Karin Keller
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Last Statements
Herr Zastrow, Sie werden überrascht sein.
Frau Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Der Titel Ihrer Debatte ist schon geschickt gummiartig gewählt und man hat am Anfang überlegt: Wo wollen Sie denn hin? Uns war das im Prinzip mindestens seit Bekanntgabe Ihrer Debatte klar, weil auch wir die Gespräche mit Experten führen und uns klar positionieren. Da werden Sie staunen. Wir haben nämlich eine klare Position zur misslungenen Honorarreform der Ärzte,
die das System der niedergelassenen Ärzte und – das ist sehr wichtig – die sogenannte doppelte Facharztschiene akut in Gefahr bringt. Hier verweise ich auf meine gestrige Pressemitteilung, wobei es immer eine Frage ist, was die Presse daraus macht. Ja, die im Bundesministerium für Gesundheit unter Leitung von Frau Ulla Schmidt erarbeitete Honorarreform, für die ein Abteilungsleiter namens Knieps den Hut der Verantwortung trägt, ist missglückt.
Den niedergelassenen Ärzten bzw. den Ärzten insgesamt wurden 3 Milliarden Euro Honorarvolumen mehr zugesagt, doch davon kommt bei einer großen Zahl der Ärzte nichts an. Das wissen wir nun schon seit langer Zeit aus der Presse.
Die Maßstäbe der Verteilung für die einzelnen Arztgruppen sind – jetzt kommt das große Fragezeichen: bewusst? gewollt? – für einen Laien jedenfalls gar nicht und selbst für Fachleute nur schwer nachvollziehbar. Das beschließende Gremium für die Systematik des Regelleistungsvolumens ist der erweiterte Bewertungsausschuss. Selbstkritisch stellt sogar Herr Prof. Wasem als Leiter dieses Gremiums fest: „Unter dem Zeitdruck eines termingerechten Gesamtbeschlusses war es nicht die bestmögliche Ausgestaltung, die beschlossen wurde.“
Hier sage ich klar und deutlich: Die Undurchsichtigkeit bzw. Ungerechtigkeit der Honorarreform ist beabsichtigt. Sie treibt die Spaltung der Fach- und Hausärzte, Ost- und Westärzte, gewollt von hoher Bundespolitik, voran. Dabei üben sich die Verantwortlichen auf Bundesebene, ob sie nun Schmidt, Knieps oder Lauterbach heißen, in einer peinlichen „Haltet-den-Dieb-Kampagne“.
Ideologisches Ziel ist die Beseitigung des selbstständigen Arztes zum Nutzen einer zentralistischen Staatsmedizin und zum Schaden der Bürger.
Herr Zastrow, das habe ich auch schon in meiner letzten Rede gesagt. Wir als CDU wollen keine Staatsmedizin und schon gar keine zentralistische.
Jetzt nicht.
Sehr geehrte Abgeordnete, ich kann es kaum treffender formulieren, als im Artikel von Herrn Andreas Mihm „Ärzte auf die Barrikaden!“ vom 6. März 2009 in der „FAZ“ zu lesen war. Er schreibt – ich zitiere –: „Die Reform treibt die Spaltung der Fach- und Hausärzte voran. Letztere schließen nämlich derzeit mit Rückenwind des Gesetzgebers (an der KV vorbei) eigene gut dotierte Versorgungsverträge mit den Kassen ab. Auch das mindert den Verteilungsspielraum zugunsten der Fachärzte.“ Und weiter ist in der „FAZ“ zu lesen: „Sie haben zudem die nicht unberechtigte Sorge, dass die ambulante Facharztversorgung auf die Dauer finanziell ausgetrocknet und in die Krankenhäuser verlagert werden könnte.“ Genau das ist die Absicht, die wir als CDU nicht zulassen werden. Der freie Beruf des frei niedergelassenen Facharztes in enger Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Hausärzten und unserem guten Krankenhausversorgungssystem ist eine hohe Errungenschaft in Sachsen und in Deutschland, die wir uns nicht nehmen lassen dürfen!
Die Sachsen können sich – das wissen wir nur zu gut – noch an das Gesundheitswesen Staatsmedizin DDR erinnern. Was für katastrophale Folgen hatte es!
Für mich heißt es: Die SPD darf die Gesundheitspolitik in Zukunft nicht mehr in ihrer Verantwortung haben,
da Vertreter der SPD-Bundestagsfraktion schon unverhohlen ankündigen, nach ihrem Wahlsieg die niedergelassenen Fachärzte abzuschaffen.
Doch, das gibt es. Und Herr Lauterbach will die KV abschaffen.
Es ist schlimm, dass Sie so reagieren. Herr Lauterbach will die KV abschaffen. Die SPD ist damit auf dem Weg zur Staatsmedizin. Das ist mit uns nicht zu machen.
Treffend schreibt Herr Mihm noch in seinem Artikel: „Ulla Schmidt versucht, die Verantwortung für das Honorarchaos von sich weg und auf die Selbstverwaltung der Ärzte zu schieben. Das sollte man ihr nicht durchgehen lassen. Sie hat die Honorarreform eng begleitet. Sie hat die Selbstverwaltung entmachtet, die deutsche Gesundheitspolitik zentralisiert und vereinheitlicht.“ Der Aussage von Herrn Mihm stimmt die sächsische CDU unwidersprochen zu.
Frau Präsidentin! Liebe Frau Lauterbach, es gibt ein Konzept. Man sollte nur einmal den Bericht der Enquete-Kommission lesen. Er ist ja auch ins Plenum eingebracht worden.
Liebe Kollegin Schwarz, ich schätze Dich ja auch sehr, aber das Bundesministerium mit der Bundesministerin Schmidt hat die Verantwortung für eine Reform. Es bleibt nun mal das verantwortende Ministerium.
Das Konstrukt dieser Honorarreform, die Begleitung der Umsetzung in dem erweiterten Bewertungsausschuss und die Steuerung liegen nun einmal in der Verantwortung dieses Bundesministeriums und nirgendwo anders. Wenn das in Sachsen wäre, würde man auch auf das Sozialministerium zeigen. Es ist nun einmal die Bundesministerin Schmidt, die diese Verantwortung trägt, und daraus kann man sie nicht entlassen.
Fakt ist auch eines: Sachsen hat schon lange gewarnt. Deshalb gab es auch damals nicht die Zustimmung zu dem GKV-WSG. Auch in allen Reden des vorigen Jahres
ist zu lesen, dass wir vor den Folgen gewarnt haben, die durch diese Reformen kommen werden. Wir haben jetzt die Folgen. Deshalb ist es wichtig, dass man handelt. Ich habe kein Verständnis für die überstürzte Reaktion anderer Nachbarländer, die jetzt die Abschaffung der KV fordern. Das ist doch genau das, was man in Berlin will.
Genau das spielt dem zentralistischen Wahn in die Hände. Ich frage mich wirklich: Warum ist denn das alles so überstürzt gekommen, nämlich das unerprobte Honorarsystem, das praktisch über Nacht eingeführt wurde und bei dem wirklich kein betroffener niedergelassener Arzt überhaupt nur minimal einen Einblick hatte, was er bekommt? Warum gab es diese Hektik?
Genauso ist es mit dem Gesundheitsfonds. Das haben wir aus Sachsen aber gesagt.
Beim DRG-System im Krankenhaus hat man sich eine Übergangszeit von fünf Jahren genommen. Es ist gut gegangen. Die Häuser haben sich darauf eingestellt. Sie wissen, was sie bekommen. Sie arbeiten damit.
Klare Ansage von meiner CDU-Fraktion: Der ganze zentralistische Wahn schlägt nun zurück. Er muss aufgehalten werden. Deshalb fordern wir: Weg von dem Zentralismusvorhaben und der Form, dass nur Spitzenverbände auf Bundesebene über die Verteilung von Geldern entscheiden, zurück zur Zuständigkeit der Länderebene! Das heißt, dorthin, wo die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung tatsächlich liegt, muss auch die Verteilungskompetenz wieder. Die Honorarmassen müssen auf die Länder aufgeteilt und in die Hände der Akteure gegeben werden, die dann die doppelte Facharztschiene absichern und nicht, wie von Berlin eigentlich geplant, abschaffen. Es muss die Sicherstellung des Arztes als freier Beruf auch in der Zukunft gewährleistet werden, um die wohnortnahe haus- und fachärztliche Versorgung für die Menschen zu sichern. Dabei ist es wirklich wichtig, dass der niedergelassene Arzt, ob Facharzt oder allgemeiner Arzt, eine lebens- und existenzsichernde Arbeit garantiert bekommt.
Wir fordern selbstverständlich eine sofortige Überarbeitung des Honorarsystems zu einem transparenten und fairen System. Dafür ist die Bundesebene verantwortlich. Dafür sind die dortigen Gremien ja auch da.
Wir fordern als Letztes, alle möglichen Schritte von den Organen der Selbstverwaltung auch in Sachsen zu unternehmen, dass die fachärztliche Versorgung abgesichert wird und dass keine weiteren übereilten Kompromisse zulasten der Ärzte kommen, die eigentlich unsere Bevölkerung in ihrer gesundheitlichen Versorgung absichern sollen. Wir brauchen nach wie vor die gute gesundheitliche Versorgung.
Ich finde es nicht fair, die Abschaffung der KVs zu fordern. Das ganze Konstrukt dieses Honorarsystems verstehen nur diejenigen, die es gestrickt haben. Das
verstehen vielleicht nicht einmal alle in den GKVs oder in den Spitzenverbänden der Ärzte. Vielleicht verstehen das nur eine Handvoll Leute, die mit Sicherheit zum Teil im Ministerium sitzen. Ich bezweifele, dass es Herr Lauterbach versteht. Es kann gar nicht sein, dass die KVs dieses System zu 100 % perfekt verstehen. Wir müssen ihnen die Hand geben und mithelfen und nicht, wie Herr Lauterbach gesagt hat: „Falls es nach der Bundestagswahl 2009 zu einer Ampelkoalition kommt, dann sehe er die Mehrheit für die Abschaffung der KVs.“
Ich warne die Ärzte davor, die Selbstverwaltung ihrer Vertreterschaft selbst abzuschaffen. Sie hat sehr gute Dienste geleistet, nur momentan gibt es Probleme. Diese wurden aber wirklich auf der Berliner Ebene konstruiert.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gesundheit, so sagt der Volksmund, ist ein hohes Gut. Das stimmt wirklich. Jede Auseinandersetzung mit diesem Thema setzt voraus, dass man objektiv und relativ unbefangen an dieses Thema herangehen sollte.
Um Irritationen bei allen Beteiligten in diesem System, vor allem bei den Bürgerinnen und Bürgern, zu vermeiden, möchte ich Ihnen sagen, warum ich das Ganze anspreche: weil in der „Freien Presse“, und vielleicht nicht nur dort, unter anderem solch eine nette Anzeige geschaltet war: „Rücknahme des Gesundheitsfonds“. Wissen Sie was? Man kann ja seinen Wunsch äußern, aber man sollte es nicht so populistisch tun. Das ist mein dringender Appell an die FDP.
Die Rücknahme des Gesundheitsfonds zu fordern und zu behaupten, dass das vielleicht relativ einfach sei, das ist schnell ausgesprochen. Ich kann zumindest klar und deutlich für meine Fraktion sagen: Den Gesundheitsfonds haben wir immer abgelehnt. Sie brauchen nur einmal in den Reden nachzulesen, die in den letzten Jahren gehalten wurden, siehe im Mai oder September letzten Jahres.
Bei der Beantwortung Ihrer Großen Anfrage – das haben Sie auch gesagt – kommt klar zum Ausdruck, dass alle Vorhersagen der Staatsregierung und der Fraktionen CDU und SPD über die negativen Auswirkungen eingetreten sind.
Nur, machen wir uns nichts vor, die Reform ist in Kraft getreten. Meine Damen und Herren, das Gesetz ist beschlossen und, ich sagte es, der Gesundheitsfonds gilt. Über Monate haben sich – und jetzt möchte ich „stellvertretend“ sagen – die gesetzlichen Krankenkassen zwar gewehrt, aber sie haben sich auch auf diesen Tag X vorbereitet. Dazu gehören eine klare Entschuldung – das war auch so richtig – und der beginnende Prozess der Fusionierung. Wir haben ihn doch alle gewollt. Immer haben wir gesagt, es gibt zu viele Krankenkassen. Also ist dieser Prozess auch angegangen worden.
Die AOK Thüringen und Sachsen haben sich zusammengeschlossen zur AOK Plus. Das ist ein positiver Effekt.
Die Techniker Krankenkasse ist fusioniert mit der IKKDirekt – ebenfalls ein positiver Effekt. Zumindest verringert sich die Zahl. Dass die Krankenkassen nicht zufrieden sind, ist ja auch berechtigt. Wir sind ja nicht generell zufrieden, aber man kann doch nicht nur klagen.
Meine Damen und Herren! Wir sagen klar und deutlich – und das habe ich in meinen Reden im Mai und September immer zum Ausdruck gebracht –: Mit uns gibt es keine sozialistische Einheitskrankenkasse à la DDR, sondern wir wollen eine gesunde Anzahl von Krankenkassen haben, zwischen denen die Versicherten wählen können. Das ist richtig. Der Wettbewerb um das beste Angebot – das sagen inzwischen die Krankenkassen – ist entscheidend.
Meine Damen und Herren! Sie haben wohl gegenüber der Presse das Wichtigste vergessen. Sie haben es zwar hier im Saal geäußert, aber als Sie mit der Presse gesprochen haben, waren Sie sich vielleicht zu fein, zu feige oder zu gut, das zu nennen: Sachsen hat nicht für dieses Gesetz gestimmt. Warum steht das nicht in der Presse? Dort haben Sie es nicht geschrieben. Aber ich hoffe, dass es die Presse noch einmal den Bürgerinnen und Bürgern verdeutlicht: Sachsen hat in der entscheidenden Bundesratssitzung seine Zustimmung nicht gegeben.
Wir haben immer wieder über den Freistaat darauf aufmerksam gemacht, welche negativen Wirkungen mit der Inkraftsetzung des sogenannten gesetzlichen Krankenkassenversicherungs-Wettbewerbsstärkungsgesetzes und mit dem Gesundheitsfonds kommen können. Ich möchte daran erinnern: In meiner Rede am 28. Mai habe ich stellvertretend erwähnt: staatliche Einheitskasse, deutlich steigende Beitragssätze. Es stimmt. Prof. Neubauer hat genau vor einem Jahr mindestens 15,5 % vorhergesagt. Dafür ist er gescholten worden. Wir haben auch gesagt: mindestens 15,5 %. Dann sind sie wirklich gekommen. Das hat doch niemand verheimlicht. Wir haben es doch erkannt, ausgesprochen und dagegen interveniert. Das wollen Sie nur nicht wahrhaben.
Wir haben darauf hingewiesen, dass das Leistungsangebot schwerer nachvollziehbar ist. Und wir haben darauf hingewiesen, dass Sachsen zur Zahlerkasse werden wird, siehe die Konvergenzphase bzw. die Konvergenzregelung. All diese Probleme wurden in der entscheidenden Sitzung von anderen Bundesländern so nicht gesehen. Deshalb war Sachsen allein auf weiter Flur.
Aber Sachsen hat gehandelt. Der Freistaat Sachsen hat mit seiner Staatsregierung gehandelt und die Hände nicht in den Schoß gelegt. Ich erinnere auch hier wieder daran: Die Auswirkungen mit der Konvergenzregelung sind durch die Staatsregierung abgebogen worden. Das wäre enorm viel Geld gewesen, nämlich mehrere Hundert Millionen Euro.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Staatsregierung auch weiterhin alles unternehmen wird, um die negativen Entwicklungen, die sich tatsächlich abzeichnen, von den Bürgerinnen und Bürgern abzuwenden. Diese Zusage hat die Ministerin am vergangenen Freitag mit aller Klarheit gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigung, den Ärzteverbänden, den Vertretern der Krankenhäuser und vielen anderen Teilnehmern gegeben. Das war auf dem Neujahrsempfang vom vdek hier in Dresden.
Meine Damen und Herren! Es ist entscheidend, nicht einfach die Rücknahme einer Regelung – die Rücknahme des Gesundheitsfonds – zu fordern, wie Sie das hier tun, sondern man sollte im gleichen Atemzug auch eine adäquate Lösung anbieten. Wo ist sie denn? Wo bieten Sie Ihre Lösung an?
Diesbezüglich habe ich von Ihnen nichts gehört. Auch die Wiedereinführung der alten Regelung, die wir hatten, kann nicht des Rätsels Lösung sein. Ich nehme an, Ihre Kollegin wird dazu noch etwas sagen. Warum hat sie Sie, Herr Zastrow, vom Neujahrsempfang in der letzten Woche nicht informiert? Wissen Sie, warum? Da war sie vielleicht körperlich, aber nicht geistig anwesend. Sie wird ja nachher gleich auf mich reagieren. Dort ist nämlich klar und deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass der Gesundheitsfonds seine Vorteile hat, die aufgezeigt worden sind, aber natürlich auch Nachteile. Alle, die positiv an diesem Prozess interessiert sind, müssen jetzt an den Lösungen gemeinsam arbeiten, um diese Nachteile umzubiegen bzw. zu beseitigen. Das war eine klare Aussage letzte Woche beim Neujahrsempfang.
Wissen Sie, ich bezweifle nicht die Fähigkeiten und die Intelligenz von Herrn Prof. Neubauer vom Institut der Gesundheitsökonomik in München, denn er sprach sich dafür aus, dass der Gesundheitsfonds zwar da ist, aber dringend weiterentwickelt und verändert werden muss – nicht zurückgenommen, sondern weiterentwickelt werden muss.
Sie, Frau Schütz, haben dazu nichts gesagt. Sie waren ja anwesend. Sie hatten wahrscheinlich nicht die Traute, vor den ganzen Vertretern aufzustehen und dort etwas zu sagen.
Herr Prof. Neubauer hat dort klar und deutlich gesagt: nicht irgendetwas zurückfahren, sondern was wir verändern müssen, ist die Einnahmenseite, damit das System der gesetzlichen Krankenkassen auch funktionieren kann. Man kann nicht nur die Ausgaben erhöhen, sondern man muss auch die Einnahmenseite decken. Das haben alle Beteiligten bestätigt.
Meine Damen und Herren! Wir wissen ja, auch durch den Bericht der Enquete-Kommission, dass wir vor erhebli
chen Problemen stehen: der demografischen Entwicklung – das bezweifelt keiner – und dem medizinischtechnischen Fortschritt. Auch das ist zu diesem Neujahrsempfang gesagt worden. All das muss natürlich irgendwie in Zukunft finanzierbar gemacht werden, denn wir wollen, dass die Versicherten nach wie vor eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung bekommen.
Die Staatsregierung hat es sich zusammen mit der CDUFraktion und dem Koalitionspartner zur Aufgabe gemacht, alle gestaltbaren Punkte, wo sie die Möglichkeit hat, sie in ihrer Verantwortung anzugehen, aufzunehmen und die Belastungen abzuwenden. Eine allererste Baustelle, die ja auch in der Zeitung stand, ist die Honorierung bei den Ärzten. Immerhin hat die Sächsische Staatsregierung erreicht, dass die Honorarerhöhung für unsere Ärzte durchgesetzt wurde.
Aber diese Honorarerhöhung kommt so nicht explizit bei den einzelnen Facharztgruppen an. Das ist auch auf diesem Neujahrempfang festgestellt worden. Jetzt muss ich einmal die anderen Kollegen aufklären. Es liegt nicht an der Staatsregierung, so etwas Dummes, sondern an einem anderen Selbstverwaltungsorgan, Herr Zastrow. Sie waren ja nicht auf dem Empfang. Die haben sich dort fast gebalgt, und zwar die Kassenärztliche Vereinigung als Selbstverwaltungsgremium und die Ärzte. Ein paar haben geschwiegen, weil diese die Honorarerhöhung bekommen, ein paar haben gesagt, wir bekommen weniger, und ein paar haben gesagt, wir spüren gar nichts. Nur dummerweise gibt es ein Selbstverwaltungsorgan, das jetzt einfach seine Verantwortung wahrnehmen muss. Die Staatsregierung hat zugesichert, dass sie die Klärung begleitet und betreut, damit 120 Millionen Euro, die an Honorierung mehr fließen, auch dort ankommen, wo sie hingehören, nämlich bei den sächsischen Ärzten.
Lassen Sie mich bitte erwähnen – das sollten wir nicht vergessen –, dass diese 120 Millionen Euro mehr Gelder der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind. Diese haben ein Recht darauf, dass ihre Gelder auch dort ankommen, wo sie hingehören, und dass sie ordnungsgemäß verwendet werden, damit sie dann natürlich eine gute ärztliche Versorgung erhalten.
Ich möchte abschließend noch sagen, dass es eigentlich eine Illusion und nicht ganz fair ist, wieder eine Anzeige zu schalten und zu sagen: Krankenkassenbeiträge runter! Wo ist denn Ihre Lösung dafür, Herr Zastrow? Ist die Lösung bei Ihnen, dass Sie jetzt aufzeigen, aus welchem Steuertopf wir das nehmen, oder dass Sie zeigen, welche Leistungen gekürzt werden, oder dass Sie endlich eine andere Einnahmequelle nennen?
Mehr Wettbewerb löst nicht das Einnahmenproblem. Sie sind doch Wirtschaftler!
Also nennen Sie doch endlich die Quelle, wo das Geld herkommen soll! Wettbewerb reicht nicht!
Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich nochmals betonen, dass der Freistaat Sachsen völlig richtig mit der Einschätzung zu den Auswirkungen des GKV-WSG lag. Das zeigt auch die Beantwortung der Großen Anfrage.
Das Gesetz ist in Kraft getreten. Alle verantwortlichen Politiker sind sich ihrer jetzigen Rolle bewusst, dass sie gemeinsam mit den Leistungserbringern, mit allen Verantwortlichen in dem System hier Lösungen finden, nicht zurückschrauben, um eine perspektivisch gut finanzierte und qualitativ hohe medizinische Versorgung für unsere Bürger zu gewährleisten.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Liebe Frau Schütz, ich bedaure Ihre Erkältung. Aber wahrscheinlich haben Sie akustisch nicht ganz wahrgenommen, was ich vorhin zum Ausdruck gebracht habe, und zwar: Die CDU ist gegen eine sozialistische Einheitskrankenkasse, klar und deutlich.
Aber wir sind auch dafür, dass ein gesunder Bestand an Krankenkassen da ist, zwischen denen die Versicherten wählen können. Er wird sich aus dem jetzigen, vielfach virtuellen BKK-Bestand natürlich nach unten reduzieren. Die Fusionierung findet doch statt. Sie haben einfach nicht zugehört. Dann lesen Sie bitte noch einmal nach; das habe ich klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Krankenkassen müssen fusionieren. Es sind zu viele. Sie hatten auch zu hohe Kosten. Übrigens: Das Zuviel hatten Sie selbst auch einmal kritisiert. Das weiß ich noch.
Dann haben Sie mir vorgehalten, dass ich irgendwann einmal 2006 – jetzt nicht mehr! – etwas zu Schwarzmalerei gesagt habe.
Wissen Sie, ich kann mich daran erinnern, dass wir immer gesagt haben, es darf nicht zulasten von Versicherten gehen. Das ganze System, das ganze Gesundheitssystem finanziert sich doch überwiegend aus den Beiträgen der Versicherten, der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber.
Was oftmals – nicht von uns, sondern von der Allgemeinheit, egal von wem – vergessen wird: Es wäre doch ohne dieses System des Versicherten-Finanzflusses das ganze Gesundheitssystem nicht leistungsfähig.
Wenn wir höhere medizinische Versorgung und medizinisch-technischen Fortschritt haben, dann wird es automatisch teurer. Wenn es teurer wird – das ist übrigens auch in dem Vortrag von Prof. Neubauer gekommen, aber wie gesagt, da hatten Sie wahrscheinlich schon Ihre Erkältung –
und wir haben rückgehende Einnahmen, weil die sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer abnehmen, wie wollen Sie denn die wachsende Schere finanzieren? Das ist die Krux.
Verantwortliche Politik heißt, unter den Bürgerinnen und Bürgern keine Panik zu verbreiten, sondern – und das machen wir hier in Sachsen, die CDU und die Staatsregierung – um Lösungen zu ringen, damit die immer noch gute medizinische Versorgung nach wie vor und für die Zukunft erhalten bleibt.
Darauf lege ich Wert. Es ist keine Verschlechterung eingetreten!
Lassen Sie mich abschließend noch etwas sagen. Es stimmt, wir haben durch die tolle Leistung unter Staatsminister Dr. Geisler ein wirklich fantastisches Krankenhaussystem errichtet. Darauf können wir stolz sein. Zerreden Sie das bitte nicht!
Ich habe gerade in München selbst erfahren, wie es ist, in einem Krankenhaus zu liegen, das schon über 30 Jahre alt ist, das aber eine ausgezeichnete medizinische Versorgung hat.
Nur der Standort ist eben in dieser Form nicht mit unseren Krankenhäusern vergleichbar, weil wir hier ein sehr modernes System haben.
Reden Sie es bitte nicht schlecht. Und München hat ganz andere Standortkosten als Sachsen. Auch das hat Prof. Neubauer gesagt.
Aber wenn wir immer wieder die Neiddiskussion und die Diskussion zwischen den Bundesländern aufmachen, was soll denn letztendlich der Bürger dann noch sagen?
Unsere verantwortliche Politik ist es, Sachgerechtigkeit und Fachlichkeit wiederherzustellen und den Bürger nicht zu verunsichern, sondern davon zu überzeugen, dass er hier in Sachsen gut versorgt wird, medizinisch von den Ärztinnen und Ärzten oder auch pharmazeutisch von den Apothekerinnern und Apothekern. Das ist verantwortungsvolle Politik, und die machen wir als CDU-Fraktion.
Dass wir diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen werden, ist, denke ich schon aus meiner Rede hervorgegangen. Wir müssen nicht noch einmal feststellen lassen, was wir schon seit mindestens eineinhalb Jahren sagen. Das betrifft den gesamten Punkt I. Da gibt es im Prinzip keine neuen Erkenntnisse, die wir hier nochmals beschließen müssten.
Zu Punkt II, Abschaffung des Gesundheitsfonds, hatte ich gesagt, dass mit uns solche polemischen Forderungen nicht zu machen sind. Dazu kann ich noch einen O-Ton von gestern ins Spiel bringen. Ich habe mit einem Handwerker, der auch in den Gremien der IKK vertreten ist, unter anderem über Ihre Forderungen gesprochen. Er hat gesagt, dass das im Prinzip wirklich Quatsch ist. Alle sind jetzt darauf eingestellt, deshalb habe ich das auch in meine Rede eingebaut. Jetzt müssen wir die Regulierungen herstellen, damit wir die negativen Dinge abwenden. Es ist also richtig, dass wir jetzt etwas verbessern müssen. Aber ein Rad zurückdrehen, das voll im Schwung ist, das geht nicht. Das gleicht dem, Frau Schütz, bei einem startenden Jumbo zu verlangen, dass er auf der Stelle umdreht. Unsere Aufgabe ist es, dass dieser Jumbo durch die Turbulenzen kommt und vernünftig mit allen Versi
cherten an Bord landet. Wir müssen also eine saubere Lösung hinbekommen.
Wir brauchen Ihren Entschließungsantrag nicht. Wir sind uns unserer Verantwortung als Koalition und als Staatsregierung bewusst. Wir werden mit den Krankenkassen, mit der Kassenärztlichen Vereinigung, mit allen, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind, alles dafür tun, um die Dinge abzuwenden, die Sie und auch wir hier berechtigterweise kritisiert haben, aber nicht so und auf diese Weise.
Danke.
Herr Präsident! Liebe Abgeordnete! Die Wichtigkeit der Arbeit der ambulanten Suchtkrankenhilfe ist unbestritten. Das hat auch niemand in Frage gestellt. Meine Vorrednerin hat die Bedeutung eindeutig erläutert. Um diese Arbeit zu würdigen, ist es natürlich wichtig, dass man das Ganze finanziell untersetzt.
Liebe Frau Herrmann, die Koalition hat bereits reagiert, denn das Erste, was sie entdeckt hat, als der Haushaltsentwurf kam, war, dass diese Mittelkürzung falsch ist. Die Koalition ist sich auch schon einig, dass diese Mittelkürzung zurückgenommen wird und dass die Mittel für den Doppelhaushalt 2009/2010 wieder auf das Niveau von 2008 festgeschrieben werden.
Es bedarf also folglich nicht Ihres Antrages, weil wir schon entschlossen sind und das Ganze entsprechend in den Werdegang bringen, diese Mittel wieder aufzustocken.
Der vorliegende Antrag aber zeigt Grundlegendes. Es ist nämlich eine gute Gelegenheit, tatsächlich einmal zu einem anderen Zeitpunkt, und zwar nicht erst abends, umfassend über den Umgang mit Süchten zu sprechen, die sich in unserer Gesellschaft darstellen, und wie man dazu beitragen kann, um gegen diese Süchte vorzugehen, und zwar nicht nur, indem man immer über Finanzen spricht. Ich möchte dazu einige Fakten und Zahlen nennen. Sie können mir glauben, dass ich weiß, wovon ich rede. Ich habe mich nämlich mit der Thematik schon intensiv befasst wie sicherlich der eine oder andere auch. Deshalb möchte ich ganz kurz darauf eingehen.
Lassen Sie mich grundsätzlich zum Thema Sucht etwas sagen. In der heutigen Gesellschaft gehören die unterschiedlichsten Suchterkrankungen zu den großen gesellschaftlichen, gesundheitspolitischen und gesundheitswirtschaftlichen Problemen. Der Begriff Sucht prägt heute den normalen Sprachgebrauch vieler Menschen, wenn sie über das zwanghafte Verhalten anderer Menschen sprechen. Aber, meine Damen und Herren, wissen die meisten, was wir eigentlich unterscheiden?
Die Fachwelt unterscheidet zwei Arten von Süchten. Die eine ist die nicht stoffgebundene Sucht. Sie betrifft vor allem extreme Interessen wie Kauf- oder Konsumsucht, Spielsucht, Fresssucht, Arbeitssucht, Sexsucht, Magersucht, Ess-/Brechsucht oder andere mehr. Die zweite Art der Süchte sind die sogenannten stoffgebundenen Süchte.
Ich weiß nicht, ob das lächerlich ist. Das ist viel zu ernst.
Damit werden Süchte gemeint, die an Stoffe oder Substanzen gebunden sind. Das sind zum Beispiel legal zu erwerbende Drogen wie Alkohol, Nikotin, Medikamente
oder auch Pflanzen.
Dabei handelt es sich aber auch um die verbotenen illegalen Stoffe wie Cannabis, Kokain, Ecstasy oder diverse Designerdrogen.
Meine Damen und Herren! Wissen Sie eigentlich, woher das Wort Sucht kommt? Sprachlich kommt es vom Wortstamm Siechen. Das war auch für mich interessant.
Süchtig ist ein Mensch, wenn er die Kontrolle über den Konsum verloren hat. Einige halten Sucht für eine unabänderliche Charakterschwäche. Die Sucht ist aber keine Charakterschwäche, sondern eine Erkrankung des Gehirns.
Ich möchte jetzt einige gravierende Fakten nennen. Es ist zwar schon spät, aber ich denke, dass sich das mancher mehr ins Bewusstsein rücken sollte.
Das Bewusstsein um bestehende Gesundheitsrisiken durch einen zu hohen Alkoholkonsum ist in Deutschland noch viel zu wenig ausgeprägt. Dabei steht fest, dass in Deutschland zu viele Menschen zu viel und zu regelmäßig Alkohol trinken. Deutschland gehört im internationalen Vergleich mit seinem Pro-Kopf-Verbrauch an Alkohol von immerhin zehn Litern pro Einwohnern und Jahr mit zu den Spitzenreitern. Es wird geschätzt – und diese Zahlen sind alarmierend –, dass ungefähr 14 Millionen Menschen in Deutschland einen gesundheitsgefährdenden Alkoholkonsum aufweisen. Darunter sind circa 1,7 Millionen Menschen, deren Alkoholkonsum die Charakteristika des Missbrauchs aufweist, und weitere 1,7 Millionen, die als direkt alkoholabhängig eingestuft werden. Pro Jahr sterben circa 42 000 Menschen direkt oder indirekt durch die Folgen des Alkoholkonsums.
Es sterben aber auch jährlich schätzungsweise zwischen 110 000 bis 140 000 Menschen an Erkrankungen, die ursächlich mit dem Rauchen in Verbindung stehen. Damit verursacht der Tabakkonsum – und das ist interessant und schlimm genug – in Deutschland jährlich mehr Todesfälle als Aids, Alkohol, illegale Drogen, Verkehrsunfälle, Morde und Suizide zusammengenommen.
Allein durch die Fakten wird aufgezeigt, welch großer Handlungsbedarf im Bereich Suchtprävention besteht. Die Suchtkrankenhilfe leistet schon enorm viel. Deshalb wird der Haushaltstitel durch unsere Koalition wieder aufgestockt. Aber, meine Damen und Herren, das reicht nicht. Das wissen wir.
Die Koalition hat im Jahr 2006 unter dem Titel „Suchthilfe in Sachsen ausbauen“ darauf hingewiesen, dass diese Notwendigkeit besteht, und es wurde einstimmig in diesem Hohen Haus beschlossen. Aber bereits damals haben wir gesagt, dass das Motto gelten muss: „Vorbeugen ist besser als handeln“. Das muss Maxime werden
und ins öffentliche Bewusstsein hinein, und zwar nicht nur, wenn das Kind im Brunnen liegt.
Jeder Einzelne muss dabei mitarbeiten. Ich nenne ein extremes Beispiel. Muss es denn sein, dass man früh um zehn bei irgendeiner Feier schon den Sektkorken knallen lässt?
Es ist dann nicht verwunderlich, dass Kinder und Jugendliche sagen: Die Alten machen es doch auch! Machen wir es nicht selbst vor, wenn wir sagen, dass ein Glas nichts schadet, und wir uns trotzdem hinters Steuer setzen? Aber was ist, wenn dann ein Unfall passiert? Dann spielen sich nicht nur menschliche Dramen ab, sondern es kommt auch zu Kosten im Gesundheitswesen.
Meine Damen und Herren! Suchtprävention ist nicht allein die Aufgabe des Freistaates Sachsen oder eines Haushaltstitels. Suchtprävention ist die ureigenste Aufgabe jedes einzelnen Menschen für sich und sein Umfeld.
Es ist auch eine gesellschaftliche Aufgabe. Wie beachte ich meinen Nachbarn? Wie gehe ich helfend zur Hand?
Es ist nicht das Geld allein. Es ist das gesellschaftliche Bewusstsein. Da sind alle angesprochen, auch die Medien.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Ich muss gestehen, dass ich den vorliegenden Antrag der Linksfraktion mit etwas Erstaunen gelesen habe und mich an den 28. Mai zurückerinnert fühle, denn wir haben in diesem Hohen Hause zu einem Antrag der Linksfraktion zum gleichen Thema bereits diskutiert.
Ich habe gleichfalls nochmals feststellen müssen, dass der vorliegende Antrag nicht nur in der Zielstellung, sondern auch in der Begründung in großen Teilen fast wörtlich mit dem Antrag vom 28. Mai 2008 übereinstimmt.
Meine Damen und Herren! Aus dem Beitrag meines Vorredners ist mir auch nicht ersichtlich geworden, was sich zur Plenardebatte vom 28. Mai 2008 fundamental geändert haben soll. Vielmehr wird mir deutlich – nicht nur mir, sondern auch den Vertretern der Koalition –, dass die Linksfraktion wieder einmal auf einen Zug aufspringen möchte. Nur der rollt schon. Sie müssen nur aufpassen, dass Sie sich dabei nicht vertun.
Ich möchte zumindest noch einmal auf das eingehen – im Prinzip kann ich meine Rede vom 28. Mai 2008 noch einmal halten – und deutlich machen, was ich damals gesagt habe und was nach wie vor gilt.
Das Bundesland Freistaat Sachsen war in der entscheidenden Bundesratssitzung, als es um das Reformgesetz ging – das berühmte GKV WSG, Wettbewerbsstärkungsgesetz –, das einzige Bundesland der gesamten Republik, das Nein gesagt hat! Das sei noch einmal deutlich betont für alle Sächsinnen und Sachsen.
Die Staatsregierung hat damals im Bundesrat darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Reformgesetz negative Wirkungen haben wird, wenn es so kommt. Entsprechende Anträge, die im Bundesrat eingebracht wurden, sind nicht angenommen worden, auch nicht von Berlin, wo immerhin eine linke Gesundheitssenatorin gestellt wird. Berlin hat sich clevererweise enthalten. Man kann ja nicht wissen, was kommt.
Man kann immer klug sein. Man kann ja rechnen, dass man vielleicht noch ein paar Millionen kassiert, wenn man sich einmal mit jemandem gut stellt. Aber man muss auch einmal Farbe bekennen. Das hat Berlin nicht gemacht!
Die Staatsregierung brachte damals in der Bundesratssitzung ganz entscheidend zum Ausdruck, dass die Finanzierungsproblematik der gesetzlichen Krankenkassen mit diesem GKV WSG – und ganz konkret mit dem Konstrukt Gesundheitsfonds – nicht gelöst ist.
Was ist der Gesundheitsfonds? Vielleicht noch einmal kurz: Es ist eine Kapitalsammelstelle. Im Prinzip wird das, was die gesetzlichen Krankenkassen einnehmen, hierhin weitergegeben, und zusätzlich kommen noch einige Steuermittel dazu. Dann erfolgt die Aufteilung nach einem bisher noch nicht exakt definierten Eurobetrag pro Mitglied auf die einzelnen Krankenkassen zurück. Was bisher existiert, sind bekanntlich nur Gutachten und Hochrechnungen für den künftigen Beitragssatz. Klar ist natürlich, und es ist ja auch verständlich, dass zumindest die Bundesregierung mit den kleineren Beitragssätzen argumentiert, während die Kassen und die Fachleute von höheren Beitragssätzen ab 01.01.2009 ausgehen. Fakt ist – das habe ich im Mai gesagt –, der Bundestag hat sich eine Verantwortung auf den Tisch gezogen, wenn er in Kürze die Höhe des Beitragssatzes für die gesetzlichen Krankenkassen festlegt, um die ich die Abgeordneten nicht beneide. Wie habe ich gesagt? In diesem Fall wissen sie nicht, was sie tun.
Meine Damen und Herren! Ich betone noch einmal, dass die Staatsregierung bisher alle Möglichkeiten genutzt hat, um eine Änderung des Gesetzes zu erreichen. Ich sprach gerade vom Bundesrat. Nur, sie war auf weiter Flur ganz allein mit ihrem Nein.
Hinzu kommt, dass der Freistaat Sachsen seine Hände bis heute nicht in den Schoß gelegt hat und diese Entwicklung so ohne Weiteres hinnimmt.
Am 1. Juli dieses Jahres hat die damalige Staatsministerin Orosz die Möglichkeit eines Eilantrages der Sächsischen Staatsregierung vor dem Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, um so die Reform vor allen Dingen hinsichtlich der Konvergenzklausel zu stoppen. Die Staatsregierung befindet sich derzeit immer noch in Verhandlungen mit der Bundesebene, um eine unverhältnismäßig hohe Belastung im Rahmen der Konvergenzklausel für unseren Freistaat bzw. unsere Beitragszahler zu verhindern. Unseren Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenversicherung stehen ihre Anteile zu, immerhin zahlen sie diese ja ein. Es kann und darf nicht sein, dass sie die Lasten und auch den Luxus anderer Bundesländer tragen sollen, nur weil Sachsen aufgrund vorbildlich konsequenter Krankenhausplanungen und sehr gut wirtschaftender Krankenkassen niedrigere Beitragssätze hat als Krankenkassen anderer Länder.
Auch das habe ich im Mai bereits betont.
Diese Bestrebungen gilt es weiterhin mit aller Kraft zu unterstützen. Folglich unterstützt die Koalition die Staatsregierung in ihren Bemühungen. Und, meine Damen und Herren, man muss immer erst sprechen, bevor man aktionistisch handelt. In einem Gespräch kann man
Ergebnisse erreichen. Ich bin überzeugt, dass die Staatsregierung diese Gespräche mit vollem Bewusstsein der Verantwortung für unsere Beitragszahler in Berlin führt.
Sie zweifeln immer. Das zeichnet Sie ja aus.
Sollte dies nicht erfolgreich sein, steht die Klage gegen die Konvergenzklausel mit Sicherheit an. Fakt ist, dass die Zeit drängt, denn alle Beteiligten brauchen – wie die Krankenkassen – Planungssicherheit für 2009. Das steht außer Zweifel.
Ihr Antrag ist völlig überflüssig, weil die Staatsregierung handelt. Bringen die Gespräche nichts, dann kommt die Klage zur Konvergenzklausel! Und nicht zum Gesundheitsfonds! Ihr Antrag ist völlig falsch formuliert. Die Klage richtet sich nur gegen die Konvergenzklausel. Betreiben Sie nicht Irreführung bei Sächsinnen und Sachsen, die das missverstehen könnten. Ich muss noch einmal betonen: Der Gesundheitsfonds lässt sich leider nicht mehr verhindern. Sachsen hat im Bundesrat als einziges Land etwas dagegen unternommen. Sachsen kann nun zumindest versuchen, Belastungen für die Beitragszahler in Form der Konvergenzklausel abzufedern. Diesem Vorhaben gilt unsere volle Unterstützung.
Ich bitte um Ablehnung des vorliegenden Antrages. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordneten! Zwei sehr sensible, ethisch schwierige, aber menschlich lebenswichtige Themen, die man nicht unmittelbar gleichsetzen kann: einerseits die Organspende, andererseits die Blutspende.
Lassen Sie mich meine Ausführungen mit einer Geschichte aus dem wahren Leben beginnen. Stellen Sie sich vor – möge es Ihnen nie passieren! –: Ihr Telefon klingelt und Sie erhalten die Mitteilung, dass Ihr Kind soeben schwer verunglückt ist. Sie fahren in die Klinik, aber Ihr Kind hat es nicht geschafft. Der Gesamthirntod wurde festgestellt.
Im gleichen Atemzug werden Sie vom Arzt gefragt, ob Sie die Möglichkeit einer Organspende in Betracht ziehen. Ihr Ehepartner/Ihre Ehepartnerin steht nicht an Ihrer Seite, weil sie auf Dienstreise sind, und Sie müssen als Elternteil vollkommen allein entscheiden. In diesem Fall betraf es die Mutter, die ich kenne. Sie gab ihren Sohn für die Organspende frei. Jahre danach denkt sie immer wieder darüber nach: War es richtig?, und sie kommt stets zum gleichen Ergebnis – das hat sie mir erneut gesagt –: Ja. Der feste Glaube, dass durch die Organspende ihres Sohnes anderen Menschen das Leben gerettet wurde, gibt ihr diese enorme Kraft, den wahnsinnigen Schmerz über den Verlust ihres eigenen Kindes zu überwinden.
Meine Damen und Herren! Organspende ist für Tausende von Menschen in jedem Jahr der Beginn eines zweiten Lebens. Menschen, die eine Spenderniere erhalten, feiern den Tag der Erlösung von der Dialysebehandlung. Andere wiederum können an Lebensqualität durch die Organ- oder Gewebetransplantation gewinnen, weil sie zum Beispiel durch das Spenden von Augenhornhaut ihre Sehkraft zurückerhalten. All diese Menschen sind voller Dank, doch sie wissen, dass sie dieses Glück der Spendenbereitschaft anderer Menschen zu verdanken haben – oftmals Menschen, die verstorben sind. Dieser enge Zusammenhang von Leben und Tod hebt das Thema Organspende über rein medizinische Gesichtspunkte hinaus und verlangt ein hohes Maß an ethischen Kriterien. Es fordert letztlich jeden Menschen dazu auf, eine absolut persönliche Entscheidung treffen zu müssen.
Werben, appellieren, aufklären, sprechen – das ist unsere Aufgabe. Die Vernunft und Einsicht jedes einzelnen Menschen für eine Organspende ist gefragt. Die Scheu vor der Auseinandersetzung mit dem Thema Tod müssen wir den Menschen nehmen und vielleicht selbst auch überwinden.
Viele Bundesbürger stehen der Organspende laut einer Umfrage positiv gegenüber. Über die Hälfte sind es immerhin, die sich bereit erklären würden, nach dem Tod zu spenden. Aber leider fixieren nicht einmal 10 % der Menschen ihren Willen schriftlich. Hinzu kommt, dass die Angehörigen oftmals den Willen des Verstorbenen nicht kennen. Auch Vermutungen, dass mit Organen ein krimineller Handel getrieben wird, oder die Furcht vor nicht rechtmäßigen Organvergaben halten Menschen von der Bereitschaft zur Organspende zurück.
Immerhin: Mehr als 12 000 schwerkranke Deutsche, deren Lunge, Herz, Leber oder Nieren den Dienst zu versagen drohen, warten jährlich auf ein Spenderorgan. Sie stehen auf der Warteliste der Zentralen Verteilerstelle Eurotransplant mit Sitz in Leiden in den Niederlanden. – In der zweiten Runde werde ich dies gern weiter ausführen.
Danke.
Meine Damen und Herren! Um noch einen kleinen Beitrag zur Aufklärung zu leisten, will ich vielleicht mit folgenden Dingen beginnen: Transplantation, Organtransplantation und Organspende ist und bleibt in Europa und damit auch in Deutschland eine Individualentscheidung. Es ist verboten – es ist direkt verboten! –, in Europa Organhandel zu betreiben. Damit möchte ich die Bürgerinnen und Bürger beruhigen. Es begeht eine Straftat, wer dies macht. Selbst in den USA ist es so streng geregelt.
Um irgendwelchen kriminellen Machenschaften vorzubeugen, gibt es auch eine strikte Trennung aller Zuständigkeitsbereiche, die mit der Organspende zu tun haben. Mit dem Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes am 1. Dezember 1997 ging in Deutschland für die Transplantation eine lange Phase der Rechtsundeutlichkeit zu Ende. Mit diesem Gesetz wurden die Rechte und Pflichten der Beteiligten sowie die Wege der Organgewinnung und Organvermittlung festgelegt. Nach § 16 stellt seitdem die Bundesärztekammer den Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft in Richtlinien fest, so unter anderem für die Aufnahme in die Wartelisten und die Regeln zur Organvermittlung.
Damit wird Handlungssicherheit bei der Durchführung des Transplantationsgesetzes gewährleistet und sichergestellt, dass durch die verbindlich eingeführten Allokationsregeln der Richtlinien zur Organvermittlung die Patienten auf der Warteliste auf der Grundlage eines fairen, auf nachvollziehbaren Gesichtspunkten basierenden Verteilungssystems Organe zur Transplantation vermittelt erhalten.
Trotzdem, meine Damen und Herren: Die persönliche Entscheidung für oder gegen eine Organspende steht jedem Menschen frei und ist zu respektieren.
Lassen Sie mich noch einige Ausführungen zur Blutspende machen. Die Freiwilligkeit gilt auch für die Blutspende. Trotzdem besteht bei vielen Bürgerinnen und Bürgern die Furcht, dass mit ihrem Blut ein Handel erfolgt oder sie sich bei der Spende infizieren könnten. Diese Ängste müssen ihnen durch gezielte Aufklärung genommen werden. Vor jeder Spende wird jeder Spender auf gesundheitliche Tauglichkeit untersucht. Strenge gesetzliche Vorschriften sichern ab, dass dem Spender, aber auch dem Spendenempfänger kein gesundheitlicher Nachteil entsteht. Dafür garantiert in Deutschland das Transfusionsgesetz mit seinen Ausführungsbestimmungen, die in enger Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer festgelegt wurden und werden. Richtig ist, dass es leider jährlich zu Engpässen im Blutspendeaufkommen kommt. Meist sind davon gerade die Sommermonate als Urlaubsschwerpunkt betroffen.
Dank des Transfusionsgesetzes ist eine Zusammenarbeit aller Spendeeinrichtungen vorgeschrieben, um damit rechtzeitig Engpässe zu verhindern. Allerdings können diese Spendeeinrichtungen nur das Blut zur Verfügung stellen, das sie tatsächlich zur Verfügung haben. Gerade deshalb ist eine freiwillige Spendenbereitschaft das A und O zur Absicherung des Blutkonservenbedarfes.
Meine Damen und Herren! Die Mehrzahl der Blut- und Plasmaspendeeinrichtungen in Sachsen gewähren Entschädigungen bzw. geben Anerkennung auch in Form von Dankeschönpräsenten. Man sollte aber dennoch einmal in sich gehen, ob man es unbedingt finanziell oder per Präsent vergütet haben möchte. Es ist einfach eine menschliche Frage der Bereitschaft für Organ- oder Blutspende.
Lassen Sie uns gemeinsam verstärkt auf diese Spendenbereitschaft hinarbeiten. Lassen Sie uns gemeinsam absichern, dass diejenigen, die unserer Spende bedürfen, sie auch bekommen. Das heißt, wir selbst sollten in uns gehen und unser Umfeld überzeugen – vielleicht fangen wir hier in diesem Raum an.
Ich danke vor allen Dingen Herrn Gerlach, dass er uns diese Ausweise zur Verfügung stellt. Ich denke, mein Beispiel zu Beginn zeigt, wie schnell jeder Einzelne betroffen sein kann – es ist einfach lebenswichtig.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Weichert, jetzt wissen wir, wie eine Ampel aussieht: rot, gelb, grün. Danke schön.
Herr Präsident, wenn ich in das Plenum schaue, habe ich den Wunsch, Sie alle zu erleichtern. Ich gebe meinen Redebeitrag zu Protokoll.
Ich bitte aber aus zwei Gründen um Ablehnung dieses Antrages: Zum einen ist er absolut nicht finanziell abgesichert, und es geht bei ihm um sehr viele zusätzliche finanzielle Mittel. Zum anderen bedeutet er eine wahnsinnige zusätzliche bürokratische Untersetzung. Der können wir als Landtag wirklich nicht zustimmen.
Vielen Dank.
Pünktlich zu Beginn der Badesaison beschäftigen wir uns heute mit der Qualität der Badegewässer im Freistaat Sachsen.
Ziel des vorliegenden Antrages von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist es, einheitliche und verbindliche Standards zur Überprüfung von Nicht-EU-Badegewässern einzuführen.
Dass diesem Antrag nicht zugestimmt werden kann, wird deutlich, wenn man sich allein nur die Begründung des Antrages näher ansieht. Danach werden in Sachsen 120 Gewässer als Nicht-EU-Badegewässer betrachtet.
Die geforderte lückenlose und systematische Überwachung dieser Gewässer während der gesamten Badesaison
bedeutet einen Aufwand, welcher weder organisatorisch noch finanziell durch die zuständigen Gesundheitsämter umgesetzt werden kann. Ich mache darauf aufmerksam: Die Badesaison geht vom 15. Mai bis zum 15. September.
Im Vorjahr wurden durch die zuständigen Gesundheitsämter allein bei den EU-Badegewässern im Schnitt sechs Untersuchungen vorgenommen. Würde man dies auf die Nicht-EU-Badegewässer anwenden, käme man auf über 700 Kontrollen. Jedem Kenner wird klar, dass damit die Kapazitätsgrenzen der Gesundheitsämter bei Weitem überschritten werden.
Der vorliegende Antrag geht aber an keiner Stelle auf diese Folgen ein. Er macht auch nirgends deutlich, wie
die Mehrbelastungen organisatorisch, geschweige denn finanziell untersetzt werden sollen.
Zweitens, meine Damen und Herren, das Stichwort Bürokratieabbau. Wir kritisieren im Landtag, dass es zu viel Bürokratie gibt. Zugleich fordern wir, diese abzubauen. Würde der vorliegende Antrag so umgesetzt werden, wie er steht, erreichten wir nur das Gegenteil. Die Verwaltung würde aufgebläht und die Bürokratie erhöht werden.
Abschließend möchte ich auch noch einmal darauf aufmerksam machen, dass die Nicht-EU-Badegewässer ebenfalls untersucht werden – allerdings nicht in dem Umfang wie die EU-Badegewässer. Die Gewässer werden ein- bis dreimal im Jahr untersucht, und die Ergebnisse der Untersuchung werden auf ortsübliche Art und Weise bekannt gegeben. Diese Bekanntgabe erfolgt durch Aushänge oder durch Bekanntmachungen in der Presse.
Die hier dargestellte Verfahrensweise sollten wir, meine Damen und Herren, beibehalten. Die Untersuchungen werden gewährleistet und durchgeführt. Es steht alles in einem angemessenen Verhältnis zueinander, was der vorliegende Antrag nicht gewährleistet.
Ich bitte Sie daher, den Antrag abzulehnen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie sehr ich Sie auch schätze, Herr Wehner, aber ich denke, Sie unterliegen hier einem ganz entscheidenden Irrtum. Sie waren ja auch auf der Ausschussreise. Es gibt weltweit kein solidarischeres Gesundheitssystem als in Deutschland.
Wir diskutieren heute über zwei Anträge, die sicherlich verständlich begründet wurden, da die Probleme und Risiken, die durch die Verabschiedung des sogenannten GKV-WSG – ich muss das mal übersetzen: Gesetzliches Krankenversicherungs-Wettbewerbsstärkungsgesetz; meine Zunge muss sich erst wieder entknoten – bestehen und natürlich auf der Hand liegen.
Und jetzt, meine Damen und Herren von der Linksfraktion, kommt Ihr weiterer Irrtum. Die Staatsregierung hat die Interessen vertreten und macht das nach wie vor.
Warum hat sie die Interessen vertreten? Weil sie bereits im Jahre 2006 genau auf diese Probleme und Risiken reagiert hat, als sie nämlich im Bundesrat gegen das GKV-WSG votierte, und zwar als einziges Bundesland in der gesamten Bundesrepublik. Das muss nach anderthalb Jahren ganz deutlich gesagt werden; so ehrlich müssen wir miteinander umgehen.
Sachsen war das einzige Bundesland, das durch die Einbringung von Anträgen im Bundesrat ebensolche möglichen negativen Folgen auch auf unseren Freistaat Sachsen abwenden wollte. Dabei machte sie ganz besonders auf das Problem mit der Einführung des Gesundheitsfonds aufmerksam, der der absolute Kernbestandteil dieser Gesundheitsreform ist. Zu diesen Problemen oder zu diesen Kritiken bzw. Kritikpunkten zählen unter anderem laut damaliger Begründung – und diese gilt nach wie vor –: die Entwicklung in Richtung staatlicher Einheitskassen; weiterhin damit die Einschränkung der Wettbewerbsmöglichkeiten der Krankenkassen untereinander; eine deutliche Steigerung der Beitragssätze besonders für unsere sächsischen Krankenkassen; die Gefahr der Abwanderung eines guten Versicherungspotenzials, das heißt von jungen und gesunden Versicherten aus den gesetzlichen Krankenversicherungen in die privaten Krankenversicherungen; eine schwerere Nachvollziehbarkeit des Leistungsangebotes und die Tatsache, dass die sächsischen Versicherten zu Zahlern für Versicherte und Leistungserbringer in anderen Bundesländern werden.
Darauf hat die Staatsregierung schon damals aufmerksam gemacht. Aber sie war die einzige Gegenstimme.
Nach der Verabschiedung im Bundestag war natürlich der Bundesrat angerufen. Fairerweise muss man sagen: Leider hat aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nur ein ganz geringer Teil der Abgeordneten gegen das Gesetz
votiert. Darunter waren, ich glaube, zwei oder drei Abgeordnete aus Sachsen. Das war weitsichtig, aber es hat nicht gereicht.
Deshalb hat die Staatsregierung im Bundesrat ihr Gegenvotum eingebracht, weil sie die Risiken sah. Aber sie war allein auf weiter Flur. So gilt seit 01.01.2007 dieses Gesetz. Es gilt seit einem Jahr und fünf Monaten. Ihre Anträge, meine Damen und Herren der antragstellenden Fraktionen, liegen praktisch eineinhalb Jahre zu spät auf dem Tisch. Das muss ganz klar gesagt werden.
Es bedarf folglich nicht mehr Ihrer Anträge für ein ganz normales und längst beendetes Verfahren der Gesetzgebung. Die hätten sie damals stellen müssen. Jetzt muss anders reagiert werden. Das ist richtig.
Das späte Erwachen anderer Bundesländer im Laufe dieses Jahres nehmen wir mit Sicherheit nicht mit Häme, sondern mit Bedauern zur Kenntnis. Es hätte uns in eine ganz andere Situation gebracht, wenn bereits 2006 diese Länder im Bundesrat anders votiert hätten.
Meine Damen und Herren! Die Möglichkeiten einer eventuellen Verschiebung des Gesundheitsfonds, wie sie hier von der FDP angestoßen werden, sind leider nur noch auf politischer Ebene in Richtung Bundestag zu suchen. Das ist keine Frage.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Letzten Samstag hat der Landesparteitag der CDU einen Antrag angenommen und verabschiedet, der an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion weitergeleitet wird. Dieser Antrag enthält Folgendes: Er zeigt auf, dass der Gesundheitsfonds mit wirtschaftlichen Risiken für unsere sächsischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbunden ist, und bittet deshalb zu überprüfen, ob eine Verschiebung des Starts möglich ist. Er weist darauf hin, dass die finanzielle Konstruktion des Gesundheitsfonds überarbeitet werden muss und dass die wirtschaftlichen Probleme, die auf die Arbeitgeber, aber auch auf die Arbeitnehmer in Sachsen zukommen, ernst genommen werden müssen.
Meine Damen und Herren der FDP-Fraktion, diesen Weg können Sie selbstverständlich auch nutzen. – Bitte.
Es könnte eine Variante sein; das ist vollkommen richtig. Nur, die Variante, die Sie heute vorschlagen, ist schon vor eineinhalb Jahren im Bundesrat auf ganz normalem, gesetzlichem Weg durch die Staatsregierung gewählt worden. Komischerweise – und das sei in Richtung Linke gesagt – hat nicht einmal ein linksmitregiertes Bundesland darauf reagiert und jetzt ist das Geschrei ganz groß. Jetzt, im Nachhinein, wenn das Kind fast im Brunnen liegt, ist Geschrei natürlich immer angenehm.
Wissen Sie, was Sie ärgert? – Dass wir als sächsische CDU bzw. als Koalition schneller waren.
Das steht doch außer Frage. Aber deshalb ist es doch rechtens, dass diejenigen, die Probleme mit dem Gesetz haben – sprich: der Freistaat Sachsen – bzw. zum richtigen Zeitpunkt im Gesetzgebungsverfahren –, handeln.
Das wundert mich übrigens – denn Sie sind auch Gesetzgeber und müssen wissen, wie die rechtliche Verfahrensweise für eine Gesetzgebung ist. Dass Sie sich anderthalb Jahre später hier hinstellen und einen Heiligenschein abverlangen, ist schlimm genug – aber damit kann ich nicht mehr dienen und leben.
Wie gesagt, ich würde jetzt gern in meinen Ausführungen fortfahren.
Nein. – Genau das ist Ihr Problem. Die Staatsregierung war auf jeden Fall schneller als Sie – das geht vor allem in Richtung FDP. Ich begründe, wieso: eben weil es um die Belastung der Wirtschaft geht.
Die Sächsische Staatsregierung hat genau in besagter Bundesratssitzung im Jahr 2006 einen Antrag gestellt, dass eine Beitragsrückzahlung auch für Arbeitgeber erfolgen soll, und sie war die einzige Stimme! Auch hier wieder der Appell nach links: Wo waren MecklenburgVorpommern und Berlin? Wo waren denn diese Länder, wenn es um die Belastung für die Wirtschaft geht? Keiner hat dafür gestimmt.
Frau Lay, wir reden hier für Sachsen und ich vertrete hier die sächsische CDU. Die Sächsische Staatsregierung steht dazu.
Bitte verwechseln Sie nicht die Kompetenzen und nehmen Sie auch einmal in Kauf, dass Sie wirklich hinten anstehen in diesen Punkten und dass Ihre Mitregierung in anderen Ländern schlichtweg versagt hat.
Meine Damen und Herren! Ich möchte noch auf ein zweites Problem aufmerksam machen, das im Zusammenhang mit dem Gesundheitsfonds steht. Es handelt sich um die sogenannte Konvergenzregelung. Hinter dieser Konvergenzregelung verbirgt sich Folgendes: Länder mit einem hohen Ausgabenvolumen können ihre Arbeit in Anpassungsschritten von 100 Millionen Euro jährlich nach unten fortführen. Die dafür erforderliche Summe erhalten sie aus den Ländern mit einem unterdurchschnittlichen Ausgabenvolumen. Das bedeutet, dass auch sächsische Versicherte wegen ihres bisherigen niedrigen Leistungs- und Beitragsniveaus das höhere Ausgabenniveau in anderen Bundesländern mitfinanzieren sollen. Dieser Punkt lässt sich noch in seinen Folgen vertiefen, aber das möchte ich heute und an dieser Stelle nicht tun.
Fakt ist, dass auch ohne einen Antrag aus diesem Hause – das sage ich ebenfalls nicht mit Häme, sondern mit Deutlichkeit – die Staatsregierung derzeit alle rechtlichen Möglichkeiten prüft, ob man diese Konvergenzregelung noch abwenden kann.
Ich komme zum Schluss. Wie ich eingangs sagte, ist der Name Wettbewerbsstärkungsgesetz leider nur Makulatur. Wir steuern auf ein zentralisiertes Gesundheitssystem hin, in welchem die Krankenkassen und Leistungserbringer künftig weniger Mitspracherecht haben, während die Bundesrepublik an Einfluss gewinnt. Ich bin mir nicht sicher, ob sich alle Bundestagsabgeordneten ihrer Verantwortung bewusst sind, wenn sie künftig den einheitlichen Beitragssatz bestimmen. Um diese politische Verantwortung mit den Folgen beneide ich sie mit Sicherheit nicht.
Aus der Distanz lässt sich Folgendes sagen: Das bewährte Prinzip der staatsfernen Selbstverwaltung des Gesundheitswesens wird ohne überzeugende Gründe verlassen. Die Selbstverwaltung wird nur so weit aufrechterhalten, dass der Staat nicht in die direkte Verantwortung für die
Gesundheitsversorgung genommen werden kann. Es gibt keine alternativen Vorschläge für ein neues System.
Das war auch der Grund, warum der Freistaat Sachsen im Jahr 2006 dem GKV-WSG und dem darin enthaltenen Gesundheitsfonds als Kernbestandteil seine Zustimmung verweigert hat.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Ablehnung der beiden Anträge.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider ist Herr Dr. Hahn nicht da. Trotzdem möchte ich ganz kurz sagen: Das, was er gestern in der Presse losgelassen hat, ist einfach schlimm und unverantwortlich. Sachlichkeit, wie Sie sie jetzt gebracht haben, Frau Lauterbach, ist richtig; aber solche Pressedarstellungen verunsichern die Bevölkerung und bringen uns absolut nicht voran.
Sie wissen nur zu gut, dass seit Jahren Bemühungen von allen Beteiligten unternommen werden, um die medizinische Versorgung für die Zukunft auf relativ gute Füße zu stellen. Dass es Probleme gibt, wissen wir tatsächlich seit Jahren, und das wird auch nicht verschwiegen. Dazu bedarf es auch nicht der Aufforderung zu einem Ruck, so wie es in der Presse stand; denn dieser Ruck ist schon vor mindestens fünf Jahren in der Sächsischen Staatsregierung erfolgt. Der Zug der Bemühungen aller Beteiligten, nicht nur der Staatsregierung, sondern auch der Kassenärztlichen Vereinigung, der Krankenkassen und aller niedergelassenen bzw. auch der angestellten Ärzte in den Krankenhäusern rollt. Also: Ihre Aufforderung gestern in der Presse
ist überflüssig und populistisch.
Ich möchte an eine Diskussion erinnern, die im November letzten Jahres stattgefunden hat und inhaltlich in etwa vergleichbar ist. Es war eine Diskussion aufgrund eines Antrages der FDP. Drei Monate später haben wir zwei gleiche Themen wieder auf der Tagesordnung, und man muss der Fairness halber sagen: Wesentliche Veränderungen hat es innerhalb dieser drei Monate nicht gegeben; aber von 77 Medizinischen Versorgungszentren ausgehend gibt es jetzt bereits 79, allerdings überwiegend in Ballungszentren.
Das Gemeindeschwesternprojekt AGnES, auch dies sagten Sie bereits, wird seit März letzten Jahres in Sachsen durchgeführt. Es ist sehr, sehr gut angenommen worden, sowohl von den Patientinnen als auch von den Patienten. Nun werde ich einige Ausführungen machen.
Medizinische Versorgungszentren sind eine fach- und berufsgruppenübergreifende Einrichtung bzw. Versorgungsform der ambulanten Leistungserbringung. Sie sind eine Art der integrierten Versorgung mit enger Kooperation von ärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringern. Zugleich bedeuten sie kurze Wege für Patientinnen und Patienten. Ich zitiere aus der Mitteilung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: „Als Teil der vertragsärztlichen Versorgung unterliegen sie der Bedarfsplanung. Die Zulassung erfolgt über den jeweiligen Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung für den Ort der Betriebsstätte.“ Also, wie gesagt, es liegt in der Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigung.
Medizinische Versorgungszentren sind für Ärztinnen und Ärzte eine Alternative, ihre Berufstätigkeit in der ambulanten Versorgung auszuüben, ohne sich massiv einer Verschuldung aussetzen zu müssen. Gerade für junge Ärztinnen und Ärzte ist dies eine Chance, im Angestelltenverhältnis ohne großes ökonomisches Risiko zu arbeiten. Positiv ist weiterhin für sie, dass sie nicht mehr wie Freiberufler praktisch rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssen, sondern eine geregeltere Arbeitszeit haben. Dadurch ist es vor allem attraktiver für Ärztinnen mit Kindern, die zurück in den Beruf wollen.
Wichtig ist, dass die Medizinischen Versorgungszentren gleichberechtigte Leistungserbringer neben freiberuflich tätigen Vertragsärzten sind. Ich betone aber: Sie ersetzen sie nicht; sie ersetzen nicht die niedergelassenen Ärzte! Medizinische Versorgungszentren sind nur ein Teil der Möglichkeiten, die künftigen Spannungen in der Versorgung zu relativieren. Wir können auf keinen Fall zulassen, dass sich niedergelassene Haus- und Fachärzte verdrängt fühlen. Ihr Stellenwert muss in Form einer adäquaten Honorierung in Euro und nicht in Punktwerten gewürdigt werden. Dies ist nicht allein Aufgabe der Politik, sondern es liegt in der Verantwortung der gesetzlich beauftragten Gremien wie der Kassenärztlichen Vereinigung.
Lassen Sie mich zum Modell AGnES kommen. Frau Lauterbach, auch dies stimmt nicht: AGnES ist keine Idee der Linksfraktion. AGnES ist eine Idee – ich sagte dies bereits im November letzten Jahres – von Prof. Dr. Hoffmann von der Uni Greifswald. Er ist der geistige Vater dieses Modellprojektes AGnES.
Dann lügen die Medien, und dann lügt auch Herr Prof. Hoffmann? Also, schmücken Sie sich nicht mit den Federn, die anderen zukommen!
Dieses Modellprojekt „AGnES“ findet in der Zwischenzeit auch in den alten Bundesländern sehr viel Aufmerksamkeit, denn die stehen ebenfalls vor den Problemen der mangelnden Versorgung in ländlichen Gebieten.
Zwischenzeitlich ist „AGnES“ in den neuen Bundesländern integriert. „AGnES“ heißt arztentlastende, gemeindenahe, E-Health-gestützte, Systemische Intervention. Die Schwester unterstützt den Hausarzt durch Arbeiten wie beispielsweise gesundheitliche Überwachung des Patienten, dabei vielfach unterstützt durch telemedizinische Technik, oder auch die Überwachung von älteren Patienten wie Sturzprophylaxe, Medikamentenkontrolle und weitere Beurteilungen zu Fähigkeiten und Defiziten.
Wir haben in Sachsen fünf Hausärzte, die von fünf Schwestern bzw. Betreuungsassistentinnen unterstützt werden. Immerhin über 1 000 Hausbesuche haben seit der Einführung stattgefunden.