Protocol of the Session on October 26, 2001

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde, dem Tagesordnungspunkt 33. Es folgt Punkt 2, die Behandlung der strittigen Eingaben. Die Fraktionen haben sich dahin gehend verständigt, dass die Tagesordnung nach der Behandlung der Eingaben um den Tagesordnungspunkt „MAN-Standort Salzgitter: Arbeitsplätze langfristig sichern und LKW- und Busproduktion erhalten“ in der Drucksache 2812 erweitert wird. Darüber hatten wir ja am Mittwoch abgestimmt. Über diesen von allen drei Fraktionen getragenen Antrag soll dann auch sofort abgestimmt werden. Anschließend erledigen wir die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der Tagesordnung. Die heutige Sitzung soll gegen 17.25 Uhr enden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen des Schriftführers.

Es haben sich vonseiten der Landesregierung Herr Ministerpräsident Gabriel, von der Fraktion der CDU Herr Meier und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Janssen-Kucz entschuldigt.

Meine Damen und Herren, wir kommen damit zu

Tagesordnungspunkt 33: Mündliche Anfragen - Drs. 14/2779

Die Frage 9 wurde vom Antragsteller zurückgezogen.

Es ist jetzt 9.02 Uhr. Die Frage 1 wird vom Abgeordneten Biallas gestellt:

Frage 1: Kommunale Verordnung zur Verbesserung der Sauberkeit und Sicherheit gemäß § 55 des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes

Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemäß § 55 des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes sind Kommunen befugt, Gefahrenabwehrverordnungen zur Abwehr abstrakter Gefahren zu erlassen. Die Stadt Neustadt am Rübenberge hat am 1. Juni 2001 dem Landkreis Hannover den Entwurf einer „Verordnung zur Verbesserung der Sauberkeit und Sicherheit in der Stadt Neustadt am Rübenberge“ vorgelegt. Der Landkreis Hannover beanstandete mit Schreiben vom 18. Juni 2001 die Regelungen des Verordnungsentwurfes u. a. unter Hinweis auf § 56 des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes. Die Bezirksregierung Hannover schloss sich mit Schreiben vom 25. Juli 2001 der Rechtsauffassung des Landkreises an.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Wie beurteilt sie die Rechtsauffassung des Landkreises Hannover und der Bezirksregierung Hannover bezüglich der oben genannten Verordnung?

2. Inwieweit hält sie auf § 55 des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes ruhende kommunale Verordnungen zur Verbesserung der Sauberkeit und Sicherheit für zulässig?

3. Sind ihr rechtmäßige Verordnungen zur Verbesserung der Sauberkeit und Sicherheit aus anderen niedersächsischen Kommunen bekannt, und um welche Kommunen handelt es sich?

Die Antwort erteilt Ihnen Minister Bartling.

(Möhrmann [SPD]: Erstens Cuxha- ven, zweitens Cuxhaven, drittens Cuxhaven!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dieser Anfrage soll nun zum wiederholten Male suggeriert werden, die Landesregie

rung fördere wegen der Streichung des unbestimmten Rechtsbegriffs der öffentlichen Ordnung Unordnungszustände in den Innenstädten.

(Biallas [CDU]: So ist es!)

Diese Behauptung ist falsch.

(Möllring [CDU]: Das kann nur einer von der Regierung sagen!)

Wie Sie wissen, fallen unter den Begriff der öffentlichen Ordnung lediglich Wertvorstellungen von elementarer Bedeutung, die sich bei der ganz überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung durchgesetzt haben und als unerlässliche Mindestanforderungen für ein gedeihliches menschliches Zusammenleben angesehen werden.

Die wirklich relevanten Störungen, die unter Rückgriff auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage beseitigt werden sollen, werden bereits von dem Begriff der öffentlichen Sicherheit erfasst. Die immer wieder im Zusammenhang mit der öffentlichen Ordnung diskutierten Standardfälle sind entweder bereits geregelt oder angesichts des im Laufe der Jahre gewandelten Verständnisses von Sitte und Ordnung hinzunehmen und bedürfen deshalb keiner behördlichen Maßnahmen.

Ob eine Stadt ihre Ordnungsprobleme in den Griff bekommt, hängt nicht davon ab, ob sie sich auf den Begriff der öffentlichen Ordnung berufen kann oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob die in großer Anzahl vorhandenen Gesetze gegen die entsprechenden Verstöße in der Praxis auch konsequent angewendet werden. Wir haben deshalb den praktischen Ansatz gefördert, indem wir die Polizei angewiesen haben, in enger Abstimmung mit den kommunalen Ordnungsbehörden konsequent und niedrigschwellig einzuschreiten.

Dies vorbemerkt, beantworte ich die Frage des Kollegen Biallas namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Nach eingehender juristischer Prüfung schließe ich mich der Rechtsauffassung des Landkreises und der Bezirksregierung Hannover an. Das Recht der Kommunen, Gefahrenabwehrverordnungen gemäß § 55 des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes zur Abwehr abstrakter Gefahren zu erlassen, ist nicht schrankenlos. Voraussetzung für den Erlass einer entsprechenden Verordnung ist zunächst das Vorliegen einer abstrakten Gefahr, d. h. eine nach allgemeiner Le

benserfahrung oder Erkenntnissen fachkundiger Stellen mögliche Sachlage, die im Fall ihres Eintritts einen Schaden für die öffentliche Sicherheit darstellt. Verordnungen dürfen nicht mit gesetzlichen Regelungen oder mit Regelungen, die in Verordnungen übergeordneter Behörden enthalten sind, im Widerspruch stehen oder solche Regelungen wiederholen.

Ferner muss der Inhalt der Verordnungen bestimmt sein. Ge- und Verbote müssen möglichst eindeutig vorschreiben, was die oder der Betroffene beim Vorliegen bestimmter Sachverhalte zu tun oder zu lassen hat. Weitere Anforderungen an den Inhalt von Verordnungen ergeben sich insbesondere aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Da der Verordnungsentwurf der Stadt Neustadt am Rübenberge in wesentlichen Teilen diesen Anforderungen nicht genügt, konnte der Landkreis Hannover als zuständige Aufsichtsbehörde seine Zustimmung nach § 62 des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes nicht erteilen. Soweit sich z. B. die Regelungen in § 2 der Verordnung der Stadt Neustadt auf Fragen der Abfallbeseitigung beziehen, sind diese durch das Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen und die Kompostverordnung ausgeschlossen.

(Möllring [CDU]: Wenn ich ein Kau- gummi auf die Straße schmeiße, ist das dann durch das Gesetz geregelt?)

- Sie glauben gar nicht, was bei uns alles geregelt ist, Herr Möllring.

(Biallas [CDU]: Was haben die da bloß aufgeschrieben!)

Zu 2 verweise ich auf die Antwort zu 1.

Zu 3: Kommunen können in Teilbereichen entsprechende Regelungen kraft Satzungsrechtes z. B. für Parkanlagen, Friedhöfe, Spielplätze, aber auch für die Straßenreinigung treffen. Daneben gelten in einer Reihe von Kommunen noch Gefahrenabwehrverordnungen auf der Basis der öffentlichen Ordnung, die vor In-Kraft-Treten des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes verabschiedet worden sind und noch weiterhin Geltung haben. Diese Verordnungen haben eine Geltungsdauer von 20 Jahren. Vergleichbare rechtmäßige Verordnungen nach dem Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz, wie sie von der Stadt Neustadt vorgelegt wurden, sind mir nicht bekannt.

Die Bezirksregierung Hannover hat mit der Stadt Hildesheim und die Bezirksregierung Lüneburg hat mit der Stadt Cuxhaven Kontakt mit dem Ziel aufgenommen, entsprechende Verordnungen an die Vorschriften des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes anzugleichen. - Vielen Dank.

(Biallas [CDU]: Die haben das ge- nehmigt?)

Die erste Zusatzfrage stellt der Kollege Möllring.

(Möllring [CDU]: Hat sich erledigt!)

- Hat sich erledigt. - Dann Herr Biallas!

Herr Minister, in Anbetracht der Tatsache, dass Ihre Ausführungen insofern ausgesprochen interessant waren, als die Bezirksregierung Lüneburg nicht etwa Kontakt mit der Stadt Cuxhaven aufgenommen hat, frage ich Sie: Ist Ihnen bekannt, dass die Bezirksregierung Lüneburg für die Stadt Cuxhaven eine mit der in dieser Anfrage genannten Verordnung - die die Bezirksregierung Hannover nicht genehmigt hat - gleich lautende Verordnung genehmigt hat?

Herr Minister, ist Ihnen das bekannt?

Mir ist gerade von meinen Mitarbeitern gesagt worden - mir war es nicht bekannt, Herr Biallas -, dass das in der Tat so ist. Es wird jetzt darauf hingewirkt, dass die Dinge aneinander angeglichen werden.

(Schünemann [CDU]: Also dass es in Hannover genehmigt wird!)

- Oder in Cuxhaven nicht genehmigt wird. Die Bezirksregierungen haben das, was da passiert ist, wahrscheinlich - so ist es mir eben berichtet worden - unterschiedlich eingeschätzt. Das wird jetzt angeglichen, Herr Schünemann.

Herr Möllring!

Herr Minister, da wir in Hildesheim die identische Satzung beschlossen haben, die in Cuxhaven von der Bezirksregierung Lüneburg genehmigt worden ist, und sie bei uns von der Bezirksregierung Hannover auch genehmigt worden ist: Wann hat sich denn die Rechtsauffassung der Bezirksregierung Hannover hinsichtlich dieser Satzung geändert? Können Sie mir sagen, wo das Wegwerfen einer Zigarettenschachtel oder das Ausspucken von Kaugummis in öffentlichen Gebäuden im Kreislaufwirtschaftsgesetz geregelt ist?

(Zuruf von der CDU: In Singapur!)

Herr Minister!

Herr Möllring, ich gehe davon aus, dass die letzte Frage nicht ganz ernst gemeint war. Zumindest kann ich darauf keine Antwort geben. Aber wenn Sie etwas über das Ausspucken von Kaugummis auf Straßen wissen wollen, werde ich das gerne schriftlich nachliefern.

Die Verordnungen in Hildesheim und in Cuxhaven sind in der Überprüfung. Mir ist von den Mitarbeitern gerade gesagt worden, die Bezirksregierung wird wahrscheinlich die Verordnung in Cuxhaven aufheben. Das ist im Moment der Stand der Dinge. Das ist das einzige, was ich Ihnen im Moment berichten kann. Ich bitte um Nachsicht.

(Biallas [CDU]: Dann werden Sie aber den „Pastor Gnadenlos“ kennen lernen!)