Jörg Kiesewetter
Appearances
6/1
6/9
6/11
6/17
6/18
6/22
6/23
6/28
6/30
6/33
6/35
6/43
6/44
6/49
6/54
6/56
6/57
6/65
6/70
6/72
6/77
6/81
6/87
6/93
6/95
Last Statements
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist es ein hoch emotionales Thema, und Frau Kollegin Schaper, Sie können das auch sehr authentisch rüberbringen und verkaufen. Ich würde gleichwohl versuchen, mich dem Thema ein Stück weit von der Faktenlage her zu nähern.
Sie greifen in Ihrem Antrag den Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes von 2018 auf und übertragen letztendlich die Forderungen, die darin stehen, nahezu eins zu eins. Ich möchte eingangs bemerken, es ist schade, dass der Bericht auf Gesamtdeutschland abstellt und weniger auf die einzelnen Bundesländer. Eine gesonderte Betrachtung für den Freistaat Sachsen ist daher nicht möglich. Ich sage das deshalb, weil wir in Betrachtung der Armutsgefährdungsquoten auf der Basis des Mikrozensus bereits Daten für die Jahre 2005 bis 2017 haben und darin für Sachsen eine entsprechende Abnahme in den Quoten zu erkennen ist.
Aber ungeachtet aller geänderten analytischen Methodik bei der Datenerhebung ist im jetzt vorliegenden Bericht zur Parität gleichwohl eine Tendenz erkennbar, und das ist die, die es auch vorher schon gab, nämlich dass es so bleibt, dass insbesondere Alleinerziehende, Arbeitslose SGB-II-Empfänger, Aufstocker, Geringqualifizierte,
Azubis, Migranten sowie Kinder aus Haushalten dieser Personenkreise und Senioren als besonders armutsanfällig und -gefährdet gelten. Seit Jahren stehen deshalb diese Personenkreise besonders im Fokus, wenn es um die Frage von Armutsprävention und Armutsbekämpfung geht. Das wird auch zukünftig bei den Anstrengungen so bleiben müssen, und das bei Maßnahmen des Bundes und des Landes.
Sie haben schon darauf hingewiesen, die wesentliche Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Sozialrechts liegt nun einmal beim Bund. Schauen wir uns also einmal an, was in diesem Bereich der Armutsprävention und -bekämpfung seit dem Gutachten auf den Weg gebracht wurde. Ich möchte meine Ausführungen logischerweise aufgrund der Bandbreite Ihres Antrages ein Stück weit auf einige wesentliche Punkte konzentrieren.
Zum einen fordern Sie eine sanktionsfreie Grundsicherung mit monatlich 1 050 Euro netto. Sie sind damit schon im Bundestag gescheitert. Von daher ist die Erfolgsaussicht nur mäßig überschaubar. Es ist so, dass oftmals argumentiert wird, dass das bestehende System der Grundsicherung besonders ungerecht und ineffizient ist und es besonders lange dauert, bis Menschen aus diesem System herauskommen, um ihr Leben eigenständig zu gestalten und damit dem Bereich der Armut zu entgehen und ihr Leben auskömmlich zu gestalten.
Die Ursachen sind in der Kundengruppe ganz wesentlich. Die muss man sich einmal anschauen. Wir haben es seit Jahren zunehmend mit einem härter werdenden Bestand und Kern an Kunden im Rechtskreis SGB II zu tun. Die komplexen Profillagen nehmen zu. Wir haben viele Menschen, die schwerst mehrfach benachteiligt sind, mit multiplen Vermittlungshemmnissen am Arbeitsmarkt. Das macht es so schwierig, den Absprung aus diesem System zu schaffen. Deshalb sind hohe Kontaktdichten nötig, im Prinzip ein 360-Grad-Support.
Genau diesen fördernden, aktivierenden Ansatz greift der Bund im 10. SGB-II-Änderungsgesetz, Teilhabechancengesetz auf, mit insgesamt 4 Milliarden Euro diese Ansätze zu fahren – über Coaching bis hin zu geförderter Beschäftigung, damit solche Dinge vermieden werden sollen, dass Menschen dauerhaft vom Sozialtransfer abhängig sind. Wir haben auf der Ebene des Bundes den AzubiMindestlohn, der gute Wirkung entfalten wird. Beim Bereich der Migranten als besondere Gruppe, die von Armut bedroht und gefährdet ist, ist es so, dass ich auf die Entwicklungen verweisen möchte, die wir in den letzten ein bis zwei Jahren im Bundesrecht gesehen haben. Da ist eine ganze Menge auf den Weg gebracht worden.
Aber auch auf Landesebene wurden insbesondere bessere Möglichkeiten, Spracherwerb zu generieren, und intensi
vere Integrationsmaßnahmen auf den Weg gebracht. All das hilft, sich in die Gesellschaft zu integrieren, ein eigenständiges Leben zu führen und nicht vom Sozialtransfer abhängig zu sein. Wir haben auf der Ebene ein starkes Familiengesetz, das stufenweise in Kraft treten soll. Dabei geht es darum, Leistungen für Bildung und Teilhabe zu optimieren, den Kindergeldzuschlag zu erhöhen. All das sind Dinge, die schon im Fluss sind.
Ebenso die Idee von der Kindergrundsicherung, die Sie aufgreifen. Ich muss Ihnen sagen, ich finde diese Idee charmant, auch als Sozialrechtler. Es gibt dazu bereits eine länderoffene Arbeitsgruppe unter der Federführung von Niedersachsen, die sich dem Ziel verschrieben hat, die Fragen zu klären, wie eine solche Kindergrundsicherung etabliert werden kann. Dazu hat man sechs Ziele definiert, unter anderem die Einbettung der Grundsicherung für Kinder in eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik – also auch hier wieder dieser aktivierende Ansatz.
Das sind alles richtige Wege, bei denen ich denke, dort müssen wir weiter ansetzen. Das gilt für den Bund ebenso wie für das Land. Lassen Sie mich kurz für den Freistaat Sachsen einen Blick hineinwerfen. Wir haben im Februar 2019 die Strategie der Sächsischen Staatsregierung zur Verbesserung gesellschaftlicher Teilhabe und Prävention vorgestellt bekommen. Die Sächsische Staatsregierung versteht neben der notwendigen Bekämpfung der Folgen von Armut die Vermeidung von Armut als Querschnittsaufgabe der einzelnen Politikbereiche. Die Armutsprävention muss frühzeitig ansetzen und betrifft ganz unterschiedliche Lebensbereiche. Der ressortübergreifende Ansatz stellt sicher, dass Armutsprävention in einem Gesamtbild betrachtet wird, wie es letztendlich auch der Bericht der Parität erfordert.
Folgende Ansätze sind vorgesehen: Lassen Sie mich exemplarisch einige Dinge herausgreifen. Zum einen geht es um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Familien und Alleinerziehende. Die wichtigste politische Zielsetzung ist es, Rahmenbedingungen für Familien zu schaffen, die es ihnen ermöglichen, ihren Lebensunterhalt und den ihrer Kinder aus eigener Kraft dauerhaft zu sichern. Das ist im Übrigen ein Ziel, das es seit Beginn des SGB II gibt, indem alle Maßnahmen im Bereich der Arbeitsförderung darauf ausgerichtet sind.
Im Bereich der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit ist der Schwerpunkt in Sachsen ebenfalls auf die Überwindung dieser individuellen komplexen Profillagen ausgerichtet. Wir haben das letztens in den Debatten gehört, zuletzt bei der Fachregierungserklärung des Wirtschaftsministers. Wir verfolgen gezielt CoachingAnsätze. Wir stehen für eine bessere rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit. Wir verzahnen bundesrechtliche Maßnahmen des Teilhabechancengesetzes mit landesrechtlichen. All das geht Hand in Hand. Das ist aus unserer Sicht der richtige Weg.
Im September 2018 wurde im Plenum bereits umfassend zur möglichen Erweiterung des Landesfamilienpasses
Stellung genommen und deutlich gemacht, dass der Freistaat gut aufgestellt ist.
Es gäbe an dieser Stelle noch viel mehr zu sagen, aber meine Zeit ist begrenzt. Ich denke, es besteht Konsens in diesem Haus, dass jegliche Form von Armut in unserer Gesellschaft konsequent bekämpft werden muss. Armutsbekämpfung und Prävention sind und bleiben eine gesellschaftliche Daueraufgabe. Insbesondere müssen wir Antworten mit Maß und Mitte finden – und das in einer Welt, die sich entsprechend schnell ändert. Ich habe es versucht zu skizzieren. Auf Bundes- und Landesebene wurde und wird viel getan. Gleichwohl ist auch noch Luft in der Armutsbekämpfung und Prävention. Es ist aber auch nicht alles schlecht. Für mich ist entscheidend, aus welchem Ansatz heraus wir uns dem Thema nähern, und der aktivierende Ansatz ist für mich das Mittel der Wahl.
Der vorliegende Antrag, den Sie eingereicht haben, ist letztlich davon geprägt, dass es einen Paradigmenwechsel in der Ordnungs- und Sozialpolitik geben soll. Er greift in seinen Forderungen auch massiv in die freiheitliche Wirtschaftsordnung ein. Deshalb stellt sich die Frage, ob nicht die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft ad absurdum geführt werden, wenn mehr staatliches Reglement und weniger Eigenverantwortung gefordert werden.
Hilfe zur Selbsthilfe und die konsequente Beibehaltung des etablierten und bewährten Prinzips von Fördern und Fordern ist für uns immer noch besser als Alimentierungen und Umverteilungen. Deshalb halten wir auch im System der Grundsicherung an den Sanktionen fest. Solidarität darf keine Einbahnstraße sein. Wir stehen für eine gerechte und leistungsorientierte Gesellschaft. Die Herangehensweise, die Sie haben, unterscheidet sich insoweit diametral von unserer. Wir halten selbstverständlich unsere für die bessere und lehnen Ihren Antrag ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich doch noch einmal gemeldet, um die zweite Runde zu nutzen und insbesondere etwas zum Handlungsfeld 2 „Talente gewinnen“ mit dem Schwerpunktthema „Internationale Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland“ zu sagen, weil das heute bereits öfter eine Rolle gespielt hat und leider auch zum Teil nach meinem Dafürhalten an der einen oder anderen Stelle entstellt herübergekommen ist.
Ich fasse mich kurz. Die Ausgangslage ist bekannt: Wir wissen, dass Sachsen vom demografischen Wandel besonders betroffen ist. Auch wenn in den Großstädten des Freistaates Sachsen die Zahl der Menschen durch Geburten und Zuzüge aus anderen Regionen und Ländern wieder wächst, muss Sachsen insgesamt weiter mit einer zahlenmäßig rückläufigen, alternden Bevölkerung rechnen. Ich denke, darin sind wir uns alle einig. Deshalb ist klar, dass gezielte Rekrutierung von qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland auch zukünftig von immer größerer Bedeutung sein wird, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Ich freue mich daher sehr, dass dieser Ansatz auch in der Fachkräftestrategie gezielt aufgegriffen worden ist und das Thema im neuen Papier auch recht breiten Raum einnimmt. Die Erfahrungen zeigen, dass internationale Fachkräfte im Unternehmen enorme Vorteile bedeuten können. Sie können Innovationsfähigkeit erhöhen, tragen zur Internationalisierung von Unternehmen bei und erleichtern zudem außenwirtschaftliche Aktivitäten im Unternehmen. Damit tragen sie letztendlich zum wirtschaftlichen Wohlstand in Sachsen bei, sei es als Arbeitnehmer, als Arbeitgeber oder als Unternehmensgründer. Aus dieser Sicht heraus sollten wir das Thema denken.
Deshalb ist es wichtig, gute Bedingungen zu schaffen, damit gut qualifizierte Menschen mit Migrationshintergrund ihre Potenziale entfalten können. Das betrifft die Drittstaatler in erster Linie, denn im Bereich der EUStaatler funktioniert das bereits recht gut. Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das die Bundesregierung derzeit in Arbeit hat, sollen einige Neuregelungen geschaffen werden, die wichtig sind und auch gebraucht werden. Es sollen dem Arbeitgeber neue Chancen eröffnet werden, Fachkräfterekrutierung aus dem Ausland noch stärker in Anspruch zu nehmen. Es sieht vor allem vor, dass gerade Einwanderungsmöglichkeiten auch für beruflich Qualifizierte außerhalb der sogenannten Engpassberufe gegeben sind.
Ich denke, das ist der richtige Ansatz und der richtige Schritt in die Richtung. Das müssen wir in Sachsen auch klug begleiten. Deshalb ist es auch wichtig, dass sich genau an dieser Stelle die Fachkräftestrategie diesem Punkt widmet, speziell dort, wo das Nadelöhr ist, nämlich wenn es um die Frage der Gleichwertigkeitsprüfung von
im Ausland erworbenen Abschlüssen geht, dass hier etwas mehr Druck aufgebaut wird, Rahmenbedingungen zu verbessern und man sich auf Bundes- und EU-Ebene dafür einsetzt, das ein Stück weit zu ändern.
Mir ist noch Folgendes wichtig: Ich freue mich, dass es im Rahmen des Haushaltsverfahrens gelungen ist, das Thema Fachkräfteanwerbung noch etwas konkreter zu gestalten und im Einzelplan 07 ein paar Mittel zur Verfügung zu stellen. Das muss jetzt noch mit Leben erfüllt werden. Da haben wir noch ein paar Baustellen offen.
Ich sehe auch weiterhin Baustellen im Bereich Beratung vor Ort und entsprechende Informationsangebote. Dabei geht es insbesondere darum, dass auch kleine und mittlere Unternehmen in dem Wettbewerb um internationale Fachkräfte konkurrenzfähig bleiben müssen. Dazu
braucht es weitere Vereinfachungen und auch bessere Beratungsinformationsangebote. Eine landesweite Hotline könnte dafür ganz gut sein. Wir brauchen Clearingstellen, die letztendlich genau dort ansetzen. Ich weiß aus der beruflichen Praxis, dass konkretes Fallmanagement und Clearing in Einzelfällen ganz hilfreich sein können, um dort gezielt zu unterstützen.
Was ist mir abschließend noch wichtig? Wir müssen vielleicht auch noch einmal darüber nachdenken, unsere Landesintegrationsangebote noch mehr aus dem Blickwinkel des Arbeitsmarktes zu betrachten. Da fehlt mir noch ein wenig Strategie, da ist noch Luft. Das könnte man noch intensiver ausgestalten, insbesondere mit der Zielrichtung, migrationsspezifische Vermittlungshemmnisse am Arbeitsmarkt zu überwinden und das Thema Steuerung der Zuwanderung noch mehr mit den Mitteln und Maßnahmen, die im Einzelplan 08 stehen, also in dem Bereich Integration, zu flankieren.
Für das neue Portal „Heimat für Fachkräfte“ ist es zwingend wichtig, das auch mehrsprachig aufzustellen. Das gebietet der systemische Ansatz, wenn wir über Anwerbungen aus anderen Ländern sprechen. Vielleicht sollte das auch mit Portalen wie „Make it in Germany“ verknüpft werden. Das ist ein guter Ansatz.
Ich finde es gut, wie es Dr. Lippold schon sagte, dass konkrete Handlungsfelder in der neuen Fachkräftestrategie 2030 konkret mit strategischen und operativen Zielen untersetzt sind und Handlungsempfehlungen geben. In besonderer Weise wird dadurch auch deutlich, wie wichtig eine funktionierende rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit ist. Das arbeitsmarktpolitische Handeln muss quasi Hand in Hand zwischen den beteiligten Akteuren gehen. Das funktioniert nur, wenn jeder seinen Beitrag leistet. Das gilt für alle Handlungsfelder und bleibt eine Daueraufgabe.
Ich möchte mich bei den Akteuren und bei den Mitgliedern der Fachkräfteallianz bedanken, also bei allen Beteiligten, die letztendlich bei der Erarbeitung und Erstellung der neuen Fachkräftestrategie mitgewirkt haben. Das ist ein ordentliches Papier, das uns als gesunde
Arbeitsgrundlage dienen soll. Es muss natürlich ständig fortentwickelt werden. Lassen Sie uns also damit gemeinsam und auch daran gemeinsam arbeiten.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es bereits ausgiebig in der ersten Runde gehört: Die Zahl der freien Ausbildungsplätze in Sachsen steigt, gleichzeitig brechen aber immer noch zu viele Jugendliche ihre Ausbildung ab oder beginnen erst gar keine Ausbildung. Zudem werden zunehmend Passungsprobleme identifiziert, die vielschichtige Ursachen haben, angefangen von regionalen und branchenbezogenen Abweichungen von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt und Imageprobleme in bestimmten Berufsfeldern, über schwierige individuelle Berufsfindungsprozesse bis hin zu psychosozialen Problemlagen.
Es ist bereits in den Vorgängerbeiträgen recht deutlich geworden: Je komplexer die Problemlagen junger Menschen sind, die besonderer Hilfestellung in dieser Lebensphase bedürfen, desto differenzierter wird die vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Unterstützung über die einschlägigen Sozialgesetzbücher II, III und VIII. Nicht selten werden in diesem Zusammenhang Potenziale aufgrund schwieriger Abstimmungsprozesse nicht hinreichend genutzt, und vorhandene Mittel werden nicht effizient genug eingesetzt.
Genau dort setzt das Konzept der Jugendberufsagenturen an. Sie tragen dazu bei, junge Menschen mit Startschwierigkeiten an der Schwelle zum Berufsleben zu stärken und ihnen individuell berufliche Perspektiven zu eröffnen.
Ziel ist es, dass jeder junge Mensch nach Möglichkeit einen voll qualifizierten Berufsabschluss erreicht. Eine nachhaltige Integration in den Ausbildungs- und Arbeits
markt liegt also erstens im Interesse der jungen Menschen selbst, im Hinblick auf einen gelingenden Lebensentwurf, zweitens im Interesse der Wirtschaft, im Hinblick auf die Fachkräftesicherung und drittens auch im Interesse der Gesellschaft im Hinblick auf soziale und ökonomische Stabilität.
Jugendberufsagentur bedeutet eine zielgerichtete Koordinierung und Steuerung sowie Kommunikation verschiedenster Programme und Angebote auf der Basis regionaler Bedarfe.
Lassen Sie mich kurz auf einige wesentliche Schwerpunkte eingehen, die ich als unverzichtbare Kernelemente der Jugendberufsagenturen sehe: Das ist zum einen die Bündelung der berufsbezogenen Hilfsangebote und die entsprechende Weiterentwicklung. Im Mittelpunkt – das haben wir bereits gehört – stehen die entsprechenden Sozialgesetzbücher II und III für den Bereich der Arbeitsmarktpolitik, das Sozialgesetzbuch VIII für die Jugendhilfe sowie für die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, ferner noch die SGB IX und XII.
Die zuständigen Institutionen und die dort arbeitenden Fachkräfte haben das gemeinsame Ziel, junge Menschen in Ausbildung und Beschäftigung zu bringen. Zur Vermeidung von Reibungsverlusten und Brüchen im Integrationsprozess werden im ersten Schritt vorhandene Hilfsangebote gebündelt und im zweiten die entsprechenden Angebote qualitativ weiterentwickelt, natürlich mit dem Ziel, ein gemeinsames Vorgehen zu schaffen, bei der Integration Förderlücken zu schließen und eventuelle Doppelförderungen zu vermeiden.
Auch die Wahl der Organisationsform ist wichtig. Die Arbeit in den Jugendberufsagenturen soll unter dem Motto „Hand in Hand“ erfolgen. Sie sind ausdrücklich keine neuen Organisationen im Sinne einer eigenständigen Organisation und Institution, sondern zielen auf eine verbindliche Zusammenarbeit der relevanten Akteure ab.
Dem in erster Linie inhaltlichen Ansatz „unter einem Dach“ entspricht im Idealfall auch die räumliche Gestaltung der Jugendberufsagentur als gemeinsame Anlaufstelle. Ebenso kommt es auf die Wahl der richtigen Zielgruppen an. Das Angebot der Jugendberufsagenturen steht grundsätzlich allen jungen Menschen offen, die in der Regel das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sich am Übergang von der Schule in das Berufsleben befinden.
Ein Großteil der jungen Menschen wird sicherlich mit punktueller Beratung und Unterstützung seinen Weg gehen. Umso dringender ist es aber, dass die Fokussierung der vorhandenen Ressourcen auf die jungen Menschen erfolgt, die zahlreiche Risiken aufweisen und die bisher nicht oder nur unvollständig erreicht werden konnten.
Keinesfalls soll jedem jungen Menschen der gesamte Instrumentenkasten aller beteiligten Organisationen
angedient werden, sondern Ziel ist es, ein auf individuelle
Bedürfnisse ausgerichtetes Hilfsangebot jeweils zu etablieren.
Damit die Jugendberufsagenturen erfolgreich arbeiten, gilt es, die Qualität der Kooperation entsprechend sicherzustellen. Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg ist die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses der komplexen Aufgabe und eine wertschätzende Kultur in der Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure. Kooperation wird dann sinnvoll und erfolgreich, wenn für alle Beteiligten erkennbar wird, dass ihr gemeinsames Handeln auf der Basis ihrer jeweiligen Verantwortungsbereiche und ihrer Handlungsgrundsätze zu mehr Erfolgen bei der beruflichen Integration von jungen Menschen führt.
Eine gestaltende und abstimmende Zusammenarbeit der Rechtskreise erfordert im Bedarfsfall auch einen direkten, datenschutzkonformen Informationsaustausch, ein abgestimmtes Fallmanagement und eine Schweigepflichtentbindung der jungen Menschen. Deshalb ist es wichtig und richtig, wenn wir uns in diesem Zusammenhang für einen verbesserten Datenaustausch sowie eine verbesserte bundesgesetzliche Voraussetzung für länderspezifische Lösungen der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit einsetzen.
Die bisherigen Regelungen und die Arbeitshilfe zum Datenschutz mit ihren 49 Seiten sind aus meiner Sicht noch zu wenig praktikabel.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen, dass die Integration junger Menschen ins Erwerbsleben beim Übergang von der Schule zum Beruf erfolgreich gelingt. Die systematische Beteiligung der jungen Menschen ist für mich in diesem Zusammenhang ein zentraler Erfolgsfaktor, um das handlungsleitende Ziel der Zusammenarbeit in den Jugendberufsagenturen auch gemeinsam mit den jungen Menschen verwirklichen zu können. Partizipation ist die beste Grundlage, um junge Menschen zu motivieren und stabile Übergänge in den Beruf zu erreichen. Diesem Ansatz folgt das Landesprogramm Jugendberufsagenturen Sachsen. Lassen Sie uns also gemeinsam mehr erreichen!
Vielen Dank.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank, Herr Kiesewetter. Ich frage an dieser Stelle noch einmal: Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Dann möchte ich Herrn Staatsminister Dulig um die Stellungnahme der Staatsregierung bitten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Ansatz der LINKEN, den Mindestlohn zu erhöhen, ist ja nicht neu. In der zuletzt geführten Diskussion stehen 12 Euro pro Stunde im Raum. Ungeachtet dessen, dass es sich hierbei natürlich in erster Linie um ein bundesrechtliches Thema handelt, erlauben Sie mir in der Sache vielleicht doch ein paar Ausführungen dazu.
Bei der Einführung des Mindestlohnes gab es gute Gründe, den Mindestlohn nicht vom Staat festlegen zu lassen, sondern von einer Mindestlohnkommission. Sie ist paritätisch besetzt, mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern; Frau Schaper hat das ausgeführt. Sie handelt gewissermaßen das Ergebnis aus und legt es vor. Die Kriterien, wie und nach welchen Maßstäben ausgehandelt wird, sind im
Mindestlohngesetz bundeseinheitlich fixiert, und dazu gibt es auch Berichtspflichten.
Es gibt gute Gründe zu sagen, dass der Staat nicht den Mindestlohn festlegen soll. Der erste ist aus meiner Sicht die Überzeugung, dass dann, wenn der Staat den Mindestlohn festlegt, dieser entsprechend politisiert wird, und in der Folge dessen kommt es natürlich auch zu einem entsprechenden Unterbietungswettbewerb. Das halte ich nicht für sonderlich seriös, insbesondere dann nicht, wenn Wahlen anstehen. Ich denke, wenn man den Mindestlohn vollkommen von wirtschaftlichen Prozessen entkoppelte, dann wäre das natürlich schädlich.
Der zweite Grund: Wenn wir uns nun an den Mindestlohnvorschlägen von 12 Euro orientierten und sagten, das müsste es jetzt sein, dann würde er natürlich auch Tarifabschlüsse, die darunter liegen, entsprechend verdrängen. Auch das müsste man dann bundesseitig einheitlich regeln. Wenn man einmal dabei ist, dann kann man eigentlich auch gleich die Löhne staatlich festlegen. Dann braucht man keine Gewerkschaften mehr, und da Löhne mit Preisen zusammenhängen, kann man auch Preise festlegen. Das hatten wir in unserer Geschichte schon einmal, und das brauche ich an dieser Stelle nicht weiter auszuführen.
Deshalb wollen wir, dass Tarifpartner die Mindestlöhne aushandeln, so wie es vorgesehen ist. Das ist eine subsidiäre Struktur. Subsidiarität schützt die Freiheit, und wir wollen eine freiheitliche Wirtschaftsordnung, keine reglementierte.
Das dritte Argument ist, dass der Mindestlohn, so wie wir ihn jetzt mit 8,48 Euro haben oder dann ab 1. Januar 2019 mit 9,19 Euro haben werden, nicht vor Armut schützt. Das ist richtig; der Mindestlohn ist eben auch keine sozialpolitische Maßnahme, sondern eine ordnungspolitische. So ist es auch im Gesetz vorgesehen. Er soll Ordnung in den Wettbewerb bringen und verhindern, dass der Wettbewerb über Lohndrückerei erfolgt.
Mindestlohn ist nicht der gerechte Lohn, den sich manch einer vielleicht wünscht. Ich denke, wir sollten bei dem bleiben, was die Politik entsprechend ihrem Auftrag leisten kann, nämlich sinnvollerweise zu regeln, was ordnungspolitisch richtig und nützlich ist. Das ist keine Politik von Ungerechtigkeit. Vielmehr ist es Voraussetzung für Gerechtigkeit, Ordnung auf den Markt zu bringen. Dieser Ordnungsansatz ist richtig und notwendig. Die Zahlen zeigen das.
Ich war erst am Freitag bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit und habe mich dort zu den Aufgaben und den anstehenden Herausforderungen insbesondere zu diesem Feld informiert. Selbstverständlich brauchen wir in diesem Zusammenhang vernünftige Kontrollen, dass die Regeln eingehalten werden, insbesondere bei der Dokumentation der Arbeitszeiten. Ich will nicht in eine Situation hineingeraten, in der dann argumentiert wird, lieber keinen als einen schlecht kontrollierten Mindestlohn. Ich
denke, wir sind es den Leuten schuldig, die in diesem Bereich arbeiten, dass dort vernünftige Kontrollen durchgeführt werden.
Ich würde ganz gern weiter ausführen; ich komme gleich zum Ende.
Eine Sache ist mir noch wichtig. Die Argumentation, die Sie anstrengen, hat aus meiner Sicht noch einen kleinen kosmetischen Fehler. Es geht immer darum, den Mindestlohn zu erhöhen. Vielmehr muss die Argumentation doch eigentlich die sein: Wie kann ich Menschen, die im Niedriglohnsektor tätig sind, Türen öffnen, damit sie eigenständig ihren Lebensalltag noch besser gestalten können, dass sie aus diesem Niedriglohnsektor herauskommen? Was kann ich im Bereich von Qualifizierung tun, von beruflicher Weiterbildung? Auch dies ist eine Frage des Bundesrechts. Dafür haben wir gute Ansätze durch das Teilhabechancengesetz, das mit 4 Milliarden Euro ab 1. Januar 2019 wirksam wird und entsprechende Möglichkeiten eröffnet. Dazu gebe ich zu bedenken, dass der Arbeitsmarkt doch entsprechend aufnahmefähig ist.
Wir haben in zahlreichen Bereichen einen Fachkräftemangel. Abschließend kann ich sagen: So, wie der Mindestlohn bisher ausgestaltet worden ist, hat er sich aus meiner Sicht ganz gut bewährt.
Gewerkschaften finden ohne Politik besser zu vernünftigen Löhnen. Insofern sind wir gut beraten, wenn wir als Politik die Finger da herauslassen.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Ich möchte mich für die Nichtteilnahme entschuldigen, aber ich hatte eine Besuchergruppe. Habe ich noch die Möglichkeit, meine Stimme abzugeben?
Okay.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich
möchte die zweite Runde nutzen, um auch noch zum Zuwanderungs- und Integrationskonzept zu sprechen.
Wir haben es bereits gehört: Das neue ZIK II ist da. Es hat etwas länger gedauert, aber es ist etwas sehr Gutes geworden. Es ist ja im Ergebnis der Fortschreibung sozusagen des alten ZIK I entstanden, im Rahmen eines umfassenden Beteiligungsverfahrens.
Grundlagen – auch das ist heute schon mehrfach angeklungen – sind die Empfehlungen des Sachverständigenrates Deutscher Stiftungen für Migration und Integration vom August 2014 sowie die Regelungen im Koalitionsvertrag.
Zwischen alter und neuer Fassung ist migrationspolitisch natürlich sehr viel passiert. Deshalb unterscheiden sich beide Varianten auch deutlich voneinander. Die Unterschiede sind inhaltlich entsprechend sichtbar.
Das neue ZIK umfasst einen bunten Strauß an Maßnahmen und Handlungsfeldern und ist auf verschiedenste Lebenslagen hin orientiert und ausgerichtet. Ich will im Folgenden kurz auf ausgewählte Schwerpunkte eingehen, die mir wichtig sind.
Das betrifft zum einen zuerst die inhaltliche Ausrichtung und die formulierten Grundsätze. Das ZIK kommt in seiner neuen Fassung mit einem breiten und kooperativen Ansatz daher. Es folgt dem Gedanken, dass Integration ein gesamtgesellschaftlicher Prozess ist, dessen Gelingen von der Mitwirkung aller in Sachsen lebenden Menschen abhängt und der auf persönlicher Interaktion beruht.
Integration in diesem Sinne erfordert auch ein aufeinander abgestimmtes Vorgehen unterschiedlicher staatlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure und setzt einen aktiven Beitrag jedes Einzelnen im Rahmen seiner jeweiligen Möglichkeiten voraus.
Die Maßnahmen, die im Bereich der Integration zu initiieren sind, sollten zur Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben befähigen. Zentral sind dabei die Teilhabe durch Erwerbstätigkeit, der Zugang zu und die Annahme von Bildungsangeboten, die Gleichstellung der Geschlechter und das rasche Erreichen der Selbsterhaltungsfähigkeit.
All diesen Gedanken folgt das neue ZIK. Es richtet sich an Ausländer und Deutsche gleichermaßen, staatliche und nicht staatliche Akteure, Hauptamtler und Ehrenamtler. Es vereint Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt und ist damit konsensfähige Arbeits- und Diskussionsgrundlage, und das ist auch gut so.
An dieser Stelle möchte ich mich recht herzlich bei all denjenigen bedanken, die am ZIK entsprechend mitgewirkt haben, die es erstellt und sich daran beteiligt haben.
Was ist mir weiterhin wichtig? – Das ist der Bereich strategisches Integrationsmanagement und -monitoring. Auch das ist heute schon mehrfach angeklungen. Ich freue mich, dass dieser Punkt im neuen ZIK eine ganz besondere Rolle spielt und aufgegriffen worden ist.
Das Konzept ist nicht statisch, sondern bedarf ständig der Fortschreibung. Es versteht sich – wie es Frau Staatsministerin Köpping bereits ausgeführt hat – als Diskussions- und Denkpapier. Im Bedarfsfall muss also auch entsprechend schnell und flexibel auf Veränderungen reagiert werden können, die letztlich von Faktoren abhängig sind, die uns von außen erreichen. Das können zum Beispiel europarechtliche Vorgaben sein, die neu sind, oder auch geänderte Rahmenbedingungen des Bundes.
Damit das funktioniert, ist auch immer wieder eine entsprechende Nachjustierung der Maßnahmen notwendig, die wir auf Landesebene initiieren. Die Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes bei der Schaffung von Landesintegrationsangeboten ist mir dabei besonders wichtig.
Monitoring und Evaluation leisten einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätsentwicklung, zur Nachhaltigkeitssicherung, zur bedarfsgerechten Ausrichtung von Angeboten sowie zum effizienten Ressourceneinsatz.
So könnten beispielsweise komplementäre Sprachkurse noch mehr auf Bleiberecht und Arbeitsmarktintegration ausgerichtet werden.
Zudem müssen Landesintegrationsangebote zielgerichteter darauf ausgerichtet sein, migrationsspezifische Vermittlungshemmnisse auf dem Arbeitsmarkt zu überwinden.
Was ist mir sonst noch wichtig? – Wir haben es bereits gehört und es ist auch schon mehrfach hier angeklungen: Sachsen ist vom demografischen Wandel besonders betroffen. Die Engpässe, die sich bereits in einzelnen Berufsgruppen, Branchen und Regionen abzeichnen, werden sich in den kommenden Jahren auf alle Wirtschafts- und Sozialbereiche sowie auf den öffentlichen Dienst ausdehnen und betreffen nahezu alle Qualifikationsstufen.
Daher ist es besonders erfreulich, dass der Bereich gesteuerte Zuwanderung auch im neuen ZIK einen breiten Raum einnimmt. Wir wollen gute Bedingungen schaffen, damit auch gut qualifizierte Menschen mit Migrationshintergrund hier ihre Potenziale entfallen können. Sie sollen zum wirtschaftlichen Wohlstand in Sachsen beitragen, sei es als Arbeitnehmer, Arbeitgeber oder Unternehmensgründer. Das betrifft natürlich in erster Linie auch die Hochschulabsolventen, die hier das Studium beenden. Für mich macht es aber in diesem Zusammenhang gleichzeitig Sinn, zukünftig auch über gezielte Anwerbungen nachzudenken, welche dem Wirtschaftsstandort Sachsen dienen. Es bedarf dazu natürlich der Entwicklung einer Strategie. Dazu müssen kontinuierlich und zielgerichtet Bedarfe am Arbeitsmarkt, im Zusammenhang mit der Bundesagentur für Arbeit und sonstigen Akteuren, identifiziert und Steuerungsmaßnahmen aufgesetzt werden.
Ich kann mir vorstellen, in dieser Frage dem Sächsischen Ausländerbeauftragten oder dem zukünftigen Migrations- und Integrationsbeauftragten bei der Initiierung solcher innovativen Ansätze, möglicherweise auch über den
Freistaat Sachsen hinaus, eine stärkere Rolle zukommen zu lassen.
Lassen Sie mich abschließend noch eines erwähnen – das ist die Diskussion über ein mögliches Integrationsgesetz. Das ist von vielen Seiten heute hier schon angesprochen worden. In dieser Frage kann ich mich dem Sachverständigenrat Deutscher Stiftung für Integration und Migration anschließen, der sich im diesjährigen Jahresgutachten 2018 ausführlich der Frage widmet, was Integrationsgesetze leisten können. Lassen Sie mich ganz kurz daraus zitieren: „Der Staat kann Integration nicht verordnen; er kann aber die Rahmenbedingungen so gestalten, dass sie Integration fördern. Eine Option bilden Integrationskonzepte, die vor allem auf Länder- und kommunaler Ebene genutzt werden.“ Ob Integration auf Landesebene durch Konzept oder durch Gesetz gestaltet wird, ist dabei weniger entscheidend als eine konsequente Umsetzung und ein gutes Integrationsmonitoring.
Eine adäquate Ausgestaltung der allgemeinen Regelsysteme ist wirkungsvoller und auch systematisch überzeugender als Spezialgesetze, die sich nur auf eine Personengruppe mit Migrationshintergrund beziehen.
In diesem Sinne sind wir also mit dem neuen ZIK, wenn es um das Thema Zuwanderung und Integration geht, gut aufgestellt. Lassen Sie uns damit und daran gemeinsam arbeiten.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die einbringende Fraktion begehrt mit dem Antrag unter anderem ja die Bewertung des Erfolgs – oder aus ihrer Sicht: des Misserfolgs – der Sprachkurse nach unserer Richtlinie Integrative Maßnahmen. Ohne das beantragte Ergebnis abzuwarten, sollen die Sprachkurse darüber hinaus kurzerhand ausgesetzt werden. Sie nehmen das Ergebnis aus Ihrer Sicht vorweg. Zudem wird eine komplette Evaluierung der Richtlinie angestrebt. Zu weiteren Einzelheiten verweise ich auf den Antrag.
Ich möchte mich dem Thema aber seriös nähern, von daher lohnt es sich, einen Blick auf die Historie und in die einschlägigen Rechtsvorschriften, die uns in diesem Bereich begleiten, zu werfen, aber auch in den Bereich der Sprachwissenschaften.
Klar ist, dass der Bund im Bereich des Aufenthaltsrechts die Gesetzgebungskompetenz hat. Das erste Mittel der
Wahl für den Spracherwerb von Migranten ist der Integrationskurs des Bundes.
Klar ist auch: Wir haben uns im Koalitionsvertrag 2014 hier in Sachsen zu einem Landessprachprogramm bekannt, weil wir wollen, dass Menschen, welche von den Regelangeboten des Bundes nicht profitieren, die Möglichkeit zum Spracherwerb erhalten. Das betrifft zuvörderst Personen, die mindestens einen nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben und die eben keinen Anspruch auf den Integrationskurs des Bundes besitzen.
Unter Berücksichtigung der Lebenswirklichkeit ist das auch sinnvoll; denn viele, die aus humanitären Gründen zu uns gekommen sind, werden längerfristig bei uns bleiben, ob mit Anerkennung und Aufenthaltstitel oder eben als Geduldete und damit auch mit nachrangigem Zugang zum Arbeitsmarkt. Wenn eine längere Verweildauer absehbar ist, ist es sinnvoll, den Spracherwerb zu fördern, um elementare Sprachanwendung zu ermöglichen,
um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie am Arbeitsleben zu ermöglichen und damit eben auch Konfliktpotenzial zu mindern.
Im Antrag kritisieren Sie den Erfolg oder den angeblichen Misserfolg der Landessprachkurse und begründen Ihre Vermutung mit der Übertragung der Feststellung des Bundesrechnungshofs zu Kursen, die die Bundesagentur nach § 421 SGB III als sogenannte Einstiegskurse in den Jahren 2015 und 2016 durchgeführt hat. Ziel dieser Kurse war es, unter den Bedingungen des Jahres 2015 möglichst vielen Menschen die Gelegenheit zu geben, erste Kenntnisse der deutschen Sprache zu erwerben. In der Bundesagentur wurde dabei abgewogen zwischen der Frage nach konkreten qualitativen Vorgaben hinsichtlich der Ausstattung und Durchführung der Kurse, die die Umsetzung allerdings tendenziell verzögert hätten, und der Notwendigkeit, die es damals gab, das Programm angesichts des dringenden Bedarfs zeitnah zu starten.
Der Bundesrechnungshof hat ferner deutlich gemacht, dass bei aller Kritik, die Sie auch in der Begründung des Antrags nennen, das Engagement der BA zu den Einstiegskursen zu würdigen ist. Das hat er im Ergebnis der Prüfung auch so festgestellt. Die Prüfung ist abgeschlossen. Der Verweis auf die Aussagen des Bundesrechnungshofs im Zusammenhang mit den Landessprachkursen greift an dieser Stelle also ein Stück weit zu kurz und ist eben auch unvollständig.
Jetzt kommen wir zum Bereich der Sprachwissenschaften. Im Antrag werden zudem die Erfolgsaussichten und die Erfolgsquoten beim Erreichen der einzelnen Sprachniveaustufen und die hohe Quote der Kurswiederholer kritisiert. Die Hinterfragung, ob und inwieweit Sprachkurse in Form und Ausgestaltung in integrationsrechtlicher Hinsicht erfolgreich sind, ist nicht neu. Zu dieser Frage gibt es bezüglich der Integrationskurse des Bundes,
die Sie ja als Vergleichsmaßstab für die Landeskurse heranziehen, bereits eine ganze Reihe von Untersuchungen. Das BAMF hat bereits in den Jahren 2006 und 2011 entsprechende Studien zur Wirksamkeit und zum Erfolg der Integrationskurse in Auftrag gegeben, zuletzt in Form des Integrationspanels, also einer großen Längsschnittstudie zur Wirksamkeit von Integrationskursen.
Die getroffenen Feststellungen lassen sich aber eben auch ohne Probleme auf die Landessprachkurse übertragen, unabhängig von den beiden Personenkreisen, die je nach Zugangsregelung von Landeskursen oder Integrationskursen profitieren. Als Besonderheit der Integrationskurse und der Landessprachkurse fällt die Heterogenität der Teilnehmer ins Auge, die jeden „normalen“ Sprachkurs weit übertrifft.
Ich würde gern fertig ausführen wollen, Herr Präsident.
Also Menschen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Bildungshintergründe, mit unterschiedlichen Gründen, ihre Heimat zu verlassen, teils traumatisiert, teils voller Vorfreude auf das, was kommt, mit unterschiedlichem sprachlichem Vorwissen und mit unterschiedlichen Zielen und Verpflichtungen absolvieren einen Kurs mit einheitlichem Curriculum, mit einheitlichen Lehrwerken und mit einheitlichem Abschlusstest. Es ist klar, dass diese große Heterogenität, die wir dort in den Zusammensetzungen der Kurse haben, einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg jedes Einzelnen, auf die Erfolgsquoten hat und zunächst besondere Anforderungen an das Curriculum und die Methoden der Sprachvermittlung bringt. Im Ergebnis steht fest: Die kritische Revision der Zahlen des BAMF stärkt in erster Linie das Argument für mehr zielgruppenorientierte Kurse für Teilnehmer mit spezifischem Förderbedarf.
Dieser Logik sind wir bei den Landessprachkursen ebenfalls gefolgt und haben verschiedene Angebote zum Spracherwerb für verschiedene Gruppen auf den Weg gebracht. Organisatorisch haben wir uns bei der Umsetzung an die bestehenden Vorgaben des Bundes angelehnt. So müssen beispielsweise die Sprachkursträger vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entsprechend der Integrationskursverordnung als Integrationskursträger zugelassen sein. Sämtliche Teilnahmebestätigungszertifikate werden durch die Sprachkursträger ausgegeben. Die Teilnehmerzahlen richten sich nach den Vorgaben der Integrationskursverordnung bzw. den jeweiligen Trägerrundschreiben des BAMF. Als Nachweis der Teilnahme dient eine tägliche Anwesenheitsliste, auf der sowohl Teilnehmende als auch der Kursträger unterschreiben. Zuwendungen werden gewährt, wenn die Personen mindestens an 50 % des Kursumfangs anwesend oder mit sachlichem Grund entschuldigt abwesend sind. Die Kursträger sind verpflichtet, ihre Kursangebote auf der
Internetseite KURSNET der Bundesagentur für Arbeit einzutragen und zu veröffentlichen.
Was bleibt als Fazit? Der Heterogenität der Teilnehmer wird ein hohes Maß an Standardformen und Standarderwartungen gegenübergestellt. Weder die Zahl noch die Heterogenität der Zuwanderer wird in Zukunft kleiner. Eher ist das Gegenteil der Fall: Die Zuwanderungsanreize, insbesondere für Fachkräfte, werden in Zukunft intensiviert. Ich schaue da in Richtung Koalitionsvertrag auf der Ebene des Bundes. Das Stichwort ist hier Zuwanderungsteuerungsgesetz.
Flüchtlingen wird zum Teil bereits jetzt ein früher Zugang zu Deutschkursen gewährt. Es gab in diesem Bereich eine ganze Reihe von Rechtsänderungen in den letzten zwei Jahren. Gleichzeitig macht es die gesellschaftliche Notwendigkeit von Zuwanderung noch dringlicher als vor zehn Jahren, dass Zuwanderer ihren Bedürfnissen entsprechend Deutschkurse ausdifferenziert nach Zielgruppen erhalten. Das zwingt zur gruppenbezogenen Analyse, zu einer Revision des Curriculums und zu einer höheren Differenzierung und besseren Koordination der Angebote. Hier müssen sich Sprachförderangebote des Bundes und des Landes im Sinne gelebter Subsidiarität wirksam ergänzen. Gleichwohl gibt es natürlich inhaltlich und organisatorisch reichlich Potenzial zur Weiterentwicklung.
Es ist bereits viel auf den Weg gebracht worden. Mit Blick auf den Bund denke ich an das Gesamtprogramm Sprache oder die Deutschsprachförderverordnung, die sich an § 45 a Aufenthaltsgesetz anlehnt, zum Zweck des Erwerbs der berufsbezogenen Deutschförderung sowie das Angebot „Deutsch im Beruf“, das erst kürzlich in die Richtlinie Integrative Maßnahmen Eingang gefunden hat. Weitere Maßnahmen sind absehbar.
Im Ergebnis müssen wir fortwährend an den landesrechtlichen Stellschrauben neu justieren. Wir sind gut beraten, die Landessprachkurse beizubehalten uns sie maß- und sinnvoll weiterzuentwickeln. Das gilt nicht nur für den Teil 3 der Richtlinie, in dem die Sprachförderung enthalten ist, sondern für die komplette Richtlinie, die in Ihrem Antrag infrage gestellt wird.
Eine pauschale Unterstellung von Misserfolgen lehne ich ab, Ihren Antrag auch.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich muss mich erst einmal sammeln und sortieren. Wir diskutieren ja heute hier über die Große Anfrage der AfD zu zweieinhalb Jahren Geschäftsbereich SMGI beim Sozialministerium. Die Beantwortung auf 136 Seiten widmet sich dem umfangreichen Fragenkatalog zu den drei Themenfeldern Gleichstellung, Integration und Demokratieförderung.
An dieser Stelle gilt zunächst mein herzlicher Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Geschäftsbereich für das umfangreiche Material. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und bildet eine gute Grundlage zur weiteren Diskussion und zur inhaltlichen Fortentwicklung.
Ich möchte mich schwerpunktmäßig bei meinen Ausführungen auf den Bereich der Integration konzentrieren, der in der Einbringungsrede noch nicht angesprochen wurde, aber gleichwohl wesentlicher Bestandteil der Großen Anfrage ist. Zu den Bereichen Gleichstellung und Demokratieförderung werden meine Kolleginnen aus der Koalitionsfraktion noch entsprechend ausführen.
Die Anfrage sieht ja bereits die Organisationsstruktur des Geschäftsbereiches beim Sozialministerium kritisch und widmet sich zuerst fiskalischen und organisatorischen Fragestellungen vor dem fachlichen Inhalt und das verbunden mit dem Ziel, sodann im auch vorliegenden Entschließungsantrag, der hier noch folgt, kurzerhand die komplette Abschaffung des Geschäftsbereiches zu fordern.
Warum diese Organisationsform so besteht, ist bereits in der Beantwortung ausführlich dargelegt und erläutert. Trotzdem ist aus meiner Sicht nochmals eine Standortbestimmung nötig.
Deutschland ist ein Einwanderungsland, und das seit Langem. Immer wieder hat sich die Zusammensetzung der Bevölkerung auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland durch Einwanderung, Flucht und Arbeitsmigration verändert. Die deutsche Gesellschaft ist heute so vielfältig wie wohl niemals zuvor. Die Haltung der Bevölkerung dazu ist höchst unterschiedlich. Während die einen Potenziale erkennen und für die Gestaltung von Gesellschaft und Demokratie nutzen, fürchten andere den Verlust von Identität und vertrauten Werten.
Auf der Grundlage der Erkenntnis, dass Migration globale europäische und deutsche Realität ist und bleiben wird, sind wir der Ansicht, dass Politik, Wirtschaft und gesellschaftliche Institutionen Migrations- und Integrationsprozesse gestalten müssen. Die Lebenswirklichkeit kann nicht ignoriert werden und gerade deshalb war und ist es so wichtig, eine eigene und besondere Struktur für diese Aufgabe zu schaffen. Im Übrigen geht das einher mit allen anderen Bundesländern, die ähnliche Strukturen auf Landesebene jeweils vorhalten.
Die bislang auf den Weg gebrachten Maßnahmen und Aktivitäten sind in der Beantwortung der Großen Anfrage bereits ausführlich dargelegt. Wir fördern beispielsweise Spracherwerb. Wir unterstützen die Kommunen bei der Unterbringung und Betreuung. Wir bieten Erstorientierung in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Zur Ressort- und Verwaltungsebene übergreifenden Koordination, Abstimmung und Bearbeitung von verschiedenen Fragestellungen wurden Formate wie das Verbändegespräch und der Lenkungsausschuss Integration Asyl etabliert und vieles mehr.
Was ist in diesem Zusammenhang wichtig? Grundsätzlich bleibt für mich festzustellen: Die Arbeitsaufnahme in diesem Bereich erfolgte in einer sehr turbulenten Zeit. Die Flüchtlingskrise begann zu dieser Zeit, setzte sich dann sehr schnell fort. Viele Maßnahmen sind auf den Weg gebracht worden. Es musste teils ad hoc auf die Bedarfsentwicklung reagiert werden. Hinzu kommt eine sehr
dynamische Rechtsentwicklung im Bereich des Aufenthalts- und Asylrechts auf Bundesebene in den letzten zweieinhalb Jahren. Hier waren immer wieder auch auf Landesebene Anpassungen bei Fördermaßnahmen nötig. Im Ergebnis steht heute ein doch recht bunter Strauß an Fördermaßnahmen und Integrationsangeboten, die flächendeckend sehr gut angenommen werden.
Die Richtlinien sind zum Teil überzeichnet. Das zeigt, dass es richtig war, wie wir die Aufgaben angegangen sind. Die Integrationsaufgabe bleibt auch zukünftig ein zentrales Thema, welches es konsequent zu bearbeiten und zu steuern gilt.
Insoweit ist für mich der Ausblick an dieser Stelle auch interessanter als der Rückblick. Wie könnte es also in den kommenden Jahren weitergehen?
Der Bund hat zwischenzeitlich viele neue Regelungen auf den Weg gebracht – das Integrationsgesetz beispielsweise –; weitere Regelungen werden folgen, das ist sicher. Es ist nunmehr wichtig, unsere landesrechtlichen Integrationsangebote, welche sich immer subsidiär zu denen des Bundes ausrichten müssen, zu evaluieren und am aktuellen Bedarf orientiert fortzuschreiben. Bislang lag der Fokus aus nachvollziehbaren Gründen natürlich auf dem Personenkreis der humanitär Zugewanderten. Ich wünsche mir, dass wir zukünftig das Thema Integration noch mehr vom Arbeitsmarkt her denken. Unser Fokus muss also verstärkt auf gesteuerte Zuwanderung ausgerichtet werden.
Dazu sollten zielgerichtet Bedarfe am Arbeitsmarkt in Abstimmung mit anderen Ressorts der Wirtschaft und der Bundesagentur für Arbeit identifiziert und Fördermaßnahmen darauf ausgerichtet werden. Mich erfreut in diesem Zusammenhang besonders das neue Instrument der berufsbezogenen Sprachförderung, welches als neues Angebot in der Richtlinie Integrative Maßnahmen Eingang gefunden hat.
Maßstab für die Weiterentwicklung von Landesintegrationsangeboten soll die Frage sein, inwieweit diese im konkreten Einzelfall zur Überwindung migrationsspezifischer Vermittlungshemmnisse am Arbeitsmarkt dienen können. Das neue ZIK wird hierfür sicherlich gute Ansätze bieten.
Ich würde gern weiter ausführen; so spektakulär ist es nicht.
Lassen Sie mich noch kurz auf die in der Anfrage und im vorliegenden Entschließungsantrag aufgegriffene und zu Unrecht gescholtene Einbürgerungskampagne eingehen. Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit gehört zu einem erfolgreichen Integrationsprozess. Er ist Zeichen der Zugehörigkeit zu Deutschland und der wechselseiti
gen Verantwortung zwischen Bürger und Staat. Er drückt das Bekenntnis zu unserem Land und zu den Werten des Grundgesetzes aus. Daher setzt die Einbürgerung auch den Erfolg bei Sprache und Einbürgerungstest voraus. Wir stehen für eine klare Einbürgerungsperspektive von Anfang an. Deshalb ist es auch so wichtig, Menschen, die die jeweiligen Voraussetzungen dafür erfüllen, aktiv anzusprechen und für die deutsche Staatsbürgerschaft zu werben.
Was bleibt als Fazit? Für die Koalition steht ein starker gesellschaftlicher Zusammenhalt im Zentrum unseres politischen Handelns. Dabei bleibt die Integration derjenigen Menschen, die zu uns kommen und zu uns gekommen sind, eine Daueraufgabe, der wir uns stellen müssen. Wir wollen eine gerechte Teilhabe für alle Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte ermöglichen. Mit klaren Regelungen und dem Grundsatz des Forderns und Förderns ist Deutschland und Sachsen auch im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt. Der Geschäftsbereich SMI leistet hier eine wertvolle Arbeit. Das soll auch so bleiben und in diesem Sinne lehnen wir auch den kommenden Entschließungsantrag ab.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe überlegt, wie ich mich dem Debattentitel „Integrationsgipfel – Selbstaufgabe einer erfolgreichen Nation“ nähere. Ich glaube, das Beste ist, das mit Sachlichkeit und Fakten zu tun. Ich denke, da liege ich nicht ganz verkehrt.
Zuerst ganz kurz ein Blick in die Historie. Der Integrationsgipfel ist eine jährliche Konferenz, die seit mehr als zehn Jahren, nämlich seit 2006, im Kanzleramt stattfindet, und zwar mit Vertretern aus Politik, Medien, Migrantenverbänden, Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften,
Sportverbänden. Das Ziel ist, Probleme der Einwanderung und der Integrationspolitik in intensiven Diskussionen zu behandeln. Dazu gibt es natürlich jährlich wechselnde Themenschwerpunkte.
Der Auslöser für diese Konferenzserie waren Ergebnisse der PISA-Studien, aus denen damals die politische Einsicht erwachsen ist, dass es notwendig ist, Zuwanderer besser in Deutschland zu integrieren.
Natürlich gab es Kontroversen rund um den Integrationsgipfel und auch Vorwürfe, dass das Showveranstaltungen seien. Aber wenn man Integration so denken will, dass es keine Einbahnstraße ist, dass sich von zwei Seiten aufeinander zubewegt werden muss, dass eine gelingende Integration die Voraussetzung für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und zum Erhalt unseres Wohlstandes ist und dass Integrationsprozesse das Engagement von beiden Seiten und das Aufeinanderzugehen verlangen und dass wir uns in einem generationsübergreifenden Prozess und einer ebensolchen Aufgabe befinden, –
Nein, ich würde gern weiter ausführen.
dann müssen wir natürlich Gesprächsformate entwickeln, die dazu beitragen, Lösungsansätze zu finden. Man muss sich an einen Tisch setzen.
In diesem Zusammenhang kann von Selbstaufgabe keine Rede sein. Gerade durch solche Gesprächsformate steuern und managen wir Integrationsthemen, ob im Bund oder in den Ländern.
Wenn das Impulspapier im Vorlauf des 9. Integrationsgipfels gerade angesprochen wurde, so heißt es nicht automatisch, dass alle darin stehenden Forderungen – so streitbar sie unter Umständen sein mögen – automatisch gleich Gesetzeskraft erlangen.
Wie werden wir als deutsche Nation wahrgenommen? Als ein starkes und attraktives Land mit einer robusten Wirtschaftskraft, mit hohen rechtsstaatlichen, sozialen und ökologischen Standards, mit einer freiheitlichen und toleranten Gesellschaft. Gerade deshalb kommen natürlich so viele zu uns, egal ob als Flüchtlinge, als Asylbewerber, als Arbeitsmigranten oder als Freizügigkeitsberechtigte, um nur ein paar zu nennen. Das ehrt uns, schafft natürlich aber auch neue Herausforderungen. Diesen haben wir uns gestellt, diesen stellen wir uns auch zukünftig, ob im Bund oder im Land. Das machen die Entwicklungen in den letzten beiden Jahren deutlich. Wir haben eine Vielzahl von neuen gesetzlichen Vorschriften auf der Ebene des Bundes. Als Beispiele nenne ich das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz, mehrere Asylpakete und ein Integrationsgesetz, das einmalig in der deutschen Geschichte ist.
Wir haben mit diesem Gesetz den zentralen Leitsatz des Forderns und Förderns auch für Flüchtlinge rechtlich verbindlich gemacht. Man beachte dabei die Stellung der Worte Fordern und Fördern. Das ist in diesem Kontext wichtig und betrifft den Begriff der Bringschuld. Integration ist ein Angebot, aber auch eine Verpflichtung zu eigenen Anstrengungen. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit müssen wir lernen und Parallelgesellschaften verhindern. All das findet Berücksichtigung in den entsprechenden Vorschriften.
Auch auf der Ebene des Freistaates Sachsen waren wir nicht untätig. Die vergangenen zwei Jahre können sich sehen lassen mit all dem, was auf den Weg gebracht worden ist: ganze Maßnahmenpakete, Handlungskonzepte, zahlreiche Richtlinien, die über den Bereich unserer Staatsministerin für Gleichstellung und Integration forciert wurden.
Ich denke dabei konkret an die Richtlinie Soziale Betreuung, die Flüchtlingssozialarbeit ermöglicht, und wir haben die Richtlinie Integrative Maßnahmen, die ein eigenes Landessprachenprogramm beinhaltet. Wir haben den Bereich der Arbeitsmarktmentoren, und erstmals ist es so, dass die Richtlinien überzeichnet sind. Dies zeigt, wie sehr sich auch Vereine, Verbände und die Zivilgesellschaft bei diesem Thema engagieren, und ich denke, an dieser Stelle ist es wichtig und sachgerecht, all jenen, die sich in der letzten Zeit positiv für diese Themen engagiert haben, einen herzlichen Dank auszusprechen.
Es ist viel geworden, aber natürlich ist noch nicht alles perfekt.
Wir sind in einem kontinuierlichen Fortschreibungsprozess. Es wird ein neues Zuwanderungsintegrationskonzept in Sachsen geben. Wir werden auch weiterhin auf allen Ebenen im Gespräch bleiben,
und wir wollen bei dieser Aufgabe den Blick nach vorn richten und nicht nach hinten.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, dass ich für meine Fraktion an dieser Stelle zum Antrag ganz kurz Stellung nehme. Mit dem Antrag begehrt die einbringende Fraktion eine sogenannte proaktive Beratung und Information für den Personenkreis der langjährig geduldeten Menschen. Dazu sollen unter anderem die unteren Ausländerbehörden angewiesen werden, entsprechende Beratungs- und Informationsleistungen zu erbringen. Zur Begründung wird im Antrag in erster Linie auf die Fallzahlen abgestellt, wie viele Personen die jeweiligen Regelungen und notwendigen Fristen in den beiden betroffenen Vorschriften erfüllen und somit potenziell in den Genuss eines Bleiberechts nach § 25 a und b Aufenthaltsgesetz kämen.
Zudem weise die Zahl der erteilten Aufenthaltserlaubnisse gegenüber der Zahl der Geduldeten eine erhebliche Diskrepanz auf. Eine Verbesserung der aufenthaltsrechtlichen Beratung könne dazu beitragen, dass mehr Menschen von diesen genannten Bleiberechtsregelungen profitierten. – So weit erst einmal die Begründung.
Außer Acht bleiben in der Begründung jedoch wesentliche und wichtigste Voraussetzungen, welche neben den Fristen und Regelungen zu Stichtagen, soweit es sie noch gibt, zur Erlangung eines solchen Bleiberechts zusätzlich zu erfüllen sind. Diese können bei der Prüfung, ob ein Aufenthaltstitel nach diesen Vorschriften zu erteilen ist, aber nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Wenn man sich damit ordentlich auseinandersetzen will, dann ist es sachgerecht, einen Blick ins Gesetz zu wagen und die Vorschriften doch noch einmal dezidiert auseinanderzunehmen.
So soll beispielsweise nach § 25 a Abs. 1 – das ist die Vorschrift, die die Jugendlichen betrifft – einem jugendlichen oder heranwachsenden geduldeten Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er zum einen den Voraufenthalt von vier Jahren entsprechend erfüllt, wenn er zum Zweiten im Bundesgebiet in der Regel seit vier Jahren erfolgreich eine Schule besucht oder einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat, wenn drittens der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird, wenn es – viertens – gewährleistet erscheint, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann und wenn – fünftens – keine konkreten Anhaltungspunkte dafür bestehen, dass er sich nicht zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland bekennt.
Solange Jugendliche oder Heranwachsende sich in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung, in einem Hochschulstudium usw. befinden, schließt die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zur Sicherstellung des eigenen Lebensunterhalts die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erst einmal nicht aus. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist demgegenüber aber zu versagen, wenn die Abschiebung aufgrund eigener falscher Angaben des Ausländers oder aufgrund seiner Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit ausgesetzt ist. So weit erst einmal die Norm aus § 25 a des Aufenthaltsgesetzes.
Ähnlich verhält es sich mit § 25 b für die Erwachsenen. Dementsprechend soll einem geduldeten Ausländer, abweichend von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Das setzt regelmäßig voraus, dass der Ausländer zum einen seinen Voraufenthalt – in diesen Fällen von acht Jahren – erfüllt, sich zweitens zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennt und über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt und
drittens seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit sichert oder bei der Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie familiären Lebenssituation zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt sichern wird. Vierte Voraussetzung: Er muss über hinreichend mündliche Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A2 verfügen und fünftens bei Kindern im schulpflichtigen Alter den entsprechenden tatsächlichen Schulbezug nachweisen.
Die Ausländerbehörde hat in beiden Vorschriften also eine Vielzahl von Erteilungsvoraussetzungen zu prüfen und dabei noch sogenannte Prognoseentscheidungen zu treffen. Das wird durch die Formulierungen „zu erwarten ist“ oder „gewährleistet erscheint“ entsprechend deutlich. Es kommt also ganz entscheidend auf die Würdigung der aufenthaltsrechtlichen Karriere jedes Einzelnen an.
Der bloße Bezug auf Fallzahlen und entsprechende Voraufenthaltszeiten ist an dieser Stelle natürlich sicherlich nicht sonderlich hilfreich, denn es sind auch die zusätzlichen Voraussetzungen mit zu betrachten. Insoweit wird der vorliegende Antrag eben nur mit der halben Wahrheit begründet, obwohl Sie im Antrag immer das Wort „insbesondere“ verwendet haben. Man hätte dort aber schon darauf eingehen müssen. Ich gehe davon aus, dass es sich hier sicherlich um ein Versehen handelt.
Zur Vorbereitung der heutigen Debatte habe ich mich noch einmal mit der Ausländerbehörde meines Landkreises in Verbindung gesetzt und ein paar aktuelle Informationen zur Verwaltungspraxis erfragt. Demnach wurden seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung zum
1. August 2015 aktuell lediglich 17 Aufenthaltserlaubnisse nach diesen beiden Vorschriften von §§ 25 a und 25 b des Aufenthaltsgesetzes erteilt.
Das hat im Wesentlichen folgende Ursachen: Die Antragsteller scheitern meist an drei Voraussetzungen, weshalb entweder kein Antrag gestellt wird oder ein Antrag, der gestellt ist, dann im Verfahren zurückgezogen wird. Zum einen geht es um die Sicherung des Lebensunterhalts, soweit sie notwendig ist. Es können aber auch Straftaten sein, die zum Ausschluss führen, wobei Geldstraftaten von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach ausländerrechtlichen Vorschriften begangen werden, grundsätzlich außer Acht bleiben. Der häufigste Grund ist hier aber das Problem einer Täuschung über die Identität und Staatsangehörigkeit.
Genau darin liegt meines Erachtens der Kern der Sache. Hauptsächlich werden für Geduldete die beiden Vorschriften §§ 25 a und 25 b des Aufenthaltsgesetzes herangezogen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist aber zu versagen, wenn die Abschiebung eben aufgrund falscher eigener Angaben oder aufgrund einer Täuschung über die Identität und Staatsangehörigkeit ausgesetzt ist, also die Duldung nach § 60 a quasi genau aus diesem Grund erfolgt.
Viele der Geduldeten verfügen natürlich nicht über ein Nationaldokument bzw. über eine ungeklärte Identität und unterliegen daher ebendiesem Ausschlussgrund. Das ist das Problem. Deswegen ist die Frage in den Raum zu werfen, ob eine Heraufsetzung der Altersgrenze von 21 auf 27 Jahre, die Sie in Ziffer II.2 des Antrags fordern, zu einer Erhöhung der Zahl der Titelvergaben führt, wenn die Mehrzahl der infrage kommenden Personen im Prinzip schon vorab an einer dieser drei Voraussetzungen scheitert.
Deshalb scheint es aus meiner Sicht auch sinnvoller zu sein, bereits während des Asylverfahrens aufzuklären, zu beraten und reguläre Zuwanderungswege unter Einhaltung des vorgesehenen Visumverfahrens nach Deutschland aufzuzeigen. Diesen Weg gehen wir bereits in den EAEs und in den unteren Ausländerbehörden. Zudem informieren und beraten die Ausländerbehörden im Einzelfall selbstverständlich über die Möglichkeiten eines Bleiberechts für langjährig Geduldete. Jeder Behörde obliegen natürlich auch Aufklärungs- und Beratungspflichten nach verfahrensrechtlichen Vorschriften.
Glauben Sie mir, es liegt bereits im Interesse der Ausländerbehörden, unter Wahrung der gesetzlichen Voraussetzungen geeignete Lösungen im Einzelfall zu finden. Ich glaube, niemand hat ein ernsthaftes Interesse daran, derartige Bleiberechte durch mangelhafte oder nicht erfolgte Beratung zu verhindern. Sicherlich gibt es Unterschiede in der Beratungsqualität, aber ich denke, das ist lösbar. Ich halte es gleichwohl für falsch, den Mitarbeitern in den Ausländerbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte quasi ein Generalmisstrauen entgegenzubringen und den Eindruck zu erwecken, dass Beratung per se alle aufenthaltsrechtlichen Fragen klären könne.
Im Übrigen gelten die Ausführungen aus der Stellungnahme des Innenministeriums. Das betrifft insbesondere die Prüfreihenfolge und die Prüfintensität. Ich möchte insbesondere den Hinweis aus der Stellungnahme aufgreifen, dass bereits aufgrund bestehender Vorschriften, nämlich der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz, klar ist: Bevor eine Duldung nach § 60 a des Aufenthaltsgesetzes erteilt wird, ist vorrangig zu prüfen, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels insbesondere nach §§ 25 a und 25 b des Aufenthaltsgesetzes in Betracht kommt.
Ich denke, das ist ausreichend, um den Antrag abzulehnen.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit dem
vorliegenden Antrag begehrt die einbringende Fraktion die Einrichtung einer mehrsprachigen Website, welche Informationen zu den aus Bundes- und Landesmitteln geförderten Sprachkursen enthält nebst Angaben zu Ort, Kursträger, Platzkapazität – Frau Zais hat das alles ausgeführt. Zielstellung ist hier das Zurechtfinden von Zugewanderten und für diejenigen, die die Zugewanderten entsprechend beraten und unterstützen. Zum Weiteren verweise ich auf den Inhalt und die Begründung des Antrages sowie die Ausführung der Kollegen. Gestatten Sie mir, dass ich dazu für meine Fraktion Stellung nehme und ein paar Ausführungen mache.
Zur Überwindung der Herausforderungen der Flüchtlingskrise wurden unter anderem im Verlauf der letzten beiden Jahre zahlreiche Angebote zum Spracherwerb auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene auf den Weg gebracht. Dies hat zu einem regelrechten Angebotswirrwarr geführt, welches gerade die handelnden Personen täglich neu beschäftigt. Der Blick in die aktuell veröffentlichte Integrationskursstatistik des BAMF 2016 zeigt das bereits deutlich. Danach wurden im vergangenen Jahr über 530 000 Berechtigten eine Integrationskursteilnahme ausgesprochen. Die Gesamtzahl der neuen Kursteilnehmer ist im Vergleich zum Vorjahr um 90 % gestiegen und lag bei fast 340 000 Personen in Deutschland. Die meisten Teilnehmer in den Kursen stammen aus Syrien, dem Irak und Eritrea. Der Anteil der Kursteilnehmer aus den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist gesunken. Lediglich 58,5 % der Kursteilnehmer einschließlich Wiederholer schlossen den Kurs mit dem Niveau B 1 ab. Rund 20 000 Kurse wurden begonnen. Das entspricht einer Steigerung von 50 %. Auch die Zahl der zugelassenen Kursträger hat sich erhöht. Die größte Gruppe sind hier immer noch die Volkshochschulen.
Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass es zur Förderung einer raschen Integration von Bleibeberechtigten unter anderem einer effektiven Prozesssteuerung im Bereich des Spracherwerbs bedarf mit dem obersten Ziel, Integration prioritär im Hinblick auf den Arbeitsmarkt zur forcieren. Aus meiner Sicht ist es notwendig, sich dem Thema aus der Perspektive der jeweiligen Aufgabenträger zu nähern. Dabei dürfen insbesondere bundesgesetzliche Vorgaben bei der Spracherwerbsförderung hinsichtlich Organisation, Zuständigkeit und Verfahren nicht außer Acht gelassen werden.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass Spracherwerb und Sprachförderung für alle rechtmäßig auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Ausländer zunächst über das klassische Mittel des Integrationskurses erfolgt. Die Integrationskurse umfassen den Basis- und Aufbausprachkurs sowie Orientierungskurs. Dies wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge koordiniert und durchgeführt, das sich hierzu privater und öffentlicher Träger bedient. Die Einzelheiten dazu regelt die Integrationskursverordnung. Das BAMF führt die Integrationskurse in Zusammenarbeit mit Ausländerbehörden, dem Bundesverwaltungsamt, Kommunen, Migrationsdiensten und Trägern der Grundsicherung für Arbeit Suchende nach dem
SGB II durch und gewährleistet ein ausreichendes Kursangebot. Der Bund ist folglich gehalten, dies entsprechend auszubauen. Das ist im vergangenen Jahr massiv geschehen und der weitere Ausbau läuft.
Ich sehe hier die landesrechtlichen Sprachangebote subsidiär zu den Angeboten des Bundes. Wir wissen auch, dass die überwiegende Anzahl der Menschen mit Bleiberecht in den Wirkungskreis des SGB II einmündet. Daher lohnt es sich, einen Blick in den Bereich der Sprachförderung zu werfen. Da sehe ich in erster Linie die berufsbezogene Deutschförderung, die jetzt neu ist. Die Maßnahmen bauen in der Regel auf die allgemeine Sprachförderung der Integrationskurse auf.
Auch hier verhält es sich wie bei den Integrationskursen, die Durchführung ist Aufgabe des BAMF. Das BAMF berücksichtigt darüber hinaus die von der Bundesagentur für Arbeit und für die Durchführung der Grundsicherung zuständigen Stellen erstellten Meldungen und Bedarfe. Die Zuständigkeit und Verfahren sind je nach Rechtskreis unterschiedlich. Ausländerbehörden bestätigen die Teilnahmeberechtigung und das Recht auf Teilnahme am Integrationskurs. Die Träger der Grundsicherung machen das für diejenigen, die im Bereich der berufsbezogenen Deutschförderung infrage kommen und die Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
bestätigen, dass für bestimmte Leistungsberechtigte deren Recht auf Teilnahme an entsprechenden Spracherwerbsmaßnahmen angezeigt ist.
Ausgehend von dieser Steuerungslogik ist es wichtig, Informationen zu Sprachangeboten dort zusammenzuführen, wo sie im Integrationsprozess gebraucht werden, nämlich bei den unteren Ausländerbehörden, dem BAMF, den Jobcentern und der BA und nicht auf der Ebene des Freistaates. Frau Zais, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die zentrale Plattform dafür das KURSNET ist, das Portal der BA. Das beinhaltet nicht nur Informationen über Sprachkursangebote, sondern auch weitere Integrationsangebote. Ich gebe Ihnen recht, dass das noch ausbaufähig ist im Hinblick auf die geforderte Mehrsprachigkeit und als Übersicht für diejenigen, die außerhalb der Verwaltungen stehen. Aber es ist in Arbeit.
Gleichwohl macht es Sinn, die Transparenz bei den zahlreichen bestehenden Angeboten herzustellen. In Ergänzung der Regelangebote des Bundes haben wir ein Landessprachenprogramm auf den Weg gebracht. Einzelheiten regelt die Richtlinie „Integrative Maßnahmen“ in Teil 3. Dort ist aktuell eine Novellierung beabsichtigt. Dabei soll es insbesondere um Verfahrensvereinfachungen und eine bessere Steuerung von Landesintegrationsangeboten gehen. So ist beispielsweise in den Zuwendungsvoraussetzungen vorgesehen, dass Kursträger
künftig verpflichtet sind, ihre Angebote im Kurs.net einzutragen. Das Befüllen dieser Plattform mit Informationen über landesrechtlich geförderte Sprachkurse stellt in gewisser Weise eine Win-win-Situation für alle Beteiligten dar. Darüber hinaus finde ich hinsichtlich der aus Bundesmitteln geförderten Sprachkurse auf der Internet
seite des BAMF zahlreiche Informationen zu Angeboten des Bundes zu Integrationskursen, zu Orten, zur Platzkapazität.
Es sei hinsichtlich der Angebote des Freistaates Sachsen auf das Aufgabenspektrum der unteren Ausländerbehörde verwiesen, zu deren Tätigkeit es gehört, über Spracherwerb und die damit im Zusammenhang stehenden Möglichkeiten zu informieren. Aufklärung und Beratung sind seit jeher bewährte Bestandteile jedes Verwaltungsverfahrens. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass gerade die unteren Ausländerbehörden und die Jobcenter diese Aufgabe verantwortungsvoll wahrnehmen. Da jeder Einzelfall anders ist, zählt für mich das persönliche Gespräch. Dies ist durch keine mehrsprache Website zu ersetzen.
Wir haben ferner nach unserer Richtlinie „Integrative Maßnahmen“ noch kommunale Integrationskoordinatoren bei den Landkreisen zur Unterstützung der Verantwortungsträger in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden. Zu deren Aufgaben gehört es, die Unterstützung von niederschwelligen und ehrenamtlichen Initiativen im Bereich Spracherwerb, Orientierung sowie Kulturvermittlung, die mit kommunalen Trägern, Trägern der freien Wohlfahrtspflege, gemeinnützigen Trägern oder anerkannten Religionsgemeinschaften sowie deren Untergliederungen kooperieren können.
Kurzum, im Ergebnis ist festzustellen: Der Antrag ist gut gemeint. Ich teile vieles davon. Im Hinblick auf bestehende Verfahrens- und Zuständigkeitsregularien insbesondere im Bundesrecht ist es aus meiner Sicht jedoch wenig sinnvoll, dies weiter zu verfolgen.
Ich halte den Antrag inhaltlich für obsolet, auch aufgrund der zukünftig weiterhin vorgeschriebenen Befüllung der Landessprachkurse ins KURSNET der BA. Er dient insoweit auch nicht der gewohnten Vereinfachung und ist daher leider nicht zustimmungsfähig.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag soll die Staatsregierung aufgefordert werden, ein an erfolgreichen Projekten anderer Bundesländer orientiertes Präventionsprogramm zur Verhinderung islamistischer Radikalisierung und Indoktrination aufzulegen, das sich durch die frühzeitige und zielgruppenorientierte Ansprache verschiedener Risikogruppen auszeichnet und somit den Fokus auf Prophylaxe legt.
Kollege Lippmann hat es schon ausgeführt, neben jungen Geflüchteten sollen es insbesondere jugendliche Deutsche und Gefangene sein, an die sich das Angebot richtet. Das soll ergänzt werden durch eine aufsuchende Sozialarbeit und Gewaltprävention sowie andere der Deradikalisierung förderliche Maßnahmen. Das Programm soll zum Ziel haben, auch Bildungseinrichtungen zu sensibilisieren und
Strategien zu erarbeiten, wie einer Radikalisierung unter anderem durch religionspädagogische Angebote begegnet werden kann.
Gestatten Sie mir, dass ich für meine Fraktion dazu ganz kurz Stellung nehme und mich auf ein paar ausgewählte Schwerpunkte beschränke.
Die Notwendigkeit, frühzeitig gegen islamistische Radikalisierung vorzugehen, präventive und deradikalisierende Ansätze zu verfolgen, sehen wir ebenfalls. Darüber dürfte hier im Hohen Haus weitgehend Einigkeit bestehen. In Anbetracht der Debatten vom gestrigen Tag erübrigen sich an dieser Stelle weitere Ausführungen hinsichtlich der Notwendigkeit.
Bei der Frage, wie unsere Gesellschaft Gefährdungen durch extremistische islamistische Strömungen begegnen kann, richten sich gegenwärtig große Erwartungen auch auf Möglichkeiten pädagogischer und sozialpädagogischer Einflussnahme. Dabei geht es darum, diesen Tendenzen vorbeugend zu begegnen, aber auch darum, gefährdete oder bereits in diesen Szenen involvierte junge Menschen bei einer Distanzierung zu unterstützen.
Der Bedarf an entsprechenden Aktivitäten wird aktuell, leider auch aus gegebenen Anlässen heraus, als sehr hoch eingeschätzt. Dem steht allerdings noch eine vergleichsweise junge Fachtradition in der Forschung gegenüber. Denn eine gezielte pädagogische Arbeit zum Thema „Islamistischer Extremismus“ findet in Deutschland erst seit wenigen Jahren statt. Insofern können pädagogische Fachkräfte nur auf einem überschaubaren Erfahrungswissen aufbauen.
An dieser Stelle lohnt sich der Blick in die Tiefe der Fachwelt in einem kleinen Exkurs. Die Fachwelt unterscheidet in der Präventionsarbeit in der Regel drei unterschiedliche Ebenen: primäre, sekundäre und tertiäre Prävention.
Im Zusammenhang mit einer Prävention religiös begründeter Ideologisierung und Radikalisierung bedeutet das in der ersten Stufe vordergründig, Jugendlichen Anerkennung und Zugehörigkeit zu vermitteln, demokratische Werte und Prinzipien zu stärken und sich kritisch mit freiheitsfeindlichen Ideologien und Verhaltensweisen auseinanderzusetzen.
Im Bereich der Sekundärprävention fällt die Arbeit in ein bereits gefährdetes oder ideologisches Umfeld, wie beispielsweise aufsuchende Sozialarbeit oder Arbeit mit Fachkräften, die mit diesen in Kontakt sind und einzelne Jugendliche und junge Erwachsene gezielt ansprechen.