baden-Württemberg erarbeitet haben. Viel leicht erinnern Sie sich: Günther Oettinger hat seinerzeit in dem von ihm vorgelegten Entwurf für einen Mehrjährigen Fi nanzrahmen diese Konditionalität ausdrücklich hergestellt, nämlich die Auszahlung von EU-Mitteln an die strikte Ein haltung rechtsstaatlicher Grundsätze zu knüpfen.
Deshalb verhehle ich nicht, dass wir uns hier mehr gewünscht hätten. Die Gipfelergebnisse bleiben deutlich hinter dem bis herigen Kommissionsvorschlag zurück. Ich setze nun darauf und mache mich dafür stark – da spreche ich für die badenwürttembergische Landesregierung insgesamt –, dass in dem konkreten Rechtstext, der nun von der Kommission ausgear beitet werden muss, hinsichtlich der Konditionalität alle Mög lichkeiten ausgeschöpft werden, die die Gipfelergebnisse zu lassen. Der Gipfel hat einen Interpretationsspielraum gelas sen, und diesen gilt es jetzt auszufüllen.
Es war ja schon bemerkenswert – das wissen Sie, wenn Sie die Statements der einzelnen Regierungschefs im Anschluss an die Einigung innerhalb der sozialen Medien gelesen haben –, wer sich da jeweils in welcher Form für seinen Verhand lungserfolg gerühmt hat. Diese Positionen übereinandergelegt passen irgendwie nicht so richtig zusammen. Das heißt, es gibt jetzt schon auch noch Interpretationsspielraum, den es zu nut zen gilt.
Im Europäischen Parlament – das will ich ganz aktuell hier einbringen – zeichnet sich eine breite Mehrheit für eine Ent schließung ab, in der ein ambitionierter Rechtsstaatsmecha nismus gefordert wird. Die Entschließung wird von der EVP, den Sozialdemokraten, den Liberalen, den Grünen und den Linken mitgetragen. Also hier gibt es ganz offensichtlich auch im Europäischen Parlament einen parteiübergreifenden Schul terschluss.
Das Parlament wird seine Forderung bekräftigen, dass auf Ba sis des Vorschlags von Günther Oettinger aus dem Jahr 2018 das bereits laufende Gesetzgebungsverfahren fortgesetzt wird. Das kann ich nur begrüßen, und das entspricht auch dem, was wir in unserem Europa-Leitbild zum Ausdruck gebracht ha ben.
Die für Fragen der Rechtsstaatlichkeit zuständige Vizepräsi dentin der Kommission, Vera Jourova, war bei uns im Rah men einer Veranstaltung im Zuge der deutschen Ratspräsi
dentschaft im KIT in Karlsruhe, und sie hat betont, die Ver letzung rechtsstaatlicher Grundprinzipien in einem Mitglieds staat erschüttert die gesamte Rechtsgemeinschaft der Europä ischen Union. Daher warb sie für eine bessere Kontrolle über einen neuen EU-Rechtsstaatsmechanismus. Wir dürfen auf den Kommissionsvorschlag gespannt sein, der im Herbst vor gelegt wird.
Ich darf an dieser Stelle – Kollege Becker hat es schon getan – auf die Bandbreite der Veranstaltungen hinweisen, die wir Baden-Württemberger uns für diese deutsche Ratspräsident schaft vorgenommen haben. Natürlich steht die eine oder an dere Veranstaltung unter dem Vorbehalt der Durchführbarkeit unter Coronabedingungen. Aber wir haben da schon sehr viel Herzblut hineingelegt.
Wir Baden-Württemberger wollen diese deutsche Ratspräsi dentschaft auch wirklich aktiv nutzen, um eigene europapoli tische Akzente zu setzen. Ich würde mich freuen, wenn auch Kolleginnen und Kollegen aus dem Landtag die eine oder an dere Veranstaltung besuchen, sei es in Präsenz oder online.
Dann natürlich der Brexit, der jetzt mit Blick auf das Jahres ende in die finale Runde geht. Bislang stehen wir vor einem tiefen Loch. Einen gemeinsamen Plan mit Großbritannien, wie die Brücke auf die jeweils andere Seite des Abgrunds gebaut werden kann, gibt es bis zur Stunde nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon dramatisch. Die EU hat ihre Pläne frühzeitig auf den Tisch gelegt. Wir möch ten eine Konstruktion aus einem Guss, die lange und nachhal tig trägt. Es ist traurig, aber wahr: Aufseiten der Briten ist bis lang nur klar, was sie nicht wollen. Damit lässt sich schwer lich ein Ergebnis zustande bringen. Das Vereinigte Königreich muss akzeptieren, dass es für eine enge Anbindung an den Binnenmarkt auch dessen Regeln beachten muss. Das ist auch mit Blick auf andere Mitgliedsstaaten wichtig. Man kann ei nen Kuchen nicht gleichzeitig essen und behalten wollen.
Wir können nicht zulassen, dass die hohen Standards der Eu ropäischen Union z. B. beim Verbraucherschutz oder beim Ar beitsrecht von Großbritannien unterlaufen werden. Wir haben in Baden-Württemberg als Grenzland zur Schweiz unsere Er fahrungen mit dem komplexen Geflecht bilateraler Verträge. Auch aus diesen Erfahrungen können wir die Europäische Union nur bestärken, einen möglichst kohärenten Vertrags rahmen anzustreben.
Ich hatte in den vergangenen Wochen gleich zweimal Gele genheit, dem Chefunterhändler der EU, Michel Barnier, un sere Anliegen zu erläutern. Ich hoffe sehr, dass eine Einigung vielleicht doch noch bis Mitte/Ende Oktober gelingt. Wir al le wissen, in solchen Verhandlungsmarathons gilt das Mika doprinzip: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Der Druck wird immer größer, je finaler die Diskussion stattfindet. Inso fern darf man hier auch bis zur letzten Stunde letztlich die Hoffnung nicht aufgeben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die nächsten Monate wer den nicht nur wegen der Verhandlungen mit Großbritannien spannend. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat sich eine Rei he wichtiger Themen vorgenommen. So rückt das Verhältnis zu China immer mehr in den Blick. Ich wünsche mir eine kla re Haltung und einen Dialog auf Augenhöhe.