Anke Rehlinger

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Last Statements

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Saarländerinnen und Saarländer! Wir stehen erneut schweren Herzens an dieser Stelle, auch gestern nach der Ministerratssitzung, nachdem das, was wir vorbesprochen haben, und in Umsetzung dessen, was die Ministerpräsidentinnen und die Mi
nisterpräsidenten mit der Bundesregierung vereinbart haben, in Rechtsverordnungsform gegeben worden ist, weil wir vor nicht allzu langer Zeit auch hier gestanden haben und mit Ihnen über ein Maßnahmenpaket diskutiert haben, von dem wir geglaubt haben, dass es ausreichend sein könnte, um das Infektionsgeschehen ganz maßgeblich einzudämmen. Wir müssen mit Blick auf die ganz konkreten Zahlen feststellen, dass das, was wir angenommen haben - im Übrigen auch mit breiter Zustimmung hier im Haus bis auf wenige einzelne Stimmen ‑, was damals für richtig und notwendig erachtet worden ist, bisweilen sogar von der einen oder anderen Stimme vielleicht als zu weitgehend infrage gestellt worden ist, nicht ausgereicht hat.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, warum wir alle miteinander das geglaubt haben und warum es dann nicht eingetreten ist. Das kann daran liegen, dass wir vielleicht in wesentlichen Punkten geirrt haben, dass wir zwar die richtigen Annahmen hatten, aber die falschen Maßnahmen, oder es kann daran liegen, dass wir sowohl die richtige Analyse als auch die richtigen Maßnahmen hatten, aber sich nicht alle und nicht in ausreichendem Maße daran gehalten haben. Ich meine, wir können diese Frage nicht abschließend aufklären. Wir haben aber auch nicht die Zeit, sie abschließend zu diskutieren, sondern müssen jetzt schon wieder erneut handeln. Das ist auch für diejenigen, die das zu tun haben und die Verantwortung dafür tragen, nicht sehr befriedigend.
Aber der Blick in den Rückspiegel hilft nur bedingt, wenngleich ich sagen will, es ist trotzdem auch notwendig. Ich will das nicht in Abrede stellen. Aber man darf eben nicht bei diesem Blick verharren. Da wir ja eben schon viele Auto-Beispiele hatten und ich auch Verkehrsministerin bin, will ich sagen: Wer allzu lange in den Rückspiegel blickt, der hat das Verkehrsgeschehen vor sich nicht mehr im Blick und ist auch in der Gefahr, einen Totalschaden zu verursachen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich finde, es gibt einen weiteren Punkt, der zur Differenzierung anrät, nämlich die Frage von Selbstkritik und auch die Frage, wer sie zu üben hat, in welchem Zusammenhang, mit welchem Zwecke und bezogen auf was. Denn ich finde, es macht einen Unterschied, ob ich in meiner Selbstkritik zur Erkenntnis komme, dass ich falsch gehandelt habe trotz richtiger Erkenntnisse, die vorgelegen haben, oder ob sich im Nachhinein etwas als nicht zutreffend herausstellt, weil man es zu diesem Zeitpunkt nicht anders oder besser hätte wissen können. Letzteres trifft nach meiner Einschätzung sehr oft auf den gesamten Prozess zu, den wir miteinander durchlaufen, denn es ist auch ein Prozess des ständigen Erkenntnisgewinns. Wir haben es mit einer völlig neuen Situation zu tun. Es gibt keine Blaupau
se, es gibt nichts Vergleichbares, das man heranziehen muss.
Ich rate uns auch sehr dazu, die Vielstimmigkeit der Wissenschaft zur Kenntnis zu nehmen, denn auch sie hat keinen Absolutheitsanspruch. Auch Wissenschaft ist eine Profession des ständigen Erkenntnisgewinns über die Länge der Zeit und manchmal auch innerhalb kürzester Zeit. Ohne, dass das als Kritik zu verstehen ist, gehört zur Erklärung der letzten Wochen und Monate dazu, dass es hier nicht nach dem einfachen Muster geht, die Politik hätte nur auf die Wissenschaft hören müssen und dann wäre alles gut geworden. Denn es ist ja heute deutlich geworden, es gibt nicht d i e Wissenschaft und auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer unterschiedlichen Positionierung haben Erkenntnisgewinne. Einiges, was heute an Entscheidungen der Vergangenheit kritisch diskutiert wird, ist damals auch auf Empfehlung von einigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit auf den Weg gebracht worden. Insofern ist es ein gemeinsamer Erkenntnisgewinn, an vielen Zahlen ausgedrückt allerdings ein sehr trauriger Erkenntnisgewinn.
Das Infektionsgeschehen kann uns nicht kaltlassen, insbesondere die Zahl der Toten kann und darf uns nicht kaltlassen. 952 Tote an einem Tag in Deutschland! Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, das gibt einem schon ein bisschen Gänsehaut mit auf den Weg und fordert uns alle miteinander, noch einmal gut nachzudenken, was zu tun ist und worauf wir uns konzentrieren müssen. Sehen Sie sich die Gesamtzahl an - vorgestern 18 Tote alleine im Saarland -, nicht als statistische Größe, sondern als Saarländerinnen und Saarländer mit Namen, Geburtsort, mit Familie und Freunden, Tote, die sich nicht mehr die Frage stellen, mit wie vielen sie Silvester feiern dürfen!
Ich finde, an dieser Stelle gilt allen Familien und Freunden derer, die mit oder wegen COVID-19 jetzt gestorben sind, unser Mitgefühl. Ich hoffe, dass sie mit uns zumindest das Gefühl haben, dass wir alles versucht haben, das zu verhindern. Es gehört aber auch zur bitteren Wahrheit dieser Tage, dass es nicht überall gelungen ist - für 18 Saarländerinnen und Saarländer vorgestern ‑, in der Gesamtschau ist es noch für mehr nicht gelungen. Aber ich hoffe, dass die Familien, die Angehörigen mit uns der Auffassung sind, dass wir alles versucht haben. In diesen Fällen ist es leider nicht gelungen. Wenigstens unser Mitgefühl ist bei den Familien und bei den Freunden.
Die Länder - im Übrigen in den unterschiedlichsten Regierungskonstellationen zusammen mit der Bundesregierung - haben auch entschieden, da die Zahlen sie nicht kalt lassen, dass man nicht auf das
Prinzip Hoffnung setzen darf nach dem Motto, es wird schon irgendwie gutgehen, sondern dass man jetzt noch einmal handeln muss und dass auch harte Schritte gegangen werden müssen. Es ist gar nicht mehr die Wahl, ob man es lieber jetzt macht oder ob man es irgendwann vielleicht nach Weihnachten macht, weil es jetzt nicht passend ist. Ich will auch gar nicht mehr darauf zurückgreifen, ob Weihnachten vielleicht ein guter Zeitpunkt oder ein schlechter Zeitpunkt ist. Es geht nur noch um die Frage des notwendigen Zeitpunkts. Der ist jetzt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir fahren das gesellschaftliche Leben und das wirtschaftliche Leben wieder weitgehend herunter. Schulen, Einzelhandel, Dienstleistungen und vieles andere mehr ist davon betroffen.
Ich will, weil ich natürlich wie viele andere auch jetzt wieder unmittelbar darauf angesprochen worden bin - das war schon zum Zeitpunkt, als im November die ersten Schritte insbesondere für Gastronomie und Hotellerie wieder auf den Weg gebracht worden sind, ein wichtiger Punkt, mit dem ich immer wieder konfrontiert gewesen bin - darauf hinweisen, dass das, was jetzt gemacht worden ist, keine Frage von Schuld gegenüber irgendwelchen Branchen ist. Es gibt sicherlich einige, die sich nicht an die Regeln halten. Die tragen Schuld. Die tragen auch Verantwortung für das, was sie tun. Aber es geht nicht darum, bei der Auswahl der Branchen und der Bereiche unseres wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Lebens insgesamt ein Etikett des Schuldseins daran zu hängen und sie deshalb jetzt noch einmal mit schärferen Maßnahmen zu belegen.
Der einzige Maßstab, der in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt, ist derjenige zu sagen, wo wir es vertreten können, dass jetzt Einschränkungen erfolgen, damit Kontaktbeschränkungen und Kontaktreduzierungen stattfinden. Das ist ein wesentliches Instrument. Die Geschäfte, die jetzt schließen müssen, haben nicht Schuld an dieser Pandemie. Auch die Friseurläden - als Beispiel einmal genommen -, die allesamt Hygienekonzepte ausgearbeitet haben und sich peinlichst genau daran gehalten haben wie viele andere auch, tragen keine Schuld und sie werden jetzt nicht quasi bestraft. Aber es sind die Bereiche, bei denen wir gesagt haben: Ja, sie können, wenn man sie jetzt schließt, einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten, dass es zu einer massiven Reduzierung von Kontakten kommt, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir haben das in anderen Bereichen differenzierter und anders bewertet und beurteilt. Das war insbesondere der Bereich der Schulen und der Kitas. Ich finde das nach wie vor richtig. Ich finde es auch nach wie vor richtig, dass wir das sehr differenziert machen. Es ist keine Abkehr von dem, was wir für richtig erachtet haben, sondern es ist das differenzierte, richtige Vorgehen in diesem Zusammenhang.
Es ist nicht nur eine sprachliche Finesse, wenn wir jetzt sagen, wir schließen nicht die Schulen, sondern wir erlassen den Eltern, den Schülerinnen und Schülern die Präsenzpflicht. Es wird weiterhin Hausaufgaben geben. Die werden zu Hause erledigt werden können. Ich habe meinen Kleinen heute Morgen auch zu Hause gelassen, wie viele andere Saarländerinnen und Saarländer das heute Morgen auch getan haben. Es ist die Klugheit dieser Maßnahme, dass sie sich eben nicht in einer bloßen Schulschließung ausdrückt, damit viele andere, die das vielleicht auch gerne gemacht hätten, die aber keine andere Betreuungsmöglichkeit haben, jetzt nicht in die Bredouille gebracht werden, bei ihrem Arbeitgeber anrufen zu müssen - als Verkäuferin, als Busfahrer oder als Pflegekraft ‑, um zu sagen, dass sie keine Lösung für die Betreuung ihres Kindes haben, sondern diese Kinder haben kontaktreduziert, weil es sicherlich nicht so viele sein werden, so eine gute Möglichkeit, bis die Eltern wieder zu Hause sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, das ist ein außerordentlich kluger Ansatz, gemessen am Idealzustand, den wir alle gerne hätten, natürlich ein Weniger, aber gemessen an dem, was zu tun ist, und gemessen an dem, was man mit dem, was man tut, auch an negativen Folgen verhindern kann, ein außerordentlich kluger Ansatz, meine sehr verehrten Damen und Herren. Er ist in sich konsistent. Die Bildungsministerin hat ihn vorgelegt. Ich finde ehrlich gesagt, die öffentliche Auseinandersetzung mit diesen hochschwierigen Fragen ist teilweise nicht angemessen, denn das, was sie zu entscheiden hat, ist nicht monothematisch.
Es geht nicht nur um die Interessen eines Einzelnen, es geht um das Interesse des Ganzen, um das Wohl der Kinder, natürlich auch von Lehrerinnen und Lehrern. Dies zusammenzubringen, ist die große Kunst. Ich finde, sie hat es geleistet. Einen herzlichen Dank an Christine Streichert-Clivot.
Insofern - ich knüpfe noch einmal an - ist nicht das Kriterium schuld, wenn es um diese Maßnahmen geht. Wenn es überhaupt irgendeine Schuld an der Pandemie gibt und auch an den Schließungen, dann ist die Schuld bei einem tückischen Virus zu sehen. Es ist ein Virus, das keine Nachlässigkeit und auch keine falsche Nachsicht duldet, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Vieles davon - ich habe das schon oft gesagt - fühlt sich unfair an. Ich gehe sogar so weit zu sagen, es ist ein Teil davon auch unfair und ungerecht. Aber gemessen an der Aufgabe, die wir zu leisten haben, sind Schuld und vielleicht auch Binnengerechtigkeit nicht der Maßstab aller Entscheidungen. Dem muss man sich nähern, aber es ist kein Absolutheitsanspruch, denn es geht um etwas deutlich Wichtigeres, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich finde es, um ehrlich zu sein, etwas unangemessen, wenn es von der AfD als ein dahinplätscherndes Ziel beschrieben wird. Denn unser Ziel an dieser Stelle ist, dafür zu sorgen, dass die Krankenhäuser nicht überlastet sind, dass die Gesundheitsbehörden in der Lage sind, Nachverfolgung zu gewährleisten, und dass Ärzte eben nicht entscheiden müssen, wer überlebt, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich weiß nicht, ob Sie eben die Nachrichtenlage mitverfolgt haben. Das ist nicht irgendetwas, das wir hier, um Angst zu machen, an die Wand malen, sondern das ist etwas, was in diesen Stunden auch in Deutschland passiert. In Sachsen wurde jetzt zum ersten Mal die Triage angewandt. Ich will nicht, dass das hier im Saarland passiert, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und das ist unsere Aufgabe.
Das ist im Austarieren der Maßnahmen nicht einfach. Es ist, um ehrlich zu sein, auch hochgefährlich. Denn ich glaube, dass es bei der Entwicklung dieser Pandemie - am Ende ist auch die Entwicklung dieser Pandemie irgendwann eine Rechenaufgabe - einen Kipppunkt gibt. Wenn man den erreicht oder überschritten hat, wird man nicht mehr in der Lage sein, Maßnahmen zu ergreifen, um Dinge, die man vielleicht zu wenig oder zu spät gemacht hat, nachzuholen. Das ist die ganz große Gefahr, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dessen müssen wir uns bei unseren Entscheidungen immer bewusst sein. Trotzdem gibt es Zuversicht. Das will ich auch sagen. Wir schärfen die Maßnahmen nach, stets und ständig, und ja, manchmal auch, wenn vorher angemahnt worden ist. Wir sind auch noch nicht fertig mit dem Justieren dieser Maßnahmen, egal, an welcher Stelle. Viele Punkte sind dazu genannt worden, auch von den Gesundheitspolitikern.
Einer dieser Punkte ist das Thema Impfen. Die Nachrichten, die uns gestern zum Impfstoff erreicht haben, sind sehr ermutigend: Eine frühere Zulassung als gedacht mit der Möglichkeit, auch früher in das Impfgeschehen einzusteigen. Ich halte das für eine wirklich gute Botschaft. Allerdings müssen wir etwas aus diesem Umstand machen. Auch das ist wieder ein Punkt, der am Ende nicht eindimensional zu betrachten ist und der auch einer Abwägung von Risiken zugeführt werden muss. Bei allem Bewusstsein darüber, dass man das tun muss, und bei aller Notwendigkeit, diese Abwägungskriterien transparent zu machen, sind wir am Ende alle miteinander gefordert, für das klare Abwägungsergebnis - für mich persönlich ist das Abwägungsergebnis klar und geht in eine bestimmte Richtung - einzustehen und dann, wenn die Abwägung vorgenommen ist, auch dazu zu stehen und die Menschen nicht in Unsicherheit zurückzulassen. Denn an der Stelle ist Nichtstun möglicherweise das Falsche. Auch das müssen wir wissen.
Es gibt natürlich keine Impfung, die nicht auch ein Restrisiko in sich trägt. Ich glaube aber, dass das Verfahren, das hier gewählt worden ist, die größtmögliche Gewähr dafür bieten kann, dass genau diese Risiken überprüft worden sind. Es sorgt damit für ein Höchstmaß an Akzeptanz. Die Festlegung der Reihenfolge tut dies ebenfalls. Auch wenn wir, die wir hier sitzen, nach den Empfehlungen der Kommission nicht zu den Ersten gehören werden, die geimpft werden, sollten wir doch zu den Ersten gehören, die dafür werben. Ich habe schon gelesen und gehört, dass Leute sagen: „Geht ihr Politiker doch mal zuerst, dann schauen wir, ob das funktioniert!“ - Ich mache das gerne, denn es wäre sicherlich sehr plausibel, das so zu tun, aber umgekehrt sollten wir uns auch nicht dem Vorwurf aussetzen, dass wir uns die Impfung zuerst nehmen, bevor der Rest der Bevölkerung geimpft wird. Es gibt gute Gründe, nicht zur ersten Gruppe zu gehören. Menschen über 80, Menschen in Pflegeeinrichtungen und in Krankenhäusern, die ein deutlich größeres Risiko tragen, infiziert zu werden, sollten zu denjenigen gehören, die als erstes in den Genuss einer Impfung kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Das Folgende will ich ansprechen, weil es meiner Meinung nach zu einem ehrlichen Ausblick dazugehört: An die Maßnahmen, die jetzt ergriffen worden sind, können wir keinen festen Datumsmarker setzen. Die November-Hilfen hießen so, weil sie eigentlich nur für Maßnahmen gelten sollten, die im November ihre Wirkung entfalten sollten. So sehr es das Bedürfnis gibt zu wissen, wann das alles endlich ein Ende hat, so wenig Grundvertrauen erzeugt es, wenn die Aussagen, die dazu gemacht worden sind, selten zutreffen. Deshalb ist es gut, im Januar zu schauen, wo wir stehen. Die gemachten Erfahrungen der Vergangenheit geben vielleicht einen Hinweis darauf, dass nicht am 10. Januar der Tag sein wird, an dem wieder alles zurückgedreht wird. Wenn man sich die Reihenfolge der Ereignisse anschaut und sieht, was für ein Infektionsgeschehen daraus entstehen kann, dann wird der Ablauf eher so sein, dass in der ersten Januarwoche ein schwieriges Infektionsgeschehen zu erwarten sein wird. Ich würde mich natürlich freuen, wenn ich an dieser Stelle Unrecht hätte. Auf dieser Grundlage wird es aber schwierig zu sagen, dass man fünf Tage später wieder anfängt, alles zurückzudrehen. Trotzdem sollten wir uns in der Lage sehen, es zu tun, wenn es so ist. Ich finde es aber nicht gut und nicht fair, wenn man das verspricht.
Wichtig ist jedoch, dass diejenigen, die dafür Verzicht üben, anständig entlohnt werden sollen. Ich glaube auch, dass es die Verantwortung gibt, nicht zu früh zu lockern, denn ehrlich gesagt sollten wir alle miteinander alles dafür tun, dass wir nach vorge
nommenen Lockerungen nicht ein drittes Mal hier stehen, um wieder zu sagen, dass wir in dem Maß wie heute in das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben eingreifen müssen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will alles dafür tun, dass wir nicht noch einmal in eine solche Situation hineingeraten.
Was jetzt sowohl für den privaten Bereich als auch für die Wirtschaft stattfindet, ist einschneidender als vieles, was wir bislang im Verlauf dieses Jahres erlebt haben. Ich will für den Bereich der Wirtschaft einige Anmerkungen machen, denn ich glaube, das wird in den nächsten Tagen für viele Saarländerinnen und Saarländer wichtig und von Bedeutung sein. Neben den grundsätzlichen Fragen, den wissenschaftlichen, ethischen und moralischen Fragen, die wir miteinander zu diskutieren haben, haben Saarländerinnen und Saarländer in den nächsten Tagen schlicht ein paar praktische Fragen zu beantworten. Auch damit sollten wir sie nicht alleine lassen. Ich finde es deshalb gut, dass in der Regierungserklärung mit einer Reihe von Beispielen gearbeitet worden ist, wie man den Verordnungstext auf seine Familie anwenden kann, dass man durchdeklinieren kann, wie man das zu Hause macht. Ich finde es wichtig, dass darauf hingewiesen worden ist, dass das Maximale, was laut Verordnung möglich ist, nicht tatsächlich ausgereizt wird. Für einige wird es so sein, für andere wird es vielleicht Möglichkeiten geben, die sich unterhalb dieser Schwelle bewegen.
Mit Blick auf das, was jetzt in den Geschäften stattfindet, ist Folgendes wichtig: Die Lebensmittelversorgung im Saarland wird gesichert sein. Es braucht niemand Hamsterkäufe vorzunehmen. Es wird vielleicht an der einen oder anderen Stelle so sein, dass sich längere Schlangen vor einem Geschäft bilden. Das wird sicherlich nicht auszuschließen sein. Auch da muss man im Übrigen Abstand halten, das gilt nicht nur im Geschäft. Wir haben mit den Maßnahmen versucht, auch dafür Vorsorge zu treffen. Die Ausweitung der Öffnungszeiten ist eine solche Maßnahme, aber eine nicht ganz einfache, um das ganz deutlich zu sagen. Sie verlangt einigen, nämlich den Verkäuferinnen und Verkäufern, die in dieser Krise, wie ich finde, bislang sehr klaglos ihre Aufgabe erledigt haben, sehr viel mehr ab. Ich möchte hinzufügen, dass die Verkäuferinnen und Verkäufer ihre Aufgabe beispielgebend für andere Berufsgruppen erfüllt haben. Auch die Verkäuferinnen und Verkäufer haben Familien, sie haben Kinder, die zu Hause auf sie warten. Sie werden aber erst zu ihren Familien zurückkommen, wenn die Kinder wahrscheinlich schon schlafen.
Ich finde, man sollte bei aller Notwendigkeit zur Ausweitung der Ladenöffnungszeiten aus Infektionsschutzgesichtspunkten sehr bedacht von dieser Op
tion Gebrauch machen. Das haben wir. Wir haben eine Öffnung bis 22.00 Uhr, was im Übrigen auch schon einfach deshalb sinnvoll ist, weil es in Rheinland-Pfalz bereits so ist. Wir wollen ja nicht noch einen Einkaufstourismus über die Grenze befördern. Gleichzeitig ist die Vorgabe, dass man nicht nur die Öffnungszeit nach hinten verlängert, sondern die Gesamtstunden der Öffnung erhöht. Nur dann darf man von dieser Maßnahme Gebrauch machen. Das bedeutet: Wenn ich länger als bis 20.00 Uhr öffnen will, muss ich meine Verkaufszeit auch nach vorne ausweiten. Ansonsten bringt die Maßnahme relativ wenig, wenn man das Einkaufsgeschehen entzerren will. Ich finde, das ist eine gute Regel, die Reinhold Jost als zuständiger Minister auf den Weg gebracht hat.
Mindestens genauso wichtig ist die Botschaft, die mit der Tatsache verbunden ist, dass die Ausweitung dieser Öffnungszeiten nicht über Gebühr stattfindet, sondern bis zum 02. Januar befristet ist. Das ist genau der Zeitraum, für den wir unter Einbeziehung der Lage der Feiertage und Wochenenden definitiv damit rechnen müssen, dass es ein erhöhtes Kundenaufkommen gibt. Gleichzeitig sollen die Verkäuferinnen und Verkäufer nicht überfordert werden. Das ist ein Beispiel dafür, wie man Notwendigkeiten Rechnung trägt, wobei man aber diejenigen, die man dazu braucht, nicht über Gebühr fordert. Lieber Reinhold, das ist ein guter Vorschlag. Ich glaube, wir können sagen, wenn die Unternehmen und Betriebe das mit ihren Beschäftigten anständig verhandeln, auch bei der Frage, wer was davon hat, ist das ein wohlabgewogener Vorschlag.
Wir haben darüber hinaus die Frage der Sortimentsbeschränkung relativ breit gefasst. Ich spreche das an, weil dieser Punkt im Frühjahr zu vielen Diskussionen geführt hat. Zu entscheiden, wo ich den Vorhang an den Regalen im großen Lebensmitteleinzelhandel anbringe, führt im Zweifelsfall nicht zu einer besseren Situation. Ich will sagen, warum ich diese Maßnahme für vertretbar halte: Weil wir es ermöglicht haben, dass alle Geschäfte, die ab heute geschlossen haben, über Telefonanrufe oder über Onlineshops, die vielleicht eingerichtet sind, einen Bring- oder Abholservice einrichten können. Ich will plastisch schildern, was der Umkehrschluss bedeutet hätte: Möglicherweise hätte der große Lebensmitteleinzelhandel zum Beispiel keine T-Shirts mehr verkaufen dürfen, sie hätten abgehängt werden müssen. Andere Geschäfte, die eigentlich geschlossen sind, hätten sie jedoch verkaufen dürfen, zumindest über den Onlineshop oder wenn man sie abholt. Ich glaube, das wäre eine Verwerfung gewesen, die zu Diskussionen geführt hätte. Wir haben hier ein klares Ergebnis. Die Fahrt zum Lebensmitteleinzelhändler ist ja nicht zusätzlich. Ich erwähne dies, damit all die Erwägungen, die wir dazu ange
stellt haben, nachvollziehbar werden. Ich hoffe, damit wird auch deutlich, dass es nicht alles nur Federstriche sind, mit denen wir innerhalb von 30 Sekunden alles entschieden haben, sondern dass wir die Dinge sehr praxisnah miteinander besprechen.
Im Übrigen möchte ich hier meinen Dank aussprechen, denn wir haben dies auch mit starker Rückkopplung aus der Branche tun können. Ich habe am Sonntag eine ganze Reihe von Telefonschalten mit Einzelhändlern, Verbandsvertretern und so weiter gemacht, damit wir die Dinge nicht an der Branche vorbei entscheiden, sondern damit wir wichtige Erwägungen von dort mit einbeziehen können.
Ich habe eben über Onlineshops des stationären Einzelhandels gesprochen. In eine breite Debatte gehört die Frage, was mit den großen Onlineriesen zu tun ist. Einer wurde namentlich genannt. Ich habe schon bei der letzten oder vorletzten Plenardebatte breite Ausführungen dazu gemacht, was man meiner Meinung nach dort tun muss. Ich will es deshalb nur in aller Kürze wiederholen: Ich glaube, dass wir uns für die Zukunft nicht leisten können, dass ausschließlich einige in einem weltweit vernetzten Handel Profite generieren, die aber auf der anderen Seite genauso wie alle anderen darauf angewiesen sind, dass Sicherheit und Ordnung im Land herrschen, dass es ausgebildete Fachkräfte gibt, dass erschlossene Industrie- und Gewerbegebiete vorhanden sind, dass die Straßen in Ordnung sind, damit Logistik stattfinden kann. Dann geht es aber nicht, dass sie so gut wie gar nichts in den Topf reinlegen, aus dem all das finanziert wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist keine gerechte Aufgabenteilung, das hat nichts mit Steuergerechtigkeit zu tun, sondern das sind Regelungen, die auf den Prüfstand gehören. Jetzt haben wir erst recht einen Anlass dafür, diese Debatte zu führen.
Ich gebe den ausdrücklichen Hinweis, dass wir alleine es nicht regeln können. Das wird nicht ausreichen. Ich finde, an dieser Stelle ist die Europäische Union gefragt. Wenn es alleine nicht funktioniert, dann verweise ich auch auf Frankreich, wo man bereits einen Schritt nach vorne getan hat. Als nächstes wäre in Deutschland ein guter Schritt nach vorne zu machen, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Saarländerinnen und Saarländer, auch in diesen Tagen haben wir wieder Weihnachtskarten geschrieben. Wenn wir uns treffen, natürlich nicht zahlreich und vor allem mit Abstand, wünschen wir uns ein gutes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr. Wir müssen heute sicherlich feststellen, dass der Wunsch des
letzten Jahres, nämlich ein gutes Jahr 2020 zu haben, nicht in Erfüllung gegangen ist. Wir können hoffen und vor allem als Politik viel dafür tun, dass die Wünsche, die wir jetzt aussprechen, für die Saarländerinnen und Saarländer im kommende Jahr 2021 besser und umfänglicher in Erfüllung gehen.
Dafür müssen wir auch weiterhin bereit sein, harte Maßnahmen zu entscheiden. Dies tun wir gerne selbstkritisch im Rückblick, vor allem aber mit Ausblick und mit Weitblick. Wir müssen uns an die Kontaktbeschränkungen halten, wir dürfen in der Verordnung nach nicht einem Schlupfloch suchen, das man für sich persönlich definiert, nach dem Motto: „Nur ich mache das, sonst niemand, deswegen kann es ja nicht so schlimm sein.“ - Wir müssen uns wirklich überlegen, ob wir uns immer im großen Kreis treffen müssen oder ob es nicht auch die kleine Runde tut. Es gilt, an Weihnachten die Kontakte auf ein soziales Minimum zu reduzieren. Ich will das als Zeichen der Solidarität verstanden wissen mit denjenigen, die vielleicht auch gerne ihre Kontakte auf ein Minimum reduzieren würden. Wir haben über die Verkäuferinnen und Verkäufer gesprochen, über die Pflegekräfte und diejenigen, die in den Krankenhäusern oder jetzt auch in den Impfzentren arbeiten. Es ist auch ein Zeichen der Solidarität mit ihnen. Ich finde es gut, dass wir bei aller Kontaktbeschränkung geregelt haben, dass Einrichtungen der Obdachlosenhilfe, die Suppenküche oder der Kältebus in den nächsten Tagen und Wochen ihre wichtige Arbeit für diejenigen erfüllen können, die keine Alternative haben, als auf diese Unterstützung zurückzugreifen. Deshalb an diejenigen, die das organisieren, ein herzliches Dankeschön!
Dies ist auch Ausdruck dessen, dass Kontaktvermeidung nicht soziale Kälte bedeuten muss. Vielleicht hat der eine oder andere auch einmal das Bedürfnis, sich eben nicht nur darüber zu unterhalten, wer an Weihnachten nicht kommen durfte, sondern auch einmal diejenigen anzurufen, die vielleicht gar nicht gekommen wären, die man gar nicht eingeladen hätte, von denen man aber weiß, dass sie ziemlich alleine zu Hause sitzen.
Weihnachten ist immer auch eine Zeit der Besinnlichkeit. Ich habe für mich persönlich den Eindruck, dass mir die Bedeutung des Begriffes nie bewusster war als in diesen Tagen. Ich finde, wir sollten in diesem Jahr die Zeit der Besinnlichkeit mehr als je zuvor auch leben, denn wir sollten uns auf das besinnen, was wirklich wichtig ist, nämlich auf unsere Gesundheit und auf die Gesundheit der Mitmenschen. Lassen Sie uns dieses Jahr an Weihnachten gemeinsam daran denken! Herzlichen Dank, alles Gute!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatten der vergangenen Wochen, auch die Debatte des gestrigen Tages, auch das, was bei vielen Menschen hier im Saarland zu Hause diskutiert wird, ist sehr stark vom Hier und Jetzt geprägt. Es ist geprägt durch die alltäglichen Fragen, die vor allem mit der Corona-Krise zusammenhängen: Wie werden wir es mit Weihnachten und Silvester halten? Welche Geschäfte werden wann noch
geöffnet sein? Was heißt das für die nächste, für die übernächste oder für die darauffolgende Woche? Auf alle diese Fragen müssen wir Antworten geben, vor allem auch auf die Fragen der Wirtschaft, der Unternehmen und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die besonders durch die Corona-Krise betroffen sind.
Maßgebliche Aufgabe eines Doppelhaushalts ist aber auch, Antworten nicht nur auf Fragen des Hier und Jetzt, des Heute und des Morgen zu geben, sondern vor allem auch Antworten auf Fragen des Übermorgen zu geben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, dieser Doppelhaushalt gibt Antworten auf die Herausforderungen und die Fragen des Übermorgen. Dieser Doppelhaushalt stellt eine hervorragende Grundlage dafür dar, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, Zukunft zu gestalten. Das ist es, was mich antreibt und was mich auch veranlasst, Sie zu bitten, diesen Doppelhaushalt so zu verabschieden. Denn wir müssen natürlich stabil im Jetzt sein, wir müssen aber auch die Zukunft gestalten können. Das ist möglich auf der Grundlage dieses Doppelhaushalts, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich bin sogar davon überzeugt, dass dieser Doppelhaushalt für das Meistern der Zukunft eine Grundlage legt, wie das noch selten der Fall war. Ich bin seit 2012 Mitglied dieser Landesregierung. Die ersten Jahre waren hinsichtlich der Haushaltsberatungen vor allem dadurch geprägt, dass wir hart miteinander darüber gestritten haben, was alles nicht mehr stattfinden darf, was eingespart werden muss, was wir uns verkneifen müssen, darüber, dass an den Stellen, wo eigentlich den Kosten nach Steigerungen anstünden, nun vielleicht der Leistungsumfang eingeschränkt werden musste. Das war sozusagen das Beratungsumfeld über die vielen, vielen Jahre der Haushaltskonsolidierung.
Nun hat sich sicherlich niemand von uns Corona gewünscht. Niemand hat Corona gebraucht nach der Logik, wir brauchen diese Krise, um etwas Gutes für die Zukunft machen zu können, meine sehr verehrten Damen und Herren. Da nun die Krise aber eingetreten ist, ist es auch unsere Aufgabe, aus dieser Krise etwas Gutes für unsere Zukunft zu machen. Auch das wird von diesem Haushalt als Antwort gegeben.
Neben dem, was im Haushalt an Zahlen für jedermann nachlesbar ist, findet sich auch zwischen den Zahlen ein Text. Dieser Text ist geprägt durch ein „Jetzt erst recht!“. Dieser Text ist geprägt von dem Gedanken: Wir krempeln die Ärmel hoch, denn machen wir das nicht, wird es niemand in diesem Land für die Saarländerinnen und Saarländer tun. Und ganz sicher wird es niemand außerhalb des Saar
landes tun, wenn wir nicht dafür kämpfen und eintreten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Gegensatz zu dem Bild, das der eine oder andere von diesem Rednerpult aus zu zeichnen versucht hat, steht zwischen den Zahlen im Text auch, dass es sich hierbei um ein Signal der Zuversicht für die Zukunft dieses Landes handelt. Nichts ist doch in diesen Tagen notwendiger! Zuversicht zu haben nichts ist gerechtfertigter, wenn man in diesen Haushalt blickt.
Keiner Saarländerin und keinem Saarländer ist geholfen, zeichnet man von hier aus destruktive Weltuntergangsszenarien und sagt dann zum Ende der Rede: Ich hätte ja noch so vieles gewusst, wie man es besser machen kann, leider habe ich keine Redezeit mehr. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist nicht das, was von diesem Hause geleistet werden muss. Deshalb machen wir das auch anders.
Ein Haushalt voller guter Gründe für Zuversicht, wissend natürlich, dass damit noch nicht alles erreicht ist, aber auch wissend, dass auf dieser Basis vieles möglich ist. Dass dieser Haushalt vieles möglich macht, das ist das Entscheidende, meine sehr verehrten Damen und Herren. Jeder Aufbruch in eine neue Zukunft, auch eine neue Zukunft für dieses Land, geht natürlich mit einer korrekten Analyse des Ist-Zustands einher: Wo steht man, welche Herausforderungen gibt es? Was lässt die Zukunft erwarten, was bedeutet das für die Menschen im Land? Zu diesen Fragen ist in der gestrigen Generaldebatte schon sehr viel Richtiges gesagt worden. Unter dem Gesagten gab es gar nicht viel Schönfärberei, vielmehr war die Debatte geprägt von einer großen Portion Realismus. Das ist auch das richtige Vorgehen, das ist an dieser Stelle notwendig. Schönfärberei hilft uns nicht weiter - aber auch Defätismus ist nicht geboten!
Wir stecken ja nicht nur in der Corona-Krise, sondern auch, wie bereits zutreffend dargestellt wurde, in einer Strukturkrise. So kann man das beschreiben. Aus dieser Strukturkrise müssen wir herausfinden, meine sehr verehrten Damen und Herren. Der Strukturwandel und alle Aufgaben, die damit einhergehen, stecken uns ja nicht erst seit Corona in den Knochen. Das hat sich zuvor bereits nicht nur ein wenig abgezeichnet, sondern war an der einen oder anderen Stelle schon sehr deutlich zu erkennen: Diesel-Krise, Brexit, Trump mit seiner Handelspolitik. Zu erwähnen ist aber natürlich auch das, was wir an Vorgaben haben zur Einhaltung des als Klimaschutz Betriebenen. Das alles stellt für uns Herausforderungen dar, das ist zugleich die Beschreibung der sich uns hinsichtlich der Zukunft stellenden Aufgaben.
Auf diese Herausforderung kann man nun auf zweierlei Art reagieren: Die erste Möglichkeit ist, gegen alles zu wettern, die zweite Möglichkeit besteht darin, in die Hände zu spucken und loszulegen. Ich halte sehr viel mehr von der zweiten Möglichkeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht Mauern bauen, sondern Segel setzen - das ist das Motto der Stunde! Dafür haben wir mit diesem Haushalt eine gute Grundlage gelegt.
Ich möchte noch etwas klarer darlegen, was neben den Zahlen noch in diesem Haushalt steht, was sich in diesem Einzelplan ausdrückt: Der Einzelplan 08 ist im Grunde auch der Masterplan für die Zukunft dieses Landes. Darin kann man nämlich auch lesen, dass der Strukturwandel nicht etwas ist, das einfach „über einen kommt“, das man über sich ergehen lassen muss, das man erdulden, das man erleiden muss. Der Strukturwandel stellt vielmehr eine Gestaltungsaufgabe gleichermaßen für Politik, Wirtschaft, Kammern, Verbände, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für die Unternehmerinnen und Unternehmer dar. Das ist eine Gestaltungsaufgabe, und nimmt man sie an, bieten sich auch Gestaltungsmöglichkeiten und Gestaltungschancen, um mit diesem Land in eine gute Zukunft zu gehen. Auch diese Erkenntnis ist wichtig, denn andernfalls können wir hier die Bücher zuklappen, können wir den Haushalt zur Seite legen, können wir nach Hause gehen - und müssen mit der Annahme leben, dass das vielleicht eine der letzten Haushaltsberatungen für dieses Land gewesen ist. Das möchte aber doch niemand. Im Gegenteil, wir wollen die Chance zum Aufbruch nutzen. Das ist der richtige Ansatz, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Strukturwandel bedeutet für mich der Definition nach auch Kontinuität, wo sie möglich ist, aber eben auch Neuanfang, wo er nötig ist. Das ist meine Definition von Strukturwandel: Kontinuität, wo sie verfolgt werden kann, Brüche vermeiden, um Sicherheit im Wandel zu geben - gleichzeitig aber nicht dort auf etwas zu beharren, wo sich alles ändert. Deshalb muss auch dem Wandel eine Chance gegeben werden und müssen Neuanfänge ermöglicht werden.
Angesichts dessen gefallen mir auch die Reden nicht, die Vertreter der AfD von diesem Rednerpult aus halten. Sie tun immer so, als könnten wir die Geschicke dieser Welt aufhalten. Sie tun so, als müssten wir uns den Entwicklungen einfach nur stark genug entgegenstemmen, und dann würde es allen Industriearbeitern in diesem Land unfassbar lange gut gehen. Sie tun so, als würden wir das nicht machen, weil wir die Industriearbeiter im Stich lassen wollten. - Dieses Bild ist grundfalsch! Diese Denkweise ist gefährlich für alle diejenigen, für die wir in diesem Land Politik machen. Sich dem Wan
del nicht zu stellen, darauf zu verzichten, ihn gestalten zu wollen, das wäre geradezu ein Verrat an diejenigen, für die Sie von der AfD sprechen zu können glauben. Sie sind der falsche Fürsprecher! Sie führen die Leute ins Verderben! Wir hingegen versuchen, die Aufgabe anzunehmen und den Wandel zu gestalten. Das ist unsere Verantwortung, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Es ist gut, dass, wenn auch nicht alle, doch viele in diesem Land diese Zusammenhänge erkannt haben. Die Strukturwandel-Initiative ist eine Gelegenheit, bei der man zusammenkommt, um diese Zusammenhänge miteinander zu diskutieren. Man überlegt, was getan werden muss, wer an welcher Stelle welchen Beitrag zum Gelingen leisten kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, am Anfang dieses Prozesses sollte, wie ich finde, zumindest die selbstbewusste Aussage stehen - und die Geschichte bestätigt uns, dass das keineswegs nur ein Pfeifen im Walde wäre: Wir in diesem Land können Strukturwandel! - Warum sollten wir nicht daran glauben, dass es auch dieses Mal eine Erfolgsgeschichte für dieses Land werden kann? Das ist die Ausgangsposition, und sie ist durchaus mit mehreren Zielen versehen.
Der Erhalt der Schlüsselindustrien ist eines der relevantesten Ziele in diesem Land. Das sind vielleicht nicht die Schlüsselindustrien in der Form, wie wir sie jetzt haben - sogar ganz sicher nicht genau so, wie wir sie jetzt haben. Entscheidend ist aber eben der Erhalt der Schlüsselindustrien: Automobil, Stahl, Maschinenbau. Der Maschinenbau wird oftmals gar nicht genannt, weil er so mitläuft, aber auch er ist ein wesentlicher Bestandteil der wirtschaftlichen Wertschöpfung in unserem Land. Der Erhalt der Schlüsselindustrien bedarf einer Neuausrichtung der Produkte, aber eben auch einer Weiterentwicklung der Produktionsverfahren und damit auch einer Stabilisierung der Wettbewerbsfähigkeit.
Daneben, neben dem Erhalt der Schlüsselindustrien, bedarf es aber auch einer breiteren Aufstellung der saarländischen Wirtschaft. Hat man die Wirtschaftspolitik in diesem Lande verfolgt, hat man vielleicht sogar versucht, sie mitzugestalten, wird man immer wieder dieses „Wir sind zu sehr abhängig von …“ gehört haben. Vom Bergbau, so hieß es, der ist dann aber weggefallen. Daraufhin wurden andere Branchen stark vorangebracht. Jetzt sagen wir, wir sind zu sehr abhängig von Stahl und Automobil. Die Zahlen belegen das ja auch: Betrachtet man, wie groß der Anteil der Automobilwirtschaft im weiteren Sinne am Bruttosozialprodukt in diesem Land ist, erhält man einen klaren Hinweis, dass man sich tatsächlich breiter aufstellen sollte. Deshalb muss das zweite Ziel, neben dem Erhalt der Schlüsselindustrien, darin bestehen, weitere Branchen in diesem
Land stark zu machen und groß aufzustellen, um die Krisenanfälligkeit im Fall, dass bei einem wesentlichen Industriebereich, bei einer Wirtschaftsbranche Veränderungen anstehen, zu vermindern. IT, IT-Sicherheit, Künstliche Intelligenz, die Gesundheitswirtschaft im weiteren Sinne, sie alle möchte ich an dieser Stelle einmal nennen.
Es ist gut, sich diese Branchen im Detail anzuschauen und zu betrachten, wo die spezifisch saarländischen Chancen einer Weiterentwicklung liegen. Zu sagen, dass wir das können, ist das eine. Zu sagen, wie wir das schaffen, das ist das andere. Wie das funktionieren kann, darauf gibt dieser Einzelplan sehr viele Antworten. Wie das gehen kann, dafür gibt es durchaus eine Idee. Wir arbeiten bei uns im Haus nun wirklich schon seit Monaten und Jahren an dieser Idee, wie das funktionieren kann.
Eine der wesentlichen Antworten darauf lautet: Investition, Investition im umfassendsten Sinne. Deshalb ist es wichtig, dass wir zu Beginn dieser Legislaturperiode von einem „Jahrzehnt der Investitionen“ gesprochen haben. Das, was wir uns zu Beginn dieser Legislaturperiode darunter vorgestellt haben, hat noch Weiterungen erfahren, die wir uns noch gar nicht vorstellen konnten, als wir den Koalitionsvertrag miteinander zu Papier gebracht haben. Aber auch diese Weiterungen sind wichtig und notwendig. Einige dieser Weiterungen, die ich für wichtig und notwendig halte und von denen ich glaube, dass sie uns voranbringen, möchte ich diesem Zusammenhang nennen.
Wirtschaft braucht Platz. Das haben wir gerade beim Beispiel der Ansiedlung von SVOLT gesehen. Angesichts dessen ist es richtig, dass mit diesem Haushalt die Summe von 65 Millionen Euro in die größte Industriegebietsflächenerschließung im Südwesten dieses Landes investiert wird; Stichwort Masterplan Industrieflächen 2.0. Das ist eine der großen Leitinvestitionen, die wir auf den Weg bringen werden. Davon wird eine Reihe von Flächen in diesem Land profitieren.
Wir werden diesbezüglich auch einige Debatten zu führen haben; schon im Zuge der gerade geführten Debatte im Kontext der Ansiedlung von SVOLT hat es ja interessante Rückmeldungen gegeben. Auch die Frage, ob andere, ob näher gelegene Flächen zum Zuge kommen, wird zu Beginn des neuen Jahres zu debattieren sein. Saarlouis hat sich entschieden, in diesem Zusammenhang die Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen. Ich kann nur dafür werben, dass wir das, was wir mit SVOLT auf den Weg gebracht haben, jetzt nicht gleich wieder abwürgen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich kann hier nur an das Verantwortungsbewusstsein aller appellieren. Eines möchte ich hier auch sagen, auch
wenn das vielleicht nicht jedem in Saarlouis gefällt: Das Motto „Schöner Wohnen für mich statt Arbeitsplätze für andere“ kann kein Motto sein, das dieses Land nach vorne bringt, meine sehr verehrten Damen und Herren! Deshalb müssen wir es möglich machen, weitere Unternehmen in diesem Land anzusiedeln. Dafür müssen alle werben, und dabei kann man in diesem Land nicht montags so und dienstags wieder anders reden.
Es gibt eine weitere Leitinvestition: Messe- und Kongresswesen, 100 Millionen Euro. Alex Funk weiß, wie die Entscheidungen zustande gekommen sind. Das ist ein wirklich großes Projekt für dieses Land. Es befindet sich auch nicht mehr im Stadium irgendeiner Projektskizze, sondern im Stadium „Wir machen das“. In diesem Haushalt ist das gegenfinanziert zu den Geldern, die die Stadt dafür zur Verfügung hat: 100 Millionen Euro, die in das Messe- und Kongresswesen in diesem Land investiert werden, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist das Gegenteil von Weltuntergangsstimmung, das ist Zukunft, die sich in Zahlen und letztlich auch in Gebäuden ausdrückt!
Der CISPA-Innovation-Campus, 20 Millionen Euro. Er ist auch Ausdruck für das, was wir uns vorstellen: Das Investieren in Forschung, in die Reputation, die das Saarland, die die Hochschulen, die die Forschungsinstitute, die die An-Institute in diesen Standort einbringen können, ist gut und wichtig. Das ist die Grundlage, aber sie muss auch weiterentwickelt werden. Aus den Forschungsmillionen müssen Arbeitsplätze für Saarländerinnen und Saarländer werden. Dass das stattfinden kann, das zu ermöglichen ist unsere Aufgabe. Dafür bedarf es der Vernetzung, dafür bedarf es der Förderung, dafür bedarf es der Unterstützung, dafür bedarf es auch wieder der Räume. Auch daran arbeiten wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist gemachte Zukunft, das Gegenteil von Weltuntergangsstimmung in diesem Land!
Entsprechendes gilt für das HIPS. Man muss sich in der Tat, Herr Flackus, die Zahlen dazu anschauen. Und es erscheint mir sicherlich auch nicht unklug, einmal zu schauen, wo sich die besseren Anknüpfungspunkte finden. Das Thema Medizintechnik finde ich ja durchaus spannend, man muss aber doch auch schauen, wo sich die Anknüpfungspunkte finden lassen, worauf man aufsatteln kann, was man weiterentwickeln kann. Das HIPS bietet mit allem, was dort läuft, einen unglaublich guten Anknüpfungspunkt. Nur weil das Institut möglicherweise noch nicht so häufig in der Zeitung gestanden hat wie das CISPA, ist es doch keineswegs geringer zu schätzen. Nein, das ist ein weiteres massives Stand
bein, das wir haben. Deshalb ist es gut, dass es uns gelungen ist, den Bund zu überzeugen, diese Einrichtung ebenfalls gut zu finden und 47 Millionen Euro dafür lockerzumachen. Aus dem HIPS kann man etwas machen, und wir wollen auch etwas daraus machen, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Investieren in den Tourismus, auch dort natürlich in die Leuchttürme: für das Weltkulturerbe Völklinger Hütte zusätzlich rund 20 Millionen Euro. Was kämpfen wir immer darum, ein paar hunderttausend Euro für ein solches touristisches Objekt zu haben, das damit in der Lage ist, uns immer wieder ein Vielfaches davon einzuspielen. Dass es uns gelungen ist, diese Finanzierung hinzubekommen, stellt einen bedeutsamen Hebel dar. Denn das Weltkulturerbe ist eine der wichtigen Säulen des saarländischen Tourismus - dies neben vielen privaten Investitionen. Insofern stellt übrigens, so denke ich, der Tourismus ein weiteres Beispiel dafür da, dass es keineswegs immer nur um die öffentliche Investition geht. Sicher, die öffentliche Investition muss es geben, sie muss bisweilen initial wirken, sie muss auch unterstützend gegeben werden. Es ist aber durchaus möglich, sehr viel privates Invest anzuschieben. Im Tourismus findet das ständig statt, die Anzahl der neuen, besten Hotels, die mit dazugekommen sind, die Renovierung von bestehenden et cetera, das ist ein gutes Beispiel dafür, wie mit öffentlichen Investitionen auch private angereizt werden, geradezu ein Idealfall, meine Damen und Herren!
Ich will noch einen weiteren Bereich der Investitionen in diesem Land nennen, der jetzt nicht im Einzelplan 08 steht, aber für den 08 und als Symbol für die Wirtschaft unfassbar wichtig ist, nämlich die ganzen Millionen, die wir in die digitale Bildung in unseren Schulen stecken. Wir stecken sie natürlich nicht nur in die Geräte, sondern wir stecken sie vor allem in die Köpfe unserer Kinder in diesem Land. Wenn man das alles zusammenrechnet, sind das über 120 Millionen Euro, die es uns ermöglichen, auf die Schnelle in ein völlig neues Zeitalter der digitalen Bildung überzugleiten.
Niemand von uns hätte damals gedacht, als wir diesen Koalitionsvertrag unterschrieben haben, dass wir einen dreistelligen Millionenbetrag zur Verfügung haben werden, um das Thema digitale Bildung voranzubringen, um die Schulbuchausleihe 2.0 auf den Weg zu bringen. Das ist auch eine wesentliche Leitinvestition in dieses Land und das ist eine Grundlage dafür, dass wir darüber reden können, dass der IT-Standort Saarland nicht nur etwas ist, was erst an der Universität anfängt, sondern etwas, das von unten aufwächst und dafür eine gute Grundlage hat.
Deshalb bin ich froh, dass uns das gelungen ist, denn das ist eine wirkliche Zukunftsinvestition.
Die Investitionen im Verkehrsbereich sind mittlerweile in einer Höhe, wo man sagen kann, dass uns das wirklich einen Schub nach vorne geben kann. Ich komme nachher noch einmal darauf zu sprechen, gerne auch mit den Nachfragen, die der Kollege Flackus dazu gestellt hat.
Wenn ich vom Verbreitern rede, dann bin ich den Fraktionen sehr dankbar, dass das Thema Starterhaus so prominent an dieser Stelle platziert ist - die Kolleginnen und Kollegen haben es erwähnt, HansPeter Kurtz, die Kollegin Gillen ist noch einmal darauf eingegangen -, dort geht es um eine Zukunftsagentur des Gründens, und zwar zusätzlich zu denen, die wir schon an den Hochschulen haben. Denn eines müssen wir auch wissen: Nicht alle wollen an die Hochschule gehen, um von dort aus ihre Gründung zu starten, sondern es gibt auch eine Reihe von anderen, die gründungswillig sind, denen wir einen Ort der Vernetzung geben müssen, denen wir einen Ort der Beratung geben müssen. Deshalb ist es gut, dass diese Zukunftsagentur unterstützt wird, dass sie auf den Weg gebracht wird, damit aus Interessierten Gründerinnen und Gründer werden und am Ende damit auch erfolgreiche Saar-Unternehmerinnen und Saar-Unternehmer.
Einen letzten Punkt will ich ansprechen, wenn es um den Bereich Investitionen geht, denn was wir im Landeshaushalt machen, ist das eine. Wenn gestern über die Investitionsschwäche der öffentlichen Hand hier im Haus gesprochen worden ist, dann heißt das immer auch, die Investitionsschwäche der Kommunen mit zu betrachten. Das ist nicht ganz unerheblich. Wir haben jetzt einiges noch einmal draufgepackt, ich glaube allerdings, dass Haushaltsberatungen in kommunalen Parlamenten nicht davon geprägt sind, dass im Moment überall noch draufgepackt werden kann.
Deshalb ist es eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft, wenn wir in diesem Land nicht nur auf einem Bein stehen wollen, dafür zu sorgen, dass die Kommunen in die Lage versetzt werden, in diesem Land wieder als Investor aufzutreten, als Investor in Infrastruktur, die ganz maßgeblich die Lebenswelt aller Saarländerinnen und Saarländer prägen wird. Deshalb bleibt die zentrale Forderung, dass das Thema Altschulden auch vom Bund gelöst werden muss.
Ich glaube, als Land haben wir hier wirklich eine große Aufgabe gelöst - nicht ganz abschließend -, soweit wir unseren Beitrag mit dem Kommunalpakt dazu leisten konnten, der seinen Bestand auch in der Corona-Krise hat und die Kommunen nicht wieder auf den Zustand davor zurückwirft, sondern das, was wir bis dahin erreicht haben, erhalten kann. Es
muss aber auch eben das dazu, was der Bund dazu zu geben hat, und deshalb bleibt die zentrale Forderung: Es braucht eine Altschuldenlösung für die Kommunen, es muss quasi eine Stunde null für die saarländischen Kommunen erkämpft werden, wenn nicht durch diese Bundesregierung, dann durch die nächste, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich will einen zweiten Aspekt hinzufügen, zu Beginn des Jahres war das ein sehr spannendes Thema: Ich glaube, es muss auch einen Politikwechsel geben. Das alleinige Geben von Geld ist offensichtlich nur die Hälfte der Miete, wenn man sich anschaut, was das mit Blick auf Kofinanzierungsanteile bedeutet. Zu sagen, wir geben dir, wenn du auch gibst, wenn derjenige, der geben soll, nichts in der Tasche hat, ist keine wirkliche Hilfe. Deshalb braucht es an dieser Stelle bei dem, was der Bund gibt, aber auch bei dem, was wir geben, ein Umdenken.
Es nützt nichts, die tollsten Förderprogramme auszurufen, wenn sie am Ende nur dazu führen, dass die Schere zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen Regionen/Kommunen weiter auseinandergeht und einige von diesen Töpfen überhaupt nichts abrufen können, weil ihnen schlicht die Möglichkeiten zur Kofinanzierung fehlen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deshalb finde ich, dass Förderprogramme, für die Kommunen einen Eigenanteil aufbringen müssen, verschärft zur Spaltung in einigen Regionen beitragen und dafür deshalb ein anderer Modus gefunden werden muss, als wir ihn jetzt haben.
Wir haben es schon ein bisschen bei der Erschließung von Gewerbegebieten und in der Tourismusförderung aufgegriffen, aber es kann auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein, dass wir am Ende Förderprogramme machen, bei denen wir regelmäßig 95 Prozent der Kosten übernehmen. Wir können auch nicht weiter zuschauen, wie gut gemeinte Programme, auch des Bundes, nicht allen Kommunen helfen, sondern nur an einigen Stellen in Deutschland. Das kann zumindest keine saarländische Sicht auf die Dinge sein, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich will neben dem Stichwort der Investitionen das zweite wichtige Stichwort benennen. Wenn man Strukturwandel hinbekommen will, dann muss man auch etwas machen, und zwar neben dem Investieren. Das heißt, man braucht Instrumente. Zwei sehr prominente neue Instrumente sind eben schon genannt worden, die Themen Eigenkapitalgesellschaft und Transformationsmanagement-Gesellschaft. Mit dem Aufsetzen sind wir schon vor Corona gestartet und haben das so weit in kürzester Zeit operationalisiert. Der Haushaltsgesetzgeber wird hoffentlich heute Abend auch die dafür notwendigen Mittel zur
Verfügung stellen, meine Stimme ist zumindest schon einmal sicher, denn ich weiß Gutes damit anzufangen.
Ich habe eben versucht zu erklären, was die Zahlen in einer Lesart bedeuten können, denn das ist etwas, was auch einer Lesart bedarf. Das ist Ausdruck eines Verständnisses von Wirtschaftspolitik. Wir haben, bevor sich der Strukturwandel abgezeichnet hat, mit 10 Jahren Wirtschaftswachstum zu tun gehabt, wo diejenigen, die der Auffassung waren, man müsse das alles nur laufen lassen, dann werde das schon gut, natürlich ein Argument bekommen haben. Aber in Zeiten, in denen der Wandel ansteht, in denen es darum geht, dafür zu sorgen, dass nicht allzu viele - am besten nur ganz wenige, und auch die nicht mit aller Härte - auf der Strecke bleiben, gilt der Grundsatz, der Markt wird das schon richten und die Politik hat sich rauszuhalten, nicht. Da geht es um aktive Wirtschafts- und Strukturpolitik. Dann muss die Politik, an die massive Ansprüche von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und von den Unternehmen gestellt werden, dazu Instrumente schaffen, an die man glaubt, damit man diesen Anforderungen, denen man ausgesetzt wird, auch gerecht werden kann. Dann kann man nicht sagen: Wir können da jetzt auch nichts machen. Deshalb ist es nach meiner festen Überzeugung sehr, sehr richtig, dass wir diese Instrumente geschaffen haben, wir werden womöglich noch viel mehr auf der Strecke brauchen. Es wird sich zeigen, wo dort noch weitere Bedarfe sind. Das entspricht vielleicht nicht dem Zeitgeist, auch nicht von jedem Journalisten, auch nicht von solchen, die ich besonders schätze. Wenn dann getitelt wird, dass das eine Instrument unnötig und das andere zu riskant sei, dann finde ich, dass das Begleiten von Menschen von dem einen Arbeitsplatz, bei dem sie gerade in ihrer Existenz bedroht sind, hin zu einem anderen Arbeitsplatz, wo gerade händeringend Fachkräfte gesucht werden, keine unnötige Aktion des Staates ist, sondern eine notwendige und kluge Politik, und deshalb bin ich froh, dass wir dieses Instrument haben.
Zum zweiten Argument, es sei zu riskant: Das mag vielleicht lapidar klingen, aber wenn ich in den letzten Monaten, vielleicht sogar auch Jahren, nur das gemacht hätte, was nicht riskant war, dann wäre einiges nicht gelaufen. Dann hätten wir Nedschroef und Whitesell und andere, wo wir ins Risiko gegangen sind, nicht auf der Liste gehabt. An der Stelle finde ich auch: Das, was wir anderen abverlangen, an Risiko zu nehmen, das mindestens müssen wir als Staat auch bereit sein, zu nehmen. Deshalb ist das weder unnötig, noch unnötig riskant, sondern genau richtig und eine Antwort auf die Herausforderungen dieser Zeit, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wir haben weitere Instrumente, sie sind schon in der Debatte genannt worden: Rückholagentur - ich mache das nur, um das Bild abzurunden und nicht, um unnötig zu wiederholen -, die Gründungs- und Wachstumsfinanzierung. Um zusammen mit den Zuschüssen, die wir geben, einfach mal ein Preisschild dranzuhängen: rund 50 Millionen Euro, damit wirklich aus Mitteln Träume, Hallen, Geschäfte und am Ende auch Jobs entstehen können. Alles das ist gut angelegtes Geld, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wir haben die Qualifizierung mit 5 Millionen Euro noch einmal aufgestockt, denn auch das ist wichtig: Neue Aufgaben bedürfen der neuen Qualifizierung und niemand darf überfordert sein. Wir dürfen nicht zulassen, dass auf der einen Seite Fachkräfte gesucht werden und es auf der anderen Seite welche gibt, bei denen es nur noch nicht genau passt, wir aber einiges dafür tun könnten, dass es passend gemacht werden kann.
Zum Thema Frauen in Arbeit und Wanderarbeiter haben die Kollegen Roth und Speicher es sehr zutreffend geschildert. Ich will dem auch nur einen Obersatz geben. Ja, es geht immer viel um Zahlen, gerade in einer Haushaltsberatung, aber bei Arbeitsplätzen geht es eben nicht immer nur um Zahlen, sondern um Respekt, Würde und den Wert von Arbeit. Einige - trotz geschaffener Arbeitsplätze - können nicht für sich in Anspruch nehmen, dass ihnen genug Respekt, Würde und Wertschätzung entgegengebracht wird. Wo wir als Staat die Verpflichtung haben, dafür zu sorgen, dass die Arbeitsbedingungen dementsprechend sind, dort kommen wir dem auch nach. Es ist das Mindeste, dass man eine solche Beratungsstelle finanziert, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich will kurz auf die Schlüsselindustrien zu sprechen kommen, das Thema Stahl ist eben auch angesprochen worden. Ja, ich bin auch der Auffassung, dass es gar nicht mehr entscheidend nur die Frage sein wird, ob genug Geld da sein wird, um die Investitionen zu tätigen, vielmehr wird entscheidend sein, ob das, was als Technologie momentan erdacht wird, tatsächlich auch in der praktischen Umsetzung schon funktioniert, Stichwort: Grüner Stahl oder was ist die Zwischenlösung und wie bekommen wir sie hin? Ich sage noch einmal an der Stelle, ich habe es schon mehrfach gesagt, das Thema Gaskraftwerk als Ersatz für die abgeschalteten Kohlekraftwerke ist insofern zwar ein technisches, aber ein nicht ganz unwesentliches Thema für dieses Land.
Ich will aber auch darauf hinweisen, dass neben den technologischen Rahmenbedingungen vor allem auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entscheidend dafür sein werden, ob ein Unternehmen sich entscheidet, diesen Weg der Dekarbonisierung
gerade in der Stahlindustrie mitzugehen. Da besteht Handlungsbedarf. Ein Handlungskonzept Stahl heißt offensichtlich noch nicht, dass man auch handelt. Das Handlungskonzept ist gut, aber es muss auch gehandelt werden. Da, glaube ich, ist eines notwendiger denn je: Eine abgestimmte deutsche industriepolitische Position in Europa! Nur so werden wir überhaupt einen Ansatzpunkt finden, um all die Fragen des Handels- und Beihilferechts so ausgestalten zu können, dass die Dekarbonisierung in der Stahlindustrie überhaupt ein gangbarer Weg für die Unternehmen in diesem Land ist.
Ich muss ehrlich sagen, da ist bislang zu wenig geschehen, gerade auch ob der Tatsache, dass wir den Ratsvorsitz in der Europäischen Union haben. Der geht bis Ende des Jahres, lang ist das Jahr nicht mehr. Mir scheint es eine vertane Chance zu werden, das dürfen wir nicht zulassen, gerade aus saarländischer Sicht nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich weiß ja, dass die Kommission zum Frühjahr hin daran arbeitet, mal ihre Vorstellungen davon zu entwickeln, wie der Green Deal nicht nur mit Zielen ausgefüllt wird, sondern wie vielleicht auch begleitende Maßnahmen ausgestaltet werden können. Ich hoffe, dass das ausreichend ist, was man dazu an Ideen in der Kommission entwickelt. Der Green Deal, über den alle reden, muss ein Social Green Deal sein, denn sonst taugt er nicht für dieses Land, und das ist die Aufgabe, die es zu erfüllen gilt!
Wir haben dazu in unserem Land eine Reihe von Ansätzen entwickelt. Das Thema Wasserstoffstrategie ist dabei ein ganz wesentliches, das HydroHub in Fenne, mit allen Bemühungen, die daran hängen, mit allen Möglichkeiten, auch grenzüberschreitend etwas zu machen. Aber auch wichtige Investitionsentscheidungen in den Unternehmen, ich brauche es nicht zu wiederholen, gestern wurde Bosch angesprochen, stehen noch aus.
Das gilt ganz sicher für den Standort Saarlouis der Firma Ford, dort gibt es Entscheidungen für Köln. Es mag sicherlich auch erklärbar sein, dass sie jetzt für Köln getroffen worden sind. So, wie eben die Produktionszyklen sind, ist Köln zunächst einmal dran. Trotzdem muss man schlicht und ergreifend feststellen, das Nichtentscheiden dauert schon quälend lang, nicht nur für uns, sondern erst recht für die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deshalb wäre es gut, wenn das Unternehmen eine klare Botschaft sendet, und aus unserer Sicht kann das nur eine sein, nämlich ein Bekenntnis zum Standort in Saarlouis!
Es muss damit natürlich die Frage beantwortet werden: Was ist das denn für ein Auto, das in Saarlouis produziert wird? Welchen Antrieb soll es haben? Ist es ein Hybridauto oder will Ford zukünftig nur noch vollelektrische Fahrzeuge bauen? Auch das ist eine Möglichkeit. Aber das ist eine Frage, die kann niemand von hier, auch nicht aus der saarländischen Landesregierung, entscheiden. Diese Frage muss Ford auf der Grundlage verlässlicher Rahmenbedingungen entscheiden. Eines wird sicherlich nicht gehen, meine Herren von der AfD: Dass man hier vormacht, dass alles das, was an Klimaschutzvorgaben auf den Weg gebracht wird, noch einmal weggewischt werden kann und die Welt an dieser Stelle wieder gut wird.
Ich hoffe, dass das, was an Optimismus, an Freude und - so wie ich es wahrgenommen habe - auch an Stolz in Zusammenhang mit der SVOLT-Ansiedlung im Saarland noch einmal aufgekommen ist, etwas ist, das sich fortsetzen lässt, nicht nur, was das Ansiedlungsgeschehen angeht, sondern auch, was das Gefühl und das Selbstbewusstsein der Saarländerinnen und Saarländer angeht, und dass sie gemeinsam mit mir an das Auto der Zukunft glauben, das sinnbildlich für diese gute Zukunft steht.
Im Übrigen, Herr Kollege Hecker, 30 Prozent der Wertschöpfung bei einem Elektrofahrzeug stecken in der Batterie und das Bild des Autos der Zukunft ist eines, das mehr ist, als nur den Antriebsstrang zu diskutieren. Wir haben noch gar nicht über das autonome Fahren gesprochen, das Auto als digitale Plattform, was sicher sein muss, wo auch die IT und die IT-Sicherheit etwas dazu beitragen können. Ich glaube, dass das Saarland wirklich der Ort ist, an dem man gewesen sein muss, wenn man das Auto der Zukunft bauen will, am besten baut man es sogar noch hier, wir haben auf jeden Fall die Angebote dafür, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich will abschließend Bemerkungen zum Verkehrsbereich machen, weil das ein wichtiger Bereich ist, wenn man über die Zukunft des Landes spricht. Dort ist der Anteil, den wir an Investitionen in den nächsten Jahren tätigen werden, ein richtiger Bauplan, wie man die moderne Mobilität der Zukunft ausgestalten kann. Wir werden rund 200 Millionen Euro in den nächsten 10 Jahren in den saarländischen ÖPNV investieren. Rund 200 Millionen Euro, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich behaupte, dass es in diesem Land noch kein so umfassendes Konzept gegeben hat, wie wir diesen ÖPNV der Zukunft ausgestalten werden, wie wir es derzeit vorliegen haben mit dem Verkehrsentwicklungsplan ÖPNV, mit der Tarifreform und auch mit dem, was wir uns vorgenommen haben, um die Strukturen so aufzustellen, dass sie vor allem dazu
dienen, dass der ÖPNV noch nutzerfreundlicher und noch mehr Begeisterung auslösen wird.
Zur Verschiebung - aus Sicht der Opposition kann ich es jetzt noch nachvollziehen - der Tarifreform: Die Reform war geplant zum 01.01., Corona kam uns dazwischen. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren in den letzten Monaten damit beschäftigt, dafür Sorge zu tragen, dass wir überhaupt noch Verkehrsunternehmen haben, dass wir überhaupt noch Busunternehmen haben, die mit einem neuen Tarif unterwegs sein können, weil sie nämlich mit Einbrüchen bis fast 90 Prozent bei den Einnahmen zu rechnen hatten und wir dafür gesorgt haben, dass alle Einnahmeverluste durch Bund und Land ausgeglichen werden. Insofern finde ich, ist ein halbes Jahr Verzögerung verkraftbar und nachvollziehbar, wenn man sich an der Stelle darum gekümmert hat, dass es überhaupt funktioniert!
Zweiter Punkt: Selbst wenn die Mitarbeiter im letzten Dreivierteljahr nur Däumchen gedreht hätten, wir müssten den Start der Tarifreform ohnehin verschieben. Stellen wir uns doch einmal vor, wie das wäre, wenn wir zum 01.01. oder vielleicht 01.04. mit dem Werben für die Tarifreform starten würden, denn das soll es ja sein, ein Einladen zum Busfahren! Die Kanzlerin verkündet drei Wochen vorher: „Bleibt draußen aus den Bussen, weil alles gefährlich ist!“, und wir schalten Anzeigen: „Kommt rein, jetzt ist es günstiger!“.
Um ehrlich zu sein, dass ist jetzt nicht die Politik, die ich an der Stelle für sinnvoll halte. Deswegen, unabhängig davon, wie weit wir mit den Vorbereitungen waren, wollen und werden wir es ganz bewusst verschieben, denn es soll auch ein Restart des ÖPNV sein, allerdings zu einer Zeit, zu der wir wirklich neue Kunden für den ÖPNV gewinnen können, und das ist nicht der Januar oder der März, sondern hoffentlich die Mitte des Jahres, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Zu den einzelnen Themen der Ausgestaltung des ÖPNV: Ich komme gerne wieder in den Ausschuss, um das alles noch zu erläutern. Ich will nur mit einem aufräumen, weil eben gesagt worden ist, es gäbe keinen Sozialtarif. Das ist schlicht nicht richtig, aber das können wir gerne separat im Ausschuss miteinander diskutieren. Es gibt eine ganze Reihe von Tarifen, sie sind vor allem so ausgestaltet, dass das leidige Thema der Waben keine Rolle mehr spielt.
Die Mobilitätsimpulse hat die Kollegin Sarah Gillen hinreichend geschildert. Sie setzen an der Stelle an, wo wir ansetzen müssen, nämlich den Kommunen zu helfen. Sie sind wesentliche Umsetzer der neuen Mobilität in diesem Land, auch das ist gut und rich
tig. Radwegebau ist für uns ein zentrales Feld, das bildet sich auch in den Kosten, in den Haushaltspositionen ab. Auch da gehen wir aus dem Sattel und treten für die Kommunen in die Pedale.
Alles in allem ist das eine runde Sache, wie ich finde. Es ist ein Masterplan Zukunft, der geeignet ist, auch begründete Zuversicht bei den Saarländerinnen und Saarländern zu wecken, an ihr Land zu glauben und dafür zu sorgen, dass es eine gute Zukunft wird. In diesem Sinne werbe ich um Ihre Zustimmung. - Herzlichen Dank und Glück auf!
Nein.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Saarländerinnen und Saarländer! Ich will gar nicht mehr so viel zu der allgemeinen Corona-Lage sagen, dazu ist bereits ganz viel gesagt worden. Ich bin Magnus Jung dankbar, dass er das Ganze in einen sehr breiten Zusammenhang gestellt und sich hinter die Maßnahmen, hinter die Entscheidungen gestellt hat. Er hat aber auch gezeigt, wo an der einen oder anderen Stelle zumindest Diskussionsbedarf besteht, gegebenenfalls sogar Handlungsbedarf.
Die Pandemie hat den Globus in eine nie da gewesene Lage versetzt: wirtschaftliche Einschränkungen mit existenziellen Ängsten, Menschen die einsam sind, Menschen, die Angst haben, die verunsichert sind. Alles das ist nicht nur sehr vereinzelt, alles das ist keine Ausnahme, sondern das ist in der Bevölke
rung breit zu spüren, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich will auf den Versuch eingehen, der eben gestartet worden ist, ein Bild zu zeichnen dies vornehmlich hier auf dieser Seite -:
Die, die da oben sitzen, wissen nicht, was da unten gedacht, gemacht und gefühlt wird. Ich weise diese Unterstellung und das Bild zurück, das gezeichnet worden ist von „die da oben und wir da unten“, möge sie literarisch noch so wertvoll mit Zitaten hinterlegt worden sein!
Das trifft nicht die Lage, das beschreibt nicht das Bild unseres täglichen Handelns, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich kann für mich beschreiben, jeder, der hier sitzt, kann wahrscheinlich für sich beschreiben, was den Arbeitsalltag ausmacht. Ich habe mal gesagt, wir haben zwar nicht wie bei der Flutkatastrophe die Gummistiefel an, aber so ähnlich geht es auch in den Regierungen zu, in dem, was wir täglich tun.
Ich habe Unternehmerinnen und Unternehmer vor mir sitzen, wo Teile der Familie aus Sorge schon krank geworden sind, sie sitzen weinend dort. Ich habe Leute am Telefon, am Handy, am Bürgertelefon, per Mail, per Facebook, die mir beschreiben, was das heißt, jetzt mit zu wenig Geld auszukommen, weil man in Kurzarbeit ist, weil der Minijob weggefallen ist, oder die mir die familiär angespannte Situation schildern. Wir alle haben mittlerweile sicherlich von irgendjemandem gehört oder sind sogar selbst davon betroffen, dass man liebe Angehörige oder Freunde im Krankenhaus oder im Altenheim nicht in dem Maße besuchen kann oder - das ist wirklich am allerschlimmsten - auch nicht in der Sterbephase begleiten kann. All das trifft auf uns zu, das trifft auch auf Sie zu. Deshalb verwahre ich mich gegen dieses zu einfache Bild: Die da oben und wir da unten, und keiner weiß Bescheid. Deshalb muss das einer mal von dieser Stelle aus sagen: Das ist nicht korrekt, das ist nicht in Ordnung! Ich lasse nicht zu, dass dieses Bild in der Öffentlichkeit gezeichnet wird!
Ich will versuchen, diesen Widerspruch etwas aufzulösen, wenn das überhaupt geht: Gesundheitsschutz auf der einen Seite und wirtschaftliche Einschränkungen mit existenziellen Nöten auf der anderen Seite. Es wird gesagt, dass man sich für das eine oder das andere entscheiden muss, und wer sich falsch entscheidet, ist einer, der ohne Verantwortung handelt. Auch das halte ich für falsch, meine Damen und Herren. Wir haben im Frühjahr gesehen - so bedrückend es im Frühjahr war, so falsch wäre es, es jetzt im Herbst und im Winter zu vergessen -, dass
es Staaten gibt, europäische Staaten, die vielleicht zu spät und nicht in ausreichendem Maße gehandelt haben, die auch nicht die medizinischen Kapazitäten hatten, wie wir sie hatten, was stimmt, und deshalb nicht so stark in ihr Wirtschafts- und Gesellschaftsleben eingegriffen haben. Aber, meine Damen und Herren, diese Staaten stehen heute wirtschaftlich nicht besser da, sondern sie haben schlicht und ergreifend einfach nur mehr Tote. Deshalb ist das kein Entweder-oder, sondern man muss beides miteinander hinbekommen: gesundheitlicher Schutz und gleichzeitig das Abfedern dieser Maßnahmen. Es ist auch falsch, wenn hier gesagt wird, es gibt nur das eine oder das andere, dann wird die Entscheidung auf jeden Fall falsch ausfallen.
Wenn man diese einschneidenden Maßnahmen auf den Weg bringt, mit allen gesellschaftlichen Auswirkungen, wissen wir natürlich alle miteinander, dass die Gesellschaft, in der wir leben, nie mehr die gleiche sein wird wie vor Corona, auch das Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zum Staat, zu ihren Politikerinnen und Politikern. Selbst diejenigen, die sehr staatstragend sind und viel Vertrauen in unsere Arbeit haben, leiden darunter. Immer wird irgendwo im Hinterkopf zurückbleiben: War das wirklich so notwendig, warum hat man ausgerechnet mir nicht geholfen, war es nicht an der Stelle doch vielleicht ein bisschen ungerecht mir gegenüber, anderen gegenüber? Das werden wir gar nicht in allerletzter Konsequenz überall beantworten oder vermeiden können, deshalb wird es auch zurückbleiben. Es wird diese Gesellschaft und das Verhältnis zur Politik in den nächsten Jahren, Jahrzehnten nachhaltig beeinflussen. Wir können heute viel dafür tun, mit unserem Auftreten auf der einen Seite, in der Klarheit der Entscheidung, in dem klaren Verfolgen von Zielen, gleichzeitig aber auch immer mit der notwendigen selbstkritischen Selbstreflexion, dass das Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zum Staat sowie die Sicht auf Demokratie zwar möglicherweise bearbeitungsbedürftig, aber nicht nachhaltig gefährdet und eingeschränkt sein wird. Auch das ist eine Verantwortung, neben der Verantwortung für Menschen, Gesundheit und Wirtschaft, dafür zu sorgen, dass wir ein gutes Miteinander haben, auch in einer lebhaften, einer wehrhaften Demokratie. Wir müssen uns dazu verhalten, dafür tragen wir Verantwortung, wenn wir hier an dieser Stelle stehen.
Wir dürfen uns nichts vormachen, die Debatte hier im Parlament darüber, wie das Parlament eingebunden worden ist oder nicht, ist eine extrem wichtige. Mein Eindruck im ganz Konkreten ist aber, dass insbesondere bei einer Vielzahl von denen, die mich anschreiben und fragen, was mit ihrem Arbeitsplatz ist oder wo ihr Geld bleibt, das nicht die dringendste Debatte ist, um das auch mal in aller Ehrlichkeit zu
sagen. Wir sollten uns nicht zu hoch heben mit all dem, was gemacht worden ist. Auch da geht es nicht um ein Entweder-oder, damit mich keiner falsch versteht, aber die Antwort darauf, wann das Geld auf dem Konto eingeht, ist doch das, was die Menschen jetzt interessiert! Deshalb müssen wir etwas dafür tun, dass überhaupt die Möglichkeit besteht, dass die Hilfen auf den Weg gebracht werden und dass es auch technisch funktioniert.
Ich will auf eine Debatte der letzten Tage eingehen, die ich für mehr als misslich halte. Es ist absolut richtig, dass wir jetzt in einem historischen Ausmaß Hilfen auf den Weg bringen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, genauso aber für Unternehmerinnen und Unternehmer. Der Bund hat das mit seinem Konjunkturpaket getan, mit vielen Hilfen, den Überbrückungshilfen, den November-, Dezemberhilfen. Es ist für den einen oder anderen schon schwer, überhaupt noch den Überblick zu behalten, wann er was bei wem in welcher Höhe beantragen kann. Wir als saarländische Landesregierung haben nicht hintangestanden, sondern ganz im Gegenteil, wir sind bei der einen oder anderen Maßnahme vorweg marschiert, mit als die ersten losmarschiert - Bernd Wegner hat das eben aufgelistet -, und zwar nicht nur in den wirtschaftlichen Bereichen. Man vergisst nämlich ganz schnell ein paar Sachen: Ich nenne mal die Entlastung von Familien bei den Kita-Gebühren, was wir im Frühjahr gemacht haben, aber auch bei den Fahrtkosten für die Busse, dafür haben wir ebenfalls Geld in die Hand genommen. Wir haben die Einnahmeausfälle des ÖPNV komplett kompensiert, mit der Zusage, dass das auch im nächsten Jahr passiert. Zusätzliche Schülerbusse, notwendige Lücken geschlossen, die der Bund noch gelassen hat und die wir uns vorgenommen haben, zu schließen, Vereinshilfen, alles steht auf der Liste „Land“. Nur um das einfach noch mal hier aufgelistet zu haben - dies noch nicht mal abschließend und vollständig. Das ging alles sehr schnell, natürlich weiß ich, immer noch nicht schnell genug für diejenigen, die es belastet und die es brauchen. Trotzdem, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie lange man normalerweise braucht, um eine Richtlinie zu machen, sie abzustimmen, dem Rechnungshof vorzulegen, die Genehmigung einzuholen und anschließend noch ein Zahlsystem aufzusetzen, damit das funktioniert und stabil läuft, ist in einer rasenden Geschwindigkeit passiert, was wir hier auf den Weg gebracht haben, gerade auch bei uns im Saarland mit vielen, die in den Verwaltungen dabei mitgeholfen haben. Die Volumina des Nachtraghaushaltes, des Doppelhaushaltes, sind eben alle genannt worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage das deshalb, weil ich das Ganze in den Zusammenhang mit den Äußerungen stellen will, die jüngst gemacht worden sind und für die ich, ehrlich gesagt, null Komma null Verständnis habe. Es ist gesagt worden, die Länder sollten sich zukünftig auch mal
beteiligen. Das ist ebenfalls ein Bild, das falsch ist und das man von dieser Stelle aus richtig zeichnen muss. Es ist nicht zutreffend, dass die Länder nichts getan hätten, sondern ganz im Gegenteil, wir haben schon viel getan und haben die Lücken geschlossen, die der Bund gelassen hat. Insofern ist das und zwar völlig egal, wer diese Debatte führt - eine falsche Debatte, eine Phantomdebatte; sie lässt die Tatsachen einfach außen vor. Ich finde, auch das muss richtiggestellt werden. Wir müssen dafür sorgen, dass die richtigen Debatten in diesem Land geführt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich will zudem sagen, es interessiert die Saarländerinnen und Saarländer gar nicht, zu Recht wahrscheinlich, wer jetzt das Geld dafür aufgebracht hat, wer zuständig war oder auch nicht zuständig war oder ist. Im Übrigen ist es tatsächlich egal, denn es ist immer das eine und selbe Geld, es ist nämlich das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler: Einmal vereinnahmt es der Bund und gibt einen Teil davon weiter an Länder und Kommunen, einmal vereinnahmen wir es als Land oder eben die Kommunen. Die Quelle ist aber immer die gleiche. Deshalb führt diese Debatte geradezu ins Nichts, in einer Zeit, wo wir wirklich andere Sachen zu diskutieren hätten.
Man muss in dieser Debatte aber die richtigen Fragen stellen und darauf natürlich die richtigen Antworten geben. Richtig ist, es wird in der nächsten Zeit sicherlich durchaus strittig darüber diskutiert werden, wer das alles bezahlt. Neben denjenigen, die sozusagen in ihren existenziellen Ängsten stecken und wissen wollen, was für Geld sie bekommen, gibt es viele, die sich bei den ganzen schwindelerregenden Summen, die wir miteinander diskutieren, die Frage stellen: Wer soll denn das finanzieren? Das ist schuldenfinanziert. Es ist richtig, dass an dieser Stelle die Schuldenbremse keine Rolle mehr spielt, wenn es darum geht, die Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Bezahlt werden muss es am Ende des Tages aber trotzdem! Zur Wahrheit gehört auch dazu, dass, wenn sich am Steuersystem nichts ändert und es so bleibt, wie es ist, auch diese neuen Schulden zu den gleichen jetzigen Bedingungen abbezahlt werden. Es gibt möglicherweise unterschiedliche politische Auffassungen, ob man das jetzige Steuersystem für hinreichend gerecht erachtet oder ob man noch Verbesserungs- beziehungsweise erheblichen Verbesserungsbedarf sieht. Einige machen sich schon Sorgen, ob nicht wieder der Grundsatz um sich greift, dass der Brave, der Fleißige, der alle seine Steuern zahlt, am Ende auch derjenige ist, der diese Rechnung zu bezahlen hat.
Zu den Erkenntnissen gehören eben auch, dass die Schere in Deutschland weiter auseinandergeht. Man kann das an kleinen Beispielen festmachen, wer die
Betroffenen der Krise sind, wer am meisten im Verhältnis zu seinem Haushaltseinkommen bezahlt, wer am meisten in dieser Situation einbüßt. Das ist kein Befund erst seit der Krise, sondern das ist ein Befund, der bereits vor der Krise klar und deutlich gezeichnet worden ist. Die Frage ist, wer die Lasten dieser Krise trägt, wenn es darum geht, sie auszufinanzieren. Das ist ebenfalls ein Punkt, über den es zu sprechen gilt, insofern ist es vollkommen richtig, dass der Kollege Lafontaine dieses Thema aufgegriffen hat.
Dies allerdings dahingehend zu beantworten, dass wir jetzt erst einmal darüber streiten, ob Bund oder Länder am meisten oder am wenigsten untereinander finanzieren, ist definitiv an dieser entscheidenden Frage vorbei diskutiert. Es wäre geradezu irrsinnig, wenn wir, nachdem wir wieder ein bisschen abbezahlt haben, sagen würden, als nächstes wären die Kommunen dran. Auf diese Idee kommt auch kein Mensch in diesem Land. Das wäre in dieser Logik aber gar nicht mal abwegig. Insofern sollten wir keine Phantomdebatte führen, sondern die eigentliche Debatte ist, wer sich wie in welchen Umfang an der Bezahlung dieser Krise beteiligt.
Die Milliardäre sind genannt worden. Ich habe gar nichts gegen Milliardäre, das sind bestimmt sehr nette Leute, ich persönlich kenne keinen. Es geht aber doch um die Frage, wie die Belastung von Arbeitseinkommen und Kapital ist, wenn wir uns das Steuersystem anschauen. Die Tendenz, was die Anzahl der Milliardäre angeht, ist nun mal steigend. Ein Grundsatz ist: Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache. Insofern haben wir schon mal einen Hinweis darauf, wie die Antwort auf die von mir gestellte Frage aussehen kann. Damit gar nicht der Eindruck erweckt wird, das sollte allzu persönlich auf irgendwie 100 Milliardäre in Deutschland projiziert werden, will ich ein anderes Beispiel nennen, für das man sicherlich viel mehr Zustimmung finden kann, weil es so offenkundig ist, und das ist eben das Beispiel Amazon. Amazon gehört mit ganz großer Sicherheit zu den großen Krisengewinnern. Ich habe nachgelesen, die Börsenanalysten empfehlen einen Kauf der Aktie jetzt gerade vor Weihnachten. Gleichzeitig ist es allerdings so, dass Amazon mitnichten an irgendwelchen Kosten zur Finanzierung des Staatswesens in dem Umfang beteiligt ist, wie es notwendig wäre. Und wenn nicht das, was wir jetzt erleben, ein Anlass ist, dann weiß ich nicht, welcher Anlass noch entstehen muss, um sich mit dieser Frage noch mal ernsthaft zu befassen. Die kleinen Einzelhändler wissen nicht, wie sie in den Monaten November und Dezember ihre Mieten bezahlen sollen, und andere machen das Geschäft ihres Lebens und müssen nichts dafür in die Kasse legen! So wird unser System mit Sicherheit nicht funktionieren!
Mir sei aber vielleicht der Hinweis erlaubt: Auch wenn wir das mit dem Steuerrecht heute noch nicht
hinbekommen, so können doch die Saarländerrinnen und Saarländer den gleichen Beitrag leisten wie wir auch, nämlich den lokalen Einzelhandel zu unterstützen. Wir sind vielleicht nicht so viel zum Bummeln unterwegs, aber wir sollten trotzdem nicht zu viel von der Couch bestellen, sondern eher doch im saarländischen Einzelhandel einkaufen, damit der die Umsätze tätigen kann, die er braucht, um viele in Brot und Arbeit zu halten, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich will eine letzte Anmerkung machen aufgrund der Redebeiträge der AfD. Ich weiß ja nicht genau, für welche Zielgruppe in der Bevölkerung Sie versuchen, Politik zu machen. Aber Ihre Einlassungen dazu, was man alles nicht tun dürfe, um ein gerechteres Steuersystem in Deutschland auf den Weg zu bringen, haben dazu geführt, dass mir ein besonderer Buchtitel eingefallen ist, nämlich: „Die falschen Freunde der einfachen Leute“.
Vielleicht führen sie auch dazu, dass der eine oder andere darüber nachdenkt, wer hier seine Interessen vertritt.
Mein nächster Punkt geht weg von der Steuerdebatte mehr hin zum Konkreten. Nicht das Reden von der großen Summe hilft, sondern man muss kucken, dass das Geld bei den Menschen auch ankommt. Bei den sogenannten November-Hilfen hatten wir ja gleich die Sorgenfalten auf der Stirn. Es ist glücklicherweise vereinbart worden, dass es Abschlagszahlungen gibt. Die ersten sind tatsächlich auch im November noch erfolgt. Nun haben wir heute allerdings den 01. Dezember, und wir hatten gestern Abend eine sehr, sehr lange Schaltkonferenz der Wirtschaftsministerinnen und Wirtschaftsminister der Länder zusammen mit dem Bundeswirtschaftsminister, und meine Sorgenfalten sind nicht kleiner geworden, um das ganz ehrlich zu sagen. Ich habe die große Befürchtung, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten noch mit vielen auch hier im Saarland zu tun haben werden - Sie wie ich auch -, die uns fragen, wo ihr Geld bleibt. Die Plattform ist nicht in vollem Umfang freigeschaltet, und die IT-Firma des Bundes ist auch nicht so zuversichtlich, dass man das Problem in den nächsten Tagen lösen kann.
Insofern müssen wir uns überlegen, wie man das besser hinbekommen kann, entweder durch höhere Abschlagszahlungen, wenn das stabil funktioniert. Denn, um ehrlich zu sein, wir haben auch eine ganze Reihe von Gastronomie- und Hotelleriebetrieben hier im Saarland, denen 5.000 Euro Abschlag nichts
nützen. Sie hätten nach diesen Hilfen über 100.000 Euro zugute, und die brauchen sie auch. Sie lachen uns aus, wenn wir ihnen 5.000 Euro geben. Insofern muss man entweder die Abschlagszahlungen erhöhen oder das Verfahren für die Beantragung auf dieser Plattform beschleunigen. Denn es kann nicht angehen, dass aus den November-Hilfen die „Irgendwann-im-nächsten-Jahr-Hilfen“ werden. Bis dahin werden einige in ernsthafte Schwierigkeiten kommen.
Wir werden sicherlich in einer Vielzahl von Einzelfällen auch Gespräche mit den Banken führen müssen, um sicherzustellen, dass das jetzt nicht wegen ein paar Wochen ein Problem wird. Diese Landesregierung wird mit allen Instrumenten, die uns zur Verfügung stehen, dafür sorgen, dass wir das überbrückt bekommen. Aber trotzdem ist es nicht die ideale Lösung, deshalb müssen wir daran arbeiten, vielleicht auch durch einen Vorschuss, wenn der Bund uns das gewähren würde, mit Blick auf Abtretungen, damit wir den Unternehmern das, was ihnen ohnehin zusteht, vielleicht im Wege einer Zwischenfinanzierung zukommen lassen können. Ich will damit sagen: Wir sind auf der Suche nach Lösungen, um aus dieser mehr als misslichen Lage, wie sie sich im Moment darstellt, das Beste für die saarländischen Unternehmer, aber eben auch für deren Beschäftigte, zu machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine herzliche Bitte ist, dass wir uns alle in dem ganzen Prozess, der sicherlich noch weit ins nächste Jahr reichen wird, der Verantwortung bewusst sind für Gesellschaft, Demokratie und Wirtschaft, für jeden Einzelnen und natürlich auch für die Gesundheit der Menschen in diesem Land. Reden wir über die ernsthaften Fragen und versuchen wir, sie zu lösen, und zwar so, dass am Ende was rauskommt. Allein nur hier zu stehen und zu zweifeln und alles infrage zu stellen, hilft keiner Saarländerin und keinem Saarländer. Es hilft nur, Taten auf den Weg zu bringen, das zu machen, was man für richtig hält, und das mit aller Kraft. Dafür stehen wir hier in der saarländischen Landesregierung, und wir bedanken uns herzlich, dass es dafür heute eine breite Unterstützung gibt. Ich hoffe, dass wir vor allem die Saarländerinnen und Saarländer von der Richtigkeit unseres Weges überzeugen können.
Lassen Sie mich das als Letztes sagen: Der Kollege Lafontaine hat Zahlen eingefordert. Auch die gibt es! Natürlich gibt es Studien aller Art, in alle Richtungen. Man kann nicht sagen, dass es gar keine Zahlen gibt für die Beschreibung der Gefahr. Selbst wenn man die niedrigste Sterblichkeitsrate annimmt, die in den vielen Studien, die es dazu gibt, angenommen wurde - jüngst wurde in einer Studie aus Stanford 0,23 Prozent als Sterblichkeitsrate angenommen -, dann heißt das immer noch, dass wir bei einem ungehinderten Fortgang, also wenn wir nichts machen
würden, in Deutschland über 160.000 Tote hätten. Bei 0,3 Prozent wären es schon 250.000 Tote in Deutschland! Und wenn wir mal die Zahlen aus den USA zu Deutschland ins Verhältnis setzen, haben wir in Deutschland vielen Zehntausenden Menschen das Leben gerettet. Ich will nicht entscheiden, dass wir das nicht machen, nur weil es vielleicht im Moment bequemer erscheint, eine andere Entscheidung zu treffen. Lieber unbequeme Entscheidungen treffen, aber Menschenleben retten! In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund. - Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Saarländerinnen und Saarländer! Vor nicht allzu langer Zeit hat die Bundeskanzlerin die Zahl von 19.000 Neuinfektionen pro Tag in den Raum gestellt. Nicht wenige im Land waren darüber erschrocken. Auch nicht wenige im Land haben gesagt: Na, jetzt übertreibt sie aber! - Sie hat gesagt, es sei durchaus möglich, dass diese Zahl, wenn wir jetzt nicht noch einmal zusätzliche Maßnahmen ergreifen und uns im Übrigen an das halten, was wir schon auf den Weg gebracht haben, zu Weihnachten erreicht würde. Nun, es hat nicht bis Weihnachten gedauert. Bereits vor wenigen Tagen haben wir die Zahl von 19.000 Neuinfektionen pro
Tag erreicht. Das ist nur eine der Zahlen, die uns verdeutlichen, dass wir in einer Lage sind, bei der wir nicht länger zuschauen dürfen, dass wir in einer Lage sind, angesichts der wir nicht sagen dürfen, das werde schon irgendwie gutgehen. Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass wir uns ein bisschen auf dem ausruhen dürfen, was wir beschlossen haben, was aber vielleicht gar nicht umgesetzt wird.
Wir sind vielmehr, meine Damen und Herren, hinsichtlich des Infektionsgeschehens in einer besorgniserregenden Lage, sowohl in Deutschland insgesamt als auch bei uns im Saarland im Besonderen. Daraus darf nicht ein Abwarten resultieren, daraus muss konkretes und konsequentes Handeln derjenigen, die Verantwortung tragen, folgen, aber auch all derjenigen, die wir auf diesem Weg mitzunehmen versuchen, nämlich der Saarländerinnen und Saarländer. Das ist die Antwort auf die Herausforderung, die sich uns in diesen Stunden und Tagen stellt, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Allein zu sagen, was man unter einem solchen konkreten und konsequenten Handeln versteht, das reicht nicht aus. Es genügt auch nicht, das mit mehr oder weniger Überzeugung in eine Rechtsverordnung geschrieben zu haben. Voraussetzung ist vielmehr, dass das, was nun an Maßnahmen auf den Weg gebracht wurde, auf die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung stößt. Dafür müssen wir werben. Wir müssen das erklären. Vielleicht müssen wir dabei auch auf offenkundige oder auch weniger offenkundige Widersprüchlichkeiten eingehen und verdeutlichen, warum das in dieser Weise und nicht in anderer Weise entschieden wurde.
Und ja, wir müssen als Regierung auch in diesem Haus um Vertrauen bitten. Ich hoffe, dass das geschehen kann im Sinne einer gemeinsamen politischen Kraft all derjenigen, die in diesem Land Verantwortung tragen, an welcher Stelle auch immer. Das bezieht sich nicht nur auf die Regierung und die sie tragenden Fraktionen, sondern gilt für alle Parlamentarier, die ja mit einer Aufgabe ins Parlament gewählt worden sind, also auch für die Opposition. Wir müssen uns, ich will das noch einmal sagen, so positionieren, dass wir um Vertrauen bitten. Wir bitten um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger dafür, dass wir gerechte Sachwalter sind und mit einem Blick in die Zukunft - leider nicht immer mit einem so weit in die Zukunft reichenden Blick, wie wir das gerne hätten - das Erforderliche unternehmen, um vor allem auch sehr viele Menschen hinsichtlich ihrer Gesundheit zu schützen.
Wir müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren, um Vertrauen werben, aber eben auch um Gemeinsinn. In diesem Fall meint Gemeinsinn tatsächlich auch das Gegenteil von Eigensinn. Das meint, dass man, auch wenn man es gerade für sich als
Einschränkung empfindet, auch wenn man die Auffassung vielleicht gar nicht zu 100 Prozent teilt, doch die Überlegung hat: Nun gut, wenn es eine Chance gibt, damit zu helfen, das Infektionsgeschehen einzudämmen, wenn sich damit eine Chance bietet, dass andere nicht erkranken, weil ich mich an eine Regel halte, dann mache ich diese Regel zur Grundlage auch meines eigenen Verhaltens. Insofern kommt von uns die Bitte um Vertrauen und der Appell an den Gemeinsinn, das treibt uns in diesen Tagen um, jenseits aller von uns auf den Weg gebrachten Verordnungen.
Ja, wir haben im Frühjahr gedacht, wirklich radikale Maßnahmen auf den Weg gebracht zu haben. Die Maßnahmen waren ja auch radikal. Und wir hatten gehofft, dass das ausreichen würde. Immer wieder wurde davon gesprochen, dass im Herbst eine zweite Welle kommen könnte. Vielleicht hatten wir alle ja auch ein wenig das Gefühl: Möglicherweise haben wir ja Glück und die zweite Welle bleibt aus. Über den Sommer wähnten wir uns in Sicherheit, und allen, die das mit der zweiten Welle immer mal wieder fallenließen, haben wir zwar zugehört, aber doch gedacht, das Ganze ginge doch vielleicht an uns vorüber. Das tut es aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, augenscheinlich nicht! Wir lernen jetzt auch, dass der Umgang mit dieser Pandemie kein Sprint ist, sondern ein Marathon, bei dem es darauf ankommt, Kampfelswillen zu zeigen, auch Verzicht zu üben und das einzubringen, wodurch man mehr als üblich gefordert wird.
Jetzt ist die Zeit zu handeln, auch wenn das wehtut. Es ist die Zeit, an den Stellen, bei denen wir das am ehesten verantworten können, den Verzicht einzufordern. Im Lichte dessen haben die Länderchefs und die Kanzlerin am vergangenen Mittwoch zusammengesessen und miteinander die Leitlinien besprochen. Anders als bei vorangegangenen Treffen ist man aus dieser Zusammenkunft mit einem sehr geschlossenen Bild an die Öffentlichkeit gegangen. Das ist, so glaube ich, auch für Zweifler in der Republik ein Signal, das von diesem Treffen ausgeht, ein Signal, dessen Wirkung man gar nicht hoch genug einschätzen kann: Wenn 16 Länderchefs und die von ihnen vertretenen Landesregierungen und die Kanzlerin diese Zeichen der Zeit so klar erkannt haben, dass sie sich alle selbst disziplinieren, auch angesichts ihrer teilweise differenzierenden Ansichten in diesen Fragen, ist das ein Signal auch an die Bevölkerung in unserem Land. Ein solches Signal der Geschlossenheit geht auch von dieser saarländischen Landesregierung an die Adresse der Saarländerinnen und Saarländer aus, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die Zahlen steigen, obwohl wir ja schon einige Maßnahmen auf den Weg gebracht haben und sicherlich auch schon die Debatte im Vorfeld dieses Treffens
dazu geführt hat, dass der eine oder andere seine Verhaltensweisen angepasst hat. Die Zahlen werden auch noch weiter ansteigen, denn wir wissen ja mittlerweile alle, dass die Zahlen, die wir heute sehen, die uns das RKI meldet, die uns allen das Gesundheitsministerium zur Verfügung stellt, nicht das Heute abbilden, sondern das Verhalten vor 10 bis 14 Tagen. Die Maßnahmen werden also auch noch nachwirken. Das ist wichtig zu bedenken, wenn es darum gehen wird, die Entscheidung zu treffen, wie es nach diesen für einen Zeitraum von vier Wochen in Aussicht gestellten Einschränkungen, mit denen wir zunächst einmal zu leben haben, weitergehen wird.
Ja, es wird dabei keineswegs nur auf das Infektionsgeschehen abgestellt, das ist eben schon deutlich geworden. Auch die dahinter folgenden Zahlen, die aber eben auch allesamt erst mit Wirkverzögerung in der Statistik abgebildet werden, werden eine Rolle spielen - und spielen heute schon eine Rolle. Sie haben auch am Freitag bei uns im Ministerrat eine Rolle gespielt. Wir haben ja nicht einfach nur einen Blick in irgendeine Statistik geworfen, sondern haben diejenigen befragt, die sich jeden Tag mit diesen Themenstellungen befassen: Pneumologen des Uniklinikums, die dortigen Mitarbeiter der Virologie, die dort auf der Intensivstation Tätigen. Die haben uns ohne eine dahinterstehende politische Idee berichtet, wie der Stand der Dinge ist. Sie haben uns berichtet, was zu erwarten wäre, wenn wir hier einen ungehinderten Fortgang der Entwicklung zuließen. Das, was sie uns berichtet haben, hat dazu geführt, dass wir gesagt haben: Ja, wir müssen jetzt handeln, ja, wir müssen auch harte Maßnahmen auf den Weg bringen, denn unternehmen wir nichts, wird es noch viel härter werden - für den Einzelnen, für viele in ihrer Gesundheit Betroffene. Und ich sage hier auch einmal ausdrücklich mit Blick auf die Wirtschaft: Ein ungehindertes pandemisches Geschehen bedeutet einen viel größeren Schaden für die Wirtschaft als das, was wir jetzt gemeinsam zu stemmen haben. Deshalb ist es richtig, jetzt konsequent zu handeln, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Es bleibt aber auch dabei, dass es heute mehr Erklärungsbedarf als im Frühjahr gibt. Nun mag man überlegen, weshalb das im Frühjahr einfacher war. Vielleicht war der Schock größer. Vielleicht waren diejenigen, die es betrifft, noch nicht so vertraut mit der finanziellen Situation, in der sie sich befinden, und sehen sich jetzt am Ende und können kaum noch glauben, dass sie auch diesen Eingriff wirtschaftlich verkraften werden. Vielleicht hat man auch seit dem Frühjahr gelernt, was es wirklich heißt, auf bestimmte Rechte und bestimmte Freiheiten zu verzichten. Das alles trägt sicherlich dazu bei, auch die zunehmende öffentliche Debatte trägt dazu bei. Deshalb sind wir auch immer stärker in der Erklärungs
verpflichtung, müssen darlegen, warum wir das für notwendig halten. Und ja, wir sind auch insoweit in einer Erklärungsverpflichtung, als wir darlegen müssen, was sich bewährt hat, was wir aus dem im Frühjahr Veranlassten gelernt haben, was wir besser machen können. Und ja, man muss in diesem Zusammenhang auch Fehler benennen, auch Fehler in dem Sinne, dass man heute angesichts eines besseren Kenntnis- und Wissenstandes anders entscheiden würde, als man ehedem entschieden hat.
Ich will auch darauf hinweisen, dass ich es angesichts der Tragweite und der Dimension der Entscheidungen, die wir hier zu treffen haben, als notwendig erachte, hier miteinander zu diskutieren und auch miteinander zu ringen. Ich würde sogar umgekehrt formulieren: Was wären wir denn für eine Regierung, wenn wir in diesen Fragen nicht gemeinsam um die beste Lösung streiten würden? Welches Abbild der Gesellschaft würden wir denn dann bieten? Und was wären wir denn für Entscheidungsträger in den Ministerien, wenn wir nicht, unterschiedlich akzentuiert, unsere Sichtweisen zu diesem Thema einbringen würden, bevor wir am Ende zu einem Ergebnis kommen, das wir gemeinsam vertreten können? Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist die Grundlage unseres gemeinsamen Handelns!
Das ist nichts, was man kritisieren müsste, sondern zeigt die besondere Qualität dieser Regierung, getragen von den Fraktionen in diesem Hause. Daran zeigt sich die besondere Qualität auch der Großen Koalition in dieser Zeit. Dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren, stehe ich ausdrücklich!
Was wird aber inhaltlich kritisiert? Es gab irgendwelche Diskussionspunkte, die hier nun auch aufgegriffen worden sind. Ich will ergänzen: Es gab noch viel mehr Diskussionspunkte. Ich will ergänzen: Manchmal streite ich quasi mit mir selbst! Denn auch ich ringe um diese Lösungen, und es gibt eben nicht die eine richtige Antwort. Dass man aber daraus hier einen solchen Popanz macht, zeigt mir eines sehr deutlich: Von uns, von der Regierung, wurden in diesem Zusammenhang nicht allzu viele Fehler gemacht. Das würde ich als Schlussfolgerung aus dem hier eben gehörten Vortrag ableiten.
Ich will in inhaltlicher Hinsicht auf das Bild eingehen, das zu zeichnen hier eben versucht wurde. Ich halte das für gefährlich, ja, ich bin sogar ein wenig erschüttert. Einerseits wurde gesagt, es sei zu wenig unternommen worden, es sei zu langsam geschehen, das sei nicht schnell genug gewesen. Es sei auch nicht richtig reagiert worden. Rückblickend wird das so dargestellt. In die Zukunft blickend aber heißt
es, wir würden übertreiben. Wir würden Angst verbreiten und Panik schüren. Ich stelle fest: Ihre Sicht auf die Lage ist nicht konsistent. Was gilt denn nun? Handelt es sich um ein Problem, das man zu langsam und zu inkonsequent angeht? Oder ist das ein Problem, das wir zu groß darstellen und das man gar nicht so sehr in den Vordergrund stellen müsste? Eine dieser Sichtweisen muss man den Bürgerinnen und Bürgern als LINKE-Fraktion und als Partei DIE LINKE doch einmal als die richtige anbieten. Ich kann das bei Ihnen nicht klar erkennen, man versucht einfach, überall zu fischen. Auch diejenigen, die als Zweifler unterwegs sind, sollen von Ihnen eine Ansprache erhalten. Ich finde es durchaus richtig, auch diese Menschen anzusprechen. Man kann aber nicht sagen, die Frage, wie wir uns mit dieser Pandemie auseinandersetzen, stelle eine unangemessene Selbstbeschäftigung dar. Das ist doch keine Selbstbeschäftigung, das schulden wir vielmehr den Menschen: Wir haben alles dafür zu tun, dass sie nicht erkranken. Das ist doch keine Selbstbeschäftigung, sondern Aufgabe einer Regierung. Und diese Aufgabe nehmen wir hier wahr, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Man muss sich, so glaube ich, entscheiden, wo man stehen möchte: Stellt man sich der Verantwortung oder stellt man sich ihr nicht? Ich kann für uns sagen: Wir stellen uns dieser Verantwortung, auch wenn das Schwierigkeiten mit sich bringt. Und schwierig wird es in den kommenden Wochen und Monaten noch werden. Wir stellen uns dieser Aufgabe in einer kritischen Auseinandersetzung, da wir auch die Rechtsgüter abzuwägen haben. Natürlich muss man feststellen, dass Freiheitsrechte da sind, um das Leben auch zu retten. Man muss aber auch klar sagen, dass wir gehalten sind, Verzicht zu üben. Das ist hart, das ist es aber, was jetzt von allen gefordert ist - von uns, aber auch von den Saarländerinnen und Saarländern.
Ich frage mich natürlich auch, wie wir mit den Sorgen und Nöten umzugehen haben, denn auch das gehört dazu. Klar und eindeutig in den Maßnahmen zu sein, ist das eine. Aber zu begleiten, was daraus an Sorgen und Nöten für unsere Saarländerinnen und Saarländer entsteht, ist das andere, und auch das ist zwingend. Man sollte gar keine Kluft entstehen lassen zwischen uns, die wir Entscheidungen treffen, und den Saarländerinnen und Saarländern. Denn auch uns in der Regierung geht es doch nicht anders als den meisten im Land: Ich frage mich als Saarländerin natürlich auch, wie es mit unserer Gesellschaft weitergeht. Was macht das Virus mit uns, auch in langfristiger Perspektive, auch über den gesundheitlichen Aspekt hinausgehend? Als Mutter frage ich mich, wie es mit dem Unterricht in der Schule weitergeht. Welchen Stundenplan gibt es in der kommenden Woche? Kann der Unterricht auf
rechterhalten werden? Was passiert, wenn wieder, was wir alle nicht wollen, das Homeschooling kommt? Als Ehefrau eines Arztes, der jeden Morgen in seine Hausarztpraxis geht, frage ich mich natürlich auch, was das alles für die Versorgung der Patientinnen und Patienten und für die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsdienst bedeutet. Und ich frage mich als Freundin vieler Bekannter, die selbstständig sind, was es mit denen macht, mit dem, was sie aufgebaut haben. Was macht es mit ihren wirtschaftlichen Planungen? Mit Familienbetrieben, die seit mehr als 100 Jahren bei uns im Land bestehen? Als Wirtschaftsministerin frage ich mich natürlich auch, was konkret es bedeutet, in diesen Zeiten politische Verantwortung zu übernehmen.
Ich habe für mich entschieden, das zu tun, indem ich gesagt habe, ich will, dass es gerechter zugeht in dieser Welt, und ich will dafür sorgen, dass wir solidarisch miteinander umgehen. Aber heute müssen wir feststellen, dass der Kampf um Freiheit auch ein Kampf gegen ein Virus ist, das uns die Freiheit raubt, und solange es nicht besiegt wird, wird es auch unsere Freiheit, unsere Nähe und unseren Zusammenhalt unablässig bedrohen. Insofern ist es nicht das Ausspielen von Werten, sondern es ist das Zusammenbringen von Werten in unserer Gesellschaft.
Auf diesem Weg muss man schwierige Entscheidungen treffen, viele davon sind eben angesprochen worden, aber man muss auch eine Richtschnur haben. Diesmal ist es sehr deutlich geworden, indem man gesagt hat, wir wollen nicht wieder die gesamte Wirtschaft lahmlegen, sondern nur einzelne Bereiche, dort, wo man einen besonderen Freizeitbezug herstellt. Ob das im einzelnen Abgrenzungsfall immer so gut gelungen ist, das ist sicherlich nicht immer eindeutig zu beantworten.
Wichtig und eindeutig beantwortet ist aber die Frage, dass wir nicht unmittelbar direkt in einem der ersten Schritte Schulen und Kitas in diesem Land schließen wollen, weil wir die Lehren aus den Maßnahmen des Frühjahrs gezogen und gesagt haben, das hat doch mehr Schleifspuren hinterlassen in unserer Gesellschaft, bei unseren Kindern, bei den Eltern. Die Tatsache, dass die Schulen und Kitas offenbleiben, ist wichtig für die Bildungschancen hier in unserem Land, für die Kinder, und wir wollen alles dafür tun, dass wir am Ende nicht über eine Generation Corona sprechen müssen, weder bei denjenigen, die jetzt in die Schule oder Kita gehen, noch bei denen, die im Ausbildungsverhältnis stehen. Das hat eine überragende Bedeutung für uns und wir müssen uns besonders verantworten. Das ist eine der zentralen Schwerpunktsetzungen, die ich voll und ganz teile und wo ich sage, wir müssen alles dafür tun, dass wir an dieser Idee möglichst lange, am
besten bis zum Ende dieser Pandemie, festhalten können.
Wenn es auf dieser Wegstrecke notwendig ist, dafür die Sicherheitskonzepte in den Schulen, in den Einrichtungen immer wieder nachzujustieren, auch im Sinne der Verhältnismäßigkeit, nicht mit dem strengsten Mittel anzufangen, aber immer noch einmal nachzulegen, dann ist das notwendig und dann werden wir das tun. So haben wir das gemeinsam in der Ministerratssitzung, in der Vorbereitung dessen, was das Bildungsministerium dazu neuerlich noch einmal auf den Weg bringen will, besprochen.
Das ist auch ein wichtiges Signal an die Lehrerinnen und Lehrer, wenn es um den Schutz ihrer eigenen Gesundheit geht, an die Erzieherinnen und Erzieher, auch an diejenigen, die in den Heimeinrichtungen für behinderte Menschen arbeiten, aber eben auch an die Eltern und an die Kinder in diesem Land: Bildung und Bildungschancen sind für uns ein hohes Gut, die Gesundheit genauso, und wir bringen sie an dieser Stelle zusammen, meine sehr verehren Damen und Herren!
Und wenn man sich schweren Herzens dazu durchringt, weil es sicherlich nicht das Mittel der Wahl ist, im Unterricht Masken zu tragen, dann werden eben auch Masken getragen. Und wenn man dazu neue Lehrerstellen schaffen oder befristete Einstellungsverhältnisse auf den Weg bringen muss, damit der Stundenplan nicht völlig auseinanderfranst, dann werden wir auch das tun.
Ich habe am Wochenende erlebt, wie engagierte Lehrerinnen und Lehrer, wie die Schulleitung bemüht ist, auf die Corona-Fälle einzugehen und zu schauen, dass sie nicht nur die Schulen offenlassen, sondern dass sie vor allem auch dafür sorgen, dass ein möglichst regelgerechter Unterricht stattfinden kann, so wie man das über das Wochenende hochengagiert auch hinbekommen hat. Aber je mehr Lehrer in Quarantäne müssen, desto schwieriger wird es, das in diesem Maße aufrechtzuerhalten. Deshalb brauchen wir dort ein Aufstocken der Lehrerreserve und insofern ist das ein richtiger Vorstoß der Bildungsministerin, einer, der die Unterstützung des Kabinetts findet und in die Umsetzung kommen wird. Es ist aber auch ein richtiges Signal, dass wir nicht nur sagen, was wir wollen, sondern dass wir auch sagen, wie wir daran arbeiten, dass es auch tatsächlich eintritt.
Lassen Sie mich an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Gesundheitsministerin sagen, die hier fokussiert viel Verantwortung in den letzten Wochen und Monaten mit ihrem Staatssekretär zu tragen hat, genauso aber auch ein herzliches Dankeschön - fokussiert auf einen Einzelbereich, nämlich den der Bildung - an die Ministerin Christine Streichert-Clivot und ihren Staatssekretär. Ich finde, unter
diesem Druck immer die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist nicht einfach. Jeder hat eine neue Idee, jeden Tag aufs Neue und jeder nur für ein Einzelinteresse, aber als Ministerin hat man das Gesamtinteresse zu wahren. Ich finde, sie macht das gut und deshalb ein herzliches Dankeschön!
Wir werden lernen müssen, für längere Zeit mit Corona zu leben. Wie lange, das kann man heute sicherlich nicht sagen, mindestens aber mit den Auswirkungen werden wir noch viel länger leben müssen. Wir müssen aber auch darauf achten, dass aus dem „Wir müssen mit Corona leben lernen!“ nicht wird, dass wir unser Leben Corona überlassen. Deshalb geht es auch um die eigene Souveränität in diesem Korsett und wie wir das organisiert bekommen und wie wir Leben schützen können.
Es ist eben schon darauf hingewiesen worden, dass nicht nur die Fragen der Infektion eine Rolle spielen, sondern eben auch die Belegungszahlen, die Intensivbetten. Ich will insofern noch einen weiteren Gedanken anfügen, denn auch das ist uns ja eindrücklich geschildert worden, auch da wäre der Blick in die bloße Statistik viel zu kurz gesprungen: Es geht nicht nur um die Anzahl der gemeldeten Betten, es geht nicht nur um die Anzahl der Beatmungsgeräte, die zur Verfügung stehen, sondern es geht tatsächlich um die Anzahl von Fachkräften, die uns zur Verfügung stehen und sich nicht selbst womöglich in Quarantäne befinden, die in der Lage sind, diese schwierige Arbeit an einem Intensivbett zu erledigen.
Deshalb müssen wir unsere Entscheidungen nicht nach der Frage, wie viele Betten herumstehen, ausrichten, sondern exakt danach, wie viel Pflegepersonal wir in diesem Land haben, das diese Aufgaben wahrnehmen muss, plus die Frage, wie viele engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wir im öffentlichen Gesundheitsdienst haben, um die Kontaktnachverfolgung zu organisieren und dem ein konsequentes Quarantäneregime folgen zu lassen. Ich halte es nach wie vor für ein extrem wichtiges Steuerungsinstrument, das uns bisweilen auch von anderen europäischen Ländern unterscheidet und uns deshalb vielleicht noch einmal einen zeitlichen Vorsprung gegeben hat. Wir sollten es nicht aus der Hand geben, sondern gemeinsam überlegen, wie wir an der Stelle den öffentlichen Gesundheitsdienst stärken können.
Wir dürfen den Blick natürlich nicht nur auf die Gesundheit lenken, auch wenn das die Hauptmotivation für unsere Entscheidungen ist, sondern eben auch auf die Bekämpfung der Folgen all unserer Maßnahmen. Da sind etwas in Abkehr der übrigen Beschlusslagen durch die Ministerpräsidenten diesmal nicht nur Entscheidungen getroffen worden, was eingeschränkt wird, sondern auch, was wie kompen
siert wird. Das halte ich für ganz maßgeblich für das Zustandekommen dieses Beschlusses auf der einen Seite, aber eben auch für die Akzeptanz der Maßnahmen.
Bis zu 75 Prozent des entsprechenden Monats des Vorjahres, in dem Fall November, ist das, was als plakativste Zahl im Raum steht. Jetzt gilt es, das konkret auszugestalten. Jetzt geht es darum, dass man sagt, was „bis zu 75 Prozent“ heißt. Da bin ich vollkommen bei all denjenigen, die das mit angemahnt haben und ich funke quasi auf allen Kanälen in dieser Frage, wir funken gemeinsam auf all diesen Kanälen, um zu sagen, das sind Punkte, die klar sein müssen. Es sind aber auch Punkte, die schnell klar sein müssen, denn viele haben ihre Reserven schon im Frühjahr aufgebraucht und haben nicht die Zeit, einen Monat und mehr darauf zu warten, bis das erste Geld als Kompensation auf dem Konto eingeht. Deshalb müssen Maßnahmen und Entschädigungen zeitnah miteinander abgewickelt werden.
Ich glaube, dass es wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass wir diese Entscheidungen nicht einfach so treffen, nach dem Motto: Pandemieschutz über alles, um den Rest kümmern wir uns irgendwie nachher noch einmal. Das ist mitnichten der Fall. Dafür kennen wir diese Schicksale, die damit einhergehen, viel zu gut und viel zu genau, und zwar in jeglicher Größenordnung, von großen Betrieben bis hin zu Soloselbstständigen. Dafür habe ich in den letzten Wochen mit zu vielen aus der Wirtschaft zusammengesessen, telefoniert, SMS geschrieben, Videokonferenzen abgehalten. Unternehmerfamilien, die mit Tränen in den Augen dasitzen, weil sie eigentlich auf das Ende ihrer über 100-jährigen Familiengeschichte blicken und fragen, was sie jetzt noch tun sollen.
Sie haben nichts falsch gemacht. Sie sind nur in einer Branche, die in einem übergroßen Maß betroffen ist. Ich finde, da ist es unsere Pflicht - genauso wie es unsere Pflicht ist, dafür zu sorgen, dass wir die Menschen in Gesundheit und im Leben schützen -, auch dafür zu sorgen, dass nicht das Kapital von vielen Unternehmen, egal ob groß oder klein, in diesem Land unnütz vernichtet wird. Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass sie nicht in die Insolvenz gehen, dass wir ihnen nicht nur unter die Arme greifen, sondern dass wir sie stützen, denn wir wollen aus dieser Krise irgendwann auch wieder heraus. Wir wollen das mit den Unternehmern, wir wollen das mit den Beschäftigten tun, und deshalb kann man nicht nur mit großen Zahlen in Berlin jonglieren, sondern man muss auch sagen, wer wann davon was abbekommt. Das ist die Forderung! Wir unterstützen alle, wir gehen selbst voran, aber wir wollen auch, dass geliefert wird, meine sehr verehrten Damen und Herren!
In einigen Bereichen steht das noch aus. Spätestens da muss nachgeliefert werden, aber gerade mit Blick auf die November-Maßnahmen bedarf es hier einer zügigen Abwicklung. Es bedarf auch deshalb einer zügigen Abwicklung, weil wir miteinander vereinbart haben, dass wir als Land noch einmal mitreingehen, insbesondere dort, wo der Bund Lücken lässt, Stichwort Unternehmerlohn, Soloselbstständige und andere Branchen, die ganz besonders betroffen sind, Veranstaltungswirtschaft, Reisebranche und alle, die dazugehören.
Wir haben miteinander vereinbart, dass wir dafür auch noch einmal zusätzliches Geld in die Hand nehmen, zusätzliche Stützungsmaßnahmen auf den Weg bringen, aber zusätzlich zu was, meine sehr verehrten Damen und Herren? Deshalb ist es auch für uns dringend notwendig zu wissen, was der Bund macht. Wenn ich sage, ich will die Lücke schließen, dann muss ich auch wissen, wo die Lücke ist! Nur dann können wir vernünftig handeln, weil wir ansonsten doppelte Arbeit und unnötige Bürokratie machen und die Menschen in diesem Land verwirren. Das ist nicht das, was sie brauchen, sie brauchen Klarheit. Wir machen eine klare Aussage, wir helfen und wir unterstützen, aber wir brauchen auch die notwendigen Botschaften aus Berlin!
Ich will vielleicht gegen Ende noch einmal das Bild des Marathons bemühen, denn eines ist deutlich geworden: Es liegt nicht nur die Strecke des Novembers vor uns, sondern auch die Frage nach dem Danach und die Frage, auf welchem Niveau sich die Maßnahmen dann einzupendeln haben. Weniger als das, was jetzt auf den Weg gebracht worden ist, aber wie viel weniger? Das ist die entscheidende Frage, denn der Grat, auf dem wir hier gehen, ist ein mehr als schmaler Grat.
Wenn man das an dieser am Anfang noch bedeutenderen Zahl des Reproduktionsfaktors einmal festmachen will: Ich habe aus den letzten Gesprächen mitgenommen, dass wir zwischen 0,9 und 1,1 einen schmalen Grat haben. Wenn wir danebentreten, haben wir einen kaum mehr rückholbaren Feldversuch. Insofern müssen die Maßnahmen sauber ausgesteuert sein.
Die Juristen sprechen von verhältnismäßig, ein Begriff, den wir jetzt alle gelernt haben, was übersetzt bedeutet: erforderlich, geeignet, angemessen, verhältnismäßig im engeren Sinne. Das ist immer wieder aufs Neue zu überprüfen, denn in jeder Situation kann eine Maßnahme auch unter diesen Prüfungskriterien anders zu beurteilen sein, auch das gehört zur Geschichte mit dazu.
Ich für meinen Teil glaube, wenn wir es hinbekommen, sauber zu kommunizieren, die Menschen auf diesem Weg mitzunehmen und zu erklären, wo wir jetzt stehen, was wir vorhaben und wo wir damit hin
wollen, dass es uns dann gelingt, an Verantwortungsbewusstsein, aber eben auch an Disziplin zu appellieren. Wenn wir mit Vernunft und einem realistischen Blick auf die Notwendigkeiten vorgehen, wird es uns gelingen, diese Welle zu brechen, bestenfalls ein Maßnahmenniveau zu finden, das eine weitere Welle gar nicht erst anschwellen lässt.
Ich glaube, dass wir den Zeitpunkt erreichen, ab dem wir mit einer klugen Impfstrategie endlich ein wirksames medizinisches Instrument in Händen halten. Denn das ist ein wesentlicher Unterschied dieser Pandemie zu allen anderen beschriebenen, heute auch schon genannten Krankheiten: COVID-19 ist mehr als nur ein übler Schnupfen, es ist mehr als nur eine Grippe, denn wir haben bis heute weder einen Impfstoff noch ein wirklich wirksames Instrument medizinischer Art dagegen. Deswegen darf man es nicht verharmlosen, sondern muss wissen, was es mit den Menschen macht.
Ich glaube aber, dass es uns gelingen kann, wenn die Saarländerinnen und Saarländer mitmachen. Das ist meine herzliche Bitte, das ist mein dringender Appell: Jeder Einzelne, jede Einzelne kann mit dem Einhalten der Regeln und mit dem, was er oder sie sich selbst noch ein bisschen mehr abverlangt, sich und auch seine Lieben schützen und einen Beitrag dazu leisten, dass wir diese Pandemie in den Griff bekommen, dass wir Leben schützen und die Wirtschaft nicht unnötig beeinträchtigen. Das ist mein Appell, das ist meine Bitte, und ich würde mich freuen, wenn uns möglichst viele auch aus diesem Haus auf diesem Weg unterstützen würden! - Glück auf!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Redebeitrag des Kollegen Müller nur ein Satz, im Bild bleibend: Mit Vollgas zurück in die Vergangenheit. Ich glaube, damit ist die Problemlösungskompetenz für unweigerlich vorhandene Probleme hinreichend beschrieben.
Wir haben alle miteinander als Verantwortungsgemeinschaft eine in die Pflicht nehmende Aufgabe für zukünftige Generationen, etwas gegen den weiterhin voranschreitenden Klimawandel zu tun. Man kann sich streiten, wie, mit welcher Geschwindigkeit und welchen Unterstützungsnotwendigkeiten das verbunden ist. Aber zumindest für diesen Teil, abgesehen von den beiden Herren rechts im Haus, würde ich sagen, ist das die gemeinsame Handlungsgrundlage. Ich finde, das ist das entscheidende, weil es nicht startet mit dem Leugnen von Realitäten und weil es auch nicht damit startet, dass man sich aus Verantwortung entzieht, die uns allen gemeinsam übertragen worden ist. Wenn das zumindest die Arbeitsgrundlage für bis auf wenige in diesem Haus ist, dann ist das schon einmal gut, dann wird das immer noch anstrengend, aber die entscheidende Voraussetzung ist damit schon einmal erfüllt.
Der Strukturwandel, der sich aus der Wahrnehmung dieser Aufgabe heraus ergibt, ist natürlich nicht erst entstanden durch Corona, aber man wird sicherlich schon feststellen müssen, dass er an Dynamik und Heftigkeit gewonnen hat. Man wird auch feststellen können, dass nichts von dem, was wir vor Corona bezogen auf die Herausforderung, aber eben auch bezogen auf die Chancen, die darin stecken können, schon miteinander diskutiert haben, falsch geworden ist. Nichts von dem ist falsch geworden, aber vieles ist drängender geworden. Deshalb ist es gut, wenn wir uns heute im Parlament noch einmal und sicherlich nicht zum letzten Mal mit dieser Frage auseinandersetzen.
Ich finde, es ist auch ganz gut zu gucken, woher wir kommen. Natürlich ist die gesamte Geschichte des Saarlandes eine des gelebten und in weiten Teilen des erfolgreichen Strukturwandels gewesen. Ich finde, es gehört zur Beschreibung dieser Geschichte dazu, dass wir jetzt miteinander erleben dürfen,
dass ein Instrument zur Bewältigung des Strukturwandels - nämlich Automobil - zum Gegenstand des Strukturwandels geworden ist. Es zeigt eben auch, dass man sich in diesem System auf nichts verlassen kann und sich ständig den Herausforderungen und den Veränderungen stellen muss.
Dafür gibt es ein sehr schönes Bild, das ich in diesem Zusammenhang bemühen möchte. Es lautet: Wenn der Wind der Veränderung weht, gibt es Leute, die Mauern bauen. - Das sind die beiden Herren dort rechts. Sie bauen Mauern, wenn der Wind der Veränderung weht. Und dann gibt es Leute, die vielleicht über den Bauplan von Windkraftanlagen streiten, weil sie den Wind der Veränderung nutzen wollen, um neue Energie entstehen zu lassen. Das ist unser gemeinsamer Arbeitsauftrag, das ist unsere gemeinsame Arbeitsgrundlage. Das ist das, was wir als Zukunftsperspektive an die Menschen in unserem Bundesland kommunizieren, denn das erwarten sie und nicht die Verleugnung von Realität oder das Bauen von Mauern. Das hat noch nirgendwo geholfen und hilft auch hier nicht. Wir müssen Windmühlen bauen, damit neue Energie in diesem Land entsteht. Das ist unser Auftrag, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das ist nicht so einfach angesichts der Bedeutung eines Teilbereichs neben Stahl. Beim letzten Mal haben wir viel über Stahl gesprochen. Das ist allen klar. Wenn man alles zusammenrechnet, ist ein Viertel des saarländischen Bruttosozialprodukts in irgendeiner Art und Weise mit der Automobilwirtschaft verbunden. Wenn man dann noch danebenlegt, dass wir beim Stahl erhebliche Schwierigkeiten haben, ist nicht verwunderlich, dass das Saarland im Moment gerade in der Corona-Krise neben anderen Punkten, die uns auch belasten wie der Brexit und Grenzschließungen, am härtesten getroffen worden ist. Das hat etwas damit zu tun, dass wir die heftigsten und stärksten Vorbelastungen schon vor der Krise zu bewältigen hatten.
Ich finde es schon ein bisschen merkwürdig, dass die außerparlamentarische Opposition an dieser Stelle die heftigsten Krokodilstränen vergießt. Auch das gehört zur Erzählung mit dazu, wenn darüber geredet wird, wie schlimm es ist, dass das Saarland mit am härtesten betroffen ist und am schlechtesten in dieser Krise wegkommt. Diese Krokodilstränen helfen niemandem, weder bei Bosch noch bei ZF oder INA Schaeffler oder beim Ford Supplier Park. Hier helfen nur Antworten. Ja, wir brauchen Ziele, was den Klimaschutz angeht, aber wir brauchen auch Diskussionen und Maßnahmen, wie wir es schaffen, diese Ziele zu erreichen, ohne dass die genannten Betriebe ständig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freisetzen müssen. Krokodilstränen von dieser Stelle helfen am allerwenigsten, liebe Kolleginnen und Kollegen.