Dietrich Stratmann
Appearances
14/44
14/45
14/50
14/52
14/58
14/60
14/65
14/66
14/67
14/71
14/79
14/85
14/87
14/89
14/92
14/94
14/95
14/96
14/97
14/98
14/99
14/102
14/104
14/105
14/108
14/109
14/111
14/112
14/113
14/116
14/118
14/119
14/120
14/121
14/122
14/123
14/125
14/127
14/128
Last Statements
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Pothmer und Herr Schwarz, Sie sehen an der Tatsache, dass ich mich als Nichtfachmann auf diesem Gebiet zu diesem Thema zu Wort melde, wie mich das Thema auch innerlich erregt. Ich will in aller Ruhe und Sachlichkeit sagen, dass ich es nicht akzeptieren möchte, dass jeder - wie Friedrich der Große gesagt hat - nach seiner Fasson selig wird und jede Religion den Bestattungsritus durchführen darf, den sie möchte.
Ich möchte ausdrücklich ausschließen, dass z. B. hinduistische Mitbürger, die wir in Deutschland haben, nach ihrem Ritus ihre Toten auf ein Floß betten, das dann verbrannt wird. Da ist für mich die religiöse Toleranz am Ende. Da ich aus dem Landtag ausscheide und diese Position in diesem Sinne in Zukunft hier nicht mehr aktiv vertreten kann, wollte ich Ihnen noch einmal zur Mahnung geben, dass wir nicht unsere christlichen Begräbnissitten aufgeben sollen und dürfen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Harms, ich hatte mir eigentlich vorgenommen, mich heute bei Ihnen zu bedanken, und zwar dafür, dass Sie Ihrem Stil letztlich auch weiter gerecht geworden sind.
Sie haben die CDU und mich nach der Weihnachtszeit in der Frage der Aufhebung des Moratoriums kritisiert.
Sie haben aber nicht Kritik geübt für die Frage der EU-Erweiterung in Bezug auf den Atommüll, weil Sie gesagt haben - so habe ich es zumindest in der nwz gelesen -: Das hat er ja zurückgenommen. Das fand ich fair. Von Sozialdemokraten habe ich an der Stelle nichts anderes erwartet.
Deshalb sage ich auch hier noch einmal: Ich habe eine Äußerung von mir richtig gestellt. Ich habe auch überlegt, ob ich das so mache wie viele Kollegen insbesondere aus dem Bereich, lamentiere herum und sage „Ich dementiere“, oder „Ich bin falsch interpretiert worden“. Ich habe mir gesagt: Nein, das machst du nicht; du hast jetzt den Mut und sagst, ich stelle das richtig, denn das war falsch; es gilt für uns für die Zukunft ohne Wenn und Aber: Kein europäischen Atommüll nach Gorleben - Punkt! Das gilt nach wie vor; bei uns können Sie sich auf solche Aussagen verlassen!
Wenn Sie mir, Herr Jüttner, oder Herr Trittin oder andere, heute erneut in einer Anzeigenkampagne - die will ich ja überhaupt nicht bewerten, weil sie uns im Ergebnis zurzeit hilft; herzlichen Dank dafür und für dieses Niveau - unterstellen,
dass ich dieser Auffassung bin, dann muss ich Ihnen, meine Damen und Herren, ganz ehrlich sagen: Denken Sie noch einmal über den Stil dieser politischen Auseinandersetzung nach.
Letztlich hat man doch den Eindruck, dass Sie, lieber Herr Plaue, in Bezug auf den Wahrheitsgehalt Ihrer Aussagen auf andere schließen.
Das können Sie mit uns nicht tun. Wenn wir sagen, da geht es lang, dann geht es auch da lang; darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger verlassen. Das bedeutet, dass es in Gorleben keinen europäischen Atommüll geben wird!
Ich hoffe, wir haben hiermit das Thema ein für alle Mal beendet.
Jetzt zum Moratorium. Ich will hier ganz zu Beginn sagen, dass mein Eindruck ist - vielleicht
auch, weil ich als Externer dazugestoßen bin -, dass in Gorleben Anfang der 80er-Jahre und auch danach viele Fehler gemacht worden sind - von der damaligen SPD-geführten Bundesregierung, aber sicherlich auch von der CDU-FDP-Landesregierung in Niedersachsen.
Lieber Christian Pfeiffer, mir ist bei dem Thema Gorleben das Stichwort „Mediation“ eingefallen. Vielleicht hätte man das Anfang der 80er Jahre, wenn wir so etwas schon gekannt hätten, dort einmal machen müssen. Möglicherweise hätten wir dann solche Probleme nicht bekommen, wie wir sie bekommen haben. Dennoch bleibt doch der Tatbestand, dass es in Deutschland radioaktiven Müll gibt und auch weiterhin geben wird. Es bleibt doch auch der Tatbestand, meine Damen und Herren, dass wir uns nicht aus der Verantwortung herausstehlen dürfen,
den Menschen zu sagen, was wir mit dem Müll in der Zukunft machen. Es glaubt doch wohl niemand, selbst Sie nicht, Frau Harms, dass wir diesen Müll wegzaubern können oder dass sich das Problem bis 2030 von alleine löst. Wer das glaubt, kennt sich mit den politischen Realitäten nicht aus.
Deshalb gehört es zu einer glaubwürdigen Umweltschutzpolitik, zu sagen: Jawohl, wir erproben diesen Standort weiter, ergebnisoffen - das ist wichtig - und unter wissenschaftlicher Begleitung. Wenn das Ergebnis in zwei oder drei Jahren lautet, der Standort ist nicht geeignet, dann wird er nicht genutzt; Auch das muss man ganz klar und deutlich sagen.
Parallel dazu haben wir die Pflicht und Schuldigkeit, auch nach anderen Lösungen zu suchen. Was findet z. B. in Deutschland noch in der Endlagerforschung, in der Strahlenforschung statt? - Nichts! Das haben Sie alles abgeschafft!
Wir kommen dort keinen Schritt weiter. Wir sind das Land in der Welt mit der höchsten Innovation in diesem Bereich gewesen. Wir wären in der Lage gewesen, dort voran zu gehen. - Das können wir heute nicht mehr; es gibt keine Strahlenforschung mehr bei uns. Die müssen wir wieder betreiben,
damit wir bessere Lösungen finden als die, die zurzeit im Raum stehen.
Dann eine letzte Bemerkung; das will ich vorlesen. Tun Sie doch bitte nicht so, als habe man sich in Berlin endgültig von diesem Standort verabschiedet. In der Vereinbarung der Bundesregierung mit dem EVUs zum Atomausstieg steht doch wortwörtlich drin - Frau Harms, ich lese es jetzt vor, damit Sie uns nicht erneut unterstellen können, wir würden hier die Unwahrheit sagen -: „Die bisherigen Erkenntnisse über ein dichtes Gebirge und damit die Barrierefunktion des Salzes wurden positiv bestätigt. Somit stehen die bisher gewonnen geologischen Befunde einer Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben nicht entgegen.“ Das heißt, selbst die Berliner sagen: Gorleben ist nicht tot; wir müssen Gorleben weiter erkunden.
Das, was Sie zurzeit tun, ist, dass Sie den Bürgerinnen und Bürgern Salz in die Augen streuen, dass Sie nicht zu einer Politik stehen, die glaubwürdig ist und die im Ergebnis die beste Umweltschutzpolitik im wahrsten Sinne des Wortes ist. Wir müssen mit dem Müll irgendwohin. Wir können uns nicht aus der Verantwortung stehlen. Das tun Sie seit Jahren, und die Menschen vor Ort nehmen es Ihnen nicht mehr ab.
Die Menschen haben einen Anspruch darauf, dass wir endlich einen Schlussstrich unter das Thema Gorleben ziehen.
Herr Minister, Sie haben eben gesagt, ein Grund für Nichtabschiebung sei die Flüchtlingskonvention. Sie haben aber schon einen zweiten Grund vorgetragen, die doppelte Staatsbürgerschaft. Sie
können also einen, der die deutsche und eine andere Staatsbürgerschaft hat, nicht abschieben, weil er auch die deutsche Staatsbürgerschaft hat. Sind Sie immer noch stolz auf dieses tolle Einbürgerungsgesetz?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der großen Resonanz ist man fast geneigt, jeden namentlich zu begrüßen.
Davon sehe ich aber doch ab.
Bevor ich auf die Antwort auf unsere Große Anfrage zu sprechen komme, möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Justizministeriums bedanken. Sie haben uns in sehr kurzer Zeit diese Fleißarbeit vorgelegt. - Ihrem Nicken entnehme ich, dass wahrscheinlich auch ein gewisser Druck eine Rolle gespielt hat. Aber wir sind dankbar, dass wir noch in dieser Legislaturperiode über dieses Thema sprechen können. Damit hatte ich selbst fast nicht mehr gerechnet, weil wir so viele Fragen eingereicht haben. Also ganz herzlichen Dank für diese Arbeit in Rekordzeit!
Die vorliegende Antwort stellt eine sehr umfassende Bestandsaufnahme der aktuellen Situation der niedersächsischen Justiz dar. Ich bin sicher, dass sie zur Bewältigung der vielen Probleme, die wir im Justizbereich haben und die wir gemeinsam bewältigen wollen und müssen, durchaus hilfreich sein kann. Die Bewältigung dieser Aufgaben erfordert einen gewissen Ideenreichtum, Durchsetzungskraft und eine enorme Kraftanstrengung.
Herr Minister, ich bin mit dem Lob jetzt schon am Ende. Ich bin der Auffassung, Sie hätten die Chance gehabt, in der Antwort auf die Anfrage deutlich zu machen, wie Sie sich den Herausforderungen stellen wollen, die sich insbesondere aus der dramatischen Haushaltslage ergeben. Das ist in der Antwort aber leider in keiner Weise zu erkennen.
Worum geht es, meine Damen und Herren? - Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der niedersächsischen Justiz trotz der schwierigsten Haushaltslage, die wir wohl in der Geschichte unseres Landes haben. Herr Minister, aus der Antwort wird erneut deutlich, dass Sie nach unserem Verständnis falsche Schwerpunkte setzen. Sie versäumen es deshalb, die Entscheidungen zu treffen, die jetzt in Niedersachsen notwendig wären, um sich auf die Haushaltskatastrophe einzustellen. Ab und zu hat man sogar das Gefühl, dass die dramati
schen Haushaltsprobleme und z. B. die Stellenkürzungen, die noch auf uns zukommen - das ist ja bereits mit dem Haushaltsführungserlass beschlossen, wenngleich die Zahlen jetzt immer korrigiert werden -, bei der Beantwortung unserer Anfrage gar keine Rolle spielen und womöglich negiert werden sollen. Es wird so getan, als gebe es das alles gar nicht. Das wundert uns nicht nur, sondern das spiegelt ein Stück weit auch Ihre Symbolpolitik wider, die Sie seit Jahren betreiben.
Meine Damen und Herren, wer wünscht sich nicht eine flächendeckende Einrichtung von Opferhilfebüros? Wer wünscht sich nicht eine geringere Belastung unserer Gerichte durch gerichtsnahe Mediation? Wer wünscht sich nicht einen OpferhilfeStiftungsfonds, der wirklich gut ausgestattet ist? Das sind alles Wünsche, die wir mit Sicherheit alle unterstreichen können. Nach unserem Dafürhalten sind diese Wünsche aber nachrangig zu erfüllen. Sie sind dann zu erfüllen, wenn wir uns die Erfüllung dieser Wünsche leisten können. Das ist zurzeit in der Tat nicht der Fall.
Deshalb wünschen wir uns zuallererst eine Stärkung der Funktionsfähigkeit unserer Gerichte und Staatsanwaltschaften. Wir wünschen uns, dass die Bürger unseres Landes ihre Rechte schnell durchsetzen können und dass Straftäter zügig verurteilt werden. Herr Minister, wir wünschen uns, dass Sie sich in schwierigen Zeiten auf eine Stärkung und Verbesserung der unabweisbar vorhandenen Aufgaben der Justiz konzentrieren, anstatt Projekten hinterherzulaufen, die wünschenswert sein können - darüber habe ich gesprochen -, die aber zurzeit weder in finanzieller noch in personeller Hinsicht überhaupt erfüllt werden können, weil dies jedes Mal zulasten des Kernbereiches gehen würde. Dabei geht es nicht nur um die Verteilung der Mittel, sondern auch darum, dass Sie durch Ihr Verhalten ständig den Anschein erwecken, es ginge es Ihnen nur um Ihre Lieblingskinder und weniger um die eigentlichen Kernbereiche der niedersächsischen Justiz.
Meine Damen und Herren, der Niedersächsische Richterbund, andere Spitzenverbände sowie Praktiker weisen seit Jahren darauf hin, dass die Grenze der Belastbarkeit der niedersächsischen Justiz längst erreicht ist und mancherorts überschritten wurde. So etwas hört man als Minister natürlich nicht gerne. Es wird dann versucht - ich habe dazu eine interessante Zeitungsnachricht gefunden; in der Nordwest-Zeitung vom 7. Dezember lautet eine Überschrift „In geheimer Mission“ -, den Schaden
zu begrenzen und Meckerer zu beschwichtigen. Die NWZ schreibt ziemlich süffisant, es habe Gespräche mit Richtern gegeben, die sich über die Situation beklagt haben. Sie haben versucht, in diesen Gesprächen den Schaden aus Ihrer Sicht zu begrenzen. Ich zitiere nicht aus dem Artikel, weil das ein ziemlich langwieriges Zitat würde.
Selbst mit Ihrer Antwort auf unsere Anfrage wird der Vorwurf der Richter durchaus bestätigt. Denn nach dieser Antwort auf unsere Anfrage ist die durchschnittliche Belastung in allen Bereichen erheblich angestiegen, wenn man von den Verwaltungsgerichten absieht. In den meisten Bereichen - überwiegend in der ersten Instanz - führt dies zu einem Anstieg der Verfahrensdauer. Das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land vor allem interessiert. Die Menschen wollen so schnell wie möglich zu ihrem Recht kommen. Die Fallzahlen bei den Gerichten in Familien-, Vollstreckungs-, Zwangsversteigerungs-, Sozial-, Arbeits- und Strafsachen ebenso wie die Zahl der Ermittlungsverfahren bei den Staatsanwaltschaften sind angestiegen. Die Personalentwicklung hat diesem Anstieg aber nicht folgen können. Davon sind die Richterstellen an den Landgerichten und Oberlandesgerichten, insbesondere aber die Rechtspfleger, der mittlere Dienst, der Schreibdienst, die Bewährungshelfer, die Gerichtsvollzieher und der Justizvollzug in erheblichem Umfang betroffen. Wir haben in diesen Bereichen erhebliche Stellenkürzungen zu verzeichnen, obwohl die Fallzahlen stark gestiegen sind. Vor allem in diesen Bereichen wird deutlich, dass die Grenze der Zumutbarkeit längst erreicht ist.
Sie werden gleich allerdings vermutlich darauf hinweisen, Herr Minister, dass sich Niedersachsen im Hinblick auf die Verfahrensdauer in den einzelnen Bereichen im Länderdurchschnitt bewegt. Niedersachsen steht also nicht schlechter da als der Durchschnitt aller Bundesländer. Wenn Sie sich gleich damit brüsten, die Verfahrenszeit in Niedersachsen entspreche im Vergleich zu den anderen Bundesländern dem Durchschnitt, dann gehört zur Wahrheit auch, dass dies nicht der Politik, also Ihnen, sondern vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der niedersächsischen Justiz zu verdanken ist.
Sie versuchen nach wie vor, trotz schwierigster Rahmenbedingungen gute Arbeit zu leisten. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Mitarbeite
rinnen und Mitarbeitern der niedersächsischen Justiz ausdrücklich dafür bedanken, dass sie trotzdem so weitermachen.
Im Übrigen sollten wir uns auch nicht an Durchschnittswerten orientieren. Niedersachsen darf nicht nur durchschnittlich sein. Niedersachsen hat es verdient, zu den Besten in Deutschland zu gehören, auch im Bereich der Justiz. Wenn man uns mit den süddeutschen Bundesländern vergleicht - ich nenne Bayern als Beispiel -, dann wird man schnell feststellen, dass die Verfahrenszeiten in Niedersachsen erheblich länger sind als in Bayern. Im strafprozessualen Bereich haben wir in Niedersachsen Verfahrenszeiten von 3,9 Monaten und in Bayern von 2,9 im Durchschnitt, also über einen Monat kürzere Verfahren. Das heißt, im Einzelfall sind diese Verfahrenszeiten in Niedersachsen sehr viel länger.
Für diese schlechte Personalsituation und für längere Verfahrenszeiten in Niedersachsen ist die Politik und sind damit Sie, Herr Minister Pfeiffer, verantwortlich. So einfach ist das. Sie müssen sich den niedersächsischen Problemen stellen. Dieser Verantwortung können Sie sich nicht dadurch entziehen, indem Sie Versäumnisse des Bundesgesetzgebers beklagen und ein 20-Punkte-Programm vorlegen, das sich fast ausschließlich an die Adresse des Bundesgesetzgebers richtet. Dass Sie dies wenige Wochen vor den Landtagswahlen tun, macht Ihr Vorgehen übrigens nicht viel glaubwürdiger, sondern erweckt eher den Eindruck, dass es sich hierbei um eine bloße Wahlkampfaktion handelt. Sie hätten in den letzten Jahren in diesem Bereich immer handeln können. Sie tun es in diesem Umfang jedoch erst jetzt. Das finde ich sehr bedauerlich.
Bundesweite Schlagzeilen, wie etwa nach dem tragischen Mord in Lüneburg, darf es in Niedersachsen, meine ich, nicht mehr geben.
Niedersachsen muss wieder einen guten Ruf in Deutschland bekommen. Aber das erreicht ein Justizminister - das sage ich an dieser Stelle noch einmal - nicht durch Vorträge, Talkshows etc. Gute Justizminister, meine Damen und Herren, sind häufig diejenigen, die nicht in den Medien erschei
nen; denn in den Medien wird nach der Devise verfahren: Only bad news are good news.
Gerade über diese schlechten Nachrichten wird häufiger berichtet, so auch in Niedersachsen.
Als Landesminister müssen Sie sich zunächst fragen: Welche Mittel stehen mir als zuständigem Ressortminister, als Landesminister in Niedersachsen zur Verfügung, um die hiesigen Probleme zu lösen? - Dafür tragen Sie die Verantwortung, sonst niemand.
Der Justizbereich wird von weiteren Stellenstreichungen betroffen sein, obwohl dies heute schon nicht mehr verkraftet werden kann. Angesichts der dramatischen Haushaltslage müssen wir deshalb wieder stärker Schwerpunkte setzen und uns stärker auf die Kernaufgaben der Justiz konzentrieren.
Der Braunschweiger Richterbund hat kürzlich zu Recht festgestellt:
„Der Justiz sind Kernaufgaben des Staates übertragen, die existenziell für die Menschen sind und über die der Staat nicht nach Kassenlage verfügen darf.“
In der Tat müssen wir die Kernaufgaben definieren und unsere Ressourcen darauf konzentrieren. Das geht nur durch eine umfassende Aufgabenkritik bei uneingeschränkter Beteiligung der betroffenen Praktiker.
Wir brauchen mehr Leistungsprofile und Leistungsvergleiche. Beispielhaft hierfür könnte das Projekt „Standards in der Bewährungshilfe“ sein, wo man das so gemacht hat. Wir brauchen eine Untersuchung im Hinblick auf Doppel- und Dreifachstrukturen, die in der Justiz vorhanden sind und abgeschafft werden müssen. Wir müssen uns die Frage stellen, ob es z. B. Regelungsbedarf im Verhältnis Bewährungshilfe/Gerichtshilfe gibt oder ob es Regelungsbedarf im Verhältnis Schiedsämter/Konfliktschlichtung/Mediation gibt. Wo können Aufgaben durch private Anbieter preiswerter erledigt werden, soweit es sich nicht - das betone ich ausdrücklich - um hoheitliche Tätigkeiten handelt? Macht es Sinn, den Gerichtsvollzieherdienst neu zu regeln und aus dem unmittelbaren Bereich der öffentlichen Verwaltung herauszulösen? Wo können weitere Zuständigkeiten und Aufgaben gebündelt bzw. konzentriert werden, ohne
dass dies zu einem Verlust einer orts- und damit bürgernahen Versorgung der Justiz führt?
Meine Damen und Herren, es gibt eine Vielzahl von Fragen, denen wir uns endlich stellen müssen, um mit den Problemen, die auf uns zukommen, rechtzeitig fertig zu werden. Dafür ist die jeweilige Landesregierung zuständig. Die Antwort auf unsere Große Anfrage gibt unserem Eindruck nach keine Antworten. Sie erweckt nicht den Eindruck, dass zurzeit nach Antworten gesucht wird. Ich kann hier sagen: Nach der Landtagswahl wird sich eine CDU-geführte Landesregierung diesen Herausforderungen mit ganzer Kraft stellen, soweit uns die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes den Auftrag dazu erteilen. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es relativ kurz machen, weil wir in diesem hohen Haus schon öfter über das Thema Graffiti gesprochen haben. Eigentlich waren wir der Meinung, dass es mittlerweile einen gemeinsamen Weg geben könnte, den wir zusammen beschreiten. Wir haben uns aber wohl getäuscht. Das Thema ist im Deutschen Bundestag seitens der CDU/CSU-Fraktion viermal als Antrag eingebracht worden. Jedes Mal hat sich die rot-grüne Bundesregierung geweigert, entsprechende Veränderungen des Strafgesetzbuches in den §§ 303 und 304 vorzunehmen, mit denen völlig klar und unmissverständlich deutlich gemacht wird, dass jemand, der Häuserwände, Waggons usw. beschmiert, im Sinne des StGB eindeutig eine strafbare Handlung begeht.
Es ist lange überfällig, dass wir handeln. Das haben schließlich auch die SPD-Fraktion und die Niedersächsische Landesregierung erkannt. Die Landesregierung ist ja einer Bundesratsinitiative Baden-Württembergs, die auch in diese Richtung zielt, beigetreten.
Wir hatten einen ähnlich formulierten Antrag im Rechtsausschuss und waren der Meinung, dass vor diesem Hintergrund im Rechtsausschuss abschließend darüber beraten und abgestimmt werden kann, damit wir dieses Thema insgesamt im Plenum abschließen können. Dann mussten wir aber feststellen, dass die SPD-Fraktion dazu nicht bereit war, sondern erneut auf Vertagung plädiert hat. Das ist vor dem Hintergrund der Einlassung, die wir u. a. von Frau Kollegin Bockmann gehört haben, nicht nachzuvollziehen. Deshalb waren wir der Meinung, dass wir dieses Thema noch einmal in erster Beratung in den Landtag einbringen müssen, um deutlich zu machen, dass auch die uns vorliegende Koalitionsvereinbarung der neuen rot-grünen Bundesregierung dieses Thema wiederum nicht aufgreift und es somit in diesem Bereich nicht zu konkreten Ergebnissen kommt.
Wir wissen alle - auch die Kollegen von der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen -, dass die Menschen in unserem Land - ich formuliere das etwas salopp, Herr Präsident - wirklich die Schnauze voll
haben, mit ansehen zu müssen, wie Wände, schöne Häuser etc., oft kurz nachdem sie saniert oder errichtet worden sind, beschmiert werden. Sie erwarten von uns, dass wir in diesem Bereich endlich etwas tun. Nichts anderes versuchen wir seit längerer Zeit.
- Herr Schwarzenholz, Sie müssen etwas lauter sprechen oder ans Mikrofon gehen, weil ich Sie sonst nicht verstehen kann. Sie sitzen ja immer in der letzten Reihe.
Wir suchen mit diesem Antrag erneut eine Mehrheit, um selber eine Bundesratsinitiative zu initiieren. Wir wissen, dass die Baden-Württemberger nach Beendigung der alten und mit Beginn der neuen Legislaturperiode ihre alte Bundesratsinitiative, der Sie zugestimmt haben, noch nicht wieder eingebracht haben. Ich sage ganz ehrlich: Ich weiß nicht, warum. Das hat uns aber in Niedersachsen auch nicht zu interessieren, denn wir können selber aktiv werden. Ich fände es auch gut, Herr Minister, wenn wir bei diesem Thema selber aktiv werden würden, um den Menschen in Niedersachsen deutlich zu machen: Wir wollen hier etwas tun. Ich halte das für ein ganz wichtiges Signal.
Liebe Kollegin Bockmann, eines möchte ich noch deutlich sagen: Ich habe Ihre Presseerklärung zu diesem Thema gelesen, die mit der Überschrift versehen wurde, wir würden ein politisches Schmierentheater betreiben, indem wir dieses Thema noch einmal auf die Tagesordnung setzen. Ich kann diese Formulierung überhaupt nicht nachvollziehen. Ich würde auch fast unterstellen, dass sie Ihnen aufgeschrieben wurde. Aber sei es drum. Sie haben sie schließlich unterzeichnet. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man von politischem Schmierentheater sprechen kann, wenn man selber an der einen oder anderen Stelle gesagt hat: Wir finden das gut, wir sind auch der Meinung, dass wir in diesem Bereich initiativ werden müssen. - Wenn Sie völlig anderer Meinung wären, würden wir über die eine oder andere Vokabel, die im Vorwahlkampf fällt, nicht streiten. Aber da Sie immer wieder signalisiert haben und auch durch Ihr Verhalten im Bundesrat bei der Initiative der Baden-Württemberger deutlich gemacht haben, dass Sie dort Handlungsbedarf sehen, kann ich die
Verwendung solcher Vokabeln nicht nachvollziehen und halte sie im Gegenteil für unglaubwürdig. Offensichtlich müssen Sie - ich weiß nicht, warum - immer wieder deutlich machen, dass alles, was von der Opposition kommt, nicht gut sein kann, sondern per se schlecht ist.
Wir sind der Meinung, dass wir so nicht weiter machen sollten, und hoffen sehr darauf, Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, dass wir bei diesem Thema nun endlich zu Ergebnissen kommen und als Niedersachsen selber initiativ werden. Wir hoffen auch, dass Ihr Einfluss gegenüber Ihren Parteigenossen in Berlin ausreicht. Jetzt haben wir ja eine neue Bundesjustizministerin, die vielleicht Anlass zur Hoffnung gibt. Ich hoffe, dass wir dann endlich beim fünften Versuch, nachdem wir es in Berlin viermal erfolglos versucht haben, die Ergänzung des Strafgesetzbuches erreichen, um eine weitere Möglichkeit zu schaffen, diesen schrecklichen Schmierereien in unserem Land ein Ende zu bereiten. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident, ich meine, die Aufforderung zur Straftat ist auch in diesem Parlament unter Strafe gestellt.
Ich möchte Sie fragen, Herr Kollege Schröder: Glauben Sie denn im Ernst, dass ein Strafverfahren eröffnet wird, wenn jemand mit einem Lippenstift einen Spiegel beschmiert, selbst wenn ein entsprechender Antrag vorliegt?
So viel brauche ich nicht, Herr Präsident. Ich komme mit weniger aus.
Wenn das alles so ist, was ich ja gut finde - Sie begründen, dass Sie jetzt endlich in diese Richtung gehen wollen -, dann verstehe ich nicht, Herr Minister, wieso sind Sie dann mit unserem Ursprungsantrag so umgegangen, wie Sie mit ihm umgegangen sind? Wieso haben Sie ihn vertagt? Das spricht eben dafür, dass Ihnen die Diskussion, die wir jetzt hier im Plenum wieder führen, außerordentlich unangenehm war und auch jetzt offensichtlich ist.
Das ist ja der Grund, warum wir einen neuen Antrag gestellt haben. Wir brauchten eine erste Beratung, um überhaupt noch einmal zu dem Thema reden zu können. Das hätten Sie sich alles ersparen können, wenn Sie mit uns gemeinsam im Rechtsausschuss gesagt hätten: Wir stimmen dem zu, wir machen da mit, wir sehen Handlungsbedarf. - Dann hätten wir dieses Thema heute ganz anders behandelt, als es jetzt der Fall ist. Das haben Sie aber nicht getan. Ihre Kollegen aus der SPD-Fraktion haben gesagt: Wir vertagen das lieber, wir wollen in dieser Legislaturperiode nicht mehr über das Thema sprechen. - Das gehört auch zur Entstehungsgeschichte und dazu, dass ich hier ein zweites Mal stehe.
Ich will eine letzte Bemerkung machen. Frau Bockmann, ich habe nie behauptet, dass Graffitischmierereien nicht schon nach dem jetzigen Recht - §§ 303, 304 StGB - strafbar wären. Die Frage ist aber: Wo fängt die Strafbarkeit an? Kollege Schröder ist darauf eingegangen.
Da wir uns und sich insbesondere auch die Richter hier in einer Grauzone bewegen, die Richter also quasi mal so und mal so entscheiden können, haben wir doch alle gesagt: Wir möchten das gerne etwas klarer im Gesetz formulieren, damit diejenigen, die solche Schmierereien sozusagen zur Freizeitbeschäftigung erhoben haben, ganz klar wissen: Egal, was ich an dieser Wand mache und tue, es wird nach der Neuregelung des StGB in jedem Fall etwas sein, was verboten ist, was strafbar ist. - Das ist doch das Entscheidende, und das ist doch auch einer der Gründe dafür, dass Sie sagen, Sie machen das, was Baden-Württemberg jetzt macht, mit.
Ich finde es gut, dass sich jetzt auch die Bundesregierung - das hat offensichtlich tatsächlich etwas mit der neuen Bundesjustizministerin zu tun -, nachdem sie viermal Nein gesagt hat, entschieden hat, dort mitzugehen. Ich kann das aber noch nicht ganz glauben, Herr Minister, denn Herr Stroebele, der neue rechtspolitische Sprecher der Grünen, hat da auch noch ein Wörtchen mitzureden, und ich könnte mir vorstellen, dass er nicht nur über juristische, sondern vermutlich auch über praktische Erkenntnisse in dem Zusammenhang verfügt und wahrscheinlich nicht damit einverstanden sein wird, dass das Thema so durchgezogen wird. Also, da bin ich sehr skeptisch, da warten wir einmal ab.
Ich meine, nach all dem, was Sie heute gesagt haben, Frau Bockmann, können Sie durchaus mit uns diesen Weg gehen, und wir bräuchten das gar nicht weiter zu problematisieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will den Germanisten Gabriel fragen, ob ihm auch bekannt ist, dass “wir stellen ein” Präsens und “wir haben eingestellt” Perfekt ist und dass das ein Unterschied in den Augen der Bevölkerung ist.
Frau Ministerin, nachdem Sie eben einem Kollegen vorgehalten haben, wie oft er im Kultusaus
schuss gewesen sei - Sie selber sind ja auch selten da, wie ich festgestellt habe -, frage ich Sie: Meinen Sie, dass Sie Ihr Haus in den Griff bekommen, indem Sie untersuchen lassen, wie oft Kollegen im Kultusausschuss sind, aber nicht feststellen lassen, wie oft das NLI missbräuchlich
nach dem Motto „Hier handelt jeder so, wie er will, aber keiner so, wie er soll“ handelt?
Frau Ministerin, wie beurteilen Sie die Aussage der SPD-Landtagskandidatin für den Bereich Northeim, die am 14. November gesagt hat: „Wir alle - und auch ich persönlich - würden viel lieber die Volle Halbtagsschule behalten.“?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Vorbemerkung, Herr Ministerpräsident: Vermutlich waren Sie nicht anwesend, als wir diesen Tagesordnungspunkt in der letzten Plenarsitzung diskutiert hatten - Stichwort „Sicherungsverwahrung“. Ich habe mich von diesem Rednerpult aus für die CDU-Fraktion dazu bekannt, dass wir auch in Anbetracht verfassungsrechtlicher Probleme das Risiko der nachträglichen Sicherungsverwahrung eingehen wollen,
weil wir der Meinung waren, dass jeder Tag, der ins Land geht, ein Tag zu viel ist und dass das Risiko, das sich damit verknüpft, zu hoch ist. Offensichtlich hat auch die neue Bundesjustizministerin diese Auffassung, weil sie das - Herr Wulff hat dies zitiert - so vertritt. Das kann sie natürlich auch, weil sie in Anbetracht des neuen rechtspolitischen Sprechers der Grünen - Herr Ströbele ist jetzt für die Rechtspolitik der Fraktion der Grünen zuständig - weiß, dass es zu einer solchen Mehrheit im Deutschen Bundestag nicht kommen wird. Das nur vorweg als Vorbemerkung.
Jetzt zum eigentlichen Thema: Das ist keine Debatte - diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich das wirklich ernst meine -, bei der es mir Freude bereitet, zu diesem Thema zu reden. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir Menschenleben zu beklagen haben, müssen wir uns auch sehr genau überlegen, wie wir uns einlassen und welche Tonart wir wählen.
Herr Minister - ich würde Sie gerne direkt ansprechen, aber ich habe bei meinen Vorrednern bemerkt, dass das wegen des Mikrofons nicht möglich ist und man mich nicht hören kann -, ich erinnere mich noch sehr genau an den Tag, als wir beide das erste Mal einen persönlichen Kontakt hatten; das war ein Telefongespräch. Damals waren Sie noch Direktor des Kriminologischen Forschungsinstitutes. Es ging um ein Gutachten, das das Forschungsinstitut damals erstellt hatte. Das Ergebnis dieses Gutachtens war, dass Richter in Niedersachsen zu strenge Urteile fällen würden, deshalb in Niedersachsen zu viele Angeklagte zu Haftstrafen verurteilt würden und deshalb unsere Gefängnisse zu voll seien. - Das war das erste Gespräch, das wir beide miteinander geführt hatten; das war konstruktiv. Ich weiß, dass, als es damals zum Wechsel ins Amt des Ministers kam, diese Einlassungen nicht dazu beigetragen haben, dass in der niedersächsischen Justiz, insbesondere bei den Richtern, Begeisterungsstürme ausbrachen. Die Richter hatten eine gewissen Zurückhaltung, weil sie diese Kritik als Richterschelte empfanden.
Dann wurden Sie also Minister. In einem Punkt können wir Ihnen, meine ich, unisono eine Eins als Note erteilen. Es hat in der Geschichte dieses Landes bisher keinen Justizminister gegeben, der eine solche Öffentlichkeitsarbeit betrieben hat, wie Sie
es getan haben. Es hat keinen Minister gegeben, der so häufig Interviews gegeben hat, so häufig in der Zeitung stand und in so vielen Talkshows auftrat, wie das bei Ihnen der Fall war. Das ist zunächst einmal eine Feststellung. Die Themen, meine Damen und Herren, waren immer die gleichen: Nebenthemen, zugegeben, es waren wichtige Nebenthemen, aber es waren Nebenthemen wie Konfliktschlichtung, Mediation, Opferschutz.
- Wir haben immer gesagt, Herr Plaue: Die Opposition unterstützt Minister Pfeiffer bei diesen Themen, wenn er die Kernaufgabe der Justiz nicht vernachlässigt.
Sie haben dadurch, dass Sie einen Schwerpunkt Ihrer Thematik in diesen Bereichen gesetzt haben, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justiz sowie bei der Richterschaft den Eindruck erweckt, als würden Sie sich für die Kernthemen der niedersächsischen Justiz nicht mehr interessieren.
Dies, meine Damen und Herren, ist das eine. Das andere ist, dass auch der Tatbestand, dass Sie diesen Kernbereich vernachlässigt haben, festgestellt werden kann.
Herr Ministerpräsident, ich habe dankenswerterweise aufgrund Ihrer Einladung z. B. an Ihrem Besuch in Oldenburg am OLG teilgenommen. Ich habe mir nach diesem Besuch die Frage gestellt: Oh Gott, wie soll ein Ministerpräsident oder auch ein Minister überhaupt noch ein Bewusstsein für das entwickeln, was sich an der Basis tatsächlich vollzieht, wenn solche potemkinschen Dörfer aufgebaut werden, wie das dort der Fall war?
Wir waren wenige Wochen später mit dem Rechtsausschuss am gleichen Standort, und da brach die Kritik plötzlich über uns herein. Die Kritik ist in Niedersachsen unisono die gleiche. Uns sagen alle: Wir sind an der Grenze der Belastbarkeit,
wir sind vielerorts bereits über diese Grenze hinweg, bitte helft uns! Da nützen auch keine statistischen Tricksereien, meine Damen und Herren. Es mag an der einen oder anderen Stelle funktionieren. Aber es gibt viele Stellen in Niedersachsen, es gibt viele Gerichte, von denen wir Hilferufe bekommen und die uns sagen: Uns reicht das Perso
nal nicht mehr, bitte helft uns! Das muss zur Kenntnis genommen werden, Herr Minister. Deshalb haben wir u. a. die Große Anfrage gestellt.
Eine abschließende Bemerkung möchte ich noch machen: Es gibt nach meinem Dafürhalten einen Unterschied zwischen der Frage - dies hat Ihnen eben niemand vorgeworfen; darauf lege ich gesteigerten Wert -, ob ich etwas sozusagen persönlich kausal verursacht habe, und der Frage, ob ich für etwas die politische Verantwortung trage.
Meine Damen und Herren, ich weiß auch - ich mache das jetzt lange genug -, dass das Amt des Justizministers unter Umständen wirklich nicht vergnügungssteuerpflichtig ist, dass unter Umständen Sachverhalte eintreten können, für die Sie persönlich kausal nicht die Ursache gesetzt haben, für die Sie aber, weil Sie Justizminister und nicht Hochschulprofessor sind, die politische Verantwortung tragen.
Dieser Vorfall ist von allen in der niedersächsischen Presse und darüber hinaus als Justizskandal beschrieben worden. Dieser Justizskandal hat dazu beigetragen, dass erneut das Vertrauen unserer Bürgerinnen und Bürger in die niedersächsische Justiz gestört ist.
Wenn dieser Fall eingetreten ist - und er ist leider eingetreten -, dann muss sich die Landesregierung, Herr Ministerpräsident, überlegen: Wie stelle ich dieses Vertrauen schnell wieder her? Das gelingt nicht, wenn ich nach der Devise „Haltet den Dieb“ mit dem Finger z. B. auf die Opposition zeige und sage: Dass ihr uns kritisiert, ist eine Riesensauerei. - So eine Presseerklärung der SPD-Fraktion zu diesem unglaublichen Vorgang. - Das bekomme ich nur aus der Welt, wenn ich mich selbstkritisch frage, ob ich etwas falsch gemacht habe, wenn ich auch in der Lage bin, mich vor die niedersächsische Bevölkerung zu stellen und zu sagen: Dies ist ein großer Fehler gewesen. Wir stehen dafür ein, und wir sagen Ihnen zu, dass wir in der Zukunft versuchen, so etwas zu vermeiden.
Das gehört dazu, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wenn ich Minister bin. Dafür bin ich Minister und nicht Hochschulprofessor. Da gibt es Unterschiede. Wenn ich dazu nicht bereit bin, dann muss ich dieses Amt aufgeben.
- Das ist kein Blödsinn, Herr Adam. Ich hoffe gleich noch auf Ihre Ausführungen zur Rechtspolitik. Da bin ich außerordentlich gespannt. Sie sollen ja der zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende dafür sein.
Meine Damen und Herren, wenn ich dazu nicht bereit bin, dann muss ich es eben lassen.
Ich sage abschließend auch: So etwas kann natürlich so schnell nicht Frau Knorre passieren, so etwas wird auch nicht Herrn Bartels und wahrscheinlich auch nicht dem Umweltminister passieren. Aber im Innen- und im Justizbereich gibt es solche Ereignisse. Herr Schünemann hat auf das Beispiel Bad Kleinen hingewiesen. Rudi Seiters hat hier Maßstäbe gesetzt.
Als zuständiger Innenminister muss ich an solch einer Stelle die Verantwortung tragen.
Herr Minister, ich sage Ihnen noch einmal: Es gibt nach meinem Dafürhalten nicht viele Möglichkeiten, das Vertrauen der Bevölkerung wiederherzustellen. Denken Sie bitte darüber nach! Ich sage auch - das ist kein Geheimnis -, dass wir beide uns immer bemüht haben, konstruktiv, menschlich anständig miteinander umzugehen. Ich werde mich darum auch künftig bemühen; das ist überhaupt keine Frage. Aber es muss erlaubt sein, bei einem so schwerwiegenden Vorfall auch solche Äußerungen vor diesem hohen Haus zu machen, ohne dass man dafür mit „Riesensauerei“ oder Ähnlichem an die Wand gestellt wird. Dies geht nicht. Das können wir als Opposition nicht zulassen. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben ja noch ein anderes Thema. Es wird Ihnen aufgefallen sein, dass wir noch ein paar Worte zur Kronzeugenregelung sagen müssen. Ich will mich wirklich kurz halten, weil wir ja alle gerne zum Parlamentarischen Abend möchten.
Ein Monat nach dem 11. September kündigte die damalige Bundesjustizministerin, Frau DäublerGmelin - die, wie ich gehört habe, mittlerweile Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses geworden ist; ich mag das gar nicht glauben, stimmt das wirklich? - -
- Jeder Zwischenruf, Herr Kollege Mühe, geht auf Ihre Zeit.
Frau Präsidentin, da ich mich immer zu viel mit Politik befasst habe, habe ich es nie geschafft, meine Dissertation zu Ende zu schreiben. Das heißt, zum Doktortitel habe ich es bisher nicht gebracht. Ich kann aber trotzdem ganz gut damit umgehen.
Nach den schrecklichen Ereignissen des 11. September kündigte die damalige BMJ eine Kronzeugenregelung an. Daraus ist nichts geworden. Im Oktober danach hat unser Landesminister eine ähnliche Ankündigung gemacht. Auch daraus wurde nichts. Wir haben ihn im April d. J. noch einmal daran erinnert, und er hat erneut zugesichert, sich
dafür einsetzen zu wollen. Bis heute liegt ein solcher Vorschlag nicht vor.
Warum haben wir den Antrag noch einmal gestellt? - Vor allem deshalb, weil wir nach wie vor darauf warten, dass der Herr Minister seine Ankündigung in Realität erwachsen lässt, und weil wir leider feststellen mussten, dass sich auch in der neuen Koalitionsvereinbarung, die von Rot-Grün für die jetzige Bundesregierung beschlossen worden ist, kein Hinweis darauf findet, dass sie endlich eine Kronzeugenregelung beschließen wollen. Deshalb heute unser erneuter Antrag.
Herr Minister, ich weiß, dass Sie gleich eine Ankündigung machen werden. Ich hoffe, dass dieser Ankündigung dann auch sehr schnell Taten folgen werden. Sie werden unsere Unterstützung dabei bekommen. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Herr Minister, ich höre Ihre Rede gern, allein mir fehlt der Glaube. Wenn wir heute das erste Mal über diese schwierige Problematik diskutierten würden, dann würde ich sagen: In Ordnung, 80 % dessen, was Sie gesagt haben, unterstreichen und unterstützen wir. Es ist aber eben nicht das erste Mal; denn wir bringen dieses Thema schon seit Jahren immer wieder auf die Tagesordnung. Ich verstehe nicht, warum Sie die von Ihnen heute gemachte Ankündigung nicht schon
vor einem Jahr machen konnten, als wir hier über die Frage der nachträglichen Sicherungsverwahrung diskutiert haben. Das kann ich nicht nachvollziehen.
Daraus erwächst bei uns natürlich ein gewisses Misstrauen - ich habe gestern schon andere Beispiele wie z. B. die Kronzeugenregelung und Ähnliches mehr genannt -, weil wir nicht sicher sein können, ob Ihre Ankündigungen dann auch tatsächlich in die Realität umgesetzt werden. Ich bitte einfach um Verständnis.
Ich möchte auch noch etwas anderes ansprechen, was mir immer wieder auffällt, liebe Kollegin Bockmann. Ich glaube, wir haben in diesem Haus niemals über die Frage gestritten, ob die Zahl der Sexualstraftaten ansteigt oder nicht. Warum haben wir das nicht getan? - Weil es uns völlig egal ist, ob es hier einen Anstieg gibt. Darum geht es überhaupt nicht.
Es geht darum, dass jede Sexualstraftat, die begangen wird, eine Sexualstraftat zu viel ist. Das ist doch das entscheidende Thema.
Hören Sie bitte damit auf, dadurch ablenken zu wollen, dass Sie uns immer wieder vorwerfen, wir würden an dieser Stelle mit falschen Statistiken arbeiten. Das tun wir nicht. Wir wissen, dass es keinen gravierenden Anstieg gibt. Es gibt aber einen Anstieg bei der Zahl der Strafanträge, weil die Leute heute mehr Mut haben als vor 20 Jahren, solche Straftaten zur Anzeige zu bringen. Deshalb bitte ich Sie noch einmal: Lassen Sie uns nicht auf diesem Niveau diskutieren.
Nun noch einmal zur Sache an sich. Über das Thema nachträgliche Sicherungsverwahrung haben wir hier schon mehrere Male diskutiert, weil wir der Auffassung sind, dass die Vorbehaltslösung, für die Sie sich in Berlin ausgesprochen haben, nicht ausreichen wird. Kein Sexualstraftäter, der heute in Haft sitzt, wird davon erreicht. Diese Straftäter kann ich nur über die nachträgliche Sicherungsverwahrung erreichen. Damit ist uns das Risiko zu groß, das Sie eingehen.
Kommen Sie bitte auch nicht immer wieder mit verfassungsrechtlichen Argumenten. In BadenWürttemberg und Bayern funktioniert es. Wir wer
den jetzt einmal abwarten, was das Bundesverfassungsgericht dazu sagt. Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass es die bayerische Lösung bestätigen wird. Wenn nicht, wird eben nachgebessert. Sie hätten bisher auch die Chance gehabt, in diesem Bereich tätig zu werden.
Ich möchte jetzt noch ein weiteres Thema ansprechen. Frau Bockmann, Sie haben es selbst zugegeben: Warum haben Sie nicht den Mut, mit uns gemeinsam zu sagen: „Jawohl, Sexualstraftaten haben in Zukunft nicht mehr als Vergehen, sondern als Verbrechen zu gelten“?
Diesen Mut könnten Sie heute doch an den Tag legen. Machen Sie das! Wenn das, was Sie gesagt haben, zutreffen sollte - es trifft eben nicht zu, aber unterstellen wir einmal, es träfe zu -, dass sich die meisten Dinge erledigt haben, dann hätten Sie heute kein Problem, unserem Antrag zuzustimmen. Sie könnten ohne Weiteres sagen: Jawohl, wir bringen hier noch einmal zum Ausdruck, dass wir in diesem Bereich etwas tun wollen und möglicherweise auch schon getan haben.
Letzte Bemerkung. Ich hoffe, dass Ihnen als Juristin das Diskontinuitätsprinzip bekannt ist. Das heißt, dass in der neuen Legislaturperiode des Deutschen Bundestages alte Initiativen neu ergriffen werden müssen. Darum geht es auch hier. Auch die Innen- und Rechtspolitiker des Bundesrates haben gesagt: Weil Rot-Grün es in der letzten Wahlperiode nicht gepackt hat, Initiativen zum Ende zu bringen, müssen wir jetzt erneut Initiativen ergreifen, damit wir das in der laufenden Wahlperiode endlich zu Wege bringen. Wir hoffen sehr, dass wir hier gemeinsam an einem Strang ziehen. - Herzlichen Dank.
Frau Ministerin, Sie haben gesagt, mit der Herausnahme der Arbeitslosen über 54 Jahren wollen Sie die Statistik nicht schönen. Wollen Sie, wenn Sie das vorhaben, aber nicht doch entweder die Statistik beschönigen oder damit zum Ausdruck bringen, dass ein Arbeitsloser über 54 Jahren keinen Arbeitsplatz mehr sucht?
Frau Ministerin, vor dem Hintergrund Ihrer schwammigen Aussage auf die Frage von Herrn Dinkla,
ob die Kürzung der Eigenheimzulage von der Landesregierung im Bundesrat unterstützt oder bekämpft werden wird, frage ich Sie, wenn Sie auch nicht für das Kabinett, aber so doch für Ihr Haus sprechen können, ganz präzise: Teilen Sie die Meinung von Herrn Eichel, dass man die Eigenheimzulage kürzen soll, oder teilen Sie die Meinung von Herrn Wiesehügel, dass man sie nicht kürzen soll?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat haben der Entschließungsantrag der CDU-Fraktion und vor allem auch die sich daran anschließende Anhörung bereits dazu geführt, dass die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln in Niedersachsen möglich geworden ist. Mit Erlass des Justizministers vom 19. Juli 2002 ist nunmehr die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln auf eine rechtliche Grundlage gestellt. Wie der Kollege Voigtländer gerade berichtete, hat der Rechtsausschuss deshalb mit Stimmenmehrheit der SPD-Fraktion dafür votiert, den Antrag für erledigt zu erklären.
Meine Damen und Herren, das ist aus unserer Sicht nur teilweise richtig. Der Erlass enthält nämlich eine Vielzahl von Einschränkungen, die nicht praxisgerecht sind. So wird z. B. seitens der Ärzteschaft kritisiert, dass der Brechmitteleinsatz nur in medizinisch genutzten Räumen und nur mit dem notwendigen medizinischen Assistenzpersonal durchgeführt werden darf. Außerdem hat eine hinreichend lange Beobachtung nach dem Eingriff zu erfolgen. Das heißt z. B., dass ein Notarzt nach Verabreichung des Brechmittels noch über eine Stunde in Anspruch genommen wird. Solches Vorgehen ist zwar künftig rechtlich erlaubt, wird deshalb aber tatsächlich kaum zur Anwendung gelangen. Von einer Erledigung unseres Ansinnens kann schon vor diesem Hintergrund nicht uneingeschränkt gesprochen werden.
Ich möchte diesen Fall aber auch zum Anlass nehmen, einige grundsätzliche Bemerkungen zu machen.
Meine Damen und Herren, für CDU und CSU haben die Bekämpfung von Kriminalität und vor allem auch der Schutz von potenziellen Opfern höchste Priorität.
Ich sage wie schon so häufig von dieser Stelle: Im Rahmen der rechtsstaatlich gegebenen Möglichkeiten war und ist daher für uns der Einsatz von Brechmitteln zur Aufklärung von Rauschgiftstraftaten - insoweit muss erwähnt werden, dass es sich überwiegend um Heroin oder vergleichbare gefährliche Drogen handelt - immer geboten und erforderlich gewesen. Jedes rechtlich vertretbare Mittel, das dazu beitragen kann, die Zahl der Drogentoten und der Schwerstabhängigen zu reduzieren, ist aus unserer Sicht anzuwenden, meine Damen und Herren.
Das gilt natürlich für alle Mittel, die sich etwa aus § 81 a StPO ergeben, wo u. a. auch die zwangsweise Blutentnahme geregelt ist bzw. wonach diese geregelt werden kann.
Dem Schutz der potenziellen Opfer von Straftaten - das sage ich in aller Deutlichkeit - ist gegenüber dem Schutz der potenziellen Täter in jedem Fall Vorrang einzuräumen. Dieses Bekenntnis gilt nach wie vor, meine Damen und Herren. Dazu bekennen wir uns, und zwar ohne Wenn und Aber. Dieses Bekenntnis besteht eben unabhängig von aktuellen Ereignissen und steht auch in keiner Abhängigkeit zur öffentlichen Meinung oder etwa zu erzeugtem öffentlichen Druck.
Hierin besteht vielleicht ein gewisser Unterschied zur SPD und vor allem auch zu den Grünen. Sie verhalten sich nämlich in solchen Fragen häufig opportunistisch und inkonsequent. Auch am Beispiel des Einsatzes von Brechmitteln ist wieder deutlich geworden, dass die SPD letztlich keine verlässliche und konsequente Politik betreibt. Deshalb ist es schon aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich, dass wir heute im Landtag einen entsprechenden Grundsatzbeschluss fassen.
Bei den Brechmitteln hat die SPD-Fraktion zunächst wieder einmal einen Zustand beschrieben. Sie hatte ja die Brechmittel zunächst abgelehnt, so wie dies in ihre überkommene Programmatik passte. Dann stellten Sie fest, dass sich die Realität Ihren Vorstellungen nicht anpassen wollte, und danach übernahmen Sie unsere Position und verkauften sie sozusagen als Ihr geistiges Eigentum. Meine Damen und Herren, diese Methode erleben wir relativ häufig. Das hat bei Ihnen schon ein gewisses Prinzip.
Nun könnte man ja den Standpunkt vertreten: Wenn die Kollegen der SPD-Fraktion irgendwann zur richtigen Auffassung gelangen, so ist dies gut und im Dienste der Sache. Deshalb sind wir ja auch bereit, hier weiter mitzumachen. Aber es muss eben auch der Hinweis erlaubt sein, dass Sie zunächst, wenn Sie dagegen sind, für viel Verunsicherung sorgen, dass Sie vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch Kosten verursachen, dass Sie Porzellan zerschlagen und erst dann Ihren Kurs ändern. Genau das stimmt uns ärgerlich.
In der Landtagssitzung am 24. Januar 2002 erklärte der Innenminister, der Einsatz von Brechmitteln gegen Drogendealer sei weder verhältnismäßig noch medizinisch unbedenklich. In der Sitzung am 15. Februar 2002 vertrat die Kollegin Bockmann die Auffassung, der Einsatz sei mit dem Rechtsstaat nicht vereinbar, mithin also rechts- bzw. verfassungswidrig. Erneut wurde uns Inkompetenz in dieser Frage unterstellt. Und dann lesen Ihnen die von Ihnen mit ausgewählten Sachverständigen in der Anhörung des Rechtsausschusses kräftigt die Leviten, fordern die Einführung des zwangsweisen Einsatzes von Brechmitteln als sehr effektives Instrument zur Bekämpfung der Drogenkriminalität, und die Landesregierung vollzieht innerhalb kürzester Zeit eine völlige Kehrtwende. In der Presseerklärung vom 31. Juli 2002 wird dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch noch der Eindruck erweckt, dass dies alles auf die erfolgreiche Initiative des Justizministers zurückzuführen sei.
Meine Damen und Herren, das halte ich für unseriös. Das hat mit verlässlicher Politik überhaupt nichts zu tun.
Ich gebe gerne zu, dass der Einsatz von Brechmitteln, wenn es um die Bekämpfung von Drogenkriminalität oder Kriminalität überhaupt geht, nur ein Detail abdeckt. Aber an diesem konkreten Beispiel wird wieder einmal die von mir soeben beschriebene Methode, die Sie allzu gerne anwenden, deutlich, wie auch bei anderen Themen, von denen ich nur zwei kurz noch anreißen will.
Stichwort „Sicherungsverwahrung“: Im Landtag und im Bundestag lehnen Sie die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung ab, und gegenüber der Öffentlichkeit stellt sich dann der Justizminister vor dem Hintergrund jüngster Sexualverbrechen hin und erweckt wiederum den Eindruck, als setze er sich dafür ein.
Zweites Stichwort „Kronzeugenregelung“: Seit eineinhalb Jahren kündigen Sie - auch aufgrund unserer Forderung - an, Sie wollten nun die Initiative zur Wiedereinführung der Kronzeugenregelung ergreifen. Bis heute warten wir auf eine solche Initiative und können sie nicht erkennen, und in Berlin wird von Rot-Grün - auch im Zuge der Koalitionsverhandlungen - erneut beschlossen, dass es keine Wiedereinführung der Kronzeugenregelung geben darf. Ich bin mir sicher: Bei der nächsten Gelegenheit wird sich der Herr Minister wieder hinstellen und so tun, als kämpfe er dafür. Tun Sie das bitte weiter, wenn es wirklich so ist. Bringen Sie diese Initiative ein. Sie haben dabei unsere Unterstützung.
Meine Damen und Herren, meine Zeit ist abgelaufen.
- Ja, natürlich. Meine Redezeit ist abgelaufen. Meine Damen und Herren, ich glaube, die Menschen erwarten von uns, dass wir konsequent handeln, statt nur zu reden, dass wir unseren Ankündigungen auch Taten folgen lassen. Alles andere führt letztlich dazu, dass Vertrauen verloren geht. Das wollen wir nicht. Gerade bei der Kriminalitätsbekämpfung geht es darum, dass wir konsequent handeln, dass wir tatenreich handeln und dass wir unseren Sprüchen dann auch wirklich etwas folgen lassen.
Liebe Frau Kollegin Bockmann, Sie haben hier eine Rede gehalten, als ob es erneut darum geht, Argumente gegen die zwangsweise Verabreichung zu finden. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich finde, wir sollten mit Anschuldigungen wie wir seien für die hemmungslose Verwendung, und wir würden billigend in Kauf nehmen, dass Menschen zu Tode kommen, außerordentlich vorsichtig sein.
Jeder im Plenarsaal wird bestätigen, dass ich meine Rede bewusst etwas anders formuliert habe.
Ich möchte noch eine Bemerkung machen. Ob der schwierigsten und schlimmsten Verhältnisse, die wir aus Osnabrück mitgeteilt bekommen haben, und zwar von Polizisten, die dort tagtäglich mit diesem Problem zu kämpfen haben, haben wir uns dazu entschlossen, einen solchen Entschließungsantrag einzubringen. Die Praktiker vor Ort haben uns gesagt, dass dies ein geeignetes Mittel sei, um Schlimmstes zu verhindern und gegen Drogenmissbrauch vorzugehen. Seien wir doch einmal ehrlich, Herr Minister und liebe Kollegin Bockmann. Die Anhörung, auf die Sie sich ständig stützen, hätte niemals stattgefunden, wenn wir mit unserem Antrag nicht dafür gesorgt hätten.
Ohne unseren Antraag gäbe es bis heute noch nicht die rechtliche Möglichkeit der zwangsweisen Verabreichung. Das muss man einmal deutlich sagen. Wenn Sie ein bisschen Format haben, dann geben Sie zu, dass letztlich wir die Ursache dafür gesetzt haben, dass die Polizisten vor Ort in der Lage sind, dagegen wirksam vorzugehen. - Herzlichen Dank.
Herr Ministerpräsident, können Sie sich daran erinnern, dass die SPD/Grüne-Regierung sogar alle Bundesverkehrsstraßen herausgenommen hat, dass sie darauf stolz war und es in der Wahlbroschüre noch als Erfolg verkauft hat?
Herr Minister, wird die Erhöhung, Prüfung und Widmung der Deiche in Horneburg genauso lange dauern wie bei den Rhume-Deichen in Northeim, nämlich weit über zehn Jahre? Man hat gehört, das ist in Northeim bis heute noch nicht abgeschlossen.
Herr Minister, habe ich Sie eben richtig verstanden, dass Sie die Rhume-Deiche in Northeim nicht mehr widmen wollen? - Anders als noch am 31. Juli 1996 zugesagt, wobei Sie - damals in Vertretung Herr Schulz - gesagt haben: Die Bezirksregierung beabsichtigt, die Rhume-Deiche noch in diesem Jahr zu widmen, sobald sie sich in einem Ortstermin vom mängelfreien Zustand der Hochwasserschutzanlagen überzeugt hat.
Ich bitte doch, jetzt eine endgültige Auskunft zu geben und für die Stadt Northeim festzustellen, was Sie tatsächlich beabsichtigen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt muss es mir gelingen, den Bogen von der Kunst und Kultur zu den elektronischen Fußfesseln zu spannen. Aber ich verrate hier wohl kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es auch in den niedersächsischen Anstalten viele Gefangene gibt, die zu beachtlichen künstlerischen Werken fähig sind, und das, ohne dass das Land dafür Geld zahlen müsste. Das kann man z. B. in der JVA Vechta und auch anderswo bewundern.
Seit etwa fünf Jahren gibt es in Deutschland, natürlich auch in Niedersachsen, eine Diskussion über den Einsatz so genannter elektronischer Fußfesseln. Damit können Straftäter außerhalb unserer Justizvollzugsanstalten überwacht werden. Erste Erfahrungen aus dem Ausland - z. B. aus Schweden und den Niederlanden -, aber auch aus verschiedenen Bundesländern liegen uns bereits vor. Ein zweijähriger Modellversuch in Hessen wurde mittlerweile erfolgreich beendet, und es ist davon auszugehen - das hat der dortige Justizminister Wagner zumindest angekündigt -, dass die Fußfesseln dort flächendeckend eingeführt werden.
Ich will jedoch eines von Anfang an klarstellen, damit es insoweit überhaupt keine Missverständnisse in diesem Haus, aber auch gegenüber der Öffentlichkeit gibt. Meine Damen und Herren, in den Fällen, in denen unsere Strafgerichte eine zeitige Freiheitsstrafe für unvermeidbar halten, muss diese auch in einer unserer Justizvollzugsanstalten vollstreckt werden. Es kann und darf nicht darum gehen, angezeigte Freiheitsstrafen durch eine neue „angenehmere“ Vollzugsform zu ersetzen. Diese Vorbemerkung ist mir außerordentlich wichtig.
Die Anwendung von Fußfesseln stellt zurzeit auch keine zusätzliche Sanktionsform dar, weil dafür die entsprechenden bundesgesetzlichen Regelungen noch fehlen, obwohl wir ja auch darüber schon seit Jahren diskutieren.
Die Anwendung von Fußfesseln ist deshalb nach geltendem Recht zurzeit überhaupt nur in folgenden Bereichen möglich: erstens als Maßnahme bei der Aussetzung des Vollzugs eines Haftbefehls, zweitens als Weisung innerhalb einer Führungsaufsicht und drittens als Weisung im Rahmen einer Strafaussetzung zur Bewährung oder einer Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung.
Wie funktioniert nun die elektronische Fußfessel? Es gab einige Kollegen, die offensichtlich der Meinung waren, wir würden das noch mit so dicken Eisenkugeln machen. Das ist natürlich nicht der Fall, sondern eher das Gegenteil. Am Unterschenkel des Straftäters wird ein Sender befestigt, der wie eine große Armbanduhr aussieht. Anhand dieses Senders und eines entsprechenden Überwachungsgeräts kann dann unverzüglich festgestellt werden, ob sich der Täter in den Zeiten, für die es angeordnet worden ist, z. B. noch in seiner Wohnung aufhält, also den Hausarrest dort einhält.
Für den Straftäter wird ein detaillierter Wochenplan erstellt, in dem angegeben ist, wann er sich in seiner Wohnung aufhalten muss, wie eine sinnvolle Tagesbeschäftigung aussieht und wie hoch das Kontingent seiner Freizeit ist. Der Straftäter kann, ja, er soll sogar während dieser Zeit einer Beschäftigung nachgehen, da dies im Rahmen der anzustrebenden Resozialisierung ein außerordentlich wichtiger Punkt ist.
Meine Damen und Herren, der hessische Modellversuch ist uneingeschränkt positiv verlaufen. Er hat zunächst zu erheblichen Kosteneinsparungen geführt. Dadurch konnten die Kosten des Modellprojekts überkompensiert werden. Die Kosten entsprechen in etwa einem Drittel der Kosten, die wir für einen Haftplatz aufzuwenden haben. Ausgehend davon, dass ein Haftplatz heute in etwa 90 Euro pro Tag kostet, kommen wir hier mit 30 Euro pro Tag aus.
Ferner konnten insbesondere die Bewährungshilfeprobanden besser zu einer regelmäßigen, sinnvollen und straffreien Lebensführung befähigt werden. Durch die kontinuierliche Überwachung sind die Fußfesselträger zu einem sehr viel höheren Maß an Selbstdisziplin zur Erfüllung ihres Wochenplan angehalten worden. Das sind die Erfahrungen zumindest in Hessen. Auch Langzeitarbeitslosen und etwa therapierten Suchtkranke wird dadurch die Chance gegeben, zu einem geregelten Tagesablauf zurückzukehren.
In den Fällen, in denen die Fußfesseln zur Vermeidung der Untersuchungshaft eingesetzt werden, können die Beschuldigten durch die elektronische Überwachung wesentlich enger kontrolliert werden. Dadurch entfällt häufig das Tatbestandsmerkmal der Fluchtgefahr, womit wir dann solche Leute nicht in Untersuchungshaft bringen müssten, was wiederum zusätzliche Haftplätze bedeutet.
Meine Damen und Herren, ein Modellversuch der hier in Rede stehenden Art bedarf natürlich einer wissenschaftlichen Begleitung. In Hessen ist dies durch das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg erfolgt. Wir könnten uns, so denn sich die SPD und vielleicht auch die Grünen unserem Vorschlag anschließen mögen, die Erfahrungen dieser Leute aus Freiburg zunutze machen. Wir könnten aber auch, Herr Minister, das KFN bitten, uns bei dieser Angelegenheit zu helfen.
Unabhängig von dem hier durchzuführenden Modellprojekt sollten wir gemeinsam allerdings auch auf bundesgesetzliche Änderungen hinwirken, die uns in die Lage versetzen, die Anwendung der elektronische Überwachung vor allem auch auf den Bereich der Ersatzfreiheitsstrafen zu erstrecken. Gerade in diesem Bereich - das sage ich hier so deutlich - gibt es eine Reihe von Gefangenen, die wohl nach übereinstimmender Auffassung eigentlich nicht in eine Justizvollzugsanstalt gehören, die aber dort gelandet sind, weil sie nicht in der Lage waren, ihre Geldstrafen zu bezahlen.
Ich hoffe, dass wir gemeinsam in Niedersachsen schnell zu einer entsprechenden Realisierung dieses Projekts kommen, und bin sicher, dass ein solcher Modellversuch auch in Niedersachsen außerordentlich erfolgreich verläuft und dass wir danach gemeinsam an die Arbeit gehen und dieses Projekt landesweit zur Regel machen können. - Herzlichen Dank.
Es steht mir nicht zu, das Präsidium zu kritisieren, aber die Zwischenfrage war schon ein oder zwei Minuten akut.
Ich möchte nur noch einige wenige Bemerkungen machen.
Erstens wird das Projekt in Hessen nun landesweit angewandt. Das spricht ja dafür, Herr Minister, dass es so falsch nicht gelaufen sein kann.
Zweitens hätte die Kollegin Bockmann vielleicht darauf hinweisen müssen, dass auch Einsparungen - ich habe vorhin gesagt, es hat eine Überkompensierung gegeben - in einer Größenordnung von 800 000 DM zu verzeichnen waren. Die Kosten des Projektes sind also durch die Einsparungen gedeckt worden. In dem Zusammenhang hier vom Auftürmen von Schulden zu sprechen, halte ich ohnehin für reichlich übertrieben. Das nur am Rande bemerkt.
Herr Minister, vielleicht täuscht mich ja mein Erinnerungsvermögen. Ich war mir nicht sicher, dass es hier Schwarz-Grün geben würde. Darüber freue ich mich; denn das ist einmal etwas anderes, vor allem beim Thema Strafvollzug. Aber ich war bei diesem Thema wirklich der Meinung, dass Sie als einer der Ersten in Deutschland, damals noch in
Ihrer Eigenschaft als Direktor des KFN, die Einführung von Fußfesseln gefordert haben.
Ich meine, auch irgendwo einmal gelesen zu haben,
dass Sie auch in den USA und sonst wo gewesen sind und sich das alles angeguckt haben.
Es ist doch leider so, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir uns während des Wahlkampfs immer wieder mit diesen politischen Ritualen auseinander zu setzen haben: Wenn etwas von der Opposition kommt, dann kann es gut sein - es ist meistens gut; es ist auch ab und an einmal schlecht; da unterscheiden wir uns keineswegs von anderen Menschen -, aber es kommt von der Opposition und ist damit abzulehnen.
Das ist doch der wahre Grund für Ihr heutiges Verhalten. Die Grünen sind da in einer etwas anderen Lage. Sie sind in Niedersachsen noch in der Opposition - das werden sie auch bleiben - und können deshalb eher schon einmal mit der anderen großen Oppositionsfraktion zusammengehen. Bei der SPD ist diese Größe offensichtlich nicht vorhanden. Ich finde das sehr traurig, weil wir hier im Grunde doch „nur“ über ein Pilotprojekt sprechen. Wer hindert uns eigentlich daran, in Niedersachsen klüger zu werden? Ich finde, das ist die Sache doch alle Mal wert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, wir möchten mit der Einführung des Modellprojekts nicht so gern bis zum 2. Februar warten. Deshalb brauchen wir Sie vorher; denn ohne den Minister geht es nicht.
Ich sage Ihnen jetzt: Wenn es Ihnen so, wie Sie es hier formuliert haben, wirklich ernst ist, dann sind wir bereit - das erkläre ich hier für die Opposition -, im Rechtsausschuss Umformulierungen vorzunehmen, von mir aus den von Ihnen formulierten Satz in die Begründung oder auch in den Antragstext mit aufzunehmen. Wenn das dazu beiträgt,
dass wir uns hier in Niedersachsen mal angucken können, ob es funktioniert oder nicht, sind wir gern bereit mitzumachen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war nun wieder starker Tobak, den wir von der Kollegin Bockmann gehört haben. Wir haben über das Thema in der Tat schon ausgiebig diskutiert. Ich will die Argumente der Vergangen
heit deshalb auch gar nicht wiederholen, zumal wir heute Abend ohnehin in Verzug sind.
Es ist natürlich auch richtig, dass mittlerweile das Bundesgesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung mit den Stimmen der rotgrünen Koalition beschlossen worden ist. Es ist auch richtig, dass wir bei der Verabschiedung mitgemacht haben, aber nicht, weil wir das Gesetz, so wie es jetzt vorliegt, für besonders gelungen halten, sondern weil es darum geht, zunächst einmal erste Schritte in die richtige Richtung zu tun. Diese ersten Schritte reichen aber bei weitem nicht aus.
Frau Kollegin Bockmann, ich will Sie hier auch an Folgendes erinnern. Ich kann Ihnen das nicht ersparen, auch wenn ich das von dieser Stelle aus schon einmal gesagt habe. Ich finde es faszinierend, dass Sie vor fast einem Jahr, als wir über dieses Thema in diesem Hause debattiert haben, der Meinung waren, eine solche Regelung sei überhaupt nicht notwendig; es gebe dafür in diesem Land keinen Bedarf. Sie haben uns Populismus vorgeworfen. Sie haben uns Unkenntnis vorgeworfen. Sie haben gesagt, die Berliner seien zuständig. Frau Däubler-Gmelin hat zeitgleich erklärt, der Bund sei gar nicht zuständig, die Länder müssten dies regeln. Wir haben damals, vor einem Jahr, also ein Riesentohuwabohu erlebt und mussten dann mit ansehen - das haben wir mit Freude registriert - , dass sich bei Ihnen offensichtlich relativ schnell ein Meinungswechsel vollzogen hat. Seit vier Jahren wissen wir ja, wie kurz sozusagen die Verfallszeit sozialdemokratischer Programmatik in diesem Land geworden ist. Insoweit hat uns dies dann auch nicht mehr gewundert.
Ich will mich nun zur Sache äußern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, entscheidend ist, dass uns die beschlossene Vorbehaltsregelung nicht weit genug geht. Die Menschen in unserem Land haben einen Anspruch darauf, dass wir sie auch dann vor gefährlichen Straftätern schützen, wenn sich deren besondere Gefährlichkeit erst während der Haft ergibt. Das ist nach der von Ihnen in Berlin beschlossenen Regelung heute noch nicht möglich. Das lässt die Vorbehaltslösung nicht zu. Im Extremfall kann das bedeuten, dass wir es mit einem Straftäter zu tun haben, der rechtskräftig verurteilt worden ist, der während der Strafhaft deutlich zeigt, dass er außerordentlich gefährlich ist, dass man große Sorge haben muss, wenn der Entlassungszeitpunkt herannaht, und dass ein solcher Mann entlassen werden muss, weil es nicht möglich ist, während der Haft Gefährlich
keitsprognosen mit einfließen zu lassen. Genau das möchten wir gerne ändern. Das wollten wir verhindern.
Die neue Regelung bleibt insoweit ganz eindeutig hinter unseren Forderungen zurück. Schlimmer noch: Künftig bleibt derjenige, der noch nie zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt wurde, aber dennoch gefährlich sein kann, von der Verhängung der nachträglichen Sicherungsverwahrung kraft Gesetzes ausgeschlossen. Da die Verhängung eine sehr schwer wiegende Entscheidung ist - das wird jeder Richter bestätigen -, ist wohl auch davon auszugehen, dass die Gerichte künftig anstelle der sofortigen Anordnung der Sicherungsverwahrung dazu neigen werden, auf die weichere Variante der Vorbehaltsentscheidung auszuweichen. Auch das wird die Folge dieses neuen Gesetzes sein. Das bedeutet, dass bereits verurteilte Straftäter sowieso nicht erfasst sind und Straftäter, die vielleicht heute noch mit Sicherungsverwahrung rechnen müssen, mit der weicheren Lösung konfrontiert werden. Das halten wir für falsch.
Sie, Frau Kollegin Bockmann, haben dagegen wieder eingewandt - das war ja vorherzusehen -, dass es erhebliche verfassungsrechtliche Probleme gebe. Wir wissen aber doch alle - nicht nur die Juristen in diesem Haus; Frau Kollegin Bockmann, Sie wissen das doch auch -, dass man über alle Fragen juristisch streiten kann. Natürlich kann ich Sachverständige finden, die Ihre Position untermauern. Ich kann aber auch welche finden, die unsere Position untermauern. Letztlich ist es doch die Frage, was ich eigentlich will. Ich habe mir die Mühe gemacht und das nachgelesen, was in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts dazu - z. B. in Band 7 - ausgeführt wird. Das trage ich jetzt einmal vor. Dort steht:
„Der Freiheit des Einzelnen ist die Sozialbindung immanent. Das heißt, wer seine Freiheit verbrecherisch mißbraucht und voraussichtlich weiter mißbrauchen wird, wird in seiner Menschenwürde nicht verletzt, wenn die Gemeinschaft ihm die Freiheit entzieht und dadurch weiterem Mißbrauch zwecks Aufrechterhaltung der Rechtsordnung vorbeugt.“
Das sagt das Bundesverfassungsgericht. Das ist ein Beleg dafür, dass ich genauso gut umgekehrt argumentieren kann, dass wir einen rechtskonformen
Weg beschreiten, wenn ich diesen Weg beschreiten will. Das haben wir bei Ihnen von Anfang an angezweifelt. Sie wollten diesen konsequenten Weg nicht beschreiten. Geben Sie doch bitte zu, dass Sie sich in der Koalition nicht durchsetzen konnten! Geben Sie doch bitte zu, dass die Grünen nicht bereit waren, diesen Weg mitzugehen! Dann können wir auf der Basis miteinander reden. Aber bitte unterlassen Sie es, uns ständig vorzuwerfen, wir hätten sozusagen vom Verfassungsrecht keine Ahnung, und es gebe keine verfassungskonforme Lösung. Das ist schlichtweg Unsinn. Wenn ich diesen Weg will, dann kann ich ihn auch gehen. Es ist nur die Frage, wie ich diese Regelung begründe.
Meine Damen und Herren, wir werden deshalb unseren Antrag heute so aufrecht erhalten, weil wir nach wie vor für unsere weitergehende Lösung kämpfen werden. Ich kann Ihnen auch ankündigen: Wenn es am 22. September zu einem Regierungswechsel kommt - und es kommt zu einem Regierungswechsel -,
werden wir dafür sorgen, dass dieses Gesetz so novelliert wird, dass auch Verbrecher, die in der Haft deutlich zum Ausdruck bringen, dass sie gefährliche Straftäter sind, nachträglich mit Sicherungsverwahrung rechnen müssen. Dies ist für uns ein wichtiges Anliegen. Das werden wir am 22. September durchsetzen.
Das, was wir sagen, tun wir auch. Das ist auch ein Unterschied zu Ihrer Regierung.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich versuche, mir seit einer halben Stunde vorzustellen, dass der Plenarsaal voll besetzt ist, damit das hier ein bisschen mehr Spaß macht.
Aber da müssen wir jetzt durch. Auch das gehört zu den Pflichten, die wir hier zu absolvieren haben. Gleichwohl ist uns das Thema natürlich außerordentlich wichtig, Herr Minister, weil wir heute erneut über das Problem der Überbelegung unserer niedersächsischen Justizvollzugsanstalten reden müssen. Dieses Thema ist mittlerweile wahrscheinlich 15 Jahre alt. Immer und immer wieder haben wir diese Thematik an dieser Stelle diskutiert. Wir haben Sie immer wieder darauf hingewiesen, dass das Problem im Wesentlichen nur dadurch gelöst werden kann, dass wir in Niedersachsen Neubauten bekommen und zusätzliche Haftplätze schaffen. Selbst zuzeiten der AlbrechtRegierung hat man entsprechende Entscheidungen getroffen. Der geplante Neubau in Göttingen ist bis zur Baureife vorangetrieben worden. Auch insoweit wiederhole ich mich; ich sage es aber trotzdem noch einmal. Nach dem Regierungswechsel 1990 wurde dieses Neubauprojekt – zugegebenermaßen auf Druck der Grünen - gecancelt. Es wurde kein Neubau errichtet. Daraus resultiert im Grunde genommen auch eine der Ursachen für die gegenwärtigen Probleme. Das geschah dann allerdings mit Billigung der SPD. Erst als der Druck der Öffentlichkeit immer mehr zunahm, war auch Ministerin Merk bereit, sich diesem Thema etwas stärker zuzuwenden. Es begann ein Umdenkprozess, es wurden Beschlüsse gefasst, die mit unserer Unterstützung endlich zu Neubaumaßnahmen und Erweiterungsbauten führten. So weit, so gut.
Es ist erst vier Wochen her, Herr Minister, dass wir in diesem Landtag über das Thema Frauenvollzug diskutiert haben. Wir müssen im Nachhinein sagen, dass wir uns schon außerordentlich darüber gewundert haben, dass Sie es in dieser Debatte vor vier Wochen nicht für nötig befunden haben, den Niedersächsischen Landtag über Ihr Vorhaben aufzuklären. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie zu dem Zeitpunkt noch nicht gewusst haben, dass Sie in den darauf folgenden Tagen eine solche Entscheidung würden treffen müssen. Von daher kann ich das nur mit außerordentlicher Verwunderung zur Kenntnis nehmen. Ich empfinde dieses
Verhalten sogar als eine Brüskierung dieses hohen Hauses.
Ich sage das deshalb mit etwas Verwunderung, weil ich mich bisher über Ihre Informationspolitik überhaupt nicht beklagen konnte. Es gehört zur Fairness, dass ich das sage. Ausgerechnet bei einem so schwierigen Problem, einem so schwierigen Thema war sozusagen das erste Mal der Tatbestand festzustellen, dass die Informationen, die hätten fließen können und müssen, nicht geflossen sind. Das kann ich an dieser Stelle nicht nachvollziehen.
- Herr Kollege, wenn er seine Gründe gehabt hat - darauf gehe ich jetzt ein -, dann war das umso schlimmer.
Ich bin mir nämlich sicher, dass das durch Minister Pfeiffer - ich sage das, weil ich ihn ja mittlerweile auch ganz gut kenne und weil ich auch meine, dass er eigentlich viel zu klug ist, um solche Fehler vorsätzlich zu machen - unabsichtlich geschehen ist.
Aber - auch das will ich sagen - das entschuldigt ihn ja keineswegs, sondern es macht im Gegenteil deutlich, dass er sich offensichtlich der Problematik in diesem Punkt, insbesondere auch gegenüber der Öffentlichkeit, nicht im Klaren war. Das halte ich auch für einen bedenkenswerten Vorgang, der hier erwähnt werden muss.
- Ich bin doch dabei! Hören Sie zu und versuchen Sie, es zu verstehen. Dann werden Sie merken, dass ich über nichts anderes rede als über die Sache.
Herr Minister, ich glaube, Sie haben die Reaktion der Bevölkerung unterschätzt, und Sie haben vor allem auch unterschätzt, wie das gerade deshalb, weil Ihnen das so passiert ist, auf potenzielle Opfer von Straftaten wirken muss. Ein Minister, der sich den Opferschutz so auf seine Fahne geschrieben hat, wie das bei Ihnen der Fall ist, Herr Minister Pfeiffer, der hätte gerade an dieser Stelle etwas mehr Zurückhaltung wahren müssen,
weil Sie damit letztlich das Risiko eingehen, dass Ihre Opferschutzpolitik zumindest infrage gestellt wird. Das finden auch wir nicht gut, weil wir Sie darin ja immer unterstützt haben.
Wie wirkt z. B. Ihre Politik auf die Motivation von Polizisten, die - wie Sie alle wissen - eine schwierige Aufgabe zu erledigen haben, wenn inhaftierte Straftäterinnen oder Straftäter schon nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß kommen?