Iris Raether-Lordieck

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Last Statements

Vielen Dank. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte aus der 105. Sitzung der 2. Legislaturperiode am 24. Juni 1999 Herrn Dr. Kunckel, meinen Parteigenossen von der SPD, zitieren. Er sagte damals: „Ich will etwas zum Thema Frauen und Familie sagen. Von Ihnen, Herr Biedenkopf, stammt der Satz: ‚Die Arbeitslosigkeit ist deshalb so hoch, weil die Erwerbsneigung der Frau so hoch ist‘ oder – heute so ausgedrückt –, dass die Erwerbsquote pro Tausend Beschäftigte etwa mit der im Westen vergleichbar sei, dass es aber trotzdem noch eine sehr hohe Arbeitslosigkeit gebe.
Die Frage ist, was für ein Bild von Politik und Familie wir vermitteln. Wollen wir Rückwärtsgewandtes, was im Westen tradiert und in den Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahren vorgelebt worden bzw. entstanden ist, oder wollen wir nach vorn Gewandtes? Ich meine, dass Vätern und Müttern, Frauen und Familien Erwerbstätigkeit und Hausarbeit und Familienarbeit gleichzeitig
ermöglicht werden muss und dass dazu die Bedingungen in Sachsen geschaffen werden müssen. Das ist nicht der Fall.“
Und was ist heute, 20 Jahre später? Es ist immer noch nicht der Fall. Im Gegenteil: Im Jahr 2017 arbeiteten 90 % der männlichen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Vollzeit, aber nur 56 % der Frauen. Hier hat der Freistaat Sachsen seine Ansprüche drastisch zurückgeschraubt und sich in der Tat an im Westen tradierte und in den Siebziger- und Achtzigerjahren vorgelebte Verhältnisse angepasst. Was bedeutet dies in einer sich durch Digitalisierung rasant ändernden Arbeitswelt?
Herr Schreiber, Sie dürfen ans Mikro gehen, wenn Sie Fragen haben.
In der Antwort auf die Große Anfrage heißt es auf die Frage, wie die Staatsregierung in ihrer Digitalisierungsstrategie die Arbeitswelt der Frauen berücksichtigen will, Änderungen beträfen Männer wie Frauen. Mit keinem einzigen Wort wird auf die zutiefst ungleichen Ausgangsbedingungen eingegangen, und es wird weiter auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Telearbeit verwiesen, die – so Zitat – erfahrungsgemäß stärker von Frauen genutzt werde.
Vorteile der Telearbeit sind natürlich die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die schnellere Rückkehr der Eltern aus der Elternzeit in den Job oder die Sicherung der Kinderbetreuung, sodass die Eltern nicht zwangsläufig ausfallen, wenn das Kind einmal krank ist. Zudem haben Arbeitnehmer(innen) durch die wegfallenden Fahrtwege und die flexiblere Zeiteinteilung mehr Zeit. Studien belegen: Im Homeoffice bzw. bei der Telearbeit gibt es weniger Ablenkung als im Büro, wodurch die Produktivität der Mitarbeiter(innen) steigt.
Stimmen die Rahmenbedingungen für das flexible Arbeitsmodell jedoch nicht, kann Telearbeit ständige Erreichbarkeit bedeuten; wir haben es bereits gehört. Viele Telearbeitenden leiden unter fehlendem Kontakt zum Kollegium, zu den Kommunikationsketten und unter Einsamkeit im heimischen Büro. Sich nicht mehr als vollständiges Teammitglied fühlen zu können, kann auf Dauer am Selbstwertgefühl nagen. Ein weiteres Problem: Telearbeitende drohen vom Radar der Führungskräfte zu verschwinden und bei Beförderungen übergangen zu werden. Wie bereits gehört, wird Telearbeit erfahrungsgemäß stärker von Frauen genutzt. Chancengleichheit sieht anders aus.
Leider befasst sich die Große Anfrage der LINKEN ausschließlich mit den Angestellten in der öffentlichen Verwaltung. Aber wie sieht es bei den verbleibenden 44 % der Beschäftigten im Dienstleistungssektor und den 28 % im produzierenden Gewerbe aus, zusammen immerhin
drei Viertel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in unserem Freistaat? Laut einer Studie des Weltwirtschaftsforums, WEF, die im Januar 2018 veröffentlicht wurde, sind insbesondere Jobs, die von Frauen besetzt sind, von der Digitalisierung der Arbeitswelt betroffen. Allein in den USA seien bis zum Jahr 2026 1,4 Millionen Arbeitsplätze durch die Digitalisierung bedroht. Die Mehrheit davon, 57 %, betreffen Frauen, heißt es weiter in der Studie – eine besorgniserregende Entwicklung, meint das WEF. Frauen sind demnach insbesondere in dem Bereich des Arbeitsmarktes, der in Zukunft am stärksten zunehmen wird, unterrepräsentiert.
Dass Frauen auch im Management von Industrie-4.0Unternehmen noch immer deutlich unterrepräsentiert sind, ist ebenfalls keine Neuheit. Das stellte auch Bisnode Deutschland, ein großer europäischer Anbieter für digitale Wirtschaftsinformation, 2016 in der Studie „Frauen im Management der Industrie 4.0“ fest.
Im Bundesdurchschnitt werden 11,7 % der Topmanagementpositionen mit Frauen besetzt, in der Industrie 4.0 sind es nur noch 7,2 %. Screent man aber Veröffentlichungen der Staatsregierung, die sich mit dem Thema Digitalisierung befassen, allein nach dem Suchkriterium „Frau“ oder „weiblich“ – wie viele Matches werden angezeigt? – Ja, genau: null.
Lassen Sie mich abschließend Thorbjørn Jagland, Generalsekretär des Europarates, zitieren. Gegenüber
„HeForShe“, einer Solidaritätskampagne von UN Women, sagte er: „Wenn Sie im Bereich der Menschenrechte arbeiten, sehen Sie, dass die stärksten, sichersten und wohlhabendsten Gesellschaften diejenigen sind, in denen Frauen mehr Macht haben und die Geschlechter gleichberechtigter sind.“
Ich bedanke mich.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Frauen werden bei der Besetzung von Stellen im öffentlichen Dienst nicht automatisch bevorzugt, denn bei allen notwendigen Verbesserungen der Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen muss Artikel 33 Abs. 2 des Grundgesetzes beachtet werden: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt.“
Zum Stichtag 30. Juni 2015 betrug der Personalbestand im öffentlichen Dienst des Freistaates Sachsen 212 205 Personen, davon 139 798 Frauen. Dies entspricht einem Frauenanteil von 65,9 %. Im Vergleich zum Vierten Frauenförderungsbericht blieb der Frauenanteil unverändert, im Vergleich zu 1997 allerdings verringerte er sich um 2,6 %. Hinzu kommt, dass im gleichen Zeitraum der Anteil weiblicher Teilzeitbeschäftigter von 30 auf 45 % anwuchs.
Schauen wir uns die Untergruppe „Beschäftigte im Beamtenverhältnis“ an, so dreht sich der Geschlechterproporz mit 56,3 % zugunsten männlicher Beschäftigter. Dies bedeutet zwangsläufig einen noch deutlicheren Überhang von Frauen im Angestelltenverhältnis.
Die aktuelle Personalsituation im öffentlichen Dienst des Freistaates Sachsen stellt sich also wie folgt dar: Weitaus mehr Frauen als Männer arbeiten in diesem Bereich. Die höher dotierten, verbeamteten Funktionen sind allerdings überwiegend männlich besetzt. Gravierend verschiebt sich das Geschlechterverhältnis im Hinblick auf Beurlaubungen mit 75,5 % Beamtinnen bzw. 88,5 % Arbeitnehmerinnen. Für unbezahlte Carearbeit lassen sich im öffentlichen Dienst weit überwiegend Frauen beurlauben. Obere Leitungsfunktionen mit Ausnahme des schulischen Bereichs haben im Berichtszeitraum 2009 bis 2015, absolut gesehen, sogar eine Verringerung des Frauenanteils zu verzeichnen. Auch in obersten Leitungsfunktionen unserer Landesbehörden waren 2015 Frauen mit knapp 6 % im SMWA, knapp 8 % im SMUL, knapp 12 % im SMI und gerade mal 14 % in der Sächsischen Staatskanzlei deutlich unterrepräsentiert.
Verletzen wir hier nicht doch den Artikel 33 Abs. 2 des Grundgesetzes – sprich einen gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern?
Hierarchieabwärts verstärkt sich der Frauenanteil in allen Fachbereichen des öffentlichen Dienstes zunehmend. Als weiterhin männerdominiert erweisen sich auf leitender Ebene im Wesentlichen die Bereiche Allgemeine Behörden, Hochschulen, Staatsanwaltschaften, Justizvollzug und vor allem der Polizeidienst, dies allerdings über den Berichtszeitraum 2009 bis 2015 ausgesprochen stabil. Mit anderen Worten: Hier tut sich in Sachen Aufwuchs des
Frauenanteils seit geraumer Zeit gar nichts. Erfolgreiche Frauenförderpraxis zum Beispiel durch konsequent fortgeschriebene Frauenförderplanung hat hier offensichtlich nicht stattgefunden.
Im Bereich auszubildende Beamtinnen findet sich über die Zeit wiederum eine signifikante Abweichung. Betrug der Frauenanteil in diesem Bereich 2007 noch 48 %, so lag er 2015 nur noch bei gut 34 %. Im Klartext: Wurden junge Leute im Jahr 2007 noch nahezu paritätisch berücksichtigt, erhalten acht Jahre später weibliche Azubis nur noch zu einem Drittel eine Chance auf eine Beamtenlaufbahn in Sachsen. Dies ist ein fatales Zeichen.
Für die Zukunft sächsischer Gleichstellungsarbeit müssen wir unbedingt umsteuern, sollten aktuelle Zahlen diese Entwicklung bestätigen. Da klingt es nahezu euphemistisch, wenn auf Seite 90 des aktuellen Frauenförderberichtes von deutlicher Unterrepräsentanz weiblicher Bewerbungen in oberste Leitungspositionen die Rede ist. Wenn wir sie nicht entsprechend ausbilden, müssen wir uns doch nicht später über fehlende Bewerberinnen wundern.
Für ähnlich bedenklich halte ich die 25 % weiblichen Neueinstellungen im Bereich der obersten kommunalen Leitungsfunktionen. Im Bestand hatten wir in den Kommunen bis dato bereits einen Frauenanteil von 35 % aufzuweisen. Das ist auch hier ein Rollback hinter bestehende Verhältnisse.
Auffallend sind auch die zwei männlichen Neueinstellungen in der obersten Leitungsebene der Polizei. In Anbetracht der lediglich 7,5 % Frauenanteil in diesem Bereich hätten zwei weibliche Neubesetzungen einem wenn auch mäßigen Aufwuchs auf immerhin 10 % gutgetan.
Ich erinnere an Artikel 8 der Sächsischen Verfassung: „Die Förderung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ist Aufgabe des Landes.“
Das Frauenförderungsgesetz verpflichtet die Ämter und Behörden zu verbindlichen Zielvorgaben zur Beseitigung der Unterrepräsentanz von Frauen. Frauenförderpläne sind das wichtigste Instrument – wir haben es vorhin von Frau Buddeberg gehört – für eine langfristig gezielte Förderung von Frauen, die darauf abzielt, breitere Personalressourcen effizienter zu nutzen. Gezielte Maßnahmen sollen bestehende statistisch belegte Chancenungleichheiten von Frauen abbauen, indem sie der Tatsache entgegenwirken, dass die beruflichen Chancen qualifizierter Frauen an sozialen Vorurteilen und tradierten Rollenvorstellungen scheitern.
In Sachsen erweist sich allerdings Frauenförderplanung als zahnloser Tiger, wie ich anhand der vorliegenden statistischen Zahlen bereits deutlich gemacht habe.
Durch die Frauenförderpläne konnte die geringe Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen bisher nicht beseitigt werden. Es gilt immer noch: je höher die Position, desto geringer der Anteil an Frauen. Diese Feststellung trifft nicht nur für die Spitzenämter des öffentlichen Dienstes zu. Wie konsequent diese Vorgaben verfolgt und
eingehalten werden, zeigt schon die Tatsache, dass wir heute aktuell über den Frauenförderbericht von 2015 diskutieren. Selbstverpflichtung allein funktioniert eben nicht.
Ein modernes sächsisches Gleichstellungsgesetz, wie es von unserer Staatsministerin Petra Köpping vorgestellt wurde, hätte hier die erforderlichen Maßnahmen festgeschrieben und dafür gesorgt, dass die sich seit der Wende einschleichende Ungleichbehandlung von Mann und Frau endlich hätte aufgebrochen werden können. Der aufgezeigte Weg hin zu einem modernen, fortschrittlichen Freistaat Sachsen wurde von der CDU abgelehnt, eine vertane Chance.
Meine Herren und Damen! Vor 100 Jahren löste diese mittlerweile historische Anrede Heiterkeit aus. Heute pflegen wir, ein „Sehr geehrter Herr Präsident“ vorzuschalten.
Das Frauenwahlrecht in Deutschland wird 100. Der Weg dahin war lang. Ein Stimmrecht wurde von Akteurinnen der Frauenbewegung seit Mitte des 19. Jahrhunderts angestrebt. Im Oktober 1918 forderten 58 deutsche Frauenorganisationen in einem gemeinsamen Schreiben
an den Reichskanzler Max von Baden, dem Verlangen der Frauen nach einem Wahlrecht zu entsprechen. Am 9. November 1918 rief Philipp Scheidemann die Republik aus. Vorgestellt wurde ein Regierungsprogramm, das in einer großen Wahlrechtsreform auch das Frauenwahlrecht enthielt.
Eine der ersten weiblichen Abgeordneten wurde Marie Juchacz. Als Sozialreformerin hatte sie für das Frauenwahlrecht gekämpft. Hier ein Auszug aus ihrer ersten Rede vor der Nationalversammlung: „Ich möchte hier feststellen, dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit. Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.“
Damals – vor 100 Jahren – lag die Frauenwahlbeteiligung bei über 80 %, und 37 Frauen zogen in die Nationalversammlung ein. Immerhin, auf Anhieb fast 9 %. Und heute – 100 Jahre später? Im Deutschen Bundestag liegt der Frauenanteil aktuell nur bei 30 %. In vielen Ländern weltweit lässt sich zudem ein Backlash-tradierter Rollen- und Familienbilder beobachten. Was einmal erkämpft wurde, kann auch wieder verloren gehen.
Schauen wir 50 Jahre zurück: Hier bei uns in Sachsen wurden Frauen als Arbeitskräfte in der Industrie gebraucht und bereits 1962 gesetzlich gleichgestellt. Die Erwerbstätigkeit der Frau führte zwangsläufig zu einer Veränderung der Geschlechterverhältnisse – auch im Privatbereich. Im Westen hatte bis 1976 der Mann das alleinige Entscheidungsrecht über die Familie. Die verheiratete Frau durfte nur arbeiten, wenn sie ihre häuslichen Pflichten nicht vernachlässigte. Zur gleichen Zeit wurde im Osten die Fristenregelung erlassen, und die Frau hier konnte selbstbestimmt über ihren Körper und über Schwangerschaft entscheiden.
In den Verhandlungen zur Wiedervereinigung wurde dieses Recht mit den Zähnen verteidigt. Die Frauen wussten, was hier auf dem Spiel stand. In den ersten Jahren nach der Wende befanden sich unsere Frauenrechte im freien Fall. Das Recht auf Arbeit – Zahlen der Bundesagentur für Arbeit besagen: 1991 lag die Frauenarbeitslosigkeit um 60 % über der der männlichen ehemaligen Kollegen. Und sie stieg weiter, bis 1994 auf über 100 %. Arbeit fanden die jungen, gut ausgebildeten Frauen im Westen der Republik. Andere gingen in Rente oder verabschiedeten sich resigniert aus dem Berufsleben. Der Begriff „hohe Erwerbsneigung der Frauen im Osten“ machte die Runde. Wie euphemistisch! Frauen wurden wieder zunehmend von ihren Männern abhängig. Partnerschaftliches Geschlechterverhältnis in Beziehung und Familie adé!
Aber zum Glück: Die Erziehung der nächsten Generation scheint noch geprägt von gleichberechtigten Lebensverhältnissen im Alltag. So sind es heute zum Beispiel die jungen Väter, die in Sachsen bundesweit zum Spitzenreiter in Sachen Elternzeit aufsteigen. Heute wissen wir, dass gleiche Rechte auf dem Papier nicht ausreichen. Gleich
stellung kann nur gemeinsam im wohlgemeinten Zusammenleben aller Geschlechter miteinander tatsächlich und real im Alltagsleben ankommen. Seien wir uns dessen bewusst, und arbeiten wir daran!
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Willkommenskultur für Kinder...“ – das haben wir doch bereits, das machen wir schon erfolgreich.
Dies zeigt sich vor allem an den Geburtenzahlen der letzten Jahre. In Sachen Geburtenziffer, also durchschnittliche Kinderzahl je Frau, hatten wir – wir haben es gehört – in den vergangenen Jahren einen nahezu konstanten Anstieg zu verzeichnen und waren im Bundesvergleich lange Zeit deutlicher Spitzenreiter, so sagt es zumindest das Bundesamt für Statistik in einer Pressemitteilung von Ende Oktober dieses Jahres, also hochaktuell.
Ja, Herr Dr. Weigand, man kann sich natürlich eine kurze Zeitspanne herausgreifen und einen zeitweiligen Abschwung dieser Zahlen um – wir haben es gehört – 0,9 % thematisieren und eine Kampagne aufsetzen; aber das ist unredlich. Doch genau so kennen wir Sie ja.
In einem Online-Artikel der „ZEIT“ von letzter Woche heißt es: „Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung... führt die deutlichen Steigerungsraten in den Jahren 2015 und 2016 vor allem auf Zuwanderer-Familien aus nicht europäischen Ländern zurück wie Syrien oder Afghanistan.“ Das ist in leicht abgeschwächter Form auch an den sächsischen Zahlen abzulesen. Hier haben wir eine Willkommenskultur quasi im doppelten Sinne. Die
Statistiker sprechen von einer Stabilisierung der Geburtenzahl auf relativ hohem Niveau.
Weiter heißt es in dem Artikel: „In den neuen Bundesländern ist die durchschnittliche Zahl der Kinder mit 1,61 Kindern je Frau deutlich höher als im Westen.“ Über diese anhaltenden Differenzen sind Experten verblüfft. Das Geburten-Plus im Osten, so Prof. Norbert Schneider, Direktor des BiB, sei nicht auf ökonomische Faktoren oder Infrastruktur zurückzuführen, sondern es sei im kulturellen Umfeld zu finden. Es gebe hier einen deutlich geringeren Erwartungsdruck an die „gute Mutter“ und die „guten Eltern“ als im Westen.
Mit der Einführung des Elterngeldes ist der Anteil der Männer, die eine Zeit lang im Job aussetzen, um ihr Baby zu betreuen, sprunghaft angestiegen, und eine Studie belegt: Diese Väter haben nicht nur eine engere Bindung zu ihren Kindern, selbst Jahre später verbringen sie noch deutlich mehr Zeit mit ihren Kindern und arbeiten eine halbe Stunde länger im Haushalt als Väter, die durchgehend gearbeitet haben.
Über diese Fördermaßnahme fließen aktuell pro Jahr circa 6,7 Milliarden Euro an junge Familien. „Mit dem Elterngeld haben wir einen gesellschaftlichen Wandel erreicht“, so Familienministerin Giffey. Auf diese Weise ermöglichen wir es den Müttern, sich wieder um den Beruf zu kümmern. Dies lässt sich selbstverständlich auch auf sogenannte Regenbogenfamilien übertragen. Seit 2017 – mit der Entscheidung des Bundestags für die Ehe für alle – ist homosexuellen Lebenspartnern die gemeinsame Adoption eines Kindes endlich möglich. Das versteht meine Fraktion unter gelungener, zeitgemäßer Willkommenskultur für Kinder. Unsoziale Regierungspolitik sehe ich gerade hier nicht. Im Gegenteil: Ihre Pläne sind es, die zum Beispiel Alleinerziehenden die staatliche Förderung entziehen wollen. Sie tragen zu sozialen Härten, Missständen und sozialer Unruhe bei.
Sie wollen uns in das letzte – ach, was sage ich –, in das vorletzte Jahrhundert zurückkatapultieren.
„Frauen an den Herd!“ – Mit welchem Selbstverständnis, Frau Wilke und Frau Grimm, machen Sie als Frauen in dieser Fraktion Politik? Mit welchem Selbstverständnis vertritt Frau Weidel – in gleichgeschlechtlicher Beziehung lebend – im Bundestag derart rechte Positionen? Streng genommen: Würden Sie Ihre politische Doktrin auf sich selbst anwenden, müssten Sie sich als gutes Vorbild nicht proaktiv selbst aus Ihrem politischen Amt entfernen?
Das können Sie gern im Protokoll nachlesen.
Weitere aussagekräftige Beispiele dafür, was wir als SPDFraktion unter gelungener Willkommenskultur für unsere Kinder verstehen, –
– letzter Satz – wird Ihnen in der zweiten Rederunde meine Kollegin Juliane PfeilZabel berichten.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Oftmals ist es hilfreich, Gesetze nicht nur von der Landesebene aus zu betrachten. In der kommunalen Umsetzung erweist sich deren Wirksamkeit oder eben Unwirksamkeit.
Als Stadträtin in Limbach-Oberfrohna hatte ich im Jahr 2015 an die Stadtverwaltung eine Anfrage nach der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten gestellt, deren konkreten Tätigkeiten in den vergangenen zwei Jahren, dem hierfür aufgewandten Zeitkontingent und eventuellen Aufwendungen im Rahmen dieser Tätigkeit. Wohlgemerkt, Limbach-Oberfrohna ist eine große Kreisstadt mit gut 24 000 Einwohnern. Hierzu gibt die Sächsische Gemeindeordnung in § 64 Abs. 2 vor: „In Verwirklichung des Grundrechts der Gleichberechtigung von Mann und Frau haben die Gemeinden mit eigener Verwaltung Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen. In Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern soll diese Aufgabe hauptamtlich erfüllt werden.“
Die Antwort des Oberbürgermeisters auf meine Anfrage: „Aktivitäten der Gleichstellungsbeauftragten unserer Verwaltung beschränkten sich in den vergangenen Jahren auf die Beschäftigung mit einschlägiger Fachliteratur, Sichtung von Informationen und Newslettern. Die Wahrnehmung dieser Tätigkeit nahm in der Vergangenheit einen durchschnittlichen zeitlichen Umfang von circa zwei Stunden monatlich ein. Es wurden im genannten Zeitraum keine Anliegen von Beschäftigten oder Bürgern der Stadt an die Gleichstellungsbeauftragte herangetragen. Jährlich anfallende Kosten waren lediglich die Umlage zur Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten Sachsens.“
Mit anderen Worten, hier ist nichts passiert. Das ist nach aktueller Gesetzeslage grenzwertig, aber nicht zu ahnden, denn das noch aktuelle Frauenfördergesetz aus dem Jahr 1994 sieht bereits konkrete Maßnahmen vor, hat aber leider den Nachteil, dass Zuwiderhandlungen keinerlei Sanktionen nach sich ziehen. Sie, Frau Buddeberg, hatten das anhand eines anderen Beispiels genauso dargestellt.
Laut Abschlussbericht der Kreisbereisung 2011 bis 2014 der Landesstelle für Frauenbildung und Projektberatung Sachsen gab es einzelne Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern, wie Torgau, Werdau und Borna, die gar nicht erst hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte bestellten.
Frauenförderung bleibt aber notwendig, weil nach wie vor strukturelle Nachteile von Frauen ausgeglichen werden müssen. Es stellt sich die Forderung nach einer Stärkung und nach öffentlicher Anerkennung kommunaler Gleichstellungsarbeit durch konkrete politische Vorgaben vonseiten der Landespolitik. Aus diesem Grund halten wir von der SPD-Fraktion die Verabschiedung eines modernen Gleichstellungsgesetzes für unverzichtbar, ein Gesetz, das regelmäßige Kontrollmaßnahmen und bei Nichteinhaltung geeignete Sanktionsmöglichkeiten festschreibt, um nur die wesentlichsten Forderungen zu nennen.
Auf der Grundlage umfangreicher Empfehlungen des Landesfrauenrats wurde im Gleichstellungsministerium ein Gesetzentwurf erarbeitet und auch im Gleichstellungsbeirat immer wieder diskutiert. Zum aktuellen Stand hat unsere Ministerin im Sozialausschuss berichtet. Das Gesetz sollte in Kürze im Kabinett verabschiedet werden, um anschließend hier im Landtag diskutiert und verabschiedet zu werden, so wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Dem heute in zweiter Beratung vorliegenden Gesetzentwurf sowie dem Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden wir von der SPD-Fraktion deshalb nicht zustimmen.
Vielen Dank.
Wir beginnen die namentliche Abstimmung mit dem Buchstaben A.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
08000 116 016 – ist diese Rufnummer bekannt? Wenn nicht, ein Beispiel: „Ihre beste Freundin wirkt in letzter Zeit ängstlich und verschüchtert, geht Ihren Fragen aber beharrlich aus dem Weg.“ Oder: „Sie haben den Verdacht, dass Ihre Nachbarin von ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin geschlagen wurde, da sie neulich eine auffällige Schramme im Gesicht hatte.“ Oder: „In Ihrer Familie hat es eine Vergewaltigung gegeben. … Was können Sie tun? Rufen Sie uns an...“ – So lese ich es auf der Internetseite des Hilfetelefons Gewalt gegen Frauen.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet
Gewalt gegen Frauen als eines der größten Gesundheitsrisiken von Frauen weltweit. Häusliche Gewalt bezeichnet körperliche, sexuelle, psychische und wirtschaftliche Gewalt bzw. Gewalttaten zwischen Menschen, die in einem Haushalt leben. Wie kommt es dazu und vor allem, warum befreien sich Opfer häuslicher Gewalt nicht aus diesem Teufelskreis?
Hierzu entwickelte die Psychologin Lenore E. Walker als Erklärungsmuster die Zyklustheorie der Gewalt. Demnach versuchen Opfer, Spannungssituationen zu bagatellisieren, und bemühen sich, den Partner zu besänftigen. Während der folgenden offenen Gewalttätigkeit empfinden sie sich als hilflos und können weder vorhersagen, wann ein Gewaltausbruch erfolgt oder was er beinhaltet, noch können sie die Gewalt durch eigenes Verhalten verhindern oder reduzieren.
Nach Walker versuchen die Betroffenen dann, die Verletzungen zu vertuschen, um den Partner nicht zu erneuten Übergriffen herauszufordern, und sie nach außen unsichtbar zu machen. Nach der Gewalttätigkeit legt der Täter häufig ein liebe- und reuevolles Verhalten an den Tag, bittet um Verzeihung und verspricht, nie wieder Gewalt anzuwenden. Nach Walker führen diese Bemühungen dazu, dass kurzzeitige realistische Einschätzungen der Situation und Gefahr sowie Gefühle von Wut und Angst durch die Betroffenen in den Hintergrund gestellt werden.
Opfer, die diesen Zyklus erstmalig durchlaufen, hoffen, dass die Gewalt aufhört. Opfer, die diesen Zyklus mehrfach durchlaufen haben, wissen laut dieser Theorie, dass sie ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden für diesen idealisierten Zustand aufgeben, was zu ihrer Selbstabwertung und Beschämung beiträgt.
Von Bedeutung sind zudem gesellschaftliche Einflussfaktoren und Sozialisationsbedingungen. Mädchen und Frauen wird systematisch vermittelt, dass ihr persönlicher Wert nicht in erster Linie auf ihren Fähigkeiten, sondern auf ihren Reiz gegenüber Männern und ihrer Beziehung zu Männern beruht. Statt zu Aktivität werden Mädchen und Frauen zu Passivität und Nachgiebigkeit erzogen. Gewalt wird zudem gesellschaftlich immer noch bagatellisiert und von vielen Vorurteilen geprägt.
Zu über 90 % sind Frauen und Kinder Opfer häuslicher Gewalt. Am 12. Oktober 2017 nun hat Deutschland die Beitrittsurkunde zum Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ratifiziert. Anfang Februar 2018 – Sie sagten es, Frau Buddeberg – hinterlegte Elke Ferner von der SPD-Fraktion, damalige Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, die Ratifizierungsurkunde der sogenannten IstanbulKonvention beim Generalsekretär des Europarates. Damit ist das rechtlich bindende Menschenrechtsinstrument in Deutschland in Kraft getreten. Die Istanbul-Konvention ist auch ein sozialdemokratisches Herzensanliegen.
Der Antrag der LINKEN wie auch die Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes greifen die wesentlichen Elemente auf und fordern die Schaffung eines flächendeckenden, umfassenden und allgemein zugänglichen Unterstützungssystems für alle von Gewalt betroffenen Mädchen und Frauen sowie deren Kinder, Maßnahmen im Sorgerechts- und Umgangsrechtsverfahren bei vorheriger häuslicher Gewalt, Angebote für Opfer von Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt, Gewährleistung effektiver Strafverfolgung sowie des Zugangs zur Rechtsverfolgung sowie die Einrichtung und angemessene Finanzierung einer unabhängigen Monitoringstelle.
Zweifellos sind dies auch unsere sozialdemokratischen Forderungen. Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE, Sie selbst haben vor dem Sommer unserem Opferschutzantrag auf der Drucksache 6/13748 zugestimmt. Damit haben wir wesentliche Aspekte Ihres Antrags bereits in der Umsetzung. Es ist also nicht so, als starteten wir hier in Sachsen bei der Bekämpfung von häuslicher Gewalt mit der Istanbul-Konvention bei null. Bereits in den vergangenen Jahren – Frau Buddeberg, auch Sie haben darauf hingewiesen – wurde eine umfassende Kette staatlicher und nichtstaatlicher Interventionsmaßnahmen entwickelt. Im Lenkungsausschuss
arbeiten Ministerien mit freien Trägern und NGOs zusammen und brachten bereits 2006 einen landesweiten Aktionsplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt auf den Weg, der 2013 fortgeschrieben wurde. Auch das haben Sie erwähnt.
Aktuell ist Sachsen mit einer Bedarfsanalyse ein Baustein im Modellprojekt des Bundesministeriums zu häuslicher Gewalt. Bundesministerin Giffey plant, für 2020 für diesen Themenbereich 30 Millionen Euro einzustellen. Liebe Fraktion DIE LINKE, so sehr wir inhaltlich bei Ihnen sind, aber lassen Sie uns die Ergebnisse des Mo
dellprojekts auf Bundesebene abwarten und statt eines Schnellschusses in Q I/19 anschließend nach sorgfältiger Planung eine nachhaltige und zukunftssichere Systemverbesserung erreichen.
Neben flächendeckenden Gewaltschutzeinrichtungen in Sachsen – über die hierfür erforderlichen Gelder wird ja gerade im Zusammenhang mit dem aktuell anstehenden Doppelhaushalt 2019/2020 verhandelt – braucht es auch einen intensiven Ausbau an Präventionsarbeit. Um eine breitere Schicht von Betroffenen zu erreichen, müssen wir gezielte Öffentlichkeitsarbeit betreiben, Sensibilisierung und Aufklärung bis hin zu Therapien für Sekundäropfer. Betroffene Kinder müssen die Chance bekommen, Erlebtes zu verarbeiten – auch das sagten Sie vorhin –, auch deshalb, um damit einer Vererbung häuslicher Gewalt in die nächsten Generationen vorzubauen.
Meine Damen und Herren, statistisch gesehen erfährt auch in Sachsen jede vierte Frau körperliche, psychische und/oder sexualisierte Gewalt durch einen Beziehungspartner. Deutschlands Beitritt zur Istanbul-Konvention ist ein wichtiger und ein wesentlicher Schritt. Lassen Sie uns die Chance nutzen, für unseren Freistaat die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Ein sächsisches Maßnahmenprogramm zum Schutz vor häuslicher und sexualisierter Gewalt bis Ende Q I/19 zu erarbeiten, ist völlig überstürzt. Dies würde der Bedeutung dieser Aufgabe nicht gerecht. Daher wird meine Fraktion Ihren Antrag ablehnen.
Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein „Ich bin schwanger“ kann viel verändern. Es kann Glück bringen, wenn ein vielleicht lang ersehnter Kinderwunsch erfüllt wird. Ein „Ich bin schwanger“ kann aber auch Angst und
Sorgen bringen, wenn eine Elternschaft eben nicht gewollt ist. Dann stürzen viele Emotionen und Fragen besonders auf die Frau ein.
In so einer Zeit können starke Stützen kleine Wunder wirken, wenn sie Orientierung geben, zuhören, Fragen beantworten und ein bisschen auf dem Weg begleiten. Das ist Aufgabe der Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung. Dort können schon viele Sorgen genommen werden, sei es im Umgang mit der nötigen Bürokratie, sei es vor der Elternschaft selbst. Wer Zweifel hat, sollte diese aussprechen können, sollte sich vertrauensvoll an jemanden wenden können; denn nach dem Gesetz ist eine Schwangerschaftskonfliktberatung ergebnisoffen zu
führen und geht von der Verantwortung der Frau aus. Selbstverständlich, wovon denn sonst?
Die Entscheidung selbst ist dann folgerichtig eine ganz eigene, ohne Druck von außen, seien es Familie, Freunde, Arbeit oder gar Politik. An dieser Stelle eine Mahnung an die rechte Seite unseres politischen Spektrums: Ungeborenes frühes Leben ist nur mit der Frau und nicht gegen sie zu schützen.
Genau!
Dass die Qualität der Konfliktberatung und das Vertrauensverhältnis wirklich dem anspruchsvollen Thema Rechnung tragen, dafür sorgt schon das Bundesgesetz, das eine hohe Qualifikation der Beraterinnen voraussetzt. Jährlich berichten Beratungsstellen schriftlich über ihre Tätigkeit, über die Maßstäbe ihrer Beratung und ihre gesammelten Erfahrungen. Diese Berichte bilden die Grundlage einer Überprüfung durch die zuständigen Behörden. Ich weiß, ehrlich gesagt, auch nicht, wie sonst kontrolliert werden sollte.
Damit auch wirklich Menschen mit diesem hohen fachlichen Anspruch beschäftigt werden können, brauchen die Beratungsstellen genügend Geld. Deswegen konnten wir im letzten Haushalt richtigerweise die Mittel deutlich erhöhen. Nun können die Beraterinnen wieder für ihre wichtige Aufgabe entsprechend bezahlt werden.
Die Arbeit in Sachsen läuft durchaus erfolgreich. Das konnten wir bereits der Stellungnahme unserer Staatsregierung entnehmen und den rückläufigen Abtreibungszahlen. Diese gingen in den 20 Jahren zwischen 1996 und 2016 – Frau Wilke, vielleicht schauen Sie mal in Ihre Unterlagen, ich habe andere Zahlen als Sie – nämlich bundesweit um 24 % zurück und in Sachsen sogar um knapp 38 %. Hier im Freistaat haben wir eine hohe Kindorientiertheit zu verzeichnen. Mit einer zusammenfassenden Geburtenziffer von 1,59 Kindern pro Frau steht Sachsen an der Spitze aller Bundesländer.
Meine bisherigen Ausführungen lassen nur einen Schluss zu: Wir lehnen den vorliegenden Antrag ab.
Ich möchte zum Schluss in diesem Zusammenhang aber noch auf einen weiterführenden Punkt eingehen. Ich bin der Meinung, dass ein aufgeklärter Umgang mit Sexuali
tät in unserer Gesellschaft vieles verbessern könnte. Dazu gehört eben auch, dass Kinder in der Schule beizeiten aufgeklärt werden, auch über Vielfalt.
Wer dann panisch und falsch Frühsexualisierung schreit und sich dem Thema gänzlich verwehrt, der scheint nicht daran interessiert zu sein, dass unsere Kinder bestmöglich aufwachsen und frühe Schwangerschaften durch Unwissenheit vermieden werden. Diese Form der Aufklärung befördert echtes Verständnis und damit wertschätzenden Umgang zwischen den Geschlechtern ohne Abwertung oder gar sexualisierte Gewalt.
Es hilft oft schon, beispielsweise Geschlechtsorgane beim Namen nennen zu können, ohne Kichern oder rot zu werden. Dann bräuchte es keine herabwürdigende vulgäre Ausdrucksweise, die überholte und falsche Machtverhältnisse zementiert,
im Grunde genommen aber Ausdruck immenser Verunsicherung ist. Altersgerechter Aufklärungsunterricht befähigt Kinder und Jugendliche zu selbstsicherem, verantwortungsvollem Umgang mit Sexualität und damit auch Empathie dem anderen Geschlecht gegenüber.
Ein souveräner Umgang mit Geschlechtlichkeit soll den Frauen künftig Erfahrungen ersparen, die sie heute noch tagtäglich machen – vom dummen Spruch bis hin zu Gewalt.
Ich bedanke mich.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Bundesrepublik war Prostitution vor dem Jahr 2012, also vor Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes, nicht strafbar, aber sittenwidrig; im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB – also formal – kein rechtskräftiges Geschäft. Ein Freier, der nicht zahlen wollte, zahlte eben nicht – ganz legal.
Mit dem Prostitutionsgesetz vom 19. Oktober 2001 – beschlossen von der Mehrheit aus SPD, GRÜNEN, FDP und PDS – führte Deutschland eine der weltweit liberalsten gesetzlichen Regelungen für das Prostitutionsgewerbe ein. Durch einen rechtlich sicheren Status sollte Sexarbeit entstigmatisiert und zu einem regulären Gewerbe mit sozialer Absicherung werden und Verdienst bzw. Lohn damit einklagbar.
Des Weiteren wurde in diesem Gesetz Arbeitgeberinnen ein eingeschränktes Weisungsrecht eingeräumt, um angestellte Sexarbeiterinnen zum Beispiel zur Nutzung von Kondomen anhalten zu können. So lese ich es in der Begründung.
In Kombination mit dem im Jahr 2005 eingeführten Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von EU-Bürgern – kurz: EU-Freizügigkeitsgesetz – zeichnen sich fatale Folgen von Missbrauch ab. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt wurde die Freizügigkeit für sieben Jahre ausgesetzt. Menschen aus Polen, aus Tschechien, aus Ungarn und aus der Slowakei konnten zwar frei nach Deutschland einreisen, aber in der Regel kaum regulär sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen eingehen – perfekte Voraussetzungen, Frauen aus diesen Ländern in Deutschland illegal in Prostitution, ja, in Zwangsprostitution zu bringen.
Am 01.07.2017 ist auf Bundesebene das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft getreten, dessen Anwendungsgesetz uns heute im Sächsischen Landtag zur Verabschiedung vorliegt. Bereits im Februar, zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf, kristallisierte sich vor allem ein Diskussionsschwerpunkt heraus: angemessene Gebühren für Anmeldungen und Gesundheitsberatungen.
Wenn man den Schutzgedanken für die Prostituierten für voll nimmt, dann waren die Gebühren aus dem Regierungsentwurf nicht tragbar. Ich denke, auf fachpolitischer Ebene sind wir uns hier im Haus weitestgehend einig, dass keine Gebühren zu erheben, insbesondere bei der Gesundheitsberatung, eine gute Lösung darstellt. Das war nicht mehrheitsfähig. Als Kompromiss halten wir es für vertretbar, bei Anmeldegebühren einmalig 35 Euro und 15 Euro jeweils bei Erneuerung anzusetzen. Die Kollegen haben das bereits erwähnt.
Wirklich wichtig dabei ist aber, dass auch erforderliche Übersetzungsleistungen bei Beratung und Anmeldung nicht von den Prostituierten zu tragen sind. Die Anhörung hat gezeigt, dass wir in diesem Bereich mit bis zu 80 % Migrantinnen rechnen müssen.
Nun arbeiten wir alle nur mit Schätzungen. Niemand weiß, wie viele Prostituierte in Sachsen genau arbeiten. Deswegen soll die festgeschriebene Entschädigung für den zu erwartenden Mehrbelastungsaufwand der betreffenden Kommunen erstmals im IV. Quartal 2019 überprüft und bei Bedarf angepasst werden.
Im Verlauf der Diskussionen zum Gesetz haben wir noch weitere Punkte mitgenommen, die nicht direkt im Gesetz gelöst werden können. Wir halten es jedoch für wichtig, in Zukunft an diesen Punkten weiter zu arbeiten. Dazu gehört, dass die Gesundheitsberatung nicht die alleinige Beratung bleiben soll. Es ist sinnvoll, weitergehende Beratungsangebote in Sachsen auf- und auszubauen.
Menschen, die überlegen, in die Prostitution zu gehen, sollten umfangreich über diese Tätigkeit informiert werden können, um mögliche falsche Vorstellungen von Anfang an auszuräumen. Wichtig ist auch, eine Ausstiegsberatung anzubieten und interessierte Prostituierte in dieser Phase professionell zu begleiten.
Das Gesetz ist neu, und deswegen macht es Sinn, dass ein regelmäßiger Austausch der verschiedenen Ebenen stattfindet. Ein gutes Zusammenwirken zwischen kommunaler Ebene, dem Ministerium und den Hilfsstrukturen ist für das Gelingen eines echten Prostituiertenschutzes unerlässlich. Das müssen wir pflegen.
Schließlich sollten Informationen zum Thema Datenschutz – auch das haben wir gehört – erarbeitet und so verbreitet werden, dass sie die Prostituierten wirklich erreichen. Denn viele von ihnen sorgen sich und fragen, wer diese Daten einsehen kann. Hier gibt es auf kommunaler Ebene bereits gute Ansätze.
Unser Ziel ist es, Prostituierte zu schützen. Dies muss unser aller Interesse sein. Deshalb bitte ich um Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem sich meine Kollegin Lang in der ersten Runde für eine differenzierte Betrachtung von Frauen- und Männergesundheit ausgesprochen hat, möchte ich nun auf ergänzende psychosoziale Aspekte eingehen.
Männer und Frauen sind gleichberechtigt; so steht es im Grundgesetz. Sätze wie „Es lebe der kleine Unterschied“ oder „Wann ist ein Mann ein Mann?“ machen nach wie vor die Runde. Was aber, wenn Rollenzuschreibungen belasten, gar krank machen? Das Konzept hegemonialer Männlichkeit kann krank machen. Männliche Sozialisation zielt auf Härte, Unverwundbarkeit, Unempfindlichkeit gegen Schmerzen, instrumentellen Körpereinsatz. Aus diesem Männlichkeitsbild ergibt sich ein Tabu, Hilfe zu suchen. Männer gehen seltener und später zum Arzt, leben risikoreicher – zum Beispiel beim Sport, beim Autofahren, beim Alkoholkonsum oder bei der Ernährung – und sterben durchschnittlich – wir haben es vorhin schon gehört – fünf Jahre früher als Frauen.
Äußerst bedenklich ist es, dass mit Beginn der Pubertät auch Suizidraten von Jungen und Mädchen auseinanderdriften. Bei der Altersgruppe 15- bis 25-Jähriger liegt die Selbstmordrate junger Männer um fast das 4,4-Fache über der junger Frauen.
Warum ist das so? Dieser Frage müssen wir nachgehen. Hierbei macht eine geschlechterdifferenzierte Gesundheitsbetrachtung absolut Sinn. Frauen und Männer werden sozialisiert, ihre Gefühle unterschiedlich zu zeigen. Während Männer tendenziell eher externalisieren, richten Frauen Aggressionen eher gegen sich selbst. Gewaltbereitschaft junger Männer wird gesellschaftlich weitgehend legitimiert. Ab wann wird es aber symptomatisch?
Bekannt ist, dass einige psychische Erkrankungen mit einem verstärkten Gewaltverhalten korrelieren. Häufig kommt es auch innerhalb des Gender-Diskurses zu einer eindimensionalen Betrachtung. Gesundheitsbildung, die sich nur problematisierend gegen Männlichkeitskonzepte stellt, nützt nichts. Sie bringt allenfalls neue Konflikte. LAG Jungen- und Männerarbeit Sachsen e. V. setzt sich hier in vorbildlicher Weise mit der Thematik „Männergesundheit“ auseinander.
Die weitverbreitete Geschlechterblindheit führt dazu, dass Frauen mit gesundheitlichen Problemen wiederum häufiger nicht ernst genommen werden bzw. sich nicht ernst genommen fühlen. Laut Techniker-Krankenkasse fühlen
sich 29 % der Männer häufiger bzw. ständig gestresst, Frauen dagegen zu 35 %. Das wird nachvollziehbar, sobald wir an Doppel- und Dreifachbelastung insbesondere alleinerziehender Frauen denken, nicht selten kombiniert mit immens hohem Anspruch an sich selbst.
Essstörungen als Übererfüllung überzogener Weiblichkeitsnormen: ein weiterer, nicht zu unterschätzender psychosozialer Krankheitsfaktor. Allgegenwärtige Werbung kolportiert das Frauenideal: makellose Figur, Idealmaße 90 – 60 – 90 – wenn das überhaupt reicht. Der Dokumentarfilm „Embrace“, ein fantastischer Film gegen Body Shaming, deckt auf, wie diese überzogenen Weiblichkeitsnormen Frauen sukzessive vom gesunden Leben entfernen und langfristig regelrecht zerstören können. Luxusproblem? Vielleicht, aber sehr real und weitverbreitet. Vergessen wir aber nicht, dass auch das soziale Umfeld und die Gesellschaft mit verantwortlich sind.
Ein weiteres Beispiel verdeutlicht ein Kommentar auf SPIEGEL-Online im März dieses Jahres. Der Titel: „Bitte, schön still. Und schlucken“. Bestürzt zeigt sich der Frauenärzteverband angesichts gestiegener Abtreibungszahlen. In der Tat, im Jahr 2017 stieg die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche um 2,5 %. Auch so ein Frauenthema? Warum eigentlich?
Für die gestiegenen Abtreibungszahlen sieht der Ärzteverband im Wesentlichen zwei Gründe: Erstens. Die „Pille danach“ ist seit dem Jahr 2015 ohne Rezept in der Apotheke zu bekommen. Zweitens. Es wird offener über teils gravierende gesundheitsschädliche Nebenwirkungen der Antibabypille gesprochen. Ärgerlich ist aber, dass der Eindruck entsteht, Frauen müssten bei der Notfallverhütung der „Pille danach“ wieder an die Hand genommen werden und dass sie überfordert seien mit Verhütungsmethoden jenseits der Antibabypille. Welche Ignoranz! Vielmehr wären hierbei Information, Einfühlungsvermögen, Aufklärung und Begleitung aller Beteiligten gefragt, wenn Frau aus Gesundheitsgründen beispielsweise natürliche Methoden der Familienplanung praktizieren möchte. Richtig angewandt sind diese vergleichbar sicher. Liegt es vielleicht auch an der deutlich geringeren Vergütung für Beratungsleistungen, dass Ärzte dieser Entwicklung derart kritisch gegenüberstehen? Machen wir endlich Schluss mit diesem unsäglichen moralischen Druck auf Frauen. Das kränkt. Oder soll ich sagen: Das macht krank?
Wir brauchen dringend eine geschlechterdifferenzierte Gesundheitsbetrachtung, denn Frauen sind anders, Männer auch.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sachsens Wirtschaft geht es gut; sie ist gut aufgestellt mit unseren bundesweit höchsten Wirtschaftswachstum im Jahr 2016. Treibende Kraft hierbei ist die Industrie. Seit über 20 Jahren liegt auch die Investitionsquote sächsischer Industrieunternehmen deutlich über dem Bundesdurchschnitt.
Sachsens Wirtschaft geht es wieder gut – trotz Dieselskandal und Wirtschaftssanktionen. Wir haben es geschafft, uns aus dem Tief der Nachwendezeit herauszuarbeiten. Ich erinnere an den Zusammenbruch arbeitsintensiver Industriezweige in den Neunzigerjahren. Der Strukturwandel hin zu Maschinenintensivierung und automatisierten Industrieprozessen wurde auf dem
Rücken der Arbeitnehmerschaft ausgetragen. Ich möchte insbesondere auf die gebrochenen Erwerbsbiografien der vielen Tausend Textilarbeiterinnen hinweisen. Direkt nach der Wende kamen Investoren und machten Sachsens Industrie zur verlängerten Werkbank, um nach Ablauf der Fördermittelbindung einfach weiterzuziehen. Das Beispiel „Schießer“ bleibt dabei in denkbar schlechter Erinnerung.
Heute haben Unternehmen ganz andere Beweggründe, nach Sachsen zu kommen. Aktuell investiert die Robert Bosch GmbH in Dresden 1 Milliarde Euro in ein neues Halbleiterwerk. Die „Freie Presse“ hat heute darüber berichtet. Mit Firmen wie Infineon, Globalfoundries und X-FAB, der wissenschaftlichen Expertise etwa an der TU Dresden und im Fraunhofer-Institut wird sie das größte Halbleitercluster Europas weiter stärken.
Unternehmen kommen nicht mehr niedriger Löhne wegen, sondern suchen hohe Fachkompetenz. Arbeitnehmerschaft wird zunehmend selbstbewusster und tritt offensiv für ihre Interessen ein. In Görlitz konnten sie eine ganze Stadt mobilisieren, und sie haben ihr Ziel erreicht. Der Siemens-Konzern revidierte seine Entscheidung. Ich selbst als ehemalige Siemensianerin hätte das nie für möglich gehalten. Die Belegschaft in Görlitz hat eine immense Selbstwirksamkeitserfahrung gemacht und wurde tatkräftig von der Landespolitik unterstützt.
Hier brauchen wir keine Pöbler, Miesmacher oder Zukunftskritiker vom rechten Rand;
denn der Erfolg der Görlitzer Belegschaft trägt weit über die Stadt hinaus zu neuem Selbstbewusstsein in der Bevölkerung bei.
Unsere Aufgabe als Landespolitik ist es nun, die wirtschaftspolitisch richtigen Weichen zu stellen, die unsere Industrie nachhaltig auf Erfolgskurs ausrichten. Sachsen ist stark durch seine breit aufgestellte Industrielandschaft und wird nur durch Innovationen sächlich zukunftssicher werden. Unsere Unternehmen leisten intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Auch künftig brauchen wir hierfür geeignete Förderinstrumente. Sachsens Innovationsförderung müssen wir künftig stärker diversifizieren und zielgerichtet kleine Firmen erreichen. Statt rein monetär brauchen wir Förderung von Fachkompetenz.
Einige Minuten würde ich noch meinem Kollegen überlassen, deswegen breche ich meine Rede hier ab.
Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Diskriminierung ist leider immer noch ein alltägliches Phänomen, von dummen Sprüchen, abschätzigen Blicken und Benachteiligungen im öffentlichen Leben bis hin zur Gewalt.
Ja, leider ist immer noch alles dabei.
Frau Buddeberg, Sie haben die Beispiele benannt. In vielen Köpfen geistern nach wie vor immer noch krude Vorstellungen.
Aber schauen wir fünf Jahre zurück, ins Jahr 2013. Wo stand Sachsen im Umgang mit Diskriminierung, insbesondere die LSBTTIQ*-Community? Wahrgenommen wurde sie nicht, insbesondere politisch nicht. Trotzdem haben sich viele Menschen mit viel Herzblut für ihre und die Rechte anderer eingesetzt. Das hat übrigens auch dazu geführt, dass die SPDqueer, wie sie heute genannt wird, einen Passus in unser Regierungsprogramm aufgenommen hat, der schließlich zu folgenden Abschnitten im Koalitionsvertrag führte: „Die Koalition steht für die Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen. Gemeinsam mit der Zivilgesellschaft werden wir durch einen Aktionsplan darauf hinwirken, dass jeglicher Form von Diskriminierung auch aufgrund sexueller Identität entgegengewirkt wird.“
Das ist Text des Koalitionsvertrages. Dieser Satz im Koalitionsvertrag mit den daraufhin angestoßenen Projekten ist ein echter Kulturwandel und ein großer Erfolg für die Community.
Mit unserer Staatsministerin Petra Köpping hat diese Arbeit nicht nur ein Gesicht bekommen, sondern eine Förderin, die sich mit all ihrer Empathie und ihrem politischen Gewicht immer wieder an die Seite der LSBTTIQ*-Community stellt. Durch den Landtag wurden in den Doppelhaushalten seit 2015 die notwendigen Gelder eingestellt, um die Arbeit gegen Diskriminierung voranzubringen. Die Ministerin nimmt das Thema entsprechend ernst und hat – wie ich finde – in einem beispielhaften Beteiligungsprozess mit der Community den Aktionsplan Vielfalt erarbeitet.
In der Zwischenzeit haben wir Fortschritte gemacht. Das dafür auf Bundesebene beste Beispiel allerdings sehe ich in der Zustimmung breiter Bevölkerungsschichten zur Ehe für alle. Es braucht aber auch die Menschen, die sich in der Politik immer wieder öffentlich an die Seite der Community stellen und diese unterstützen. Im Landtag haben wir einige Vertreterinnen und Vertreter, und in der Staatsregierung sind das besonders Petra Köpping, daneben auch Eva-Maria Stange und Martin Dulig, der zum CSD Dresden gerade wieder ein Grußwort gehalten hat.
Natürlich braucht es auch ausreichend Informationen, um erfolgreich gegen Diskriminierung kämpfen zu können. Ich finde den Ansatz des Lebenslagenberichtes gut und im Prinzip unterstützenswert. Die Forderung ist die richtige. Eine Umsetzbarkeit im beschriebenen Umfang stelle ich allerdings infrage. Wir halten dies in dieser umfassenden Form im Moment nicht für tragbar. Aus diesem Grunde wird meine Fraktion diesem Antrag nicht zustimmen.
Eine Idee könnte sein, sich Teilgebiete daraus vorzunehmen und entsprechende Berichte parallel zur Fortschreibung des Aktionsplanes Vielfalt zu erstellen. Oder vielleicht könnte auch in einer der nächsten Runden das Thema vertieft Eingang in den kommenden Sozialbericht finden. Nichtsdestotrotz sind die Themen in der Verantwortung unserer Ministerin Köpping gut aufgehoben.
Und auch die Idee dieses Berichtes wird mit Sicherheit weiter auf dem Schirm bleiben. Unsere Unterstützung kann die Ministerin sicherlich gut gebrauchen gegenüber noch etwas zögerlichen Teilen der Staatsregierung, die sich diesem Thema zu vorsichtig nähern und sich aus diesem Grund auf reine Prüfaufträge zum Aktionsplan Vielfalt beschränkt haben. Seien wir optimistisch und hoffen wir, dass manchmal nur ein eigenes Tempo gebraucht, aber am Ende eventuell mit Unterstützung doch das gemeinsame Ziel erreicht wird.
Ich bedanke mich.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Stellungnahme der Staatsregierung zu unserem Antrag listet zwei Inno-Teams in Form von ESF-Projekten und 64 EFRE-Förderprojekte auf.
Warum ist die Leichtbauthematik so innovationsträchtig? Wie mein Kollege Holger Mann bereits ausgeführt hat, bedeutet Leichtbau weniger Masse und damit geringere Kosten bei optimierter Funktionalität des jeweiligen Bauteils. So entwickelte zum Beispiel das Deutsche Zentrum Textilbeton in Dresden neuartige Bauteile. Im Gegensatz zum klassischen Stahlbeton, der aus Korrosionsschutzgründen einen Betonmantel von mindestens 4 cm forderte, weist die vergleichbare CarbonfaserLeichtbaukonstruktion des DZT heute eine Betonstärke von nur noch 2 cm auf. Dies erlaubt ganz neue Dach- und Fassadenkonzepte und eine Materialeinsparung um sage und schreibe 75 %.
Leichtbaukonstruktionen rechnen sich auch im Mobilitätsbereich. Eine gezielte Massenreduktion spart hier neben Material- zusätzlich Energiekosten in der laufenden Nutzung. Wer denkt schon beim Besteigen seines Urlaubsfliegers daran, dass Flugzeugflügel heute häufig aus einem kompositen Material bestehen, dessen Kern ein Multiaxialgewebe darstellt, also ein technisches textiles Grundmaterial, das wir hier in Sachsen häufig eher noch unter dem Begriff Malimo kennen?
Schauen wir uns die Liste der aktuellen EFRE- und ESFLeichtbauprojekte genauer an, weist eine weit überwiegende Anzahl dieser Projekte Begriffe auf, die mir aus meiner textilen Praxis sehr vertraut sind: Faserverbundmaterial, Carbonkomposits, stapelgewickelte Hochleistungs-CFK-Rohre, Lärmschutzwände in Faserverbundbauweise, Flechtverfahren für innovative textile Kernmantelverbunde usw.
Sachsen ist als Land geprägt durch seine Textilindustrie. Es ist also kein Wunder, dass insbesondere hier heute die Textiltechnologie mit kreativen und innovativen Entwicklungen gerade im Bereich Leichtbau punktet. Mal ehrlich: Ein frühes Leichtbauprodukt kennt hier jeder. Auch wenn die Zwickauer Ingenieure anfangs sicher gehadert haben, aus Gründen der Mangelwirtschaft dem Trabant – im Volksmund liebevoll Rennpappe genannt – eine textile Leichtbaukarosse verpasst haben zu müssen, so gilt heute
der hierfür entwickelte Herstellungsprozess als Vorläufer für moderne Prepregverfahren.
Aktuelle Leichtbauentwicklungen, wie zum Beispiel Carbonfaserbrennstoffzellen oder mobile textile Hochwasserschutzeinrichtungen, zeigen einmal mehr die Vielfältigkeit von Leichtbauanwendungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser kleine Einblick in sächsische Leichtbauprojekte macht mehr als deutlich, dass wir am Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort beste Voraussetzungen vorfinden, um die Schlüsseltechnologie Leichtbau voranzubringen. In diesem Sinne gilt es, Synergien zu bündeln, Forschergeist zu wecken und Technologietransfer zu fördern. Ich werbe daher um Ihre Zustimmung zum Antrag.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eingangs einen kurzen Dialog aus einem DDR-Jugendfilm zitieren. Im Bild ein junges Paar. Sie: „Ich bin schwan
ger.“ – Er, nach reiflicher Überlegung: „Na gut, dann heiraten wir eben.“ – Sie: „Ich weiß gar nicht, ob ich das will.“
Die junge Frau wirkt zwar unentschlossen, aber nicht unsicher. Sie wirkt souverän, selbstbewusst und aufgeklärt. Überlegt sie nun, was sie mit dem mehr oder weniger gelungenen Heiratsantrag anfängt, oder macht sie sich Gedanken, ob sie wirklich schwanger sein will und dies ihrer Lebensplanung entspricht?
Seit 1972 galt in der DDR für einen Schwangerschaftsabbruch die Fristenregelung, nach der innerhalb der ersten zwölf Wochen eine Schwangerschaft legal abgebrochen werden konnte. 1990, während der Verhandlungen zum Einigungsvertrag, haben die Frauen für den Erhalt ihres Rechts auf Abtreibung gekämpft. Herausgekommen ist ein Kompromiss – die heutige Beratungsregelung, die der Frau nach einer Abtreibung zumindest Straffreiheit gewährt.
Damit wir uns richtig verstehen: Der Entschluss, eine Abtreibung vornehmen zu lassen, stellt ausnahmslos immer eine extreme Ausnahmesituation dar. Eine verantwortliche Entscheidung setzt voraus, dass sich die Betroffene unabhängig, eigenständig und umfassend über medizinische Möglichkeiten und Risiken informieren kann.
Prädestiniert, fundierte Informationen zu geben für jede Frau, jedermann – unabhängig davon, ob schwanger oder nicht –, sind die praktizierenden Ärztinnen und Ärzte, die über das entsprechende Fachwissen und praktische Erfahrungen verfügen.
Die Ärztin Kristina Hänel hat genau dies getan: Zeitgemäß über die sozialen Medien, niederschwellig verfügbar informiert sie darüber, dass ein Schwangerschaftsabbruch zum Leistungsspektrum ihrer Praxis gehört, und – Frau Buddeberg, Sie haben darauf hingewiesen – zusätzlich ist eine kostenlose Broschüre erhältlich, die – jetzt zitiere ich aus „Zeit online“ – „… über die gesetzlichen Regelungen für einen Schwangerschaftsabbruch aufklärt, den Unterschied zwischen medikamentöser und chirurgischer Behandlung klarmacht und mögliche Nebenwirkungen nennt.“
Frau Dr. Hänel hat sich auch nach mehrfachen Anzeigen durch selbst ernannte extreme Lebensschützerinnen und -schützer, die mit ihren kruden Positionen auch betroffene Frauen zu diffamieren und kriminalisieren suchen, nicht einschüchtern lassen.
Am 24. November 2017 – Frau Buddeberg, Sie haben auch darauf schon hingewiesen – hat das Amtsgericht Gießen diese Ärztin wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe von fast 6 000 Euro verurteilt.
Den § 219 a braucht es nicht. Das Gesetz in seiner Ursprungsversion, erlassen im Jahr 1933 – zur Nazizeit, die
das Bild von Hausfrau und Mutter idealisierte, deren größte Ehre darin bestand, dem Führer Kinder zu schenken –; dieses Gesetz atmet ein völlig überholtes patriarchalisches Weltbild.
Es widerspricht unserer heutigen Vorstellung von Selbstbestimmung und Gleichberechtigung und letztlich auch dem Recht – ja, Frau Kuge! – auf freie Arztwahl, und nicht nach einer Beratung durch Pro Familia oder wen auch immer mit Hinweis auf eine Ärztin, sondern freie Arztwahl.
Der § 219 a gehört abgeschafft,
und die Bundespolitik reagiert. Die SPD-Bundestagsfraktion formuliert einen Gesetzentwurf, der die ersatzlose Streichung des § 219 a fordert, und wirbt für eine parteiübergreifende Initiative zur Änderung des Abtreibungsrechts.
Ich bedanke mich ausdrücklich bei der Linksfraktion für ihren Antrag an derart prominenter Stelle der sächsischen Landtags-Plenardebatte, der das thematisiert. Es wird höchste Zeit für eine sachliche Diskussion – auch und gerade hier bei uns in Sachsen.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unter dem Hashtag Me too, also für die nicht englisch sprechenden Abgeordneten – ich auch – machen zurzeit Frauen aus aller Welt ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt öffentlich. Wir lesen Berichte von Gewalt, Sexismus und Diskriminierung.
Dieser Hashtag war spontan viral und wurde in kürzester Zeit zu einem echten Massenphänomen. Es gibt Länder, in denen Me too etwas bewirkt hat. Zu einer Veranstaltung in Schweden, bei der Schauspielerinnen Leidensgeschichten vorlasen, war die schwedische Königin anwesend. In Frankreich hatte Präsident Emmanuel Macron Gleichberechtigung zu einem Schwerpunkt seiner Amtszeit erklärt. Die Kanzlerin Angela Merkel jedenfalls hat darauf noch nicht öffentlich reagiert.
Laut einer Studie der Europäischen Kommission meinen 27 % der Deutschen, dass unter bestimmten Bedingungen eine Vergewaltigung okay sei. Wir stecken in einer Phase eines Rollback in tradierten konservativen Gesellschaftsstrukturen fest. Vor diesem Hintergrund bin ich ausgesprochen froh, dass meine SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag zu Beginn dieser Legislaturperiode die Einrichtung eines eigenständigen Geschäftsbereichs für Gleichstellung und Integration zur Bedingung für eine Regierungskoalition gemacht hat. In den vergangenen drei Jahren haben wir eine ausgesprochen ambitionierte Staatsministerin Köpping erlebt, die 18 Publikationen und mehr als 80 eigene Veranstaltungen in ihrem Geschäftsbereich durchführte und darüber hinaus an rund 300 weiteren Veranstaltungen öffentlich wirkte. Alle Achtung! Das kann kein anderer.
Um nicht nur mit dem Taschenrechner zu arbeiten, wie es die AfD-Fraktion offensichtlich tut, sondern wirklich auf Inhalte zu schauen, was in diesem Ministerium passiert ist – Herr Spangenberg, hören Sie einfach mal zu, vielleicht können Sie auch noch etwas lernen – –
Warten wir es ab.
Am 25. November haben wir den Tag gegen häusliche Gewalt begangen. Unsere Staatsministerin stabilisierte das Hilfesystem zu häuslicher Gewalt im aktuellen Doppelhaushalt mit einer Aufstockung der Mittel auf 2,9 Millionen Euro pro Jahr. Hier haben wir es – Herr Spangenberg, bitte hören Sie zu – mit einem echten Gleichstellungsmerkmal zu tun, denn erstmals haben wir neben Frauenschutzhäusern zwei Männerschutzwohnungen in der Landesförderung. Falls Sie mal Bedarf haben, hier können Sie echte Gleichstellung erleben.
Erwähnen möchte ich in diesem Kontext auch ein Pilotprojekt in Leipzig. Hierbei handelt es sich um ein Schutzhaus für geflüchtete Frauen und ihre Kinder. Dies wird
mit 130 000 Euro Landesmitteln pro Jahr gefördert. Kaum haben wir in Sachsen wieder eine amtierende Staatsministerin für Gleichstellung, initiiert sie die Gründung der Landesarbeitsgemeinschaft Queere-Gruppen, legt durchdachte Antidiskriminierungskonzepte und Aktionspläne vor und stärkt durch stabile Finanzierung und politisches Vorbild Strukturen, die sich für Gleichstellung einsetzen. Petra Köpping kümmert sich um diejenigen, die in Ungerechtigkeiten festhängen. Das sollte eigentlich allen klar sein, unabhängig vom Geschlecht.
Wie dringend notwendig dies ist, belegt der SachsenMonitor. Sachsen hat ein Problem mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Die Kleine Anfrage in der Drucksache 6/11242 – mich wundert, dass sie heute noch nicht zur Sprache kam – bestätigt dies. Ausweislich des beim Landeskriminalamt geführten Sondermeldedienstes über politisch motivierte Kriminalität sind im Themenfeld Hasskriminalität unter dem Thema „Sexuelle Orientierung“ seit 2001 insgesamt 55 Straftaten registriert worden. Eine statistische Auswertung zeigt in den ersten zehn Jahren insgesamt 16 Fälle, für das Jahr 2014 wurden allein fünf Fälle registriert, im Jahr 2015 schnellte dieser Wert noch einmal auf das Dreifache hoch, wohlgemerkt nahezu durchgängig zugeordnet dem Phänomenbereich Rechts. AfD und Pegida tragen im Übrigen ihren Teil dazu bei, dass es Menschen, die nicht einem vermeintlich „normalen“ Bild entsprechen, wieder zunehmend schwerer haben und unfreier leben.
Im November dieses Jahres entschied das Bundesverfassungsgericht über die Einführung eines dritten Geschlechts. Dieses Urteil dürfte bundesweit schätzungsweise 80 000 intersexuelle Menschen betreffen, in Sachsen rein rechnerisch 4 000 Personen. Endlich werden auch diese Menschen gleichgestellt. Gleichstellung kann und muss durch staatliches Handeln gefördert werden.
Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt noch einmal zum Entschließungsantrag. Die AfD-Fraktion hat keine Antworten. Ihr fehlen Ideen und Mut, sich für ungerecht behandelte Menschen einzusetzen. Etwas anderes kann ich aus dem Entschließungsantrag nicht erkennen. Die SPD-Fraktion wird diesen Antrag – und das nehme ich jetzt vorweg – natürlich ablehnen.
Ich werde der Zeit wegen nur zu den Punkten sprechen, die sich auf die Gleichstellung beziehen. Das Fazit Ihres Entschließungsantrags ist: Die AfD macht lieber gar nichts und lässt viele Menschen, besonders Frauen, in ungerechten Situationen allein. Sie verweigern sich gänzlich jeglicher Gleichstellungspolitik, würden sie am liebsten komplett abschaffen.
Das haben Sie gesagt. Dabei begreifen Sie nicht, dass Gleichstellungspolitik allen zugute kommt, zunächst
natürlich Frauen, die nach wie vor in vielen Lebensbereichen benachteiligt werden. Während Männer seit Jahrhunderten auf ihre Seilschaften vertrauen können, müssen sich Frauen diese Netzwerke in vielen Bereichen immer noch aufbauen.
Ich mache das schon, ja, wunderbar. – Kein Wunder, schließlich durften sich Frauen über Jahrhunderte weder politisch noch gesellschaftlich engagieren und selbstständig einen Beruf ergreifen. Das Wahlrecht für Frauen, das Recht, zu studieren, das Recht, einen Führerschein machen zu können, das Recht, eine Arbeit aufnehmen zu dürfen, das Recht auf körperliche Selbstbestimmung – all das war nur mit Hilfe der Gleichstellungspolitik und dem unermüdlichen Willen vieler mutiger Frauen möglich – und Sie wollen uns nun allen Ernstes erzählen, dass Gleichstellungspolitik unnötig ist?
In Ihrem Antrag sprechen Sie davon, dass Gleichstellungspolitik natürlich gewachsene Strukturen verändern und damit die Gesellschaft uniformieren will. Nach dieser Auffassung hätten all die von mir erwähnten Rechte, die sich Frauen vergangener Generationen erkämpft haben, ihnen nie zugestanden werden dürfen. Denn in Ihrer Vorstellung ist eine natürlich gewachsene Struktur:
Da stehen Männer anscheinend naturgemäß nun einmal über Frauen. Frauen haben sich im Zweifelsfall unterzuordnen. Frau Petry durfte das spüren.
Sie sprechen vom Leistungsprinzip, das durch eine Gleichstellungspolitik ad absurdum geführt würde. Ihrer Meinung nach sind Frauen also selber schuld daran, wenn sie in Vorstandsetagen nicht angemessen vertreten sind. Nach Ihrer Argumentation sind Frauen in Deutschland nicht clever und qualifiziert genug. Ich frage mich, ob Sie diesen Quatsch auch Ihren Töchtern und Enkelinnen erzählen würden.
Gleichstellungspolitik hilft aber nicht nur Frauen, sondern auch Männern, indem sie gerade diese
von veralteten, – Entschuldigung – bescheuerten Rollenbildern richtiger Männer befreit. Ich danke Petra Köpping für ihren Einsatz und ihre Kraft. Sie hört zu, hilft Menschen, kümmert sich ehrlich und lässt sie nicht allein.
Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin! Vorab: Zu dem Änderungsantrag wird der Kollege nachher noch etwas sagen. Ich werde mich darauf im Augenblick nicht beziehen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die gemeinnützige externe Industrieforschung im Freistaat Sachsen – kurz IFE – weist 21 Einzelinstitute auf, die überwiegend aus ehemaligen DDR-Forschungsinstituten hervorgegangen sind. Hier haben sich also kurz nach der friedlichen Revolution Menschen gefunden, die den unternehmerischen Mut und Weitblick hatten, in Innovation und vor Ort in Sachsen zu investieren.
Die Entwicklung der letzten 25 Jahre hat gezeigt, dass die Industrieforschungsinstitute sich als gemeinnützige Institutionen erfolgreich am Markt positioniert haben, einige größere inzwischen auf Augenhöhe mit der FraunhoferGesellschaft im internationalen Wettbewerb.
2014 hatten sich 17 dieser sächsischen Institute zur SIG – davon war bereits die Rede, das ist die Sächsische Industrieforschungsgemeinschaft – zusammengeschlossen, um sich unter verstärkter öffentlicher Wahrnehmbarkeit gezielt der marktvorbereitenden Forschung und dem Forschungstransfer in die Wirtschaft zu verschreiben. Mit über 1 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kann die SIG aktuell einen Jahresumsatz von knapp 90 Millionen Euro vorweisen.
Aus den Beiträgen meiner Vorredner haben Sie bereits viel Wissenswertes über diese Institute erfahren. Ich möchte an dieser Stelle eine persönliche Erfahrung beitragen.
In meiner Funktion als Entwicklungsingenieurin im Anlagenbau für die Nonwovens Industrie betreute ich vor zehn Jahren in England ein für mich als Textilfachfrau exotisches Pilotprojekt im Bereich Leder/Lederrecycling. Sobald verfahrenstechnische Probleme im Produktionsprozess auftraten, konnte ich mich auf telefonische Hilfestellung einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin beim FILK aus Freiberg sehr gut verlassen – ganz spontan und unbürokratisch, ohne vorherigen Abschluss eines entsprechenden Beratungsvertrags. Meine Erfahrung im Umgang mit diversen großen Forschungsinstituten bis dato sagten mir, dass diese Vorgehensweise nicht wirklich typisch war. Hier hat ein Industriedienstleister in einer potenziellen Projektanbahnungsphase ausgesprochen smart agiert und sich damit nachhaltig profiliert.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Um an den Beginn meiner Rede anzuknüpfen, möchte ich daran erinnern: Die sächsische Industrieforschung ist Teil unserer Geschichte. Insbesondere in den ersten Nachwendejahren standen auch diesen Instituten EU-Fördermittel zur Verfügung, um dringend notwendige Investitionen zu
tätigen und so zum Wiederaufbau der sächsischen Wirtschaft beizutragen. Nachdem sich die EU-Strukturfonds, die allgemeine wirtschaftliche Lage in Sachsen und die bundesweite Förderkulisse gewandelt haben, bestehen für bestimmte Investitionen keine Förderprogramme mehr. Sie sind aber zum weiteren Aufschwung der Industrieforschung – so haben wir es vorhin gehört – natürlich dringend erforderlich. Durch das nunmehr – ich möchte hinzufügen: endlich – angestoßene sächsische Investitionsförderprogramm für die IFE können so Nachteile gegenüber grundfinanzierten Forschungsverbünden
kompensiert werden.
An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Einschub machen und mich auf die Aussage – –