Protocol of the Session on July 23, 2020

Guten Morgen meine Damen und Herren! Ich eröffne die 126. Sitzung des 16. Landtags von Baden-Württemberg.

Von der Teilnahmepflicht befreit sind Herr Abg. Dörflinger, Frau Abg. Lindlohr, Herr Abg. Nelius, Herr Abg. Renkonen, Frau Abg. Wolle sowie Frau Abg. Zimmer.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich von 10:15 Uhr bis 11:30 Uhr Herr Minister Untersteller, ab 12 Uhr Herr Minister Hauk und ab 15 Uhr Herr Minister Lucha.

Meine Damen und Herren, auf Ihren Tischen finden Sie einen Vorschlag der Fraktion der AfD für die Nachwahl eines stell vertretenden Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremi ums (Anlage 1). Die Fraktionen haben mir mitgeteilt, dass sie darüber eine Wahl haben möchten. Ich lasse also über diesen Wahlvorschlag abstimmen. Der Wahlvorschlag liegt Ihnen vor. Wer dem Wahlvorschlag der Fraktion der AfD zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenpro be! – Enthaltungen? – Vielen Dank. Dem Wahlvorschlag ist damit mehrheitlich zugestimmt.

Wir treten nun in die Tagesordnung ein.

Bevor ich den ersten Tagesordnungspunkt aufrufe, erinnere ich Sie noch einmal daran, dass Sie sich bitte in die Anwesen heitsliste eintragen. Sonst gibt es für diejenigen, die nicht ent schuldigt sind, einen Abzug. Das nur zur Information.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Mi nisteriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz – Aktuelle Situation und Zukunft des Waldes und der Forst- und Holzwirtschaft in Baden-Württemberg – Drucksache 16/8321

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Herrn Abg. Pix.

Guten Morgen! Meine sehr ver ehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich möchte Ihnen nochmals vor Augen führen, welch wichtige Rolle der Wald im Kampf ge gen den Klimawandel spielt. Die Senkenwirkung der deut schen Wälder ist enorm. Insgesamt kommen sie auf eine Sum me von 127 Millionen t gespeichertes CO2 pro Jahr, wenn ne ben dem Waldspeicher auch der Holzspeicher und der Subs

titutionseffekt von Holz berücksichtigt werden. Das ist eine enorme Menge.

Neben Mooren gehören Wälder zu den größten terrestrischen Kohlenstoffsenkern der Welt, die es unbedingt zu erhalten gilt. Wie diese Senken gerade verloren gehen, kann jeder von uns im Wald aktuell sehen. Nicht nur trockene Käferbäume ent lang von Autobahnen prägen das Bild des deutschen Waldes, auch hektargroße Kahlflächen und Holzlager, so weit das Au ge reicht.

Die Forstwirtschaft trägt Mitschuld an dieser Krise. Sie hat versäumt, frühzeitig die richtigen Weichen zu stellen hin zu einer nachhaltigen Waldwirtschaft, die den Wald als ganzheit liches Ökosystem betrachtet.

Viel zu oft wurden und werden auch heute noch die falschen Baumarten auf den falschen Standorten gepflanzt, wird der Wald nur als Rohstofflieferant betrachtet und in diesem Sinn eine kurzfristige Gewinnmaximierung angestrebt. Dies führt langfristig zu negativen ökologischen Folgen. Alle Waldbe sitzenden, alle miteinander müssen diese Zeiten jetzt endgül tig hinter sich lassen.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Die Balance aus Ökonomie und Ökologie wird unsere Wälder dauerhaft er tragsfähig halten.

(Beifall)

Wir haben in den vergangenen zehn Jahren unserer Regie rungsbeteiligung neue Rahmenbedingungen für den Staats wald geschaffen mit dem Ziel, Katastrophen, wie wir sie ge rade erleben, künftig zu verhindern. So haben wir es geschafft, die FSC-Zertifizierung einzuführen, die eine nachhaltige Be wirtschaftung garantiert.

Das in der letzten Woche vorgestellte neue Förderprogramm zur Unterstützung bei Waldschäden und die Maßnahmen für den Waldnaturschutz sind gute Schritte, um den Erhalt der Ar tenvielfalt zu unterstützen.

Wir haben in den vergangenen Jahren den Schwerpunkt im Staatswald auf naturnahe Wälder gelegt und sind auch kon zeptionell wichtige Schritte vorangekommen. Im Rahmen der Forstreform wird die Vorbildfunktion des öffentlichen Waldes für alle Waldbesitzenden im Waldgesetz deutlich unterstri chen. Wir sind also auf dem richtigen Weg.

Aber: Naturnaher Waldbau muss flächendeckend eine Selbst verständlichkeit werden. Nur so kann sich in unseren Wäldern eine Klimaresilienz entwickeln und kann der Wald dauerhaft

als Kohlenstoffsenker gesichert werden. Unser Land darf nicht dauerhaft Rückversicherer einer falschen Fortwirtschaft wer den.

(Beifall – Zurufe)

Sehr geehrter Herr Minister Hauk, wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen und dürfen jetzt nicht leicht sinnig zur Hälfte auf nicht heimische Baumarten setzen. Mit der überarbeiteten Förderrichtlinie für naturnahe Waldwirt schaft werden bei der Wiederbewaldung geschädigter Flächen die fremdländischen Baumarten zu stark in den Vordergrund gerückt. Wir können nicht einfach nur die Fichte durch die Douglasie ersetzen. Die Holzproduktion kann nicht allein wichtigster Faktor der Waldbewirtschaftung sein; wir müssen künftig herunter mit der Produktion und müssen die Holzvor räte im Wald erhöhen. Wir müssen die waldbaulichen Metho den so anpassen, dass auch in hundert Jahren noch Wald exis tiert, der Lebensraum, Rohstoffe und Abkühlung bietet. Was sermanagement ist hier einer der wichtigsten Aspekte; denn nur Wälder, die dauerhaft genug Feuchtigkeit speichern, kön nen langfristig überlebensfähig sein.

(Zurufe)

Heute müssen wir die richtigen Weichen stellen, um den zu künftigen Wald zu sichern. Denn eine Umstellung geht nicht von heute auf morgen.

Aber wie denn, meine Damen und Herren, muss der Wald in einer vom Menschen geprägten Kulturlandschaft aussehen,

(Zurufe, u. a.: Ohne Windräder!)

um sich selbst und gleichzeitig der zunehmenden Anzahl ver schiedener Nutzungsansprüche zu genügen? Hier stehen wir vor einer großen gesellschaftlichen Herausforderung. Groß flächig Urwald zu fordern, wie es ein gewisser Herr Wohlle ben tut, wäre utopisch. Es gilt, realistische Lösungen zu fin den.

(Beifall – Zurufe, u. a.: Jawohl! – Das ist entschei dend! – Genau!)

Einerseits muss der Wald als Kohlenstoff- und Wasserspei cher, als Rückzugsort für Pflanzen und Tiere, als Hort von Ar tenvielfalt und als d i e grüne Lunge unserer Erde erhalten bleiben. Andererseits wird der Wald vielfältig von der Gesell schaft genutzt und dient den Waldbesitzenden als Einkom mensquelle.

Auch um eine nachhaltige Holznutzung zu erhalten, bedarf es gesunder, anpassungsfähiger Ökosysteme. Neben dem Wald selbst macht verbautes Holz, Bauholz, die große Bedeutung des Klimaretters Wald aus. Wichtig ist darum die langfristi ge, hochwertige stoffliche Holzverwendung – Kaskadennut zung ist das Stichwort. Mit der Gründung des Technikums Laubholz und der Holzbauoffensive haben wir sehr gute Rah menbedingungen geschaffen, um einerseits den Fokus auf Holz als nachhaltigen Baustoff zu lenken und andererseits neue Verwendungsmöglichkeiten für heimisches Laubholz zu finden.

(Beifall)

Dafür lohnt es sich, jeden einzelnen Hektar Wald in BadenWürttemberg zu erhalten. Die Aufgabe einzelner Waldflächen aufgrund fehlender Aufarbeitungskapazitäten, wie von Minis ter Hauk ursprünglich einmal erwähnt, wäre ein Signal in die falsche Richtung.

Ich sage nur: Dort, wo die CDU aufhören will, fangen wir Grünen erst an, und zwar richtig.

(Zurufe)

Ich bin sehr froh, dass Minister Hauk meinen Vorschlag auf gegriffen und das Projekt „Modellgebiet Südschwarzwald“ in die Wege geleitet hat. Aus den Erkenntnissen dieses Pilotpro jekts lassen sich idealerweise Handlungsmöglichkeiten auf zeigen, die im Bedarfsfall in anderen Teilen Baden-Württem bergs angewendet werden können. Aber neben dem Süd schwarzwald muss der Wald im gesamten Land, besonders auch der kleine Privatwald in den Fokus des Krisenmanage ments rücken, um den Walderhalt und die Bewirtschaftung dauerhaft zu sichern.

Ich hebe mir jetzt den Rest meiner Rede für den zweiten Teil der Debatte auf und bedanke mich vielmals für die Aufmerk samkeit.

(Beifall)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Rapp.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht einfach, das Thema Wald neutral und sachlich zu behandeln, wie wir gerade gehört haben. Denn für uns alle hat der Wald mit all seinen Funktionen eine besondere Bedeutung. Dabei spielen Emotionen, offensichtlich parteipolitische Interessen, aber auch persönliche Interessen eine bestimmende Rolle. Diese fallen auch dann ins Gewicht, wenn es um die Frage geht, wel che Maßnahmen hinsichtlich der Zukunft des Waldes notwen dig sind.

Ein Großteil der Ängste und der Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern fokussieren sich auf die Frage und die Gefahren, die vom Klima ausgehen. Die Ängste und Sorgen von 240 000 Waldbesitzern in Baden-Württemberg sind geprägt vom Um stand, dass sie mit ihrem Wald zum Teil ihr Einkommen er wirtschaften. Hinzu kommen aber auch die Ängste und Sor gen derjenigen, die mit dem Wald und im Wald arbeiten: Förs terinnen und Förster, Waldarbeiterinnen und Waldarbeiter.

Sie alle eint jedoch ein Wunsch, nämlich die Erhaltung des Waldes. Aber die Wege zur Erreichung dieses Ziels variieren. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, nicht nur bezogen auf diese Debatte eine ganzheitliche Betrachtung vorzunehmen. Wir dürfen dabei nicht in Versuchung geraten, einseitige und verkürzte Sichtweisen zugrunde zu legen und auch nicht kurz fristig und langfristig machbare Maßnahmen zu vermischen.

(Beifall)

Vor über 35 Jahren wurde in Baden-Württemberg bereits da mit begonnen, flächendeckend Mischwälder umzusetzen und zu fördern.

(Zuruf: So ist es!)

In der öffentlichen Diskussion wird der hohe Fichtenanteil kri tisiert. Landesweit liegt der Anteil der Fichte eigentlich unter 50 %. Lediglich im Schwarzwald – Grundlage dafür sind Pflanzungen, aber auch durch Naturverjüngungen – ist der Fichtenanteil höher. Aber dieses gedachte Waldbild gilt als Hauptursache für die aktuellen Waldschäden.

Es muss aber auch wahrgenommen werden, dass 85 % der Er träge aus dem Verkauf von Nadelhölzern kommen. Damit wird alles finanziert, was wir, die Gesellschaft, an Ansprüchen an den Wald und seine Funktionen haben –

(Beifall – Zuruf: Ja!)

ein Dilemma, das auch aufgelöst werden muss. Wir können nicht mehr Holz einsetzen wollen, gleichzeitig aber unsere Wälder alle stilllegen wollen.

(Zuruf: So ist es!)