Protocol of the Session on October 15, 2020

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 129. Sitzung des 16. Landtags von Baden-Württemberg.

Von der Teilnahmepflicht befreit sind Herr Abg. Beck, Herr Abg. Frey, Herr Abg. Halder, Frau Abg. Neumann-Martin, Herr Abg. Dr. Rösler, Frau Abg. Saebel sowie Frau Abg. See mann.

Seitens der Regierung haben sich aus dienstlichen Gründen entschuldigt: Frau Ministerin Dr. Eisenmann, ab 13:30 Uhr Herr Ministerpräsident Kretschmann, bis ca. 14 Uhr Herr Mi nister Hermann. Außerdem ist Frau Staatssekretärin Dr. Splett entschuldigt.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Meine Damen und Herren, wie bereits gestern Abend mitge teilt, ist es Herrn Ministerpräsident Kretschmann leider nicht möglich, vor 10 Uhr an der heutigen Sitzung teilzunehmen, weil er kurzfristig erst heute Morgen von Berlin zurückflie gen konnte.

Daher beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 2 und schließen dann Tagesordnungspunkt 1 – Regierungsinformation – an.

Bevor ich Tagesordnungspunkt 2 aufrufe, noch der folgende Hinweis: Mich hat die Nachricht erreicht, dass die Fraktionen übereingekommen sind, bei den Tagesordnungspunkten 5 und 8 auf die Aussprache zu verzichten. Ebenso verzichtet die Re gierung bei diesen zwei Punkten jeweils auf die Begründung zur Einbringung.

Ich rufe nun Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Mi nisteriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau – Di gitalisierung als Chance für Mittelstand und Start-ups – Drucksache 16/2942

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Deuschle.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Spätestens seit Beginn der Coronapandemie wissen wir alle, wie wichtig die Digita lisierung für unseren Arbeitsalltag geworden ist. Bei all dem Leid, den Entbehrungen und der Ungewissheit: Die Pandemie war und ist der große Beschleuniger, das Katapult, das uns in

das digitale Zeitalter befördert hat. Studenten lernen über On linevorlesungen. Im März dieses Jahres haben sich viele Omas und Opas Skype, Zoom oder eines der vielen anderen Pro gramme für Videotelefonie heruntergeladen, um trotz Lock down mit den Enkelkindern sprechen zu können. Die Arbeits welt verzichtet auf Geschäftsreisen und stellt überrascht fest: Es geht auch online. Und, ja, zwischenzeitlich wurde auch der sonntägliche Gottesdienstbesuch digital abgehalten, alles ganz selbstverständlich.

Klar ist: Vieles wird sich in der Nachcoronazeit auch wieder ändern. Aber ich bin davon überzeugt: Das meiste wird blei ben.

(Zuruf: Am Sankt-Nimmerleins-Tag!)

Verhaltensforscher haben herausgefunden, dass sich der Mensch an bestimmte Verhaltensweisen gewöhnt, also neue Routinen einübt, wenn er diese im Schnitt 66 Tage ausgeübt hat. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, und die Coronapan demie beschäftigt uns schon über 200 Tage. Das macht klar: Die Macht der Gewohnheit ist mittlerweile digital.

Spätestens jetzt muss uns allen klar sein, dass die Digitalisie rung das Thema unserer Zeit ist. Hier findet Wertschöpfung statt, hier sind die Innovationen, und hier ist auch der Arbeits markt der Zukunft.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Deshalb ist es genau richtig, dass die grün-schwarze Landes regierung die Weichen früh auf Digitalisierung gestellt hat. Jetzt zahlt sich dieser Weitblick aus. Der Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2016 hat in Bezug auf die Digitalisierung bun desweit Maßstäbe gesetzt. Baden-Württemberg war eines der ersten Länder, die die Digitalisierung in einem Ministerium gebündelt haben.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Das war ja sehr er folgreich!)

Es war eines der ersten Länder mit einer eigenen umfassen den und ressortübergreifenden Digitalisierungsstrategie.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Aber es nützt nichts!)

Es war eines der ersten Länder, die ein Förderprogramm für den Breitbandausbau nicht nur in Millionenhöhe, sondern in Milliardenhöhe aufgelegt haben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Meine Damen und Herren, das war niemals Selbstzweck, son dern es gab eine klare Zielrichtung. Wir wollen unser Land fit für die Zukunft machen, für eine digitale Zukunft.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der AfD: Dann macht es halt!)

Wir wollen der Wirtschaft in unserem Land, den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land die Chance der Digitalisierung eröffnen und ermöglichen. Wir sind „digital@bw“.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. An dreas Schwarz GRÜNE)

Klar ist – das sage ich an die Adresse der FDP/DVP –: Der Staat kann niemals allein verantwortlich Digitalisierung vor antreiben, auch wenn gerade Sie immer wieder suggerieren, der Staat müsse doch mehr eingreifen. Der Staat – besser ge sagt: die Politik – muss diesen Prozess ermöglichen. Er muss Anreize schaffen und, ja, manchmal auch mit sanftem Druck anschieben.

Besonders wichtig war uns und auch mir persönlich dabei im mer, unseren starken Mittelstand in den Blick zu nehmen, un sere Hidden Champions, unsere vielen Tausend Mittelständ ler und Familienunternehmen, die nicht nur in Stuttgart, in Freiburg oder in Karlsruhe sitzen, sondern vor allem in der Fläche unseres Landes verteilt sind und hervorragende Pro dukte liefern sowie wichtige Arbeitsplätze schaffen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. An dreas Schwarz GRÜNE)

Herr Abg. Deuschle, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Karrais zu?

Vielen Dank, Herr Kollege Deuschle, für das Zulassen der Zwischenfrage. – Sie haben gerade behauptet, die FDP würde fordern, der Staat solle mehr tun, um die Digitalisierung voranzutreiben.

Sie fordern immer wieder ein, dass der Staat mehr tun solle. Das habe ich gesagt.

Ja. Aber jetzt frage ich Sie: Wer soll das denn auf der staatlichen Seite machen, wenn es nicht der Staat tun soll? Wer ist denn für die öffentliche Hand verantwortlich? Soll das von selbst passieren, oder wie stel len Sie sich das vor?

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ihr wolltet doch immer, dass es der Markt macht!)

Was sagen Sie dazu, dass die Unternehmen mit dem Staat ei nen Partner brauchen, der mit ihnen auch auf Augenhöhe kom munizieren kann? Das ist doch die Frage, die man da stellen muss. Da kann man jetzt nicht sagen, es sei etwas Schlechtes, dass der Staat entsprechend digitalisieren soll bzw. die Digi talisierung vorantreiben soll.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Herr Kollege Karrais, ich bin überrascht, dass gerade aus Ihrer Fraktion die Frage kommt, wo der Staat mehr eingreifen kann. Es war doch gerade die

FDP/DVP, die über Jahrzehnte auf weniger Staat und mehr Markt gesetzt hat,

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

und gerade im Bereich des Ausbaus der digitalen Infrastruk tur gibt es einen Wettbewerb. Der Staat greift nur da ein, wo der Wettbewerb versagt. Wenn Sie jetzt wollen, dass der Wett bewerb dermaßen am Boden liegt, dass der Staat für alles auf kommt, dann bin ich mehr als überrascht darüber, dass diese Frage gerade aus der FDP/DVP-Fraktion kommt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Daniel Karrais FDP/DVP)

Wir greifen dort ein, wo wir Marktversagen feststellen. Sie wissen auch: Wir dürfen europarechtlich gar nicht anders. Wir haben eine sogenannte Aufgreifschwelle. Nur wenn diese ge geben ist, darf der Staat mit Steuergeldern in den Markt ein greifen.

(Abg. Daniel Karrais FDP/DVP: Es geht um die Di gitalisierung der Verwaltung!)

Daher habe ich Ihre Frage nicht wirklich verstanden. Sie kön nen nachher gern noch einmal eine stellen. Ich habe versucht, die Frage zu beantworten.

Wir sind beim Thema Digitalisierungsprämie. Wir haben im Land einen starken Mittelstand. Bei vielen Unternehmerinnen und Unternehmern stand – vorsichtig formuliert – das Thema Digitalisierung nicht ganz oben auf der Agenda. Da haben wir, wie ich finde, mit der Digitalisierungsprämie ein wirkungs volles Instrument geschaffen, um dies zu ändern. Wir haben ein kluges Anreizsystem entwickelt, um den zögernden Un ternehmerinnen und Unternehmern unter die Arme zu greifen und das Thema Digitalisierung in ihren Unternehmen voran zutreiben.

Wir haben mit der Förderung Innovationsprozesse aufgesetzt. Wir haben in die IT-Sicherheit investiert. Das Programm der Digitalisierungsprämie hat total eingeschlagen.

(Beifall des Abg. Claus Paal CDU)

Wir haben mit 26 Millionen € rund 5 500 Unternehmen mit jeweils bis zu 100 Beschäftigten hier im Land gefördert. Wir haben damit eine Digitalisierungsinvestition in Höhe von 160 Millionen € angestoßen. Aus den 26 Millionen €, die wir mit Steuergeldern an die Unternehmerinnen und Unternehmer ausgelobt haben, haben sich Folgeinvestitionen von 160 Mil lionen € angeschlossen. Das ist u n s e r Verständnis, wie man dem Mittelstand in diesem Land helfen kann, meine Da men und Herren.