Protocol of the Session on May 11, 2017

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen und die Gespräche einzu stellen oder nach außerhalb des Plenarsaals zu verlagern.

Guten Morgen! Ich eröffne die 34. Sitzung des 16. Landtags von Baden-Württemberg.

Von der Teilnahmepflicht befreit sind Frau Abg. Erikli, Herr Abg. Dr. Fiechtner, Herr Abg. Hockenberger, Herr Abg. Kopp, Frau Abg. Lindlohr sowie Herr Abg. Rottmann.

Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich ganztägig Herr Minister Lucha, Frau Staatssekretärin Schütz

(Unruhe)

ich darf um etwas Ruhe bitten –, Frau Staatsrätin Erler, Frau Staatssekretärin Schopper, bis 12:30 Uhr und ab 15:00 Uhr Herr Staatssekretär Dr. Baumann, ab der Mittagspause Herr Staatsminister Murawski und ab 14:30 Uhr Herr Ministerprä sident Kretschmann.

Krankheitsbedingt entschuldigt hat sich Frau Staatssekretärin Mielich.

Meine Damen und Herren, wir haben heute ein Geburtstags kind in unseren Reihen. Lieber Kollege Jürgen Walter, im Na men des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen sehr herzlich zu Ihrem runden Geburtstag – wir verraten nicht, welchen – und wünsche Ihnen alles Gute.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Zunahme extremer Wetterereignisse im Land – welche Folgen bringt der Klimawandel für Ba den-Württemberg? – beantragt von der Fraktion GRÜ NE

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung. Ich darf die Mitglieder der Landes regierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Rede zeitrahmen zu halten.

Schließlich darf ich auf § 60 Absatz 4 unserer Geschäftsord nung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich nun das Wort Frau Abg. Lisbach.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Ex treme Wetterereignisse und die Folgen des Klimawandels für Baden-Württemberg“ ist von uns auch deshalb auf die heuti ge Tagesordnung gesetzt worden, weil wir den aktuellen An lass – die Nachtfröste, die wir Mitte April zu verzeichnen hat ten und die für viele Landwirte massive Einbußen brachten – hier noch einmal besprechen wollen.

In der flächenhaften Dimension waren diese Fröste enorm. Es waren sehr viele Kulturen betroffen: Wein, Obst, Beeren, Ge müsekulturen und anderes. Für viele Betriebe hat das zu exis tenzbedrohlichen Folgen geführt oder wird es noch führen, wenn dann die Ernte ansteht.

Die Landesregierung hat dieses Ereignis jetzt als Naturkatas trophe eingestuft. Das ist insoweit auch berechtigt, als es zur Gewährung finanzieller Hilfen notwendig ist. Wenn wir uns aber mit den Ursachen dieser Fröste beschäftigen, dann greift die Einstufung als Naturkatastrophe eigentlich zu kurz, denn wir müssen dieses Ereignis schon auch mit dem anthropoge nen, dem menschengemachten Klimawandel in Zusammen hang stellen.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Diese Frostschäden waren nicht die Folge eines besonders späten Frosts. Dass es im April Nachtfröste gibt, ist eigentlich gar nichts Ungewöhnliches; das hatten wir schon immer. Das Problem war vielmehr die lange Wärmeperiode, die dem vo rausgegangen ist. Schon Mitte April stand alles in Blüte.

Das ist kein Einzelfall. Es ist wissenschaftlich belegt, dass sich die Vegetationsperiode in den letzten Jahrzehnten um ein bis zwei Wochen, um ungefähr zehn Tage nach vorn verlagert hat und auch insgesamt verlängert hat. Diese Entwicklung setzt sich weiter fort, und das mit zunehmendem Tempo. Das muss uns hier wirklich zu denken geben.

Die Jahresdurchschnittstemperatur in Baden-Württemberg hat sich in den letzten 140 Jahren um 1,3 Grad erhöht – um deut lich mehr als im globalen Durchschnitt. Eine weitere Zunah me um 1 bis 2 Grad bis 2050 ist prognostiziert. Auch hier ha ben wir eine deutliche Beschleunigung.

In der Folge wird die Zahl der heißen Tage, der Hitzetage, der Tropentage bei uns weiter zunehmen. Das führt bekanntlich zu Hitzestress, vor allem in den Ballungsräumen, und auch zu gesundheitlichen Belastungen für viele Menschen, insbeson dere wenn sie älter sind oder gesundheitlich schon gewisse Probleme haben.

Aber nicht nur die Temperaturen verändern sich, auch der Wasserhaushalt verändert sich sehr deutlich. Wir verzeichnen eine Abnahme der Niederschläge im Sommer und eine Zu nahme im Winter, damit verbunden längere Trocken- und Dür reperioden in unseren Sommern, steigende Hochwassergefah ren insbesondere im Winter. Hinzu kommt – wir haben uns im letzten Jahr intensiv damit auseinandergesetzt – eine Häu fung von Starkregenereignissen, wie wir sie z. B. in Brauns bach erlebt hatten.

Der Klimawandel beeinflusst damit auch Flora und Fauna. Insbesondere seit den Neunzigerjahren – aber auch schon vor her – wandern wärmeliebende Arten verstärkt bei uns zu. Die se sind häufig invasiv, haben hier keine Konkurrenz und brei ten sich deswegen besonders stark aus, was zu Verschiebun gen im ökologischen Gleichgewicht führt. Im Zuge der Erder wärmung wandern auch Krankheitserreger und Schädlinge verstärkt ein. Als Beispiel will ich die Asiatische Tigermücke nennen, die wir verstärkt im Oberrheingebiet beobachten, die die erhöhte Gefahr einer Ausbreitung tropischer Krankheiten mit sich bringen kann.

Neophyten wie die Ambrosie bereiten Allergikern besondere Probleme. Das ist eine Pflanze, die aus Amerika zugewandert ist und sich hier verstärkt breitmacht und insbesondere in der Landwirtschaft verstärkt zu Problemen führt. All das sind Fol gen des Klimawandels in Baden-Württemberg.

Der Klimawandel betrifft sehr viele Lebensbereiche. Ich ha be vieles noch nicht genannt, z. B. die Auswirkungen auf den Wald oder auch den Klimawandel als Fluchtursache. Da gä be es noch viel zu ergänzen.

Wichtig ist, dass wir bei der Bekämpfung des Klimawandels zweigleisig fahren, dass wir zum einen das Klima schützen durch eine konsequente Reduktion von Treibhausgasen – als Stichworte nenne ich Energiewende und Verkehrswende; sol che Themen besprechen wir hier im Haus immer wieder –, gleichzeitig aber auch Anpassungsmaßnahmen treffen, um den Folgen des Klimawandels zu begegnen; auch das ist sehr wichtig.

Das Land stellt sich diesen Herausforderungen. Deswegen wurde 2015 die Strategie zur Anpassung an den Klimawan del verabschiedet. Diese zeigt auf, was wir tun müssen, um die Folgen des Klimawandels zu begrenzen.

Ich will da noch einige wichtige Handlungsfelder kurz benen nen. Ich nenne beispielsweise die notwendigen hohen Inves titionen in den Hochwasserschutz, die wir verstärkt tätigen. Das hatten wir gerade wieder in den Haushaltsberatungen be sprochen.

Zum anderen erwähne ich das Thema „Klimagerechter Wald umbau“. Hier geht es um die Frage, wie wir Waldbestände hinbekommen, die klimagerecht sind, die sich auf den Klima wandel umstellen können und die auch Trockenperioden und gestiegene Temperaturen überstehen.

Wichtig ist auch eine klimaangepasste Siedlungsentwicklung, die für ausreichend Grün in den Innenstädten sorgt, gleichzei tig aber auch Kaltluftentstehungsgebiete und Frischluftschnei sen von der Bebauung freihält.

Warndienste und Hitzeberatung für Tropentage sind wichtige Handlungsfelder, ebenso wie medizinische Kompetenzbil dung, gerade wenn es um das Thema Tropenkrankheiten geht.

Es gibt noch viel mehr Handlungsfelder, mit denen wir uns bereits befassen, die wir auch noch ausweiten müssen. Dem nächst wird es einen Monitoringbericht zu diesen Anpassungs strategien geben, und dann werden wir diese Anpassungsstra tegien auch fortschreiben müssen; damit werden wir uns dann noch beschäftigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ereignisse wie die im Ap ril müssen wir immer auch als Warnung verstehen. Der Kli mawandel betrifft uns wirklich alle und auch unmittelbar. Die Bewältigung des Klimawandels ist und bleibt eine ganz zen trale Zukunftsaufgabe für uns. Wir dürfen auf keinen Fall – auch wenn das gar nicht immer so in den Köpfen ist – in den Bemühungen nachlassen, diese Aufgaben kraftvoll und kon sequent anzugehen.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Gernot Gruber SPD)

Das Wort für die CDU-Frak tion erteile ich Herrn Abg. Nemeth.

(Abg. Paul Nemeth CDU trinkt aus dem am Redner pult bereitgestellten Wasserglas.)

Auch ich muss etwas für meinen Wasserhaushalt tun. – Guten Morgen, Frau Präsidentin, mei ne sehr geehrten Damen und Herren!

(Zuruf: VfB!)

Die Ereignisse der letzten Wochen in Baden-Württemberg und auch anderswo auf der Welt zeigen: Der Klimawandel ist re al. Wer den Klimawandel nicht anerkennt und wer nicht an erkennt, dass der Klimawandel vom Menschen gemacht ist, und deswegen das Zwei-Grad-Ziel der UN – ratifiziert in Pa ris von 195 Ländern – nicht akzeptiert, macht sich für diese Entwicklung in Baden-Württemberg und auf der ganzen Welt verantwortlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen sowie des Abg. Gernot Gruber SPD)

Wir haben ja sogar hier im Parlament eine Fraktion, die nicht an den Klimawandel glaubt.

Natürlich kann man fragen: Was geht uns das an? Aber es ist gerade für ein exportorientiertes Land wie Baden-Württem berg unheimlich wichtig, dass wir Stabilität in der Welt ha ben. Denn wer soll die Produkte und Dienstleistungen von Trumpf in Ditzingen oder von Daimler in Sindelfingen kau fen, wenn wir keine Stabilität in der Welt haben?

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Deswegen ist dieses Thema für Baden-Württemberg nicht nur aus lokalen, sondern auch aus globalen Gründen eminent wichtig.

Wir sehen es ja in Baden-Württemberg: Die Sommer werden wärmer und trockener und die Winter werden milder und feuchter. Wir erleben das. Natürlich ist Baden-Württemberg trotzdem noch quasi eine Insel der Seligen. Denn wir haben keinen Tsunami im Bodensee zu erwarten.

(Unruhe)

Ja, ja. – 20 % aller Menschen auf der Welt leben an der Küs te. Das sind über 1,4 Milliarden Menschen, die an der Küste leben. Wenn wir das Zwei-Grad-Ziel nicht erreichen, sind Amsterdam und große Teile von Holland unter Wasser.

(Lachen des Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD)