Protocol of the Session on May 6, 2020

Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die 118. Sitzung des 16. Landtags von Baden-Württemberg.

Von der Teilnahmepflicht befreit sind Herr Abg. Halder, Frau Abg. Lindlohr, Herr Abg. Dr. Murschel, Herr Abg. Palka, Herr Abg. Dr. Rösler sowie Herr Abg. Stächele.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich ganztägig Herr Ministerpräsident Kretschmann und Frau Staatssekretä rin Olschowski sowie ab 16 Uhr Herr Minister Lucha.

Meine Damen und Herren, wir haben über den gestern per E-Mail eingelegten Einspruch von Herrn Abg. Dr. Fiechtner gegen die ihm in der 117. Plenarsitzung am 29. April 2020 er teilten Ordnungsmaßnahmen abzustimmen. Der Einspruch liegt auf Ihren Tischen aus.

Nach § 93 Absatz 1 Satz 2 der Geschäftsordnung entscheidet über diesen Einspruch der Landtag ohne Beratung. Der Ein spruch hat keine aufschiebende Wirkung. Wir kommen daher gleich zur Abstimmung über den Einspruch.

Wer den Einspruch des Herrn Abg. Dr. Fiechtner für begrün det hält und die Aufhebung der Ordnungsmaßnahmen fordert, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Ent haltungen? – Die Mehrheit des Landtags hält den Einspruch des Herrn Abg. Dr. Fiechtner nicht für begründet und lehnt daher die Aufhebung der Ordnungsmaßnahmen ab.

Der Ständige Ausschuss hat sich in seiner Sitzung am 30. Ap ril 2020 nochmals mit dem Thema „Redezeiten für alle Son derrederechte“ befasst und unter Drucksache 16/8045 eine Be schlussempfehlung abgegeben, die auf Ihren Tischen liegt.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD meldet sich.)

Ich habe Sie gesehen, Frau Abg. Dr. Baum. Gleich.

Nach dieser Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschus ses sollen in Abweichung von der Geschäftsordnung für die sen Sitzungszyklus – bis einschließlich der Plenarsitzung am 20. Mai 2020 – die Redezeiten für alle Sonderrederechte, al so Bemerkungen zur Geschäftsordnung, persönliche Erklä rungen, sachliche Richtigstellungen, Erklärungen zur Abstim mung, Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen, auf eine Minute begrenzt werden.

Jetzt gibt es hierzu einen Geschäftsordnungsantrag. – Frau Abg. Dr. Baum, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Ich stelle den Antrag, als neuen Tagesord nungspunkt 1 für diese Sitzung aufzunehmen: Die Feststel lung der Dringlichkeit nach § 57 – –

Moment, Moment, Frau Abg. Dr. Baum!

(Zurufe)

Wir sind jetzt erst einmal bei einem anderen Punkt. Sie haben sich zu etwas anderem gemeldet.

Zur Tagesordnung.

Wir sind – –

Aber das hat damit zu tun. Das hängt damit zusammen.

(Abg. Anton Baron AfD: Frau Präsidentin, laut Ge schäftsordnung darf man jederzeit einen Antrag stel len!)

Moment, Herr Abg. Baron, Frau Abg. Dr. Baum. Moment.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, jetzt geht es erst einmal um das Thema „Reduzierung der Redezeiten bei – –“ Herr Abg. Ba ron, lassen Sie mich – – Ich habe Ihren Geschäftsordnungs antrag gesehen.

(Unruhe)

Jetzt lassen wir bitte – – Jetzt geht es zunächst um die Be schlussempfehlung – –

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Zu diesem Punkt, also zu Redezeiten, Geschäftsordnung usw.? – Bitte, Herr Abg. Baron.

(Zurufe)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir fassen den von der Präsidentin unterbreiteten Vorschlag zur Einschränkung der parlamentarischen Rederechte als Antrag zur Abweichung von der Geschäftsordnung nach § 105 der Geschäftsordnung auf.

Diesem Ansinnen werden wir, die AfD-Fraktion, nicht zustim men. Unsere Ablehnung begründe ich als Bemerkung zur Ge schäftsordnung gemäß § 84 der Geschäftsordnung. Dafür – das wissen Sie ja sicherlich, Frau Präsidentin – stehen mir fünf Minuten Redezeit zur Verfügung.

Bei den parlamentarischen Sonderrederechten – namentlich die persönliche Erklärung, die sachliche Richtigstellung, die Erklärung zur Abstimmung und die Antragstellung zur Ge schäftsordnung – handelt es sich um Grundlagen zur Absiche rung der Freiheit der Debatte im Landtag. Denn nur wenn ein Abgeordneter die Möglichkeit hat, sachgemäß und, wenn er forderlich, auch kurzfristig flexibel auf den Gang der Ausspra che im Parlament zu reagieren, nur dann ist er auch in der La ge zum offenen Meinungskampf und zur Sachauseinanderset zung.

(Zuruf)

Ohne Wortergreifung – da können Sie auch noch etwas dazu lernen – ist eine demokratische Auseinandersetzung schlicht undenkbar, weil einfach unmöglich.

(Beifall)

Ausnahmsweise ist eine Regulierung der Sonderrederechte möglich, die das Rederecht begleiten. Keinesfalls aber dürfen sie so weit zusammengestrichen werden, dass sie faktisch ent fallen. Darauf jedoch läuft Ihr Vorschlag auf eine pauschale Kürzung auf maximal eine Minute hinaus.

Als wir uns am 19. März 2020 zur 115. Sitzung zusammen gefunden haben, taten wir das unter außergewöhnlichen Um ständen. Wir handelten im Bewusstsein wichtiger und eiliger Entscheidungen. Wir stellten eine Naturkatastrophe nach der Landeshaushaltsordnung fest und bewilligten auch einen mil liardenschweren Nachtragshaushalt.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sie haben doch gar nicht mitgemacht!)

Das hielten wir für erforderlich – selbstverständlich haben wir da mitgemacht, Herr Schwarz, das wissen Sie selbst –, weil wir zu dem Zeitpunkt nicht absehen konnten, welche Trag weite das Covid-19-Virus haben würde und in welcher Wei se es sich möglicherweise ausbreitet.

Vor diesem Hintergrund haben wir daher im Interesse der Ge sundheitssorge oder, wie es die Präsidentin in der 115. Sitzung am 19. März ausdrückte, „der ganz konkreten Verantwortung, im Plenarsaal Ansteckungsrisiken zu vermeiden“, einmalig für die Sitzung Einverständnis erklärt mit der vorübergehen den Verkürzung der Sonderrederechte.

Diese Situation hat sich nun grundlegend gewandelt. Die Fall zahlen von Covid-19 sind im Griff, und die Ansteckungsraten gehen bereits seit Mitte März zurück. Die allgemeinen Hygi enemaßnahmen verhindern zuverlässig eine Weiterverbrei tung. Für eine Einschränkung der Rederechte besteht dabei also keine Veranlassung mehr.

(Beifall)

Wir haben Sie, sehr geehrte Vertreter der grün-schwarz-gelbroten Mehrheit, im Ständigen Ausschuss gefragt, ob denn überhaupt medizinische Erkenntnisse eingeholt worden sind

und vorliegen, die eine Verringerung des Ansteckungsrisikos durch Streichen der Redezeit um vier Minuten belegen. Nichts da! Es liegen keinerlei Erkenntnisse vor.

Von der vorgeschobenen Sorge um die Gesundheit ist auch keine Rede mehr. Mit dem Gesundheitsschutz lassen sich Re dezeitbeschränkungen weder sachlich noch rechtlich nach vollziehbar begründen. Die Redezeitkürzung ist nicht erfor derlich, um den Gesundheitsschutz im Parlament herzustel len. Die Verkrüppelung der Redezeit auf eine Minute ist noch nicht einmal geeignet, um den Gesundheitsschutz zu erhöhen, wenn gleichzeitig Regierungsbeiträge ohne Redezeitbegren zung erfolgen.

(Beifall – Zuruf: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, übrigens sollte nach der damali gen Intention des Paragrafen die Abweichung von der Ge schäftsordnung nur in absoluten Ausnahmefällen mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Und Sie missbrau chen jetzt genau diesen Paragrafen für mehrere Sitzungen und Wochen, weil Sie einen unangenehmen Abgeordneten nicht ertragen können. Das ist doch eine absolute Schwäche, was Sie an den Tag legen.

(Beifall)

Da wundert es mich, ehrlich gesagt, nicht, dass Sie auch des halb nicht ernst genommen werden.

(Zurufe)

Wir wissen heute, dass die größte Gefahr von Corona nicht in der Erkrankung liegt, sondern in den ausufernden Maßnah men zu seiner Eindämmung, in den Gefahren einer politisch verordneten Medizin, die unsere Wirtschaft, unser Volk und den Landtag als Hort unseres Staates ohne Not erdrosseln.

Herr Abg. Baron, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja, Frau Präsidentin. – Den Antrag werden wir daher ablehnen.